Immanuel Kant
Werkausgabe
I
Die Werke Immanuel Kants in der Ausgabe von Wilhelm Weischedel liegen in den suhrkamp taschenbüchern wissenschaft in zwölf Bänden sowie geschlossen als Werkausgabe in Kassette vor:
Band I: Vorkritische Schriften bis 1768 1 (stw 186)
Band II: Vorkritische Schriften bis 1768 2 (stw 187)
Band III: Kritik der reinen Vernunft 1 (stw 55)
Band IV: Kritik der reinen Vernunft 2 (stw 55)
Band V: Schriften zur Metaphysik und Logik 1 (stw 188)
Band VI: Schriften zur Metaphysik und Logik 2 (stw 189)
Band VII: Kritik der praktischen Vernunft.Grundlegung zur Metaphysik der Sitten (stw 56)
Band VIII: Die Metaphysik der Sitten (stw 190)
Band IX: Schriften zur Naturphilosophie (stw 191)
Band X: Kritik der Urteilskraft (stw 57)
Band XI: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 1
(stw 192)
Band XII: Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie, Politik und Pädagogik 2
(stw 193)
Immanuel Kant
Vorkritische Schriften bis 1768
1
Herausgegeben
von Wilhelm Weischedel
Diese Ausgabe ist text- und seitengleich
mit Band I der Theorie-Werkausgabe Immanuel Kant,
Werke in 12 Bänden, Frankfurt 1968.
Herausgegeben von Wilhelm Weischedel
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Kant, Immanuel:
Werkausgabe: in 12 Bänden/Immanuel Kant.
Hrsg. Von Wilhelm Weischedel. – Frankfurt am Main :
Suhrkamp.
ISBN 3-518-09243-X
NE: Kant, Immanuel: [Sammlung]
Bd. 1. Vorkritische Schriften bis 1768.-1.- 6. Aufl.-1991
(Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft; 186)
ISBN 3-518-27786-3
NE: GT
suhrkamp taschenbuch wissenschaft 186
Erste Auflage 1977
Ó Insel Verlag Wiesbaden 1960
Alle Rechte an dieser Ausgabe
beim Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main
Suhrkamp Taschenbuch Verlag
Druck: Nomos Verlegsgesellschaft, Baden-Baden
Printed in Germany
Umschlag nach Entwürfen von
Willy Fleckhaus und Rolf Staudt
6 7 8 9 10 11 – 96 95 94 93 92 91
I N H A L T
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte
und Beurteilung der Beweise, derer sich Herr von Leibniz
und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedienet haben,
nebst einigen vorhergehenden Betrachtungen,
welche die Kraft der Körper überhaupt betreffen
Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels,
oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge
des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt
Principiorum primorum cognitionis metaphysicae nova dilucidatio
Neue Erhellung der ersten Grundsätze metaphysischer Erkenntnis
G E D A N K E N V O N D E R W A H R E N S C H Ä T Z U N G
D E R L E B E N D I G E N K R Ä F T E
U N D B E U R T E I L U N G D E R B E W E I S E,
D E R E R S I C H H E R R V O N L E I B N I Z
U N D A N D E R E M E C H A N I K E R
I N D I E S E R S T R E I T S A C H E B E D I E N E T H A B E N,
N E B S T E I N I G E N V O R H E R G E H E N D E N
B E T R A C H T U N G E N, W E L C H E D I E
K R A F T D E R K Ö R P E R Ü B E R H A U P T
B E T R E F F E N
TITEL DER ORIGINALAUSGABE (A)
_____
Gedanken von der wahren Schätzung der lebendigen Kräfte und Beurtheilung der Beweise derer sich Herr von Leibnitz und andere Mechaniker in dieser Streitsache bedienet haben, nebst einigen vorhergehenden Betrachtungen welche die Kraft der Körper überhaupt betreffen, durch Immanuel Kant.
Königsberg,
gedruckt bey Martin Eberhard Dorn.
1746.
[[A I>> DEM HOCHEDELGEBORNEN,
HOCHGELAHRTEN UND HOCHERFAHRNEN HERRN,
HERRN JOHANN CHRISTOPH BOHLIUS,
DER MEDIZIN DOKTORN
UND ZWEITEN ORDENTLICHEN PROFESSORN
AUF DER AKADEMIE ZU KÖNIGSBERG,
WIE AUCH KÖNIGLICHEN LEIBMEDICO,
MEINEM INSONDERS HOCHZUEHRENDEN
GÖNNER
[[A II>> H o c h e d e l g e b o r n e r H e r r,
H o c h g e l a h r t e r u n d H o c h e r f a h r n e r H e r r
D o k t o r,
I n s o n d e r s H o c h z u e h r e n d e r G ö n n e r !
An wen kann ich mich besser wenden, als an E w. H o c h e d e l g e b o r n e n, um von einer so schlechten Sache, als gegenwärtige Schrift ist, allen Vorteil zu ziehen ? Nach dem besondern Merkmale der Gütigkeit, welehes Dieselben mir erzeiget haben, wage ich es zu hoffen, dass diese Freiheit von E w. H o c h e d e l g e b o r n e n auch als ein Be[[A III>>weistum meiner Dankbarkeit werde aufgenommen werden. Die Beschaffenheit dieses Werkchens hst nichts an sich, worauf ich in Ansehung dessen einige Zuversicht bauen könnte; denn die Ehre, seine Abhandlung mit D e r o Namen auszuzieren, ist es nicht, woraus man E w. H o c h e d e l g e b o r n e n ein Geschenk machen könnte. Eine Menge unvollkommener Gedanken, die vielleicht an sich unrichtig sind, ader doch durch die Niedrigkeit ihres Verfassers allen Wert verlieren, die mich endlich hinlänglich überzeugen: dass sie nicht würdig sind, D e n e n s e l b e n gewidmet zu werden, das ist alles, was ich in meiner Macht habe, um es E w. H o c h e d e l g e b o r n e n zu überreichen. Ich mache mir diesem ungeachtet, vermittelst des vollkommenen Begriffes, den ich von D e r o Gütigkeit gefasset habe, die Hoffnung: dass selbige mir den Dienst [[A IV>> leisten werden, den ich am meisten hochschätze, nämlich E w. H o c h e d e l g e b o r n e n meine Erkenntlichkeit gegen D i e s e l b e zu erkennen zu geben. Ich werde hinfüro mehr wie eine Gelegenheit haben, mich an die Verbindlichkeit zu erinnern, womit ich I h n e n verpflichtet bin; allein die gegenwärtige wird mit eine von den besten sein, womitich öffentlich bekenne, dass ich mit immerwährender Hochachtung verharre,
H o c h e d e l g e b o r n e r H e r r,
H o c h g e l a h r t e r u n d H o c h e r f a b r n e r H e r r D o k t o r,
I n s o n d e r s H o c h z u e h r e n d e r G ö n n e r,
E w. H o c h e d e l g e b o r n e n
Königsberg, verpflichtetester Diener
den 22. Aprif, 1747. I m m a n u e l K a n t.
[[A V>> VORREDE
Nihil magis praestandum est, quam ne pecorum ritu sequamur antecedentium gregem, pergentes, non qua eundum est, sed qua itur.*
S e n e c a, de vita beata Cap. I.
I
Ich glaube, ich habe Ursache, von dem Urteile der Welt, dem ich diese Blätter überliefere, eine so gute Meinung zu fassen, dass diejenige Freiheit, die ich mir herausnehme, grossen Männern zu widersprechen, mir vor kein Verbrechen werde ausgelegt werden. Es war eine Zeit, da man bei einem solchen Unterfangen viel zu befürchten hatte, allein ich bilde mir ein, diese Zeit sei nunmehro vorbei, und der menschliche Verstand habe sich schon der Fesseln glücklich entschlagen, die ihm Unwissenheit und Bewunderung ehemals angelegt hatten. Nunmehro kann man es kühnlich wagen, das Ansehen derer N e w t o n s und L e i b [[A VI>> n i z e vor nichts zu achten, wenn es sich der Entdeckung der Wahrheit entgegen setzen sollte, und keinen andern Überredungen als dem Zuge des Verstandes zu gehorchen.
II
Wenn ich es unternehme, die Gedanken eines Herrn von L e i b n i z, W o l f f e n, H e r m a n n s, B e r n o u l l i, B ü l f i n g e r s und anderer zu verwerfen, und denen meinigen den Vorzug einzuräumen: so wollte ich auch nicht gerne schlechtere Richter als dieselbe haben, denn ich weiss, ihr Urteil, wenn es meine Meinungen verwürfe, würde die Absicht derselben doch nicht verdammen. Man kann diesen Männern kein vortrefflicher Lob geben, als dass man alle Meinungen, ohne ihre eigene davon auszunehmen, vor ihnen ungescheut tadeln dörfe. Eine Mässigung von dieser Art war, obzwar bei einer andern Gelegenheit, einem grossen Manne des Altertums sehr ruhmwürdig. Timoleon wurde ohngeachtet der Verdienste, die er und die1 Freiheit von Syrakus hatte einsmals vor Gericht gefordert. Die Richter entrüsteten sich über die Vermessenheit seiner Ankläger. Allein Timoleon betrachtete diesen Zufall ganz anders. Ein solches Unternehmen konnte einem Manne nicht missfallen, der sein ganzes Vergnügen darin setzte, sein Vaterland in der vollkommensten Freiheit zu sehen. Er beschützte diejenige, die sich ihrer Freiheit so gar wider ihn selber bedieneten. Das ganze Altertum hat dieses Verfahren mit Lobsprüchen begleitet.
Nach so grossen Bemühungen, die sich die grössesten Männer um die Freiheit des menschlichen Verstandes gegeben haben, sollte man da wohl Ursache haben zu befürchten, dass ihnen der Erfolg derselben missfallen werde ?
III
Ich werde mich dieser Mässigung und Billigkeit zu meinem Vorteil bedienen. Allein ich werde sie nur da antreffen, wo sich das Merkmal des Verdienstes und ei[[A VII>>ner vorzüglichen Wissenschaft hervortut. Es ist ausser diesem noch ein grosser Haufe übrig, über den das Vorurteil und das Ansehen grosser Leute annoch eine grausame Herrschaft führet. Diese Herren, die gerne vor Schiedsrichter in der Gelehrsamkeit angesehen sein wollten, scheinen sehr geschickt zu sein, von einem Buche zu urteilen, ohne es gelesen zu haben. Um es dem Tadel preis zu geben, darf man ihnen nur den Titel desselben zeigen. Wenn der Verfasser unbekannt, ohne Charakter und Verdienste ist, so ist das Buch nicht wert, dass die Zeit damit verdorben werde; noch mehr aber, wenn er sich grosser Dinge unternimmt, berühmte Männer zu tadeln, Wissenschaften zu verbessern, und seine eigene Gedanken der Welt anzupreisen. Wenn es vor dem Richterstuhle der Wissenschaften auf die Anzahl ankäme, so würde ich eine sehr verzweifelte Sache haben. Allein diese Gefahr macht mich nicht unruhig. Dies sind diejenige, die, wie man sagt, nur unten am Parnass wohnen, die kein Eigentum besitzen, und keine Stimme in der Wahl haben.
IV
Das Vorurteil ist recht vor den Menschen gemacht, es tut der Bequemlichkeit und der Eigenliebe Vorschub, zweien Eigenschaften, die man nicht ohne die Menschheit ableget. Derjenige, der von Vorurteilen eingenommen, erhebet gewisse Männer, die es umsonst sein würde zu verkleinern und zu sich herunterzulassen, über alle andere zu einer unersteiglichen Höhe. Dieser Vorzug bedecket alles übrige mit dem Scheine einer vollkommenen Gleichheit, und lässt ihn den Unterscheid nicht gewahr werden, der unter diesen annoch herrschet, und der ihn sonst der verdrüsslichen Beobachtung aussetzen würde, zu sehen, wie vielfach man noch von denenjenigen übertroffen werde, die noch innerhalb der Mittelmässigkeit befindlich sind.
[[A VIII>> So lange also die Eitelkeit der menschlichen Gemüter noch mächtig sein wird, so lange wird sich das Vorurteil auch erhalten, d. i. es wird niemals aufhören.
V
Ich werde in dem Verfolg dieser Abhandlung kein Bedenken tragen, den Satz eines noch so berühmten Mannes freimütig zu verwerfen, wenn er sich meinem Verstande als falsch darstellet. Diese Freiheit wird mir sehr verhasste Folgen zuziehen. Die Welt ist sehr geneigt zu glauben: dass derjenige, der in einem oder dem andern Falle eine richtigere Erkenntnis zu haben glaubet, als etwa ein grosser Gelehrter, sich auch in seiner Einbildung gar über ihn setze. Ich unterstehe mich zu sagen, daŕ dieser Schein sehr betrüglich sei, und dass er hier würklich betrüge.
Es befindet sich in der Vollkommenheit des menschlichen Verstandes keine solche Proportion und Ähnlichkeit, als etwa in dem Baue des menschlichen Körpers: bei diesem ist es zwar möglich, aus der Grösse eines und des andern Gliedes einen Schluss auf die Grösse des Ganzen zu machen allein bei der Fähigkeit des Verstandes ist es ganz anders. Die Wissenschaft ist ein unregelmässiger Körper, ohne Ebenmass und Gleichförmigkeit. Ein Gelehrter von Zwerggrösse übertrifft öfters an diesem oder jenem Teile der Erkenntnis einem andern1, der mit dem ganzen Umfange seiner Wissenschaft dennoch weit über ihn hervorraget. Die Eitelkeit des Menschen erstrecket sich allem Ansehen nach nicht so weit, dass sie diesen Unterscheid nicht sollte gewahr werden, und die Einsicht einer und der andern Wahrheit mit dem weiten Inbegriffe einer vorzüglichen Erkenntnis vor einerlei halten sollte; zum wenigsten weiss ich, dass man mir Unrecht tun würde, wenn man mir diesen Vorwurf machte.
[[A IX>> VI
Die Welt ist so ungereimt nicht, zu denken, ein Gelehrter von Range sei der Gefahr zu irren gar nicht mehr unterworfen. Allein dass ein niedriger und unbekannter Schriftsteller diese Irrtümer vermieden habe, aus denen einen grossen Mann alle seine Scharfsinnigkeit nicht hat retten können, das ist die Schwierigkeit, die so leicht nicht zu verdauen ist. Es stecket viel Vermessenheit in diesen Worten: D i e W a h r h e i t, u m d i e s i c h d i e g r ö s s e s t e n M e i s t e r d e r m e n s c h l i c h e n E r k e n n t n i s v e r g e b l i c h b e w o r b e n h a b e n, h a t s i c h m e i n e m V e r s t a n d e z u e r s t d a r g e s t e l l e t. Ich wage es nicht, diesen Gedanken zu rechtfertigen, allein ich wollte ihm auch nicht gerne absagen.
VII
Ich stehe in der Einbildung, es sei zuweilen nicht unnütze, ein gewisses edles Vertrauen in seine eigene Kräfte zu setzen. Eine Zuversicht von der Art belebet alle unsere Bemühungen, und erteilet ihnen einen gewissen Schwung der der Untersuchung der Wahrheit sehr beförderlich ist. Wenn man in der Verfassung stehet, sich überreden zu können, dass man seiner Betrachtung noch etwas zutrauen dörfe, und dass es möglich sei, einen Herrn von Leibniz auf Fehler zu ertappen, so wendet man alles an, seine Vermutung wahr zu machen. Nachdem man sich nun tausendmal bei einem Unterfangen verirret hat, so wird der Gewinst, der hiedurch der Erkenntnis der Wahrheiten zugewachsen ist, dennoch viel erheblicher sein, als wenn man nur immer die Heeresstrasse gehalten hatte.
Hierauf gründe ich mich. Ich habe mir die Bahn schon vorgezeichnet, die ich halten will. Ich werde meinen Lauf antreten und nichts soll mich hindern, ihn fortzusetzen.
VIII
Es ist noch ein neuer Einwurf, den man mir machen wird, und dem ich wie es scheinet zuvor kommen muss. [[A X>> Man wird mich zuweilen in dem Tone eines Menschen hören, der von der Richtigkeit seiner Sätze sehr wohl versichert ist, und der nicht befürchtet, dass ihm werde widersprochen werden, oder dass ihn seine Schlüsse betrügen können. Ich bin so eitel nicht, mir dieses in der Tat einzubilden, ich habe auch nicht Ursache, meinen Sätzen den Schein eines Irrtums so sorgfältig zu benehmen; denn nach so viel Fehltritten, denen der menschliche Verstand zu allen Zeiten unterworfen gewesen, ist es keine Schande mehr geirret zu haben. Es stecket eine ganz andere Absicht unter meinem Verfahren. Der Leser dieser Blätter ist ohne Zweifel schon durch die Lehrsätze, die itzo von den lebendigen Kräften im Schwange gehen, vorbereitet, ehe er sich zu meiner Abhandlung wendet. Er weiss es was man gedacht hat, ehe Leibniz seine Kräftenschätzung der Welt ankündigte, und der Gedanke dieses Mannes muss ihm auch schon bekannt sein. Er hat sich ohnfehlbar durch die Schlüsse einer von beiden Parteien gewinnen lassen, und allem Absehen nach ist dieses die Leibnizische Partei, denn ganz Deutschland hat sich itzo zu derselben bekannt. In dieser Verfassung lieset er diese Blätter. Die Verteidigungen der lebendigen Kräfte haben unter der Gestalt geometrischer Beweise seine ganze Seele eingenommen. Er siehet meine Gedanken also nur als Zweifel an, und, wenn ich sehr glücklich bin, noch etwa als scheinbare Zweifel, deren Auflösung er der Zeit überlässet, und die der Wahrheit dennoch nicht hinderlich fallen können. Hingegen muss ich meine ganze Kunst anwenden, um die Aufmerksamkeit des Lesers etwas länger bei mir aufzuhalten. Ich muss mich ihm in dem ganzen Lichte der Überzeugung darstellen, das meine Beweise mir gewähren, um ihn auf die Gründe aufmerksam zu machen, die mir diese Zuversicht einflössen.
[[A XI>> Wenn ich meine Gedanken nur unter dem Namen der Zweifel vortrüge, so würde die Welt, die ohnedem geneigt ist, sie vor nichts Besseres anzusehen, sehr leicht über dieselbige hinweg sein; denn eine Meinung, die man einmal glaubet erwiesen zu haben, wird sich noch sehr lange im Beifalle erhalten, wenn gleich die Zweifel, durch die sie angefochten wird, noch so scheinbar sind, und nicht leichtlich können aufgelöset werden.
Ein Sehriftsteller ziehet gemeiniglich seinen Leser unvermerkt mit in diejenige Verfassung, in der er sich bei Verfertigung seiner Sehrift selber befunden hatte. leh wollte ihm also, wenn es möglich wäre, lieber den Zustand der Überzeugung, als des Zweifels mitteilen; denn jener würde mir, und vielleicht aueh der Wahrheit, vorteilhafter sein, als dieser. Dieses sind die kleinen Kunstgriffe, die ich itzo nicht verachten muss, um das Gleichgewicht der Waage nur einigermassen herzustellen, in der das Ansehen grosser Männer einen so gewaltigen Ausschlag gibet.
IX
Die letzte Schwierigkeit, die ieh noch wegräumen will, ist diejenige, die man mir wegen der Unhöflichkeit machen wird. Es scheinet: dass ich denen Männern, die ich mich unterfangen habe zu widerlegen, mit mehr Ehrerbietigkeit hätte begegnen können, als ich würklich getan habe. Ich hätte mein Urteil, das ich über ihre Sätze fälle, in einem viel gelindern Tone aussprechen sollen. Ich hätte sie nicht I r r t ü m e r, F a l s c h h e i t e n oder auch V e r b l e n d u n g e n nennen sollen. Die Härte dieser Ausdrücke scheinet denen grossen Namen verkleinerlich zu sein, gegen die sie gerichtet sind. Zu der Zeit der Unterscheidungen, welche auch die Zeit der Rauhigkeit der Sitten war, würde man geantwortet haben: dass man die Sätze von allen persönlichen Vorzügen ihrer Urheber abgesondert beurteilen müsse. Die Höflichkeit dieses Jahrhunderts aber leget mir ein [[A XII>> ganz ander Gesetze auf. Ich würde nicht zu entschuldigen sein, wenn die Art meines Ausdrucks die Hochachtung, die das Verdienst grosser Männer von mir fordert, beleidigte. Allein ich bin versichert, dass dieses nicht sei. Wenn wir neben den grössesten Entdeckungen offenbare Irrtümer antreffen: so ist dieses nicht so wohl ein Fehler des Menschen, als vielmehr der Menschheit; und man würde dieser, in der Person der Gelehrten gar zu viel Ehre antun, wenn man sie von denenselben gänzlich ausnehmen wollte. Ein grosser Mann, der sich ein Gebäude von Sätzen errichtet, kann seine Aufmerksamkeit nicht auf alle mögliche Seiten gleich stark kehren. Er ist in einer gewissen Betrachtung insbesondere verwickelt, und es ist kein Wunder, wenn ihm alsdenn von irgend einer andern Seite Fehler entwischen, die er ohnfehlbar vermieden haben würde, wenn er ausserhalb dieser Beschäftigung nur seine Aufmerksamkeit auf dieselbe gerichtet hätte.
Ich will die Wahrheit nur ohne Umschweife gestehen. Ich werde nicht ungeneigt sein, diejenige Sätze vor würkliche Irrtümer und Falschheiten zu halten, welche in meiner Betrachtung unter dieser Gestalt erscheinen; und warum sollte ich mir den Zwang antun, diesen Gedanken in meiner Schrift so ängstiglich zu verbergen, um dasjenige zu scheinen, was ich nicht denke, was aber die Welt gerne hätte, dass ich es dächte ?
Und überhaupt zu reden, würde ich mit der Zeremonie auch schlecht zurechte kommen, allen meinen Urteilen, die ich über grosse Männer ausspreche, einen gewissen Schwung der Artigkeit zu erteilen, die Ausdrücke geschickt zu mildern, und überall das Merkmal der Ehrerbietigkeit sehen zu lassen; diese Bemühung würde mich wegen der Wahl derer Wörter öfters in eine verdrüssliche Enge bringen, und mich der Notwendigkeit unterwerfen, über den Fusssteig der philosophischen Betrachtung von allen auszuschweifen. I c h w i l l m i c h a l s o d e r G e l e g e n h e i t [[A XIII>> d i e s e s V o r b e r i c h t e s b e d i e n e n, e i n e ö f f e n t l i c h e E r k l ä r u n g d e r E h r e r b i e t i g k e i t u n d H o c h a c h t u n g z u t u n, d i e i c h g e g e n d i e g r o s s e n M e i s t e r u n s e r e r E r k e n n t n i s, w e l c h e i c h i t z o d i e E h r e h a b e n w e r d e m e i n e G e g n e r z u h e i s s e n, j e d e r z e i t h e g e n w e r d e, u n d d e r d i e F r e i h e i t m e i n e r s c h l e c h t e n U r t e i l e n i c h t d e n g e r i n g s t e n A b b r u c h t u n k a n n.
X
Nach den verschiedenen Vorurteilen, die ich mich itzo bemühet habe wegzuräumen, bleibt dennoch endlich noch ein gewisses rechtmässiges Vorurteil übrig, dem ich dasjenige, was in meiner Schrift etwa noch Überzeugendes anzutreffen wäre, insbesondere zu verdanken habe. Wenn viele grosse Männer von bewährter Scharfsinnigkeit und Urteilskraft teils durch verschiedene, teils durch einerlei Wege zur Behauptung eben desselben Satzes geleitet werden, so ist eine weit wahrscheinlichere Vermutung, dass ihre Beweise richtig sind, als dass der Verstand irgend eines schlechten Schriftstellers die Schärfe in denenselben genauer sollte beobachtet haben. Es hat dieser daher grosse Ursache, den Vorwurf seiner Betrachtung sich besonders klar und eben zu machen, denselben so zu zergliedern, und auseinander zu setzen, dass, wenn er vielleicht einen Fehlschluss beginge, derselbe ihm doch alsbald in die Augen leuchten müsste; denn es wird vorausgesetzt: dass, wenn die Betrachtung gleich verwickelt ist, derjenige eher die Wahrheit entdecken werde, der dem andern an Scharfsinnigkeit vorgehet. Er muss seine Untersuchung also, so viel möglich, einfach und leicht machen, damit er nach dem Masse seiner Urteilskraft in seiner Betrachtung eben so viel Licht und Richtigkeit vermuten könne, als der andere nach dem Masse der seinigen in einer viel verwickeltern Untersuchung.
Diese Beobachtung habe ich mir in der Ausführung meines Vorhabens ein Gesetz sein lassen, wie man bald wahrnehmen wird.
[[A XIV>> XI
Wir wollen, ehe wir diesen Vorbericht endigen, uns den itzigen Zustand der Streitsache vonden l e b e n d i g e n K r ä f t e n annoch kürzlich bekannt machen.
Der Herr von Leibniz hat allem Ansehen nach die lebendigen Kräfte in denen Fällen nicht zuerst erblicket, darin er sie zuerst der Welt darstellete. Der Anfang einer Meinung ist gemeiniglich viel einfacher, besonders einer Meinung, die etwas so Kühnes und Wunderbares mit sich führet, als die von der Schätzung nach dem Quadrat. Man hat gewisse Erfahrungen, die sehr gemein sind und dadurch wir wahrnehmen: dass eine würkliche Bewegung, z. E. ein Schlag oder Stoss, immer mehr Gewalt mit sich führe, als ein toter Druck, wenn er gleich noch stark1 ist. Diese Beobachtung war vielleicht der Same eines Gedankens, der unter den Händen des Herrn von Leibniz nicht unfruchtbar bleiben konnte, und der nach der Hand zu der Grösse eines der berühmtesten Lehrgebäuden erwuchs.
XII
Überhaupt zu reden, scheinet die Sache der lebendigen Kräfte so zu sagen recht dazu gemacht zu sein, dass der Verstand einmal, es hätte auch zu einer Zeit sein mögen welche es wollte, durch dieselbe musste verführet werden. D i e ü b e r w ä l t i g t e n H i n d e r n i s s e d e r S c h w e r e, d i e v e r r ü c k t e M a t e r i e n, d i e z u g e d r ü c k t e F e d e r n, d i e b e w e g t e M a s s e n, d i e i n z u s a m m e n g e s e t z t e r B e w e g u n g e n t s p r i n g e n d e G e s c h w i n d i g k e i t e n, alles stimmet auf eine wunderbare Art zusammen, den Schein der S c h ä t z u n g n a c h d e m Q u a d r a t zuwege zu bringen. Es gibt eine Zeit, darin die Vielheit der Beweise dasjenige gilt, was zu einer andern ihre Schärfe und Deutlichkeit ausrichten würde. Diese Zeit ist itzo unter den Verteidigern der lebendigen Kräfte vorhanden. Wenn sie bei einem oder dem andern von ihren Beweisen etwa wenig Über[[A XV>>zeugung fühlen, so befestiget der Schein der Wahrheit, der sich dagegen von desto mehr Seiten hervortut, ihren Beifall und lässt ihn nicht wankend werden.
XIII
Es ist schwerer zu sagen, auf welcher Seite sich bis daher in der Streitsache der lebendigen Kräfte die Vermutung des Sieges am meisten gezeiget habe. Die zwei Herren B e r n o u l l i, Herr von L e i b n i z und H e r m a n n, die an der Spitze der Philosophen ihrer Nation standen, konnten durch das Ansehen der übrigen Gelehrten von Europa nicht überwogen werden. Diese Männer, die alle Waffen der Geometrie in ihrer Macht hatten, waren allein vermögend, eine Meinung empor zu halten, die sich vielleicht nicht hätte zeigen dörfen, wenn sie sich in den Händen eines minder berühmten Verteidigers befunden hätte.
So wohl die Partei des Cartesius, als die des Herrn von Leibniz, haben vor ihre Meinung alle die Überzeugung empfunden, der man in der menschlichen Erkenntnis gemeiniglich nur fähig ist. Man hat von beiden Teilen über nichts als das Vorurteil der Gegner geseufzet, und jedwede Partei hat geglaubet, ihre Meinung würde unmöglich können in Zweifel gezogen werden, wenn die Gegner derselben sich nur die Mühe nehmen wollten, sie in einem rechten Gleichgewichte der Gemütsneigungen anzusehen.
Indessen zeiget sich doch ein gewisser merkwürdiger Unterscheid, unter der Art, womit sich die Partei der lebendigen Kräfte zu erhalten suchet, und unter derjenigen, womit die Schätzung des Cartesius sich verteidiget. Diese berufet sich nur auf einfache Fälle, in denen die Entscheidung der Wahrheit und des Irrtums leicht und gewiss ist, jene im Gegenteil machet ihre Beweise so verwickelt und dunkel als möglich, und rettet sich so zu sagen durch Hülfe der Nacht aus einem Gefechte, darin sie vielleicht bei einem rechten Lichte der Deutlichkeit allemal den kürzern ziehen würde.
[[A XVI>> Die Leibnizianer haben auch noch fast alle Erfahrungen auf ihrer Seite; dies ist vielleicht das einzige, was sie vor den Cartesianern voraus haben, Die Herren P o l e n i, s’G r a v e s a n d e, und V a n M u s s c h e n b r o e k haben ihnen diesen Dienst geleistet, davon die Folgen vielleicht vortrefflich sein würden, wenn man sich derselben richtiger bedient hätte.
Ich werde in diesem Vorberichte keine Erzählung von demjenigen machen, was ich in gegenwärtiger Abhandlung in der Sache der lebendigen Kräfte zu leisten gedenke. Dieses Buch hat keine andere Hoffnung gelesen zu werden, als diejenige, die es auf seine Kürze bauet; es wird also dem Leser leicht sein, sich seinen Inbegriff selber bekannt zu machen.
Wenn ich meiner eigenen Einbildung etwas zutrauen dürfte: so würde ich sagen, meine Meinungen könnten einige nicht unbequeme Handleistungen tun, eine der grössten Spaltungen, die itzo unter den Geometrern von Europa herrschet, beizulegen. Allein diese Überredung ist eitel: Das Urteil eines Menschen gilt nirgends weniger als in seiner eigenen Sache. Ich bin vor die meinige so sehr nicht eingenommen, dass ich ihr zum besten einem Vorurteile der Eigenliebe Gehör geben wollte. Indessen mag es hiemit beschaffen sein wie es wolle, so unterstehe ich es mir doch, mit Zuversicht vorauszusagen: Dieser Streit werde entweder im kurzen abgetan werden oder er werde niemals aufhören.
[[A 3>> ERSTES HAUPTSTÜCK,
VON DER KRAFT DER KÖRPER ÜBERHAUPT
- 1
Jedweder Körper hat eine wesentliche Kraft
Weil ich glaube, dass es etwas zu der Absicht beitragen kann, welche ich habe, die Lehre von den lebendigen Kräften einmal gewiss und entscheidend zu machen, wenn ich vorher einige metaphysische Begriffe von der Kraft der Körper überhaupt festgesetzet habe: so werde ich hievon den Anfang machen.
Man sagt, dass ein Körper, der in Bewegung ist, eine Kraft habe. Denn Hindernisse überwinden, Federn spannen, Massen verrücken: dieses nennet alle Welt würken. Wenn man nicht weiter siehet, als etwa die Sinne lehren, so hält man diese Kraft vor etwas, was dem Körper ganz und gar von draussen mitgeteilet worden, und wovon er nichts hat wenn er in Ruhe ist. Der ganze Haufe [[A 4>> der Weltweisen vor Leibnizen war dieser Meinung, den einzigen Aristoteles ausgenommen. Man glaubt, die dunkele Entelechie dieses Mannes sei das Geheimnis vor die Würkungen der Körper. Die Schullehrer insgesamt, die alle dem Aristoteles folgeten, haben dieses Rätsel nicht begriffen, und vielleicht ist es auch nicht dazu gemacht gewesen, dass es jemand begreifen sollte. Leibniz, dem die menschliche Vernunft so viel zu verdanken hat, lehrete zuerst, dass dem Körper eine wesentliche Kraft beiwohne, die ihm so gar noch vor der Ausdehnung zukommt. Est aliquid praeter extensionem imo extensione prius1; dieses sind seine Worte.
- 2
Diese Kraft der Körper nannte Leibniz überhaupt die w ü r k e n d e K r a f t
Der Erfinder nennete diese Kraft mit dem allgemeinen Namen der würkenden Kraft. Man hätte ihm in den Lehrgebäuden der Metaphysik nur auf dem Fusse nachfolgen sollen; allein man hat diese Kraft etwas näher zu bestimmen gesucht. Der Körper, heisst es, hat eine bewegende Kraft, denn man siehet ihn sonsten nichts tun als Bewegungen hervorbringen. Wenn er drucket, so strebt er nach der Bewegung, allein alsdenn ist die Kraft in der Ausübung, wenn die Bewegung würklich ist. Ich behaupte aber, dass wenn man dem Körper eine wesentliche bewegende Kraft (vim motricem) beileget, damit man eine Antwort auf die Frage von der Ursache der Bewegung fertig habe, so übe man in gewisser Masse den Kunstgriff aus, dessen sich die Schullehrer bedienten, indem sie in der Untersuchung der Gründe der Wärme, oder der Kälte, zu einer vi calorifica oder frigifaciente ihre Zuflucht nahmen.
[[A 5>> § 3
Man sollte billig die wesentliche Kraft vim motricem1 nennen
Man redet nicht richtig, wenn man die Bewegungzu einer Art Würkungen machet, und ihr deswegen eine gleichnamige Kraft beileget. Ein Körper, dem unendlich wenig Widerstand geschiehet, der mithin fast gar nicht würket, der hat am meisten Bewegung. Die Bewegung ist nur das äusserliche Phaenomenon des Zustandes des Körpers, da er zwar nicht würket, aber doch bemühet ist zu würken, allein wenn er seine Bewegung durch einen Gegenstand plötzlich verlieret, das ist in dem Augenblicke, darin er zur Ruhe gebracht wird, darin würkt er. Man sollte daher die Kraft einer Substanz nichtvon demjenigen benennen,was gar keine Würkung ist, noch viel weniger aber von den Körpern, die im Ruhestande würken, (z. E. von einer Kugel, die den Tisch worauf sie lieget durch ihre Schwere drücket) sagen, dass sie eine Bemühung haben, sich zu bewegen. Denn weil sie alsdenn nicht würken würden wenn sie sich bewegten, so müsste man sagen: indem ein Körper würket, so hat er eine Bemühung, in den Zustand zu geraten, darin er nicht würket. Man wird also die Kraft eines Körpers viel eher eine vim activam überhaupt, als eine vim motricem nennen sollen.
- 4
Wie die Bewegung aus der w ü r k e n d e n K r a f t überhaupt kann erkläret werden
Es ist aber nichts leichter, als den Ursprung dessen, was wir Bewegung nennen, aus den allgemeinen Begriffen der würkenden Kraft herzuleiten. Die Substanz A, deren Kraft dahin bestimmt wird, ausser sich zu würken (das ist den innern Zustand anderer Substanzen zu ändern), findet entweder in dem ersten Augenblicke ihrer Bemühung sogleich ei[[A 6>>nen Gegenstand, der ihre ganze Kraft erduldet, oder er findet1 einen solchen nicht. Wenn das erstere allen Substanzen begegnete, so würden wir gar keine Bewegung kennen, wir würden also auch die Kraft der Körper von derselben nicht benennen. Wenn aber die Substanz A in dem Augenblicke ihrer Bemühung ihre ganze Kraft nicht anwenden kann, so wird sie nur einen Teil derselben anwenden. Sie kann aber mit dem übrigen Teile derselben nicht untätig bleiben. Sie muss vielmehr mit ihrer ganzen Kraft würken, denn sie würde sonsten aufhören, eine Kraft zu heissen, wenn sie nicht ganz angewandt würde. Daher, weil die Folgen dieser Ausübung in dem koexistierenden Zustande der Welt nicht anzutreffen sind, wird man sie in der zweiten Abmessung derselben, nämlich in der sukzessiven Reihe der Dinge finden müssen. Der Körper wird daher seine Kraft nicht auf einmal, sondern nach und nach anwenden. Er kann aber in den nachfolgenden Augenblicken in eben dieselbe Substanzen nicht würken, in die er gleich anfänglich würkte, denn diese erdulden nur den ersten Teil seiner Kraft, das übrige aber sind sie nicht fähig anzunehmen; also würket A nach und nach immer in andere Substanzen. Die Substanz C aber, in die er im zweiten Augenblicke würket, muss gegen A eine ganz andere Relation des Orts und der Lage haben, als B, in welches er gleich anfangs würkete, denn sonst wäre kein Grund, woher A nicht im Anfange auf einmal sowohl in die Substanz C als in B gewürkt hätte. Eben so haben die Substanzen, in die er in den nachfolgenden Augenblicken würket, jedwede eine verschiedene Lage gegen den ersten Ort des Körpers A. [[A 7>> Das heisst, A verändert seinen Ort, indem er successive würket.
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Was vor Schwierigkeiten daraus, in die Lehre von der Würkung des Körpers in die Seele, fliessen, wenn man diesen1 keine andere Kraft als die vim motricem beileget
Weil wir nicht deutlich gewahr werden was ein Körper tut, wenn er im Zustande der Ruhe würket, so denken wir immer auf die Bewegung zurück die erfolgen würde, wenn man den Widerstand wegräumete. Es wäre genug, sich derselben dazu zu bedienen, dass man einen äusserlichen Charakter von demjenigen hätte, was in dem Körper vorgehet und was wir nicht sehen können. Allein gemeiniglich wird die Bewegung als dasjenige angesehen, was die Kraft tut, wenn sie recht losbricht, und was die einzige Folge derselben ist. Weil es so leicht ist, sich von diesem kleinen Abwege auf die rechte Begriffe wiederzufinden, so sollte man nicht denken, dass ein solcher Irrtum von Folgen wäre. Allein er ist es in der Tat, obgleich nicht in der Mechanik und Naturlehre. Denn eben daher wird es in der Metaphysik so schwer, sich vorzustellen, wie die Materie im Stande sei, in der Seele des Menschen auf eine in der Tat würksame Art (das ist, durch den physischen Einfluss) Vorstellungen hervorzubringen. Was tut die Materie anders, sagt man, als dass sie Bewegungen verursache ? Daher wird alle ihre Kraft darauf hinaus laufen, dass sie höchstens die Seele aus ihrem Orte verrücke. Allein wie ist es möglich, dass die Kraft, die allein Bewegungen hervorbringet, Vorstellungen und Ideen erzeugen sollte ? Dieses sind ja so unterschiedene Geschlechter von Sachen, dass es nicht begreiflich ist, wie eine die Quelle der andern sein könne.
[[A 8>> § 6
Die Schwierigkeit, die hieraus entspringet, wenn von der Würkung der Seele in den Körper die Rede ist. Und wie diese durch die Benennung einer vis activae überhaupt könne gehoben werden
Eine gleiche Schwierigkeit äussert sich, wenn die Frage ist, ob die Seele auch im Stande sei, die Materie in Bewegung zu setzen. Beide Schwierigkeiten verschwinden aber, und der physische Einfluss bekommt kein geringes Licht, wenn man die Kraft der Materie nicht auf die Rechnung der Bewegung, sondern der Würkungen in andre Substanzen, die man nicht näher bestimmen darf, setzet. Denn die Frage, ob die Seele Bewegungen verursachen könne, das ist, oh sie eine bewegende Kraft habe, verwandelt sich in diese: ob ihre wesentliche Kraft zu einer Würkung nach draussen könne bestimmet werden, das ist, ob sie ausser sich in andere Wesen zu würken und Veränderungen hervorzubringen fähig sei ? Diese Frage kann man auf eine ganz entscheidende Art dadurch beantworten: dass die Seele nach draussen aus diesem Grunde müsse würken können, weil sie in einem Orte ist. Denn wenn wir den Begriff von demjenigen zergliedern, was wir den Ort nennen, so findet man, dass er die Würkungen der Substanzen in einander andeutet. Es hat also einen gewissen scharfsinnigen Schriftsteller nichts mehr verhindert, den Triumph des physischen Einflusses über die vorherbestimmte Harmonie vollkommen zu machen, als diese kleine Verwirrung der Begriffe, aus der man sich leichtlich herausfindet, so bald man nur seine Aufmerksamkeit darauf richtet.
Wenn man die Kraft der Körper überhaupt [[A 9>> nur eine würkende Kraft nennet, so begreift man leicht, wie die Materie die Seele zu gewissen Vorstellungen bestimmen könne
Eben so leicht ist es auch, die Art vom paradoxen Satze zu begreifen, wie es nämlich möglich sei: dass die Materie, von der man doch in der Einbildung stehet, dass sie nichts als nur Bewegun[[A 9>>gen verursachen könne, der Seele gewisse Vorstellungen und Bilder eindrücke. Denn die Materie, welche in Bewegung gesetzet worden, würket in alles, was mit ihr dem Raum nach verbunden ist, mithin auch in die Seele; das ist, sie verĺndert den innern Zustand derselben, in so weit er sich auf das Äussere beziehet. Nun ist der ganze innerliche Zustand der Seele nichts anders, als die Zusammenfassung aller ihrer Vorstellungen und Begriffe, und in so weit dieser innerliche Zustand sich auf das Äusserliche beziehet, heisst er der status repraesentativus universi; dahero ändert die Materie, vermittelst ihrer Kraft, die sie in der Bewegung hat, den Zustand der Seele, wodurch sie sich die Welt vorstellet. Auf diese Weise begreifet man, wie sie der Seele Vorstellungen eindrücken könne.
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Es können Dinge würklich existieren, dennoch aber nirgends in der Welt vorhanden sein
Es ist schwer, in einer Materie, die von so weitem Umfange ist, nicht auszuschweifen; allein ich muss mich doch nur wieder zu dem wenden, was ich von der Kraft der Körper habe anmerken wollen. Weil alle Verbindung und Relation ausser einander existierender Substanzen von den gewechselten Würkungen, die ihre Kräfte gegen einander ausüben, herrühret, so lasst uns sehen, was vor Wahrheiten aus diesem Begriffe der Kraft können hergeleitet werden. Entweder ist eine Substanz mit andern ausser ihr in einer Verbindung und Relation, oder sie ist es nicht. Weil ein jedwedes selbständiges Wesen die vollständige Quelle aller seiner Bestimmungen in sich enthält, so ist nicht notwendig zu seinem Dasein, dass es mit andern Dingen in Verbindung stehe. Daher kön[[A 10>>nen Substanzen existieren, und dennoch gar keine äusserliche Relation gegen andere haben, oder in einer würklichen Verbindung mit ihnen stehen. Weil nun ohne äusserliche Verknüpfungen, Lagen und Relationen kein Ort statt findet, so ist es wohl möglich, dass ein Ding würklich existiere, aber doch nirgends in der ganzen Welt vorhanden sei. Dieser paradoxe Satz, ob er gleich eine Folge, und zwar eine sehr leichte Folge der bekanntesten Wahrheiten ist, ist, so viel ich weiss, noch von niemanden angemerket worden. Allein es fliessen noch andere Sätze aus derselben Quelle, die nicht minder wunderbar sind, und den Verstand so zu sagen wider seinen Willen einnehmen.
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Es ist im recht metaphysischen Verstande wahr, dass mehr wie eine Welt existieren könne
Weil man nicht sagen kann, dass etwas ein Teil von einem Ganzen sei, wenn es mit den übrigen Teilen in gar keiner Verbindung stehet (denn sonsten würde kein Unterschied unter einer würklichen Vereinigung, und unter einer eingebildeten zu finden sein), die Welt aber ein würklich zusammen gesetztes Wesen ist, so wird eine Substanz, die mit keinem Dinge in der ganzen Welt verbunden ist, auch zu der Welt gar nicht gehören, es sei denn etwa in Gedanken, das heisst es wird1 kein Teil von derselben sein. Wenn dergleichen Wesen viel sind, die mit keinem Dinge der Welt in Verknüpfung stehen, allein gegen einander eine Relation haben, so entspringet daraus ein ganz besonder Ganzes, sie machen eine ganz besondere Welt aus. Es ist daher nicht richtig geredet, wenn man in den Hörsälen der Weltweisheit immer lehret, es könne, im metaphysischen Verstande, nicht mehr [[A 11>> wie eine einzige Welt existieren. Es ist würklich möglich, dass Gott viel Millionen Welten, auch in recht metaphysischer Bedeutung genommen, erschaffen habe; daher bleibet es unentschieden, ob sie auch würklich existieren, oder nicht. Der Irrtum, den man hierin begangen, ist ohnfehlbar daher entstanden, weil man auf die Erklärung von der Welt nicht genau Acht gehabt hat. Denn die Definition rechnet nur dasjenige zur Welt, was mit den übrigen Dingen in einer würklichen Verbindung stehet,*2 das Theorem aber vergisst diese Einschränkung, und redet von allen existierenden Dingen überhaupt.
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Wenn die Substanzen keine Kraft hätten, ausser sich zu würken, so würde keine Ausdehnung, auch kein Raum sein
Es ist leicht zu erweisen, dass kein Raum und keine Ausdehnung sein würden, wenn die Substanzen keine Kraft hätten, ausser sich zu würken. Denn ohne diese Kraft ist keine Verbindung, ohne diese keine Ordnung, und ohne diese endlich kein Raum. Allein es ist etwas schwerer einzusehen, wie aus dem Gesetze, nach welchem diese Kraft der Substanzen ausser sich würket, die Vielheit der Abmessungen des Raumes herfolge.
Der Grund von der dreifachen Dimension des Raumes ist noch unbekannt
Weil ich in dem Beweise, den Herr von Leibniz irgendwo in der Theodizee von der Anzahl der Linien hernimmt, die von einem Punkte winkelrecht gegen einander können gezogen werden, einen Zirkelschluss wahrnehme, so habe ich darauf gedacht, die dreifache Dimension der Ausdehnung aus demjenigen zu erweisen, was man bei den Potenzen der Zahlen wahrnimmt. Die drei ersten Poten[[A 12>>zen derselben sind ganz einfach, und lassen sich auf keine andere reduzieren, allein die vierte, als das Quadratoquadrat, ist nichts als eine Wiederholung der zweiten Potenz. So gut mir diese Eigenschaft der Zahlen schien, die dreifache Raumes-Abmessung daraus zu erklären, so hielte sie in der Anwendung doch nicht Stich. Denn die vierte Potenz ist in allem demjenigen, was wir uns durch die Einbildungs-Kraft vom Raume vorstellen können, ein Unding. Man kann in der Geometrie kein Quadrat mit sich selber, noch den Würfel mit seiner Wurzel multiplizieren; daher beruhet die Notwendigkeit der dreifachen Abmessung nicht so wohl darauf, dass, wenn man mehrere setzte, man nichts anders täte, als dass die vorigen wiederholt würden (so wie es mit den Potenzen der Zahlen beschaffen ist), sondern vielmehr auf einer gewissen andern Notwendigkeit, die ich noch nicht zu erklären im Stande bin.
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Es ist wahrscheinlich, dass die dreifache Abmessung des Raumes von dem Gesetze herrühre, nach welchem die Kräfte derer Substanzen in einander würken
Weil alles, was unter den Eigenschaften eines Dinges vorkömmt, von demjenigen muss hergeleitet werden können, was den vollständigen Grund von dem Dinge selber in sich enthält, so werden sich auch die Eigenschaften der Ausdehnung, mithin auch die dreifache Abmessung derselben, auf die Eigenschaften der Kraft gründen, welche die Substanzen, in Absicht auf die Dinge, mit denen sie verbunden sind, besitzen. Die Kraft, womit eine Substanz in der Vereinigung mit andern würkt, kann nicht ohne ein gewisses Gesetze gedacht werden, welches sich in der Art seiner Würkung hervortut. Weil die Art des Gesetzes, nach [[A 13>> welchem die Substanzen in einander würken, auch die Art der Vereinigung und Zusammensetzung vieler derselben bestimmen muss, so wird das Gesetz, nach welchem eine ganze Sammlung Substanzen (das ist ein Raum) abgemessen wird, oder die Dimension der Ausdehnung, von den Gesetzen herrühren, nach welchen die Substanzen vermöge ihrer wesentlichen Kräfte sich zu vereinigen suchen.
Die dreifache Abmessung scheinet daher zu rühren, weil die Substanzen in der existierenden Welt so in einander würken, dass die Stärke der Wirkung sich wie das Quadrat der Weiten umgekehrt verhält
Diesem zu folge halte ich davor: dass die Substanzen in der existierenden Welt, wovon wir ein Teil sind, wesentliche Kräfte von der Art haben, dass sie in Vereinigung mit einander nach der doppelten umgekehrten Verhältnis der Weiten ihre Würkungen von sich ausbreiten; zweitens, dass das Ganze, was daher entspringet, vermöge dieses Gesetzes die Eigenschaft der dreifachen Dimension habe; drittens, dass dieses Gesetze willkürlich sei, und dass Gott davor ein anderes, zum Exempel der umgekehrten dreifachen Verhältnis hätte wählen können; dass endlich viertens, aus einem andern Gesetze, auch eine Ausdehnung von andern Eigenschaften und Abmessungen geflossen wäre. Eine Wissenschaft von allen diesen möglichen Raumes-Arten wäre ohnfehlbar die höchste Geometrie, die ein endlicher Verstand unternehmen könnte. Die Unmöglichkeit, die wir bei uns bemerken, einen Raum von mehr als drei Abmessungen uns vorzustellen, scheinet mir daher zu rühren, weil unsere Seele ebenfalls nach dem Gesetze der umgekehrten doppelten Verhältnis der Weiten die Eindrücke von draussen empfängt, und weil ihre Natur selber dazu gemacht ist, nicht allein so zu leiden, sondern auch auf diese Weise ausser sich zu würken.
[[A 14>> § 11
Die Bedingung, unter der es wahrscheinlich ist, dass es viel Welten gebe
Wenn es möglich ist, dass es Ausdehnungen von andern Abmessungen gebe, so ist es auch sehr wahrscheinlich, dass sie Gott würklich irgendwo angebracht hat. Denn seine Werke haben alle die Grösse und Mannigfaltigkeit, die sie nur fassen können. Räume von dieser Art könnten nun unmöglich mit solchen in Verbindung stehen, die von ganz andern Wesen1 sind; daher würden dergleichen Räume zu unserer Welt gar nicht gehören, sondern eigene Welten ausmachen müssen. In dem vorigen habe ich gezeiget, dass mehr Welten, im metaphysischen Verstande genommen, zusammen existieren könnten, allein hier ist zugleich die Bedingung, die, wie mir deucht, die einzige ist, weswegen es auch wahrscheinlich wäre, dass viele Welten würklich existieren. Denn wenn nur die einzige Raumes-Art, die nur eine dreifache Abmessung leidet, möglich ist, so würden die andere Welten, die ich ausserhalb derjenigen setze, worinnen wir existieren, mit der unsrigen dem Raume nach können verbunden werden; weil sie Räume von einerlei Art sind. Daher würde sich’s fragen, warum Gott die eine Welt von der andern gesondert habe, da er doch durch ihre Verknüpfung seinem Werke eine grössere Vollkommenheit mitgeteilet haben würde; denn jemehr Verbindung, desto mehr Harmonie und Übereinstimmung ist in der Welt, da hingegen Lücken und Zertrennungen die Gesetze der Ordnung und der Vollkommenheit verletzen. Es ist also nicht wahrscheinlich, dass viele Welten existieren (ob es gleich an sich möglich ist), es sei [[A 15>> denn, dass vielerlei Raumes-Arten, von denen ich itzo geredet habe, möglich sind.
Diese Gedanken können der Entwurf zu einer Betrachtung sein, die ich mir vorbehalte. Ich kann aber nicht leugnen, dass ich sie so mitteile, wie sie mir beifallen, ohne ihnen durch eine längere Untersuchung ihre Gewissheit zu verschaffen. Ich bin daher bereit, sie wieder zu verwerfen, so bald ein reiferes Urteil mir die Schwäche derselben aufdecken wird.
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Einige Metaphysiklehrer behaupten, dass der Körper, vermöge seiner Kraft, sich nach allen Gegenden zur Bewegung bestrebe
Die neueste Weltweisheit setzet gewisse Begriffe von der wesentlichen Kraft der Körper fest, die nicht allerdings können gebilliget werden. Man nennet dieselbe eine immerwährende Bestrebung zur Bewegung. Ausser dem Fehler, den dieser Begriff, wie ich im Anfange gezeiget habe, mit sich führet, ist noch ein anderer, von dem ich anitzt reden will. Wenn die Kraft eine immerwährende Bemühung zum Würken ist, so wäre es ein offenbarer Widerspruch, wenn man sagen wollte, dass diese Anstrengung der Kraft in Absicht auf die äussern Dinge ganz und gar unbestimmt sei. Denn, vermöge ihrer Definition, ist sie ja dahin bemühet, ausser sich in andere Dinge zu würken; ja, nach denen angenommenen Lehrsätzen derer neuesten Metaphysiklehrer, würket sie würklich in dieselbe. Es scheinen daher diejenigen am richtigsten zu reden, die da sagen, dass sie vielmehr nach allen Gegenden gerichtet sei, als dass sie in Absicht auf die Richtung ganz und gar. unbestimmt sei. Der berühmte Herr Hamberger behauptet daher, dass die substantielle Kraft der Monaden sich nach allen Gegenden zur Bewe[[A 16>>gung gleich bestrebe, und sich daher, so wie eine Waage, durch die Gleichheit der Gegendrücke in Ruhe erhalte.
- 13
Erster Einwurf gegen diese Meinung
Nach diesem System entstehetdie Bewegung, wenn das Gleichgewicht zweier entgegen gesetzter Tendenzien gehoben ist, und der Körper bewegt sich nach der Richtung der grösseren Tendenz, mit dem Übermasse der Kraft, das diese über die entgegen gesetzte kleinere erhalten hat. Diese Erklärung befriediget die Einbildungskraft noch zwar in dem Falle, da der bewegende Körper mit dem bewegten immer zugleich fortrücket. Denn dieser Fall ist demjenigen ähnlich, da jemand mit der Hand eine von zweien gleichwiegenden Waagschalen unterstützet, und hiedurch die Bewegung der andern verursachet. Allein ein Körper, dem seine Bewegung durch einen Stoss mitgeteilet worden, setzet dieselbe ins Unendliche fort, ungeachtet die antreibende Gewalt aufhöret, in ihn zu würken. Nach dem angeführten Lehrgebäude aber würde er seine Bewegung nicht fortsetzen können, sondern, so bald der antreibende Körper abliesse, in ihn zu würken, würde er auch plötzlich in Ruhe geraten. Denn weil die nach allen Gegenden gerichtete Tendenzien der Kraft des Körpers von seiner Substanz unzertrennlich sind, so wird das Gleichgewicht dieser Neigungen sich den Augenblick wieder herstellen, so bald die äusserliche Gewalt, die sich der einen Tendenz entgegen gesetzt hatte, zu würken aufhöret.
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Zweiter Einwurf gegen dieselbe Meinung
Es ist dieses aber nicht die einzige Schwierigkeit. Weil ein Ding durchgängig bestimmt sein [[A 17>> muss, so wird die Bestrebung zur Bewegung, welche die Substanzen nach alleli Gegenden ausüben, einen gewissen Grad der Intensität haben müssen. Denn unendlich kann sie nicht sein; allein eine endliche Bemühung zum Würken, ohne eine gewisse Grösse der Anstrengung, ist unmöglich: Daher weil der Grad der Intensität endlich, und bestimmt ist, so setze man: dass ein Körper A, von gleich grosser Masse, gegen ihn mit einer Gewalt anlaufe, die dreimal stärker ist als alle die Bemühung zur Bewegung, die dieser in der wesentlichen Kraft seiner Substanz hat, so wird er dem anlaufenden nur den dritten Teil seiner Geschwindigkeit durch seine vim inertiae benehmen können; er wird aber auch selber keine grössere Geschwindigkeit erlangen, als die dem Dritteil von der Geschwindigkeit des bewegenden Körpers gleich ist. Nach verrichtetem Stosse also wird A als der anlaufende Körper sich mit zwei Graden Geschwindigkeit, B aber nur mit einem Grade, in eben derselben Richtung fortbewegen sollen.
* Fig. I
Weil nun B dem Körper A im Wege steht, und so viele Geschwindigkeit nicht annimmt, als er nötig hat, damit er der Bewegung des Körpers A nicht hinderlich sei; weil er diesem ungeachtet dieses seine Bewegung doch nicht vermögend ist aufzuhalten, so wird sich A würklich nach der Richtung AC* mit der Geschwindigkeit 2, B aber, welches dem Körper A im Wege ist, nach eben dieser Richtung mit der Geschwindigkeit wie 1 bewegen, beiderseits Bewegungen aber werden dennoch ungehindert vor sich gehen. Dieses ist aber unmöglich, es sei denn, dass man setzen wollte, [[A 18>> B würde von A durchdrungen, welches aber eine metaphysische Ungereimtheit ist.**
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Doppelte Einteilung der Bewegung
Es ist Zeit, dass ich diese metaphysische Vorbereitung endige. Ich kann aber nicht umhin, noch eine Anmerkung beizufügen, die ich zum Verstande des folgenden vor unentbehrlich halte. Die Begriffe von dem toten Drucke und von dem Masse desselben, die in der Mechanik vorkommen, setze ich bei meinen Lesern voraus, und überhaupt werde ich in diesen Blättern keine vollständige Abhandlung von allen dem, was zu der Lehre der lebendigen und toten Kräfte gehöret, vortragen; sondern nur einige geringe Gedanken entwerfen, die mir neu zu sein scheinen, und meiner Haupt-Absicht beförderlich sein, das Leibnizische Kräften-Mass zu verbessern. Daher teile ich alle Bewegungen in zwei Haupt-Arten ein. Die eine hat die Eigenschaft, dass sie sich in dem Körper dem sie mitgeteilet worden selber erhält, und ins Unendliche fortdauret, wenn keine Hindernis sich entgegen setzet. Die andere ist eine immerwährende Würkung einer stets antreibenden Kraft, bei der nicht einmal ein Widerstand nötig ist, sie zu [[A 19>> vernichten, sondern die nur auf die äusserliche Kraft beruhet, und eben so bald verschwindet, als diese aufhöret, sie zu erhalten. Ein Exempel von der ersten Art sind die geschossene Kugeln und alle geworfene Körper; von der zweiten Art ist die Bewegung einer Kugel, die von der Hand sachte fortgeschoben wird, oder sonst alle Körper, die getragen, oder mit mässiger Geschwindigkeit gezogen werden.
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Die Bewegung von der ersten Art1 ist vom toten Drucke nicht unterschieden
Man begreift leicht, ohne sich in eine tiefe Betrachtung der Metaphysik einzulassen, dass die Kraft, die sich in der Bewegung von der ersten Art äussert, in Vergleichung der Kraft von dem zweiten Geschlechte, etwas Unendliches hat. Denn diese vernichtet sich zum Teile selber, und höret von selber plötzlich auf, so bald sich die antreibende Kraft entziehet; man kann sie daher ansehen, als wenn sie jeden Augenblick verschwünde, aber auch eben so oft wieder erzeuget werde. Da hingegen2 jene eine innerliche Quelle einer an sich unvergänglichen Kraft ist, die in einer fortdaurenden Zeit ihre Würkung veirichtet. Sie verhält sich also zu jener wie ein Augenblickzur Zeit, oder wie der Punkt zur Linie. Es ist daher eine Bewegung von dieser Art von dem toten Drucke nicht unterschieden, wie Herr Baron Wolff in seiner Kosmologie schon angemerket hat.
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Die Bewegung von der zweiten Art1 setzet eine Kraft [[A 20>>voraus,diesich wie das Quadrat der Geschwindigkeit verhält
Weil ich von der Bewegung eigentlich reden will, die sich in einem leeren Raume in Ewigkeit von selber erhält: so will mit2 wenigem die Natur [[A 20>> derselben, nach den Begriffen der Metaphysik, ansehen. Wenn ein Körper, in freier Bewegung, in einem unendlich subtilen Raume läuft, so kann seine Kraft nach der Summe aller der Würkungen, die er in Ewigkeit tut, abgemessen werden. Denn wenn dieses Aggregat seiner ganzen Kraft nicht gleich wäre, so würde man, um eine Summe zu finden, die der ganzen Intensität der Kraft gleich sei, eine längere Zeit nehmen müssen, als die unendliche Zeit ist, welches ungereimt ist. Man vergleiche nun zweene Körper A, und B, von denen A eine Geschwindigkeit wie 2, B aber eine solche wie 1 hat, so drucket A, von dem Anfange seiner Bewegung an, in Ewigkeit, die unendlich kleine Massen des Raumes, den er durchläuft, mit doppelt mehr Geschwindigkeit wie B, allein er legt auch in dieser unendhchen Zeit einen zweimal grösseren Raum zurück als B, also ist die ganze Grösse der Würkung, welche A verrichtet, dem Produkt aus der Kraft, womit er denen kleinen Teilen des Raumes begegnet, in die Menge dieser Teile, proportioniert, und eben so ist es mit der Kraft von B beschaffen. Nun sind beider ihre Würkungen, in die kleine Moleculas des Raumes, ihren Geschwindigkeiten proportioniert, und die Menge dieser Teile sind ebenfalls wie die Geschwindigkeiten, folglich ist die Grösse der ganzen Würkung eines Körpers zu der ganzen Würkung des andern, wie das Quadrat ihrer Geschwindigkeiten, und also sind ihre Kräfte auch in dieser Verhältnis.*
[[A 21>> § 18
Zweiter Grund hievon
Zum bessern Begriff dieser Eigenschaft der lebendigen Kräfte kann man auf dasjenige zurück denken, was im 16ten § gesagt worden. Die toten Drucke können nichts mehr als die einfache Geschwindigkeit zum Masse haben, denn weil ihre Kraft auf den Körpern, die sie ausüben, selber nicht beruhet, sondern durch eine äussere Gewalt verrichtet wird, so hat der Widerstand, der dieselbe überwältiget, nicht in Absicht auf die Stärke, mit der sich diese Kraft in dem Körper zu erhalten sucht, eine gewisse besondere Bemühung nötig (denn die Kraft ist in der würkenden Substanz auf keinerlei Weise eingewurzelt und bemühet, sich in derselben zu erhalten), sondern sie hat nur die einzige Geschwindigkeit zu vernichten nötig, die der Körper gebrauchet, den Ort zu verändern. Allein mit der lebendigen Kraft ist es ganz anders. Weil der Zustand, in welchem die Substanz sich befindet, indem sie in freier Bewegung mit einer gewissen Geschwindigkeit fortläuft, sich auf den innerlichen Bestimmungen vollkommen gründet: so ist dieselbe Substanz zugleich dahin bemühet, sich in diesem Zustande zu erhalten. Der äusserliche Widerstand also muss zugleich neben der Kraft, die er brauchet, der Geschwindigkeit dieses Körpers die Waage zu halten, [[A 22>> noch eine besondere Gewalt haben, die Bestrebung zu brechen, mit der die innerliche Kraft des Körpers angestrengt ist, in sich diesen Zustand der Bewegung zu erhalten, und die ganze Stärke des Widerstandes, der die Körper, die in freier Bewegung sich befinden, in Ruhe versetzen soll, muss also in zusammengesetzter Verhältnis sein, aus der Proportion der Geschwindigkeit, und der Kraft, womit der Körper bemühet ist, diesen Zustand der Bemühung in sich zu erhalten; d. i. weil beide Verhältnisse einander gleich sein, so ist die Kraft, die der Widerstand bedarf, wie das Quadrat der Geschwindigkeit der anlaufenden Körper.
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Ich darf mir nicht versprechen, etwas Entscheidendes und Unwidersprechliches in einer Betrachtung zu erlangen, die bloss metaphysisch ist, daher wende ich mich zu dem folgenden Kapitel, welches, durch die Anwendung der Mathematik, vielleicht mehr Ansprüche auf die Überzeugung wird machen können. Unsere Metaphysik ist wie viele andere Wissenschaften in der Tat nur an der Schwelle einer recht gründlichen Erkenntnis; Gott weiss, wenn man sie selbige wird überschreiten sehen. Es ist nicht schwer, ihre Schwäche in manchem zu sehen, was sie unternimmt. Man findet sehr oft das,Vorurteil als die grösste Stärke ihrer Beweise. Nichts ist mehr hieran Schuld, als die herrschende Neigung derer, die die menschliche Erkenntnis zu erweitern suchen. Sie wollten gerne eine grosse Weltweisheit haben, allein es wäre zu wünschen, dass es auch eine gründliche [[A 23>> sein möchte. Es ist einem Philosophen fast die einzige Vergeltung vor seine Bemühung, wenn er nach einer mühsamen Untersuchung sich endlich in dem Besitze einer recht gründlichen Wissenschaft beruhigen kann. Daher ist es sehr viel, von ihm zu verlangen, dass er nur selten seinem eigenen Beifall traue, dass er in seinen eigenen Entdeckungen die Unvollkommenheiten nicht verschweige, die er zu verbessern nicht im Stande ist, und dass er niemals so eitel sei, dem Vergnügen, das die Einbildung von einer gründlichen Wissenschaft macht, dem wahren1 Nutzen der Erkenntnis hintan zu setzen. Der Verstand ist zum Beifalle sehr geneigt, und es ist freilich sehr schwer, ihn lange zurück zu halten; allein man sollte sich doch endlich diesen Zwang antun, um einer gegründeten Erkenntnis alles aufzuopfern, was eine weitläuftige Reizendes an sich hat.
ZWEITES HAUPTSTÜCK,
UNTERSUCHUNG DER LEHRSÄTZE DER LEIBNIZISCHEN
PARTEI VON DEN LEBENDIGEN KRÄFTEN
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Ich finde in der Abhandlung, die Herr Bülfinger der Petersburgischen Akademie überreichet hat, eine Betrachtung, der ich mich jederzeit als einer Regel in der Untersuchung der Wahrheiten bedienet habe. Wenn Männer von [[A 24>> gutem Verstande, bei denen entweder auf keiner1 oder auf beiden Teilen die Vermutung fremder Absichten zu finden ist, ganz wider einander laufende Meinungen behaupten, so ist es der Logik der Wahrscheinlichkeiten gemäss, seine Aufmerksamkeit am meisten auf einen gewissen Mittel-Satz zu richten, der beiden Parteien in gewisser Masse Recht lässet.
- 21
Ich weiss nicht, ob ich sonst in dieser Art zu denken bin glücklich gewesen, allein in der Streit-Sache von den lebendigen Kräften hoffe ich es zu sein. Niemals hat sich die Welt in gewisse Meinungen gleicher geteilet als in denen, die das Kräften-Mass der bewegten Körper betreffen. Die Parteien sind allem Absehen nachgleich stark, und gleich billig.Es können sich freilich fremde Absichten mit einmischen, allein von welcher, Partei sollte man sagen können, dass sie hievon ganz frei wäre ? Ich wähle also den sichersten Weg, indem ich eine Meinung ergreife, wobei beide grosse Parteien ihre Rechnung finden.
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L e i b n i z e n s und C a r t e s e n s Schätzung der Kräfte
Die Welt hatte vor Leibnizen dem einzigen Satze des Cartes gehuldigt, der überhaupt den Körpern, auch denen die sich in würklicher Bewegung befinden, zum Masse ihrer Kraft nur die blosse Geschwindigkeiten erteilte. Niemand liesse es sich beifallen, dass es möglich wäre, in dasselbe einen Zweifel zu setzen; allein Leibniz brachte die menschliche Vernunft durch die Verkündigung eines [[A 25>> neuen Gesetzes plötzlich in Empörung, welches nach der Zeit eines von denen geworden ist, die denen Gelehrten den grössten Wettstreit des Verstandes dargeboten haben. Cartes hatte die Kräfte der bewegten Körper nach den Geschwindigkeiten schlechthin geschätzet, allein der Herr von Leibniz setzte zu ihrem Masse das Quadrat ihrer Geschwindigkeit. Diese seine Regel trug er nicht, wie man denken sollte, nur unter gewissen Bedingungen vor, die der vorigen annoch einigen Platz verstatten; nein, sondern er leugnete Cartesens Gesetze absolut und ohne Einschränkung, und setzte das seinige so fort an dessen Stelle.
- 23
Erster Fehler des Leibnizischen Kräften-Masses
Es sind eigentlich zwei Stücke, die ich an des Herrn von Leibniz Regel auszusetzen finde. Dasjenige, wovon ich itzo handeln werde, ziehet in der Sache der lebendigen Kräfte keine Folgen von Wichtigkeit nach sich; man kann es aber dennoch nicht unterlassen anzumerken, damit bei einem so grossen Satze nichts versäumet werde, was ihn von allen kleinen Vorwürfen, die man ihm etwa machen möchte, befreien kann:
Das L e i b n i z i s c h e Kräften-Mass ist jederzeit in dieser Formul vorgetragen worden: W e n n e i n K ö r p e r i n w ü r k l i c h e r B e w e g u n g b e g r i f f e n i s t, s o i s t s e i n e K r a f t, w i e d a s Q u a d r a t s e i n e r G e s c h w i n d i g k e i t. Also ist, nach diesem Satze, das Kennzeichen von diesem Masse der Kraft nichts wie die w ü r k l i c h e Bewegung. Es kann aber ein Körper sich w ü r k l i c h bewegen, obgleich seine Kraft nicht grösser ist, als die[[A 26>>jenige, die er etwa mit dieser Anfangs-Geschwindigkeit bloss durch den Druck ausüben würde. Ich habe dieses in dem vorigen Kapitel schon erwiesen, und wiederhole es nochmals. Eine Kugel, die ich auf einer glatten Fläche ganz sachte fortschiebe, höret so gleich auf, sich ferner zu bewegen, wenn ich die Hand abziehe. Es verschwindet also in einer solchen Bewegung die Kraft des Körpers alle Augenblicke; sie wird aber eben so oft durch einen neuen Druck wieder hergestellet. In demselben Augenblicke also, da der Körper den Gegenstand antrifft, ist ihm seine Kraft nicht von der vorigen Bewegung noch eigen, nein, diese ist schon alle vernichtet, nur diejenige Kraft besitzt er, welche ihm die antreibende Gewalt in eben diesem Augenblicke mitteilet, da er den Gegenstand berühret. Man kann ihn also ansehen, als wenn er sich gar nicht beweget hätte, und als wenn er den Widerstand bloss im Ruhestande druckte. Ein solcher Körper ist mithin von demjenigen nicht unterschieden, der einen t o t e n D r u c k ausübet, und daher ist seine Kraft nicht wie das Quadrat seiner Geschwindigkeit, sondern wie die Geschwindigkeit schlechthin. Dieses ist also die erste Einschränkung, die ich dem L e i b n i z i s c h e n Gesetze mache. Er hätte nicht eine w ü r k l i c h e Bewegung allein, als das Kennzeichen der lebendigen Kraft angeben sollen, es war auch nötig, eine f r e i e Bewegung hinzuzusetzen. Denn wenn die Bewegung nicht frei ist, so hat der Körper niemals eine lebendige Kraft. Nach dieser Bestimmung wird das Leibnizische Gesetze, w o e s s o n s t e n n u r r i c h t i g i s t, in dieser Formul erscheinen müssen: E i n K ö r p e r, d e r s i c h i n [[A 27>> w ü r k l i c h e r u n d f r e i e r B e w e g u n g b e f i n d e t, h a t e i n e K r a f t, d i e d e m Q u a d r a t etc.etc.
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Was eine w ü r k l i c h e Bewegung sei
Nunmehro mache ich die zweite Anmerkung, die uns die Quellen des berüchtigten Streites entdeckenwird, und die vielleicht auch das einzige Mittel darbietet, denselben wieder beizulegen.
Die Verteidiger von der neuen Schätzung der lebendigen Kräfte sind hierin noch mit den Kartesianern einig, dass die Körper, wenn ihre Bewegung nur im Anfange ist, eine Kraft besitzen, die sich wie ihre blosse Geschwindigkeit verhalte. Allein so bald man die Bewegung würklich nennen kann, so hat der Körper, ihrer Meinung nach, das Quadrat der Geschwindigkeit zum Masse.
Lasset uns nun untersuchen, was eigentlich eine w ü r k l i c h e Bewegung sei. Denn dieses Wort war die Ursache des Abfalls von C a r t e s e n, allein vielleicht kann sie auch eine Ursache der Wiedervereinigung werden.
Man nennet eine Bewegung alsdenn w ü r k l i c h, wenn sie sich nicht bloss in dem Punkte des Anfangs befindet, sondern wenn, indem sie währet, eine Zeit verflossen ist. Diese verflossene Zeit, die zwischen dem Anfange der Bewegung, und dem Augenblicke, darin der Körper würket, darzwischen ist, die macht es eigentlich, dass man die Bewegung w ü r k l i c h nennen kann.
Man merke aber wohl, dass diese Zeit* nicht etwas von gesetzter und gemessener Grösse sei, sondern dass sie gänzlich undeterminiert ist, und nach [[A 28>> Belieben kann bestimmet werden. Das heisst: man kann sie annehmen so klein man will, wenn man sie dazu brauchen soll, eine würkliche Bewegung damit anzuzeigen. Denn es ist nicht die und die Grösse der Zeit, welche die Bewegung eigentlich würklich macht, nein, die Zeit überhaupt ist es, sie sei so klein, oder so gross, wie sie wolle.
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Zweiter Hauptfehler des Leibnizischen Kräften-Masses
Demnach ist die in der Bewegung aufgewandte Zeit der wahre und einzige Charakter der lebendigen Kraft; und sie allein ist es, wodurch diese ein besonderes Mass vor der toten erhält.
** Fig. II
Lasst uns nun die Zeit, die von dem Anfange der Bewegung an verfliesset, bis der Körper einen Gegenstand antrifft, in den er würket, durch die Linie AB vorstellig machen, wovon der Anfang in A ist.** In B hat der Körper also eine lebendige Kraft, aber im Anfangspunkte A hat er sie nicht, denn daselbst würde er einen Widerhalt, der ihm entgegen stünde, bloss mit einer Bemühung zur Bewegung drucken. Lasst uns aber ferner folgender Gestalt schliessen. Vors
1ste ist die Zeit AB eine solche Bestimmung des Körpers, der sich in B befindet, wodurch in ihn eine lebendige Kraft gesetzet wird, und der Anfangspunkt A (wenn ich nämlich den Körper in denselben setze) ist eine Bestimmung, die ein Grund der toten Kraft ist. Vors
2 te. Wenn ich in Gedanken diese Bestimmung, die durch die Linie AB ausgedruckt wird, kleiner mache: so setze ich den Körper dem Anfangspunkte näher, und es lässt sich leicht verstehen, dass, wenn ich dieses fortsetzte, der Körper endlich sich [[A 29>> gar in A selber befinden würde; folglich wird die Bestimmung AB, durch ihre Abkürzung, der Bestimmung in A immer näher gesetzt werden; denn wenn sie sich dieser gar nicht näherte, so könnte der Körper durch die Abkürzung der Zeit. wenn ich sie gleich unendlich fortsetzte, doch niemals den Punkt A gewinnen; welches ungereimt ist. Es kömmt also die Bestimmung des Körpers in C denen Bedingungen der toten Kraft näher, als in B, in D noch näher als in C, und so ferner, bis er in A selber alle Bedingungen der toteh Kraft hat, und die Bedingungen zur lebendigen gänzlich verschwunden sind. Wenn aber
3 tens gewisse Bestimmungen, die die Ursache einer Eigenschaft eines Körpers sein, sich nach und nach in andere Bestimmungen verwandeln, die ein Grund einer entgegengesetzten Eigensehaft sind, so muss die Eigenschaft, die eine Folge der ersteren Bedingungen war, sich zugleich mit ändern, und sich nach und nach in diejenige Eigenschaft verwandeln, die eine Folge der letztern ist.* Da nun, wenn ich die Zeit AB (die eine Bedingung einer lebendigen Kraft in B ist) in Gedanken abkürze, diese Bedingung der lebendigen Kraft der Bedingung der toten Kraft notwendig näher gesetzt wird, als sie in B war: so muss auch der Körper in C würklich eine Kraft haben, die der toten näher kommt, als die in B, und noch näher, wenn ich ihn in D setzte. Es hat demnach ein Körper, der unter der Bedingung der verflossenen Zeit eine lebendige Kraft besitzet, dieselbe nicht in [[A 30>> jedweder Zeit, die so kurz sein kann, als man will; nein, sie muss determiniert und gewiss sein, denn wenn sie kürzer wäre, so würde er diese lebendige Kraft nicht mehr haben. Es kann also Leibnizens Gesetze von der Schätzung der Kräfte nicht statt finden; denn es legt den Körpern, die sich überhaupt eine Zeit lang bewegt haben (dies will so viel sagen als d i e s i c h w ü r k l i c h b e w e g e n), ohne Unterscheid eine lebendige Kraft bei, diese Zeit mag nun so kurz, oder so lang sein wie man wolle.*
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Beweis eben desselben aus dem Gesetze der K o n t i n u i t ä t
Was ich jetzo erwiesen habe, ist eine ganz genaue Folge aus dem Gesetze der K o n t i n u i t ä t, dessen weitläuftigen Nutzen man vielleicht noch nicht genug hat kennen gelernet. Der Herr von L e i b n i z, der Erfinder desselben, machte ihn [[A 31>> zum Probierstein, an dem die Gesetze des C a r t e s die Probe nicht hielten. Ich halte es vor den grössten Beweis seiner Vortrefflichkeit, dass er fast allein ein Mittel darbietet, das berufenste Gesetze der ganzen Mechanik recht aufzudecken, und in der wahren Gestalt zu zeigen.
Man darf nur seine Aufmerksamkeit auf die Art und Weise richten, wie Herr von L e i b n i z sich dieses Grundsatzes gegen C a r t e s e n bedienet hat, so wird man leicht wahrnehmen, wie er hier müsse angewandt werden. Er beweiset, diejenige Regel, die da statt hat, wenn ein Körper gegen einen stösst, der in Bewegung ist, müsse auch bleiben, wenn er wider einen anläuft, der in Ruhe ist; denn die Ruhe ist von einer sehr kleinen Bewegung nicht unterschieden. Was da gilt, wenn ungleiche Körper gegen einander laufen, das muss auch gelten, wenn die Körper gleich sind; denn eine sehr kleine Ungleichheit kann mit der Gleichheit verwechselt werden.
Auf diese Weise schliesse ich auch: was da überhaupt gilt, wenn ein Körper sich eine Zeitlang beweget hat, das muss auch gelten, wenn gleich nur die Bewegung im Anfange ist, denn eine sehr kleine Dauer der Bewegung ist von dem blossen Anfange derselben nicht unterschieden, oder man kann sie füglich verwechseln. Hieraus folgere ich: wenn der Körper überhaupt alsdenn eine lebendige Kraft hat, wenn er sich eine Zeitlang (sie sei so kurz als man will) beweget hat, so muss er sie auch haben, wenn er sich erst anfängt zu bewegen. Denn es ist einerlei, ob er eben erst anfängt, oder [[A 32>> etwa schon eine ungemein kleine Zeit fortfähret, sich zu bewegen. Und also schliesse ich: weil aus dem L e i b n i z i s c h e n Gesetze der Kräften-Schätzung diese Ungereimtheit folget, dass selber im Anfangspunkte der Bewegung die Kraft lebendig sein würde, so könne man ihm nicht beipflichten.
Es ist leicht wahrzunehmen, wie sehr sich der Verstand dawider setzet, wenn dieses Gesetze ihm in dem rechten Lichte der Deutlichkeit vorgelegt wird. Es ist unmöglich, sich zu überreden, dass ein Körper, der im Punkte A eine tote Kraft hat, eine lebendige, die unendlichmal grösser ist, wie die tote, haben sollte, wenn er sich nur um eine unmerklich kleine Linie von diesem Punkte entfernet hat. Dieser Sprung der Gedanken ist zu plötzlich, es ist kein Weg, der uns von der einen Bestimmung zur andern überführet.
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Die in der Bewegung verflossene Z e i t, mithin auch die W ü r k l i c h k e i t der Bewegung ist nicht die wahre Bedingung, unter der dem Körper eine lebendige Kraft zukommt
Man habe wohl auf das Acht, was hieraus fliesset. Die verflossene Zeit, wenn sie undeterminiert vorgetragen wird, kann keine Bedingung zur lebendigen Kraft sein, und dies habe ich vorher erwiesen; aber wenn sie gleich determiniert, und auf eine gewisse Grösse eingeschränkt vorgetragen wird, so kann sie doch nicht die eigentliche Bedingung der lebendigen Kraft abgeben, und dieses beweise ich jetzt folgendergestalt.
Gesetzt man könnte erweisen, dass ein Körper, der diese Geschwindigkeit hat, nach einer Minute eine lebendige Kraft haben werde, und dass diese Minute diejenige Bedingung sei, unter der ihm diese Kraft zukommt: so würde, wenn die Grösse [[A 33>> dieser Zeit verdoppelt würde, alles dasjenige in dem Körper doppelt sein, was vorher, nur einzeln genommen, in ihn schon eine lebendige Kraft setzte. Es setzte aber die Grösse der ersten Minute zu der Kraft des Körpers eine neue Dimension hinzu (per hypothesin); also wird die Grösse von zwei Minuten, weil sie die Bedingungen, die die erstere in sie1 enthielte, verdoppelt in sich begreift, zu der Kraft des Körpers eine Dimension mehr hinzu setzen. Der Körper also, der seine Bewegung frei fortsetzet, wird im Anfangspunkte derselben zwar nur eine Kraft von einer Dimension, und, nach Verfliessung einer Minute, eine Kraft von zwei Ahmessungen haben; allein bei der zweiten Minute hat seine Kraft drei Abmessungen, bei der dritten vier, bei der vierten fünf, und so ferner. Das heisst: seine Kraft wird, bei einförmiger Bewegung, bald die Geschwindigkeit schlechthin, bald das Quadrat derselben, bald den Würfel, bald das Quadratoquadrat u.s.w. zum Masse haben; welches solche Ausschweifungen sind, die niemand unternehmen wird zu verteidigen.
Man darf an der Richtigkeit dieser Schlüsse nicht zweifeln. Denn wenn man verlanget: dass eine Zeit von bestimmter Grösse, die von dem Anfange der Bewegung eines Körpers bis zu einem gewissen Punkte verfliesset, die Bedingungen der lebendigen Kraft ganz und gar in sich fasse: so kann man auch nicht leugnen, dass in einer zweimal grösseren Zeit auch zweimal mehr von diesen Bedingungen sein würden, denn die Zeit hat keine andere Bestimmungen wie ihre Grösse. Und wenn daher eine einfache Zeit der zureichende Grund ist, [[A 34>> eine neue Dimension in die Kraft eines Körpers hineinzubringen: so wird eine zwiefache Zeit zwei solcher Dimensionen setzen (nach der Regel: rationata sunt in proportione rationum suarum). Man kann noch hinzu setzen: dass die Zeit nur deswegen eine Bedingung zur lebendigen Kraft sein konnte, weil der Körper bei der Verfliessung derselben sich von der Bedingung der toten, welche in dem Anfangsaugenblicke bestehet, entfernet; und deswegen diese Zeit eine bestimmte Grösse haben müsse, weil er in weniger Zeit sich von den Bestimmungen der toten Kraft nicht genugsam entfernet haben würde, als es die Grösse einer lebendigen Kraft erfordert. Da er sich nun, in einer grösseren Zeit, von dem Anfangsaugenblicke, d. i. von der Bedingung der toten Kraft, immer weiter entfernet: so müsste die Kraft des Körpers ins Unendliche, je länger er sich beweget, auch bei seiner einförmigen Geschwindigkeit immer mehr und mehr Abmessungen erlangen; welches ungereimt ist.
E s i s t a l s o e r s t e n s d i e A b w e s e n h e i t d e r W ü r k l i c h k e i t d e r B e w e g u n g n i c h t d i e w a h r e u n d r e c h t e B e d i n g u n g, w e l c h e d e r K r a f t e i n e s K ö r p e r s d i e S c h ä t z u n g d e r s c h l e c h t e n G e s c h w i n d i g k e i t z u e i g n e t.
Z w e i t e n s, w e d e r d i e W ü r k l i c h k e i t d e r B e w e g u n g ü b e r h a u p t, u n d d i e d a m i t v e r k n ü p f t e a l l g e m e i n e u n d u n b e s t i m m t e B e t r a c h t u n g d e r v e r f l o s s e n e n Z e i t, n o c h d i e b e s t i m m t e u n d g e s e t z t e G r ö s s e d e r Z e i t, i s t e i n z u r e i c h e n d e r G r u n d d e r l e b e n d i g e n K r a f t, u n d d e r S c h ä t z u n g d e r s e l b e n n a c h d e m Q u a d r a t.
[[A 35>> § 28
Die Mathematik kann die lebendigen Kräfte nicht erweisen
Wir wollen aus dieser Betrachtung zwei Folgen von Wichtigkeit ziehen.
Die erste ist: d a s s d i e M a t h e m a t i k n i e m a l s e i n i g e B e w e i s e z u m V o r t e i l d e r l e b e n d i g e n K r ä f t e d a r b i e t e n k ö n n e, und dass eine auf diese Weise geschätzte Kraft, wenn sie sonsten gleich statt hat, dennoch zum wenigsten ausserhalb dem Gebiete der mathematischen Betrachtung sei. Jedermann weiss es, dass, wenn man in dieser Wissenschaft die Kraft eines mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegten Körpers schätzen will, man an keinen bestimmten Augenblick der in der Bewegung verflossenen Zeit gebunden sei, sondern dass, in Absicht auf diese Einschränkung, alles unbestimmt und gleichgültig sei. Es ist also die Schätzung der Kraft bewegter Körper, die die Mathematik darreichet, von der Art, dass sie sich über alle Bewegungen überhaupt erstreckt, die Zeit, die darüber verflossen ist, mag so kurz sein wie man wolle, und dass sie uns hierin gar keine Grenzen setzet. Eine Schätzung von der Art aber gehet auch auf die Bewegung der Körper die im Anfange ist, § 25, 26, und die also tot ist, und die schlechte Geschwindigkeit zu ihrem Masse hat. Und da die lebendigen Kräfte mit den toten zugleich unter einerlei Schätzung nicht begriffen sein können: so siehet man leicht, dass die erstere von einer mathematischen Betrachtung gänzlich ausgeschlossen sein.
Überdem betrachtet die Mathematik in der Bewegung eines Körpers nichts wie die Geschwin[[A 36>>digkeit, die Masse, und noch etwa die Zeit, wenn man sie dazu nehmen wollte. Die Geschwindigkeit ist niemals ein Grund der lebendigen Kraft; denn der Körper, wenn er gleich nach der Meinung der Leibnizianer eine lebendige Kraft besässe, würde sie doch nicht in allen Augenblicken seiner Bewegung haben können, sondern es würde eine Zeit nach dem Anfange derselben sein, darinnen er sie noch nicht hätte, ob in ihm gleich alle Geschwindigkeit schon vorhanden wäre. § 25, 26. Die Masse ist noch viel weniger ein Grund zu derselben. Endlich haben wir eben dasselbe auch von der Zeit erwiesen. Es hat also die Bewegung eines jeden Körpers, besonders genommen, nichts in sich, was in einer mathematischen Erwägung eine ihr beiwohnende lebendige Kraft anzeigte. Weil nun alle Schlüsse, die man von demjenigen macht, was ein Körper tut der in Bewegung ist, aus denen Notionen müssen hergeleitet werden, die in der Betrachtung der Geschwindigkeit, der Masse, und der Zeit begriffen sind, so werden sie, wenn sie richtig herausgezogen sind, keine Folgerungen darbieten, die die lebendigen Kräfte festsetzen. Und wenn es scheinet, dass sie ihnen diesen Dienst leisten, so traue man diesem Scheine nicht, denn es würde alsdenn in den Folgerungen mehr enthalten sein, als die Grundsätze in sich fasseten, d. i. das Rationatum würde grösser sein als seine Ratio.
Nach so vielfältigen und grossen Bemühungen, die sich die Geometrer dieser beiden Jahrhunderte gemacht haben, die Streitsache des C a r t e s und des Herrn von L e i b n i z durch die Lehren der Mathematik abzutun, scheinet es sehr seltsam zu [[A 37>> sein, dass ich anfange, dieser Wissenschaft die Entscheidung derselben abzusprechen. Man hat zwar eine Zeit her gestritten, ob diese Wissenschaft Cartesens Gesetze günstig sei, oder ob sie die Partei des Herrn von Leibniz verteidige. Allein bei diesem Zwiespalte ist jedermann darin einig: dass man es, um die Streitfrage der Kräftenschätzung recht aufzulösen, auf den Ausspruch der Mathematik müsse ankommen lassen. Es ist wunderbar genug: dass so grosse Schlusskünstler auf solche Abwege geraten sein sollten, ohne wahrzunehmen, oder auch nur daran zu gedenken, ob dieses auch der Weg sei, der sie zum Besitz der Wahrheit führen könne, welcher sie nachgespüret haben. Allein hier dünkt mich, dass ich Gründe finde, die mich nötigen, alles das Wunderbare in den Wind zu schlagen, und wohin sollte ich mich nach ihrem Ausspruche weiter wenden?
Die Mathematik bestätiget schon ihrer Natur nach Cartesens Gesetze
Die zweite Folge, die ich aus den vorhergehenden Betrachtungen ziehe, ist diese: d a s s d i e G r ü n d e d e r M a t h e m a t i k, a n s t a t t d e n l e b e n d i g e n K r ä f t e n g ü n s t i g z u s e i n, v i e l m e h r C a r t e s e n s G e s e t z e i m m e r b e s t ä t i g e n w e r d e n. Dieses muss aus den Sätzen dieses § schon klar sein, und ich kann noch hinzusetzen: dass die mathematische Grössen, die Linien, Flächen, u.s.w. eben dieselbe Eigenschaften haben, wenn sie noch so klein sein, als wenn sie wer weiss was vor eine Grösse haben; und daher aus den kleinesten mathematischen Grössen, aus den1 kleinesten Parallelogramm, aus dem Fall eines Körpers durch die kleineste Linie, eben dieselbe Eigenschaften und Folgerungen müssen hergeleitet werden kön[[A 38>>nen, als dem2 grössesten von diesen Gattungen. Wenn nun eine Linie, die eine Bewegung anzeiget, wie sie alsbald nach dem Anfange beschaffen ist, eben dieselbe Bestimmungen und Eigenschaften, auch eben dieselbe Folgerungen hat, als diejenige Linie, die eine Bewegung lange nach dem Anfange andeutet: so wird die Kraft, die man in einer mathematischen Betrachtung der Bewegung eines Körpers herausbringt, niemals andere Eigenschaften haben, als diejenige hat, die auch in der kleinesten Zeit, das ist in einer unendlich kleinen Zeit, von dem Anfangsaugenblicke an in dem Körper vorhanden ist. Da dieses nun eine tote Kraft ist, und daher das Mass der schlechten Geschwindigkeit an sich hat, so werden alle und jede mathematisch erwogene Bewegungen keine andere Schätzung als einzig und allein die nach der blossen Geschwindigkeit darlegen.
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Wir wissen demnach, noch ehe wir uns in eine nähere Untersuchung der Sache einlassen, dass L e i b n i z e n s Anhänger, weil sie sich mit solchen Waffen verteidigen wollen, die von der Natur ihrer Sache weit entfernet sind, in dem berüchtigten Streite wider C a r t e s e n unterliegen werden. Nach dieser allgemeinen Betrachtung wollen wir die Beweise insbesondere in Erwägung ziehen, derer sich L e i b n i z e n s Partei hauptsächlich in dieser Streitsache bedienet hat.
Der Herr von L e i b n i z ist durch dasjenige, was man bei dem Falle der Körper durch ihre Schwere wahrnimmt, zuerst auf seine Meinung geleitet worden. Allein es war ein unrechtange[[A 39>>wandter Grundsatz des C a r t e s, der ihn zu einem Irrtum führete, welcher nach der Zeit vielleicht der scheinbarste geworden, welcher sich jemals in die menschliche Vernunft eingesehlichen hat. Er setzte nämlich folgenden Satz fest: Es ist einerlei Kraft nötig, einen vier Pfund schweren Körper einen Schuh hoch zu heben, als einen einpfündigen vier Schuhe.
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Der Satz, der den Herrn von L e i b n i z zuerst auf die lebendigen Kräfte gebracht hat
Weil er sich auf den Beifall aller Mechaniker seiner Zeit beruft, so dünkt mich, er habe diesen Satz aus einer Regel des C a r t e s gefolgert, deren dieser sich bediente, die Natur des Hebels zu erklären. C a r t e s nahm an, dass die an einen Hebel angehangene Gewichte die unendlich kleinen Räume durchliefen, die in ihrer Entfernung vom Ruhepunkte können beschrieben werden. Nun sind zwei Körper alsdenn im Gleichgewichte, wenn diese Räume gegen einander umgekehrt wie die Gewichte der Körper sind; und also, schloss L e i b n i z, ist nicht mehr Kraft nötig, einen Körper von einem Pfunde zur Höhe vier zu erheben, als einen andern, dessen Masse vier ist, zur einfachen Höhe. Man wird leicht gewahr, dass diese Schlussfolge aus C a r t e s e n s Grundregel nur als denn herfliesse, wenn die Zeiten der Bewegung gleich sein. Denn, bei der Schnellwaage, sind diese Zeiten einander gleich, darin die Gewichter ihre unendlich kleine Räume durchlaufen würden. Der Herr von L e i b n i z liess diese Bedingung aus der Acht, und schloss auch auf die Bewegung in Zeiten, die einander nicht gleich sein.
[[A 40>> § 31
Des Herrn H e r m a n n s Beweis, dass die Kräfte wie die Höhen sind, die sie durch dieselben erreichen können
Die Verteidiger dieses Mannes scheinen den Einwurf gemerkt zu haben, den man ihnen wegen der Zeit machen könnte. Daher haben sie ihre Beweise so einzurichten gesucht, als wenn der Unterscheid der Zeit bei der Kraft, welche die Körper durch den Fall erlangen, durchaus vor nichts anzusehen sei.
* Fig. III
Es sei die unendliche Feder AB,* welche die Schwere vorstellet, die den Körper in währendem Falle aus A in B verfolget: so, sagt Herr H e r m a n n, werde die Schwere dem Körper in jedem Punkte des Raumes einen gleichen Druck mitteilen. Diese Drucke bildet er durch die Linien AC, DE, BF, u.s.w. ab, die zusammen das Rectangulum AF ausmachen. Der Körper hat also nach seiner Meinung, wenn er den Punkt B erreicht hat, eine Kraft, die der Summe aller dieser Drucke, d. i. dem Rectangulo AF gleich ist. Es verhält sich also die Kraft in D zur Kraft in B, wie das Rectangulum AE zum Rectangulo AF, d. i. wie der durchgelaufene Raum AD zum Raum AB, mithin wie die Quadrate der Geschwindigkeiten in D und B.
So schliesst Herr H e r m a n n, indem er behauptet, dass die Wirkung, welche die Schwere in einem Körper tut, welcher frei fällt, sich nach dem Raume richte, den er im Fallen zurück legt.
Die Kartesianer hingegen behaupten, dass die Wirkung der Schwere nicht denen, in aufgehaltener Bewegung, zurückgelegten Raumen, sondern den Zeiten proportioniert sein1, in welchen der [[A 41>> Körper entweder fällt oder zurück steigt. Ich werde itzo einen Beweis geben, der die Meinung der Kartesianer ausser Zweifel setzen wird, und daraus man zugleich wird einsehen lernen, worin der scheinbare Beweis des Herrn H e r m a n n s fehle.
- 32
* Fig. IV
Beweis, der den Fall des Herrn Hermanns widerleget
Es ist gleich viel Kraft nötig, eine einzige von den fünf gleich gespannten Federn* A, B, C, D, E eine Sekunde lang zuzudrücken, als sie alle fünfe nach und nach binnen eben dieser Zeit zuzudrücken. Denn man teile die Sekunde als die Zeit, wie lange der Körper M die Feder A zugedrückt hält, in fünf gleiche Teile; an statt dass nun M, alle diese fünf Teile der Sekunde hindurch, auf die Feder A losdrückt, so nehme man an, dass er die Feder A nur in dem ersten Teil der Sekunde drücke, und dass in dem zweiten Teil der Sekunde, an statt der Feder A, die andere B, die gleichen Grad der Spannung hat, untergeschoben werde, so wird in der Kraft, die M zu drücken brauchet, bei dieser Verwechslung kein Unterscheid anzutreffen sein. Denn die Federn B und A sind in allem vollkommen gleich, und also ist’s einerlei, ob in dem zweiten Sekundteile annoch dieselbe Feder A oder ob B gedruckt werde. Eben so ist es gleich viel, ob M, in dem dritten Teil der Sekunde, die dritte Feder C spanne, oder ob er in diesem Zeitteile annoch auf die vorige B drückte; denn man kann eine Feder an der andern Stelle setzen, weil sie nichts unterschieden1 sein. Es wendet also der Körper M so viel Kraft an, die einzige Feder A eine ganze Sekunde lang zugedrückt zu halten, als er braucht, [[A 42>> fünf solcher Federn binnen eben dieser Zeit nach und nach zu spannen. Eben dieses kann gesagt werden, man mag die Menge der Federn auch ins Unendliche vermehren, wenn die Zeit des Druckes nur gleich ist. Es ist also nicht die Menge der zugedrückten Federn, wornach die Kraft des Körpers, Her sie alle spannet, abgemessen wird, sondern die Zeit der Druckung ist das rechte Mass.
Jetzt lasst uns die Vergleichung, die Herr H e r m a n n zwischen der Wirkung der Federn und dem Druck der Schwere anstellet, annehmen, so werden wir finden, dass die Zeit, wie lange die Kraft des Körpers der Schwere widerstehen kann, und nicht der zurückgelegte Raum, dasjenige sei, wornach die ganze Würkung des Körpers müsse geschätzt werden.
Dieses ist also der erste Versuch, der wie ich glaube dasjenige bestätigt, was ich oben gesagt habe, dass nämlich C a r t e s e n s Meinung in mathematischen Beweisen das Gesetze des Herrn von L e i b n i z übertreffe.
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Der K a r t e s i a n e r Fehler in Behauptung eben derselben Sache
Ich finde in dem Streite der K a r t e s i a n e r, wider die Verteidiger der lebendigen Kräfte, den die Frau M a r q u i s i n v o n C h a s t e l e t mit vieler Beredsamkeit ausgeführet hat, dass sich jene auch des Unterschiedes der Zeit bedienet haben, um die Schlüsse der L e i b n i z i a n e r von dem Falle der Körper unkräftig zu machen. Allein aus demjenigen, was sie, aus der Schrift des Herrn von Mairan, gegen die neue Schätzung der Kräfte anfüh[[A 43>>ret, sehe ich, dass ihm der wahre Vorteil unbekannt gewesen sei, den er aus dem Unterscheide der Zeit hätte ziehen können, und den ich im vorhergehenden § angezeigt zu haben glaube, welcher gewiss so einfach und deutlich ist, dass man sich wundern muss, wie es möglich gewesen, ihn bei einem solchen Lichte des Verstandes nicht wahrzunehmen.
Es ist gewiss recht seltsam, wie weit sich diese Männer verirret haben, indem sie einem wahren Gesetze der Natur nachgingen, dass nämlich die Kraft, die die Schwere einem Körper raubet, der Zeit und nicht dem Raum proportioniert sei. Nachdem sie sich so weit vergangen, dass sie den L e i b n i z i a n e r n zugegeben, ein Körper könne mit doppelter Geschwindigkeit vierfache Wirkung tun, nachdem sie sage ich ihre Sache so verdorben haben, so sind sie genötigt, sich mit einer ziemlich schlechten Ausflucht zu retten, dass nämlich der Körper zwar eine vierfache Wirkung, aber nur in doppelter Zeit tue. Sie dringen daher ungemein ernstlich darauf, dass die Kräfte zweier Körper nach denen Würkungen geschätzt werden müssen, die sie in gleichen Zeiten tun, und dass man darauf gar nicht zu sehen habe, was sie etwa in ungleichen Zeiten ausrichten können. Man hat dieser Ausflucht mit unendlicher Deutlichkeit begegnet, und ich begreife nicht, wie es möglich gewesen ist, sich dem Zwange der Wahrheit noch ferner zu widersetzen.
Wir sehen aber auch hieraus, dass es eigentlich nur die Fehlschlüsse der K a r t e s i a n e r sein, welche L e i b n i z e n s Partei triumphieren machen, und dass sie den Streit gar nicht durch die Schwäche [[A 44>> ihrer Sache verlieren. Sie würden allemal die Oberhand behalten, wenn sie die rechte Waffen ergreifen möchten, die ihnen die Natur der Sache eigentlich darbietet.
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Ein Zweifel des Herrn L i c h t s c h e i d s wird gehobei
Ich habe erwiesen, dass die Wirkungen, welche die Schwere ausübet, und der Widerstand, den sie im Hinaufsteigen verübet, sich wie die Zeit verhalte, welche die Körper in der Bewegung zubringen. Allein, ich besinne mich auf einen Fall, der vielleicht scheinbar gnug ist, diesen Satz bei einigen zweifelhaft zu machen.
* Fig. V
Herr L i c h t s c h e i d bemerket in den Actis Erudit., wenn man einen Perpendikel* aus D auf eine solche Art fallen lässt, dass sich der Faden an dem Widerhalte E anleget, mithin, indem er aus B in C wieder in die Höhe steiget, einen kleinern Zirkul beschreibet, so erlange er doch, vermöge seiner in B erhaltenen Geschwindigkeit, wieder die Höhe CF, welche der Höhe DG gleich ist, von der er herunter gefallen. Es ist aber die Zeit, die der Perpendikel, im Falle durch den Bogen DB, zubringt, länger, als die Zeit, in der er bis zu C wieder in die Höhe steigt. Also hat die Schwere dorten in den Perpendikel länger, als wie hier gewirket. Man sollte nun denken, wenn es wahr ist, was ich vorher erwiesen habe, dass die Schwere in grössern Zeiten grössere Wirkung tue, so habe der Körper in B eine grössere Geschwindigkeit erhalten müssen, als die Schwere in der Bewegung aus B in C ihm wieder zu nehmen im Stande ist. Er müsste also vermittelst dieser Geschwindigkeit vermögend sein, sich noch über den Punkt C [[A 45>> hinauf zu schwingen, welches doch nach den Beweisen des Herrn L i c h t s c h e i d s falsch ist.
Wenn man aber nur bedenket, dass der Faden AB dem Körper, indem er sich aus D in B beweget, stärker entgegen gesetzt ist und den Fall durch seine Schwere mehr hindert, als der Faden EB, oder EC, in dem Falle aus C in B: so lässet sich auch leicht begreifen, dass das Element der Kraft, welches sich in allen Augenblicken des Hinabsteigens aus D in B in den Körper häufet, und sammlet, kleiner sei wie die elementarische Kraft, die die Schwere im Gegenteil in den Körper C jedweden Augenblick hineinbringt, wenn er aus C in B hinabsinket. Denn da es einerlei ist, ob ein Körper, der an einen Faden befestiget ist, durch den Zurückhalt A genötiget werde, den Zirkelbogen DB oder CB durchzulaufen, oder ob er auf einer eben so gekrümmten Fläche BD CB frei hinab kugele, so kann man sich vorstellen, als wenn der Fall von dem wir reden auf zwei solchen hohlen mit einander verbundnen Flächen würklich geschehe. Nun ist die Fläche DB stärker gegen die Horizontallinie geneigt1 als die andere CB, mithin ist in jener der Körper zwar den Antrieben der Schwere länger ausgesetzt, als in dieser, allein die Fläche hindert davor auch einen grösseren Teil der Schwere, die bemühet ist, sich dem Körper einzuverleiben, als es die andere CB tut.
Ich hätte der Auflösung dieses Einwurfs überhoben sein können, weil die Anhänger des Herrn von Leibniz seine Schwäche selber wahrgenommen zu haben scheinen, da ich nirgends finde, dass sie sich dessel[[A 46>>ben bedienet hätten. Allein Herr von L e i b n i z, der von Herrn L i c h t s c h e i d e n zum Richter seiner Abhandlung erwählet worden war, erteilet derselben einen rühmlichen Beifall, und sein Ansehen ist es, welches ihm einiges Gewicht beilegen könnte.
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Ehe ich die Materie v o n d e m F a l l e d e r K ö r p e r d u r c h i h r e S c h w e r e verlasse, will ich den Verteidigern der lebendigen Kräfte noch einen Fall aufzulösen geben, der wie mich dünkt hinlänglich dartun soll: dass die Betrachtung der Zeit von der Schätzung der Kraft, die die Schwere in einen Körper hineinbringt, unmöglich ausgeschlossen werden könne, wie Herr von L e i b n i z, und die Verteidiger desselben, uns bis daher haben überreden wollen.
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Neuer Fall, der dartut, dass in der Schätzung der Kraft, die durch die Schwere entstehet, die Zeit notwendig mit müsse in Erwägung gezogen werden
* Fig. VI
Der Fall ist folgender: Ich stelle mir auf die den K a r t e s i a n e r n und L e i b n i z i a n e r n gewöhnliche Art die Drucke der Schwere, die einem Körper von der Höhe* ab1 bis zur Horizontallinie bc mitgeteilet werden, durch die unendliche Anzahl Blechfedern AB, CD, EF, GH vor. Ferner setze ich einen Körper m auf die schiefe Fläche ac und einen andern l lasse ich von a in b frei herunter fallen. Wie werden nun die L e i b n i z i a n e r die Kraft des Körpers m, der durch den Druck der Federn die schiefe Fläche a c herunter getrieben wird, am Ende dieses schrägen Falles in c schätzen ? Sie können nicht anders, als das Produkt, aus der Menge Federn, die den Körper aus a bis in c antreiben, in die Kraft, die jede Feder demselben nach der Richtung ac eindrücket, zum [[A 47>> Masse angeben, denn dieses erfordert ihr Lehrgebäude, wie wir aus dem Falle des Herrn H e r m a n n s, § 31, gesehen haben. Und eben so werden sie auch die Kraft, die sich in dem andern Körper l findet, der von a bis in b frei fällt, durch das Faktum2, aus der Menge Federn, von denen er fortgetrieben worden, in die Intensität, womit jede ihn fortgestossen hat, zu schätzen genötiget. Es ist aber die Anzahl Federn von beiden Seiten, so wohl die schiefe Fläche ac, als die Höhe ab hindurch, gleich, also bleibt nur die Stärke der Kraft, die jede Feder in beiden Fällen in ihren Körper hineinbringt, zum wahren Masse der in b und c erlangten Kräfte der Körper l und m übrig. Diese Stärke, womit eine jede von denen Blechfedern den Körper m nach der Richtung der schiefen Fläche ac drucket, verhält sich zu der Intensität des Druckes eben dieser Blechfedern auf den Körper 1 nach der Richtung seiner Bewegung ab, wie ab zu ac; wie uns die erste Anfangsgründe der Mechanik lehren. Es wird also die Kraft, die der Körper l am Ende des Perpendikular-Falles in b hat, zu der Kraft, die m am Ende des schiefen Falles in c hat, sich gleichfalls wie1 a c zu a b verhalten; welches ungereimt ist, denn beide Körper haben in b und c gleiche Geschwindigkeiten, und also auch gleiche Kräfte.
Die Kartesianer entgehen diesem Einwurfe, indem sie die Zeit mit herbeiziehen. Denn obgleich jede Feder in den Körper m auf der schiefen Fläche ac weniger Kraft hineinbringet (weil ein Teil durch den Widerstand der Fläche verzehret wird), so würken davor diese Federn in den Körper [[A 48>> m viel länger als in den Körper 1, der ihrem Drucke eine viel kürzere Zeit ausgesetzet ist.
- 37
Nachdem ich erwiesen habe, dass die Betrachtung derer durch die Schwere fallenden Körper den lebendigen Kräften auf keinerlei Weise vorteilhaft sei, so ist es Zeit, eine andere Gattung von Beweisen in Erwägung zu ziehen, auf die sich die Verteidiger der lebendigen Kräfte jederzeit sehr viel zu gute getan haben. Es sind diejenige, die ihnen die Lehre von der Bewegung elastischer Körper darzubieten scheinet.
- 38
Es sind in der Trennung, die des Herrn von L e i b n i z Kräftenschätzung in der Welt veranlasset hat, so viel Verblendungen und Abwege unter den Geometrern entstanden, als man bei so grossen Schlusskünstlern kaum vermuten sollte. Die Nachrichten, die man uns von allen den Vorfällen dieses berüchtigten Streites aufbehalten wird, werden dereinst in der Geschichte des menschlichen Verstandes eine sehr nutzbare Stelle einnehmen. Keine Betrachtung ist siegreicher über die Einbildung derjenigen, die die Richtigkeit unserer Vernunftschlüsse so sehr erheben, als solche Verführungen, denen die scharfsinnigsten Meister der Geometrie in einer Untersuchung nicht haben entgehen können, die ihnen vor andern Deutlichkeit und Überzeugung hätte gewähren sollen.
Es wäre unmöglich gewesen, auf solche Abwege zu geraten, wenn die Herren Leibnizianer sich hät[[A 49>>ten die Mühe geben wollen, auf die Konstruktion derer Beweise selber ihre Aufmerksamkeit zu richten, die sie jetzt als unüberwindliche Beweistümer vor die lebendige Kräfte ansehen.
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Die Summe aller Beweise, die aus der Bewegung elastischer Körper hergenommen sind
Fast alle Beweise, zum wenigsten die scheinbarsten, unter denen, die man vor die lebendigen Kräfte, von der B e w e g u n g e l a s t i s c h e r K ö r p e r d u r c h d e n S t o s s, entlehnet hat, sind auf folgende Art entsprungen. Man hat die Kraft, die sich in ihnen nach verübtem Stosse befindet, mit der Kraft vor dem Anstosse verglichen. Jene ist grösser befunden worden als diese, wenn man sie nach dem Produkt aus der Masse in die Geschwindigkeit geschätzet hat, allein nur alsdenn zeigte sich eine vollkommene Gleichheit, wenn man, an statt der schlechten Geschwindigkeit, das Quadrat derselben setzete. Hieraus haben die Herren Leibnizianer geschlossen, ein elastischer Körper würde nie vermögend sein, in diejenige die er stösst so viel Bewegung hineinzubringen, als würklich geschiehet, wenn seine Kraft nur schlechthin wie seine Geschwindigkeit wäre; denn nach diesem Masse sei die Ursach immer kleiner als die hervorgebrachte Würkung.
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Die Leibnizianer widerlegen ihre Schlüsse durch ihre eigene mechanische Lehrgebäude
Dieser Schluss wird durch die Lehrsätze dererjenigen selber, die sich desselben bedienet haben, vollkommen widerleget. I c h will W r e n s, W a l l i s’, H u y g e n s’, und anderer mechanische Entdeckungen nieht anführen. Der Herr Regierungs-[[A 50>>Rat und Freiherr von W o l f f soll mein Gewährsmann sein. Man sehe seine Mechanik, die in aller Händen ist, man wird darin Beweise finden, die keinen Zweifel mehr übrig lassen, dass die elastische Körper, dem Gesetze v o n d e r G l e i c h h e i t d e r W ü r k u n g e n u n d d e r U r s a c h e ganz gemäss, alle die Bewegungen andern Körpern erteilen, ohne dass man nötig hat, in ihnen eine andere Kraft, als die blosse Geschwindigkeit zu setzen. Ich kann noch dazu tun, dass man die lebendigen Kräfte gar nicht, auch nicht dem Namen nach, kennen darf, ohne dass dieses im gringsten hinderlich sein sollte, zu erkennen, dass von der Kraft eines federharten Körpers, in dem Anlaufe gegen andere gleichartige, die und die Bewegungen herfliessen werden, die jedweder aus derselben herleitet. Ist es nicht seltsam, nach einem geometrischen Beweise, darin man die nach der blossen Geschwindigkeit geschätzte Kraft hinlänglich befunden, eine gewisse Grösse der Bewegung in andern Körpern daraus herzuleiten, ich sage, nach einem solchen Beweise, sich noch den Gedanken einkommen zu lassen, dass diese Kraft nicht gross genug dazu sei ? Heisst dieses nicht, alles widerrufen, was einmal in aller Strenge erwiesen worden, und das bloss wegen einer gringen Anscheinung zum Gegenteil ? Ich bitte diejenige, die diese Blätter lesen, nur die Mechanik, die ich angeführt habe, hiemit zusammen zu halten, sie können nichts anders als die grösseste Überzeugung fühlen: dass sie gar keinen Begriff von der Schätzung nach dem Quadrate nötig haben, um in aller Strenge diejenigen Folgen und Bewegungen zu finden, die man den federharten Körpern zuzueignen pfleget. [[A 51>> Wir wollen uns also von diesem Fusssteige durch alle Verführungen nicht ableiten lassen. Denn was in einem geometrischen Beweise als wahr befunden wird, das wird auch in Ewigkeit wahr bleiben.
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Der Fall des Herrn H e r m a n n s von dem Stosse dreier elastischer Körper
* Fig. VII
Lasset uns dasjenige in einem besonderen Falle dartun, was wir überhaupt erwiesen haben. Herr H e r m a n n lässet in der Abhandlung, die er zur Verteidigung der lebendigen Kräfte verfertiget hatte, einen Körper* A, dessen Masse 1, und die Geschwindigkeit 2 ist, auf einer vollkommen glatten Fläche, eine Kugel B, die ruhig, und deren Masse 3 ist, nachher aber, indem A von der Kugel B abprellet und mit einem Grade Geschwindigkeit wieder zurückkehret, eine Kugel C, die r zur Masse hat, stossen. Die Kugel A wird der Kugel B einen Grad Geschwindigkeit, und dem Körper C auch einen mitteilen, und alsdenn wird sie sich in Ruhe befinden. Herr Hermann schliesst hieraus, wenn die Kräfte nur wie die Geschwindigkeiten wären, so würde A vor dem Stosse eine Kraft wie 2 haben, nach dem Stosse aber würde sich in den Körpern B und C zusammen eine vierfache Kraft befinden, welches ihm ungereimt zu sein scheinet.
Wir wollen untersuchen, wie der Körper A, mit einer Kraft wie 2, in die Körper B und C eine vierfache Kraft ohne ein Wunderwerk hineinbringen könne, oder ohne dass es nötig sei, die lebendigen Kräfte zu Hülfe zu rufen.
* Fig. VIII
Man stelle sich die elastische Kraft des Körpers* A, die durch den Stoss würksam wird, durch die Feder AD und [[A 52>> die Elastizität der Kugel B durch die Feder DB vor. Wir wissen nun aus den ersten Gründen der Mechanik: dass der Körper A in die Kugel B vermittelst der Federn so lange noch immer neue Drückungen und Kräfte hineinbringe, bis sich B und A mit gleichen Geschwindigkeiten fortbewegen, welches alsdenn geschiehet, wenn die Geschwindigkeit dieser Körper sich zur Geschwindigkeit der Kugel A vor dem Anlaufe verhält, wie die Masse A zur Summe beider Massen A und B zusammen; d. i. in dem gegenwärtigen Falle, wenn sie sich mit ½ Geschwindigkeit in der Richtung BE fortbewegen: Niemand leugnet es, dass hierin noch die Würkung der nach der Geschwindigkeit geschätzten Kraft proportional befunden werde. Allein lasst uns auch untersuchen, was denn mit den Federn AD und DB geschehe, indem der Körper A vermittelst ihrer in die Kugel B würket. Weil die Feder AD in dem Punkte D eben so viel Kraft gegen die Feder DB anwenden muss, als diese dem Körper B eindrücken soll; die Kugel B aber der Würkung, welche in sie geschiehet, eben so stark widerstehet, so ist klar: dass die Feder DB, durch die Anstrengung der andern Feder, mit eben derselben Grade1 Kraft werde zusammen gedrückt werden, als sie in die Kugel B hineinbringet. Eben desgleichen wird die Kugel A ihre Feder AD mit eben demselben Grade zusammen drücken, womit diese im Punkte D in die Feder DB würket; weil nämlich diese Feder der Feder AD eben so stark entgegen drücket, als diese in sie würket, mithin auch eben so stark, als die Kugel A diese seine Feder zusammen zu drücken bemühet ist. Da nun die Kraft, womit die Feder DB gespannet wird, [[A 53>> dem Widerstande der Kugel B, mithin auch der Kraft, welche diese Kugel hindurch1 empfängt, gleich ist; die Kraft der Zusammendrückung der Feder AD aber jener auch gleich ist: so sind beide so gross, als die Kraft, die der Körper B hiebei erhalten hat, d. i. womit er sich mit einer Masse wie 3, und ½ Grad Geschwindigkeit beweget. Wenn daher diese beide Federn aufspringen: so gibt die Feder DB der Kugel B eine Geschwindigkeit, die der vor dem Aufspringen gleich ist, nmlich ½, und die Feder AD dem Körper B, weil er dreimal weniger Massen hat als B, auch dreimal so viel Geschwindigkeit, nämlich 1+ ½ Grad; denn wenn die Kräfte gleich sein, so sind die Geschwindigkeiten in umgekehrter Verhältnis der Massen, per hypothesin. Also hat die Kugel B von dem Anlaufe des Körpers A, und hernach auch von dem Aufspringen ihrer Feder, zusammen 1 Grad Geschwindigkeit, in der Richtung BE. Die Kugel A aber, weil die Geschwindigkeit ½, die in ihr nach dem Anlaufe in der Richtung AE noch übrig war, von derjenigen, welche die Aufspringung der Feder in sie nach der Richtung AC hineinbrachte, muss abgezogen werden, empfängt auch ein Grad2 Geschwindigkeit, womit sie sich in der Richtung AC fortbeweget,* welches gerade der Fall ist, den Herr H e r m a n n vor unmöglich gehalten hat nach dem K a r t e s i a n i s c h e n Gesetze zu erklären.
[[A 54>> Ich schliesse hieraus: Der Körper A könne mit 2 Graden Geschwindigkeit, und auch mit 2 Graden Kraft, die Würkung vollkommen ausrichten, die Herr H e r m a n n ihm abstreiten wollen; und man verletze das Gesetz von der G l e i c h h e i t d e r U r s a c h e n u n d W ü r k u n g e n, wennman behauptet, er habe 4 Grade Kraft gehabt, und doch nur so viel ausgerichtet, als er mit 2 ausrichten können.
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Der Grund des Irrtums in der Schlussrede des Herrn H e r m a n n s
Wir wollen in dem Schlusse des Herrn H e r m a n n s noch den rechten Punkt der Falschheit aufsuchen, der sich zugleich fast allenthalben findet, wo man nur die elastische Körper zum Behuf der lebendigen Kräfte hat brauchen wollen. Man hat also geschlossen: die Kräfte der Körper nach dem Stosse müssen der Kraft vor demselben gleich sein; denn die Würkungen sind so gross wie die Ursachen, die sich erschöpfet haben, sie hervorzubringen. Hieraus ersehe ich, dass sie davor gehalten haben, der Zustand und die Grösse der Kraft, nach geschehenem Stosse, sei einzig und allein eine Würkung der Kraft, die in dem anlaufenden Körper vor dem Anstosse befindlich war. Dieses ist der Fehltritt, dessen Folgen wir gesehen haben. Denn die Bewegungen, die eigentlich, und auf eine vollständige Art, von der Kraft des anlaufenden Körpers A herrühren, sind nichts mehr, als dass sich A und B da, wie die Feder zusammen gedrückt war, mit ½ Geschwindigkeit beide fortbewegten, die Zusammendrückung der Feder war nicht so wohl eine besondere Würkung der Kraft, womit A gegen B fortrückte, als vielmehr eine Folge von der Trägheitskraft beider Körper. Denn B konnte die Kraft 1+½ nicht erlangen, ohne eben so stark gegen die drückende [[A 55>> Feder DB zurück zu würken, und die Feder AD könnte1 also keine Kraft in B hineinbringen, ohne dass der Zustand der Gleichheit des Druckes und Gegendruckes nicht zugleich die Feder BD gespannet hätte. Ferner konnte der Körper A die Feder DB vermittelst seiner Feder AD nicht drücken, ohne dass diese eben hiedurch mit einem gleichen Grade der Intensität wäre gespannet worden. Man darf sich darüber nicht wundern, dass auf diese Weise zwei ganz neue Kräfte in die Natur kommen, die vorher in A alleine nicht befindlich waren.
In dem Augenblicke, darinnen auch unelastische Körper sich stossen, ist mehr Kraft in der Ausübung, als vor dem Stosse war
Dieses geschiehet würklich jederzeit, wenn auch ein unelastischer Körper in einen andern würket, nur dass in diesem Falle die Folgen dieser neuen Kraft nicht, wie bei federharten Körpern, aufbehalten werden, sondern verloren gehen. Denn in dem Augenblicke, darin A mit der Kraft x in B würket, empfängt nicht allein B diese Kraft nach der Richtung Bc1, sondern B würket zugleich noch mit der Intensität x in A wieder zurück. Es sind also vors erste 2 x in der Natur vorhanden: nämlich x vor den Druck der Kugel A gegen B, und ebenfalls x vor den Gegendruck der Kugel B; zweitens noch x, als die Kraft, die aus A in B nach der Richtung Bc1 übertritt. Die beiden erste Gewalten werden in dem Zusammenstosse elastischer Körper angewandt, zwei Federn zu spannen, die hernach, wenn sie aufspringen, denen Körpern ihre Kräfte mitteilen. Die elastischen Körper sind daher diejenige Maschinen der Natur, welche angelegt sein, die ganze Grösse der Kraft aufzubehalten, die in dem Augenblicke des Zusammenstosses in der Natur befindlich ist; denn ohne diese würde ein Teil der Kräfte verloren gehen, die der Conflictus der Körper in die Welt gebracht hat.
[[A 56>> § 43
Ich habe, in der Auflösung des Hermannischen Falles, nichts gesagt, was diesem Philosophen im Grunde des Beweises hätte unbekannt sein können; oder was die ansehnlichsten Verfechter der lebendigen Kräfte würden zu leugnen verlangen, wenn es darauf ankäme, dass sie sich deswegen erklären sollten. Herr Hermann musste notwendig wissen, wie man die Bewegungen, die in dem Stosse elastischer Körper entsprungen, aus ihrer blossen Geschwindigkeit herleiten können1; denn ohne dieses hätte es ihm unmöglich a priori bekannt sein können: dass eine Kugel von einfacher Masse, in dem Stosse gegen eine dreifache, mit zwei Graden Geschwindigkeit, vier Grade Kraft hervorbringe. Ich sage, dieser Fall hätte ihm selber, ohne die Art der Auflösung, welche wir gegeben haben, nicht bekannt sein können; denn jedermann weiss: dass man, in einer mechanischen Untersuchung, die Bewegungen, die ein elastischer Körper durch den Stoss hervorbringt, finde, indem man dasjenige zuerst insbesondere suchet, was er ohne seine Federkraft tut, und hernach die Würkung der Elastizität dazu nimmt, beides aber nach demjenigen bestimmet, was er nach Proportion seiner Masse und seiner schlechten Geschwindigkeit tun kann. Man kann nichts Stärkeres, in der Art der Schlussrede, die man ein argumentum ad hominem nennet, gegen den Herrn Hermann und die Leibnizianer überhaupt vorbringen. Denn sie müssen entweder bekennen: dass alle Beweise, darin sie bis daher einig gewesen, den Grund von den Bewegungen zu geben, welche in dem Stosse elastischer Körper entspringen, falsch gewesen; oder sie müssen gestehen: dass ein solcher Körper, allein mit der der Masse und Geschwindigkeit [[A 57>> schlechthin zusammengenommen proportionierten Kraft, die Bewegungen hervor gebracht habe, weswegen sie ihn das Quadrat der Geschwindigkeit nötig zu haben glaubten.
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Der Frau von Chastelet ist diese Auflösung unbekannt gewesen
Ich werde durch den Streit der Frau M a r q u i s i n v o n C h a s t e l e t mit dem Herrn von M a i r a n überführet, dass es nicht überflüssig gewesen sei, jetzo eine ausführliche Entwickelung der Art und Weise, wie die elastische Körper durch den Stoss eine grössere Quantität der Bewegung in die Welt bringen, als vor dem Stoss darin gewesen, gegehen zu haben. Denn wenn Herr von M a i r a n saget: D i e e l a s t i s c h e K r a f t s e i e i n e w a h r e M a s c h i n e d e r N a t u r, e t c. e t c., d a s s, w e n n m a n a l l e W ü r k u n g e n d e s S t o s s e s e l a s t i s c h e r K ö r p e r b e s o n d e r s b e t r a c h t e n w i l l, i n d e m m a n d a s j e n i g e a l s p o s i t i v s u m m i e r e t, w a s s i e i n d e n b e i d e n e n t g e g e n g e s e t z t e n R i c h t u n g e n g e b e n, m a n d i e n e u e K r a f t, d i e d a r a u s i n d e r N a t u r z u e n t s p r i n g e n s c h e i n e t, u n d s i c h d u r c h d e n S t o s s ä u s s e r t, k e i n e s w e g e s d e r T ä t i g k e i t d e s s t o s s e n d e n K ö r p e r s z u s c h r e i b e n m ü s s e, a l s w e n n e r d i e s e l b e n u r i n d e n g e s t o s s e n e n ü b e r t r ü g e, s o n d e r n e i n e r f r e m d e n Q u e l l e d e r K r a f t e t c. e t c., m i t e i n e m W o r t e e i n e r g e w i s s e n p h y s i k a l i s c h e n U r s a c h e d e r E l a s t i z i t ä t, w e l c h e e s a u c h i m m e r s e i, d e r e n W ü r k s a m k e i t d e r S t o s s n u r l o s g e m a c h t, u n d s o z u s a g e n d i e F e d e r a b g e d r ü c k t h a t e t c. e t c., ich sage, wenn Herr von Mairan dieses saget, so antwortet ihm die Frau von Chastelet: e s s e i u n n ü [[A 58>> t z e, e s z u u n t e r s u c h e n, b i s d e r U r h e b e r d i e s e r M e i n u n g s i c h d i e M ü h e g e n o m m e n, d a s j e n i g e, w a s e r h i e r b e h a u p t e n w o l l e n, a u f e i n i g e n B e w e i s z u g r ü n d e n. Ich habe mir die Ehre genommen, mich dieser Mühe an statt des Herrn von Mairan zu unterziehen, und dieses ist die Rechtfertigung, womit ich meine Weitläuftigkeit in dieser Materie entschuldige.
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Herrn J u r i n s Einwurf von dem Gegenstosse zweener unelastischer und ungleicher Körper
Es ist den Leibnizianern durch Herrn J u r i n, und andere, noch dieser Einwurf gemacht worden: dass zweene unelastische Körper, die sich einander mit solchen Geschwindigkeiten begegnen, welche sich umgekehrt wie ihre Masse verhalten, doch nach dem Stosse in Ruhe verbleiben. Hier sind nun, nach der Lehre von den lebendigen Kräften, zweene Kräfte, die man so ungleich machen kann, als man will, und die sich dennoch einander im Gleichgewicht erhalten.
Des Herrn B e r n o u l l i Widerlegung dieses Einwurfs durch Vergleichung mit der Zudrückung der Federn
Ich finde in der Frau von C h a s t e l e t Naturlehre eine Antwort auf diesen Einwurf, die, wie ich aus der Anführung ersehe, den berühmten Herrn B e r n o u l l i zum Urheber hat. Der Herr B e r n o u l l i ist nicht glücklich gewesen, eine Schutzwehre vor seine Meinung ausfindig zu machen, welche seines Namens würdig gewesen wäre.
* Fig IX
Er sagt: dass die unelastische Körper in einander durch den Eindruck ihrer Teile eben dieselbe Würkung tun, als wenn sie eine Feder, die sich zwischen ihnen befände, zusammen drückten: Daher nimmt er eine Feder R* an, die sich zu gleicher Zeit auf beide Seiten ausdehnet, und von beiden Seiten Körper von ungleicher Masse treibet. Er beweiset, dass die Ge[[A 59>>schwindigkeiten, die den Körpern durch diese Feder mitgeteilet werden, in gegenseitiger Verhältnis ihrer Massen sind, und dass also, wenn die Kugeln A und B mit diesen Geschwindigkeiten zurückkehrten, sie die Feder wieder in den ersten Stand der Zusammendrückung setzen würden. Bis so weit ist alles richtig, und mit den Lehrsätzen der Kartesianer vollkommen übereinstimmend. Allein lasset uns sehen, wie er seinen Schluss verfolget. Die Teile der Feder, indem sie aus einander springt, bewegen sich teils nach der Seite von A, teils nach der Seite von B, der Punkt der Teilung aber ist in R, der die Feder nach der umgekehrten Proportion der Massen A und B teilet. Es würket also der Teil RB von der Feder R in den Körper B, dessen Masse 3 ist, hingegen teilet der andere Teil RA der Kugel A, deren Masse 1 ist, seine Kraft mit. Es verhalten sich aber die Kräfte, welche in diese Körper gebracht werden, wie die Anzahl der Federn, die ihren Druck an sie angewandt haben; folglich sind die Kräfte derer Kugeln A und B ungleich, obgleich ihre Geschwindigkeiten in umgekehrter Proportion ihrer Massen stehen. Wenn nun die Feder R sich völlig ausgedehnet hat, und die Körper kämen mit eben denselben Geschwindigkeiten gegen sie zurücke, welche sie ihnen beim Losspringen mitgeteilet hat, so siehet man leicht, dass einer den andern vermittelst der Zusammendrückung der Feder in Ruhe versetzen würde. Nun sind ihre Kräfte ungleich, folglich erkennet man hieraus, wie es möglich sei, dass sich zwei Körper mit ungleichen Kräften einander in Ruhe versetzen können. Hievon machet er die Anwendung auf den Zusammenstoss der unelastischen Körper.
[[A 60>> § 46
Des Herrn B e r n o u l l i Gedanken werden widerlegt
Ich erkenne in dieser Schlussrede nicht den Herrn B e r n o u l l i, der gewohnt war, seine Beweise in viel vollkommnerer Schärfe zu bilden. Es ist unstreitig gewiss, dass die von einander springende Feder einem von denen Körpern A und B eben so viel Kraft erteilen müsse, als wie dem andern. Denn sie bringet so viel Kraft in die Kugel A als die Intensität gross ist, mit der sie sich gegen die andere Kugel B steifet. Wenn sie sich gar nicht an irgend einen Widerhalt steifete, so würde sie der Kugel A gar keine Kraft erteilen, denn alsdenn würde sie ohne einzige Würkung losspringen. Daher kann diese Feder keine Kraft an A anwenden, ohne von der andern Seite der beweglichen Kugel B eben denselben Grad der Gewalt einzudrücken. Es sind also die Kräfte der Kugeln A und B einander gleich, und nicht, wie Herr B e r n o u l l i sich fälschlich überredet hat, wie die Länge AR zu RB.
Man siehet leicht, wie der Irrtum in dem Schlusse des Herrn B e r n o u l l i entsprungen sei. Der Satz, auf den die Leibnizische Partei so sehr dringet, ist die Quelle desselben: nämlich, dass die Kraft eines Körpers sich wie die Anzahl Federn verhalte, die in ihn gewürket haben.* Wir haben denselben schon oben widerleget, und der Fall des Herrn B e r n o u l l i bestätiget unsern Gedanken.
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Der Gedanke des Herrn B e r n o u l l i bestätiget unsere Meinung
Man kann nicht ohne Vergnügen wahrnehmen, wie vortrefflich diese Erklärung, der man [[A 61>> sich zur Verteidigung der lebendigen Kräfte hat bedienen wollen, uns zu Waffen dienet, dieselbe vielmehr völlig niederzuschlagen. Denn da es einmal gewiss ist, dass die Feder R den Körpern, deren Massen 1 und 3 sind, gleiche Kräfte erteilet, § 46, ferner dass die Geschwindigkeit der Kugel, deren Masse 1 ist, dreifach, und die Geschwindigkeit der andern einfach sei, wie die Leibnizianer es selber gestehen: so fliessen daraus zwei Folgen, die beide den lebendigen Kräften schnurstracks widerstreiten. Erstlich, dass die Kraft, die ein Körper durch den Druck der Federn erhält, sich nicht wie die Anzahl der Federn verhalte, welche ihn fortgestossen haben, sondern vielmehr wie die Zeit der Würkung derselben; zweitens, dass ein Körper, der eine einfache Masse, und eine dreifache Geschwindigkeit hat, nicht mehr Kraft habe, als ein anderer, der dreimal mehr Massen, aber nur eine einfache Geschwindigkeit besitzet.
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Verteidigung der lebendigen Kräfte, durch die beständige Erhaltung einerlei Grösse der Kraft in der Welt
Bis hieher haben wir gesehen, wie sich Leibnizens Anhänger des Zusammenstosses elastischer Körper bedienet haben, die lebendige Kräfte dadurch zu verteidigen. Allein die Anwendung derselben war bloss mathematisch. Sie haben aber auch einen metaphysischen Grund in diesem Stücke der Phoronomie zum Behuf ihrer Meinung zu finden vermeinet. Herr von L e i b n i z ist selbst der Urheber desselben, und sein Ansehen hat ihm kein geringes Gewichte erteilet.
Er nahm C a r t e s e n s Grundsatz willig an: dass sich in der Welt immer einerlei Grösse der Kraft erhalte, allein nur einer solchen Kraft, deren Quantität nach dem Quadrate der Geschwin[[A 62>>digkeit geschätzt werden muss. Er zeigte, dass das alte Mass der Kraft diese schöne Regel nicht verstatte. Denn wenn man dasselbe annimmt, so vermindere oder vermehre sich die Kraft in der Natur unaufhörlich, nachdem die Stellung der Körper gegen einander verändert wird. Leibniz glaubte, es sei der Macht und Weisheit Gottes unanständig, dass er genötiget sein sollte, die Bewegung, die er seinem Werke mitgeteilet, ohne Unterlass wieder zu erneuren, wie Herr N e w t o n sich einbildete, und dieses trieb ihn an, ein Gesetz zu suchen, wodurch er dieser Schwierigkeit abhelfen könnte.
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Erste Auflösung dieses Einwurfs
Weil wir in dem vorigen erwiesen haben, dass die lebendigen Kräfte, in der Art wie sie von ihren Verteidigern selber gebrauchet worden, nämlich im mathematischen Verstande, nirgends Platz finden können: so rettet sich hier die Macht und Weisheit Gottes schon selber durch die Betrachtung der gänzlichen Unmöglichkeit der Sache. Wir können uns allemal hinter diese Schutzwehre verbergen, wenn wir etwa in einer andern Art der Antwort auf diesen Einwurf den kürzern ziehen sollten. Denn wenn es gleich nach dem Gesetze der Bewegung, welches wir behauptet haben, notwendig wäre, dass der Weltbau, nach einer allmählichen Erschöpfung seiner Kräfte, endlich völlig in Unordnung geriete, so kann dieser Streich die Macht und Weisheit Gottes dennoch nicht treffen. Denn man kann es dieser nimmer verdenken, dass sie nicht ein Gesetze in die Welt gebracht hat, wovon wir wissen, dass es absolut unmöglich sei, und daher auf keine Weise statt haben könne.
[[A 63>> § 50
Zweite Antwort auf gedachten Einwurf
Allein man erhole sich nur. Wir sind noch nicht gezwungen, eine so verzweifelte Ausflucht zu ergreifen. Dies würde heissen den Knoten abhauen, wir wollen ihn aber lieber auflösen.
Wenn die Leibnizianer es zur Erhaltung der Weltmaschine vor unumgänglich nötig halten, dass die Kraft der Körper der Schätzung nach dem Quadrat unterworfen sei, so können wir ihnen diese kleine Forderung zugestehen. Alles, was ich his daher erwiesen habe, und noch his zum Beschlusse dieses Hauptstückes zu erweisen gedenke, gehet nur dahin, sie zu überzeugen: dass weder in einer abstrakten Betrachtung, noch in der Natur, die Kraft der Körper, auf eine solche Art wie die Leibnizianer es tun, nämlich mathematisch erwogen, eine Schätzung nach dem Quadrat geben werde. Ich habe aber deswegen noch nicht den lebendigen Kräften gänzlich abgesagt. In dem dritten Hauptstücke dieser Abhandlung werde ich dartun, dass in der Natur würklich diejenigen Kräfte zu finden sein, deren Mass das Quadrat ihrer Geschwindigkeit ist; nur mit der Einschränkung, dass man sie auf die Art, wie man es bis daher angefangen hat, niemals entdecken werde; dass sie sich vor dieser Gattung der Betrachtung (nämlich der mathematischen) auf ewig verbergen werden, und dass nichts, wie irgend eine metaphysische Untersuchung, oder etwa eine besondere Art von Erfahrungen, selbige uns bekannt machen können. Wir bestreiten hier also nicht eigentlich die Sache selbst, sondern den modum cognoscendi.
[[A 64>> Demnach sind wir mit den Leibnizianern in der Hauptsache einig, wir könnten es also vielleicht auch in den Folgerungen derselben werden.
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Die Quelle des Leibnizischen Schlusses von Erhaltung eben derselben Grösse der Kraft
Es gründet sich aber der Einwurf des Herrn von Leihniz auf einer falschen Voraussetzung, die seit langer Zeit in die Weltweisheit schon viel Unbequemlichkeit hineingebracht hat. Es ist nämlich zu einem Grundsatze in der Naturlehre geworden, dass keine Bewegung in der Natur entstehe, als vermittelst einer Materie, die auch in würklicher Bewegung ist; und dass also die Bewegung, die in einem Teile der Welt verloren gegangen, durch nichts anders, als entweder durch eine andere würkliche Bewegung, oder die unmittelbare Hand Gottes könne hergestellet werden. Dieser Satz hat denjenigen jederzeit viel Ungelegenheit gemacht, die demselben Beifall gegeben haben. Sie sind genötiget worden, ihre Einbildungskraft mit künstlich ersonnenen Wirbeln müde zu machen, eine Hypothese auf die andere zu bauen, und an statt dass sie uns endlich zu einem solchen Plan des Weltgebäudes, führen sollten der einfach, und begreiflich genug ist um die zusammengesetzte Erscheinungen der Natur daraus herzuleiten: so verwirren sie uns mit unendlich viel seltsamen Bewegungen, die viel wunderbarer und unbegreiflicher sind, als alles dasjenige ist, zu dessen Erklärung selbige angewandt werden sollen.
Wie man dieser Schwierigkeit abhelfen könne
Herr H a m b e r g e r hat so viel ich weiss zuerst Mittel dargeboten, diesem Übel abzuhelfen. Sein Gedanke ist schön, denn er ist einfach, und also auch [[A 65>> der Natur gemäss. Er zeiget (aber noch in einem sehr unvollkommnen Risse), wie ein Körper eine würkliche Bewegung durch eine Materie empfangen könne, die doch selber nur in Ruhe ist. Dieses beuget unzähligen Abwegen, ja öfters so gar Wunderwerken vor, die mit der entgegengesetzten Meinung vergesellschaftet sind. Es ist wahr, der Grund dieses Gedankens ist metaphysisch, und also auch nicht nach dem Geschmacke der itzigen Naturlehrer; allein es ist zugleich augenscheinlich: dass die allerersten Quellen von den Würkungen der Natur durchaus ein Vorwurf der Metaphysik sein müssen. Dem Herrn H a m b e r g e r ist sein Vorsatz nicht gelungen der Welt einen neuen Weg anzuweisen, der kürzer und bequemlicher ist, uns zur Erkenntnis der Natur zu führen. Dieses Feld ist ungebaut geblieben; man hat sich von dem alten Wege noch nicht losreissen können, um sich auf den neuen zu wagen. Ist es nicht wunderbar, dass man sich einem unermesslichen Meere von Ausschweifungen und willkürlichen Erdichtungen der Einbildungs-Kraft anvertrauet, und dagegen die Mittel nicht achtet, die einfach und begreiflich, aber eben daher auch die natürlichen sind ? Allein dieses ist schon die gemeine Seuche des menschlichen Verstandes. Man wird noch sehr lange von diesem Strome hingerissen werden. Man wird sich an der Betrachtung belustigen, die verwickelt und künstlich ist, und wobei der Verstand seine eigene Stärke wahrnimmt. Man wird eine Physik haben, die von vortrefflichen Proben der Scharfsinnigkeit, und der Erfindungskraft voll ist; allein keinen Plan der Natur selbst und ihrer Würkungen. Aber endlich [[A 66>> wird doch diejenige Meinung die Oberhand behalten, welche die Natur, wie sie ist, das ist einfach und ohne unendliche Umwege schildert. Der Weg der Natur ist nur ein einziger Weg. Man muss daher erstlich unzählig viel Abwege versucht haben, ehe man auf denjenigen gelangen kann, welcher der wahre ist.
Die Leibnizianer sollten mehr als andere die Meinung des Herrn Hambergers ergreifen. Denn sie sind es, welche behaupten, dass ein toter Druck, der sich in dem Körper, welchem er mitgeteilet worden, erhält, ohne dass ihn eine unüberwindliche Hindernis wieder vernichtet, zu einer würklichen Bewegung erwachse. Sie werden also auch nicht leugnen können: dass ein Körper, der sich an die Teile einer Flüssigkeit, die ihn umgibt, nach einer Richtung mehr anhängt, als nach der andern, alsdenn eine würkliche Bewegung erhalte, wenn diese Flüssigkeit von der Art ist, dass sie ihm seine Kraft durch ihren Widerstand nicht wieder vernichtet. Dieses muss sie von demjenigen überzeugen, was ich itzt behaupte, nämlich: dass ein Körper eine würkliche Bewegung von einer Materie empfangen könne, welche selber in Ruhe ist.
Entscheidung des Einwurfs, den der Herr von Leibniz machet
Wie werden wir also dem Streiche ausweichen, den der Herr von Leibniz dem Kartesianischen Gesetze, durch die Betrachtung der Weisheit Gottes beibringen wollen ? Es kommt alles darauf an, dass ein Körper eine würkliche Bewegung erhalten könne, auch durch die Würkung einer Materie, welche in Ruhe ist. Hierauf gründe ich mich. Die allererste Bewegungen in diesem Weltgebäude sind nicht durch die Kraft einer bewegten Materie her[[A 67>>vorgebracht worden; denn sonst würden sie nicht die ersten sein. Sie sind aber auch nicht durch die unmittelbare Gewalt Gottes, oder irgend einer Intelligenz, verursachet worden, so lange es noch möglich ist, dass sie durch Würkung einer Materie welche im Ruhestande ist haben entstehen können; denn Gott ersparet sich so viele Würkungen, als er ohne den Nachteil der Weltmaschine tun kann, hingegen macht er die Natur so tätig und würksam, als es nur möglich ist. Ist nun die Bewegung, durch die Kraft einer an sich toten und unbewegten Materie, in die Welt zu allererst hineingebracht worden: so wird sie sich auch durch dieselbe erhalten, und, wo sie eingebüsset hat, wiederherstellen können. Man müsste also eine grosse Lust zum Zweifeln haben, wenn man noch ferner Bedenken tragen wollte zu glauben: dass das Weltgebäude keinen Abbruch erleiden dörfe, wenn gleich in dem Stosse der Körper gewisse Kräfte verloren gingen, welche vorher darin waren.
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Nach Leibnizens Gesetze ist die Kraft in dem Anstosse eines kleinen elastischen Körpers gegen einen grössern vor und nach dem Stosse gleich
Ich erhole mich wieder von einer Ausschweifung, die mich von der Hauptsache, darin ich verwickelt bin, etwas entfernet hat. Ich habe schon angemerkt, dass die Verfechter
der lebendigen Kräfte sich insbesondere mit derjenigen Beobachtung sehr viel dünken lassen, dadurch sie befunden haben: dass, wenn die Kraft der Körper nach dem Gesetze des Herrn von Leibniz geschätzet wird, sich in dem Anlaufe elastischer Körper vor und nach dem Stosse allemal einerlei Grösse der Kraft befünde. Dieser Gedanke, der auf eine so wundersame Art den lebendigen Kräf[[A 68>>ten geneigt zu sein scheinet, soll uns vielmehr behülflich werden, dieselbe niederzuschlagen. Lasst uns folgendergestalt schliessen: D a s j e n i g e G e s e t z, n a c h w e l c h e m, i n d e m A n l a u f e e i n e s k l e i n e r n e l a s t i s c h e n K ö r p e r s g e g e n e i n e n g r ö s s e r n, n a c h d e m S t o s s e n i c h t m e h r K r a f t b e f u n d e n w i r d, a l s v o r d e m s e l b e n, i s t f a l s c h. N u n i s t L e i b n i z e n s G e s e t z e v o n d e r A r t. Ergo etc. etc.
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* Fig. VIII
Die angeführte Beobachtung der Leibnizianer ist den lebendigen Kräften gänzlich entgegen
Unter den Vordersätzen dieser Schlussrede ist nur der Major zu erweisen. Wir wollen dieses auf folgende Weise bewerkstelligen. Indem die Kugel A* gegen eine grössere B anläuft, so empfängt in dem Augenblicke, darin A den Stoss ausübet und die Feder zudrückt, die wir die Elastizität nennen, der Körper B nicht mehr Kraft, als er durch seine Trägheits-Kraft in A vernichtet, und der Körper A im Gegenteil verlieret nicht mehr von seiner Kraft durch den Widerstand der Masse B, der sich vermittelst der Intensität der Feder, die er spannet, in ihn fortpflanzet, als er in eben diese Kugel hineinbringt. Wenn man dieses leugnen wollte, so würde auch nicht mehr gewiss sein, dass die in einen Körper übertragene Würkung mit seiner Gegenwürkung gleich sei. Es ist also die Feder gespannet, und in beiden Körpern zusammen genommen ist eben dieselbe Kraft vorhanden, die vorher in der Kugel A allein befindlich war. Wenn diese Federn der beiderseitigen Elastizität nun losspringen, so dehnen sie sich gegen beide Kugeln gleich stark aus. Nun ist es klar, [[A 69>> dass wenn A noch nach verübter Zudrückung der Federn in der Richtung AE eine so grosse Kraft besässe, als die ist, womit nun die ihm zugehörige Feder aufspringet: so würde die Aufspringung dieser Feder eben so viel Kraft der Kugel A benehmen können, als auf der andern Seite die Feder DB in B hineinbringt; und also würde freilich, nachdem alles vollbracht ist, in denen Körpern A und B, so wohl durch den Stoss, als durch die Elastizität, keine Kraft mehr befindlich sein, als vorhero in A allein war. Allein es ist vergeblich, dieses vorauszusetzen. Wenn der Stoss geschehen, und die Feder eben zugedrückt ist, so hat A eben so viel Geschwindigkeit, als B, nach der Richtung AE, aber weniger Masse, also auch weniger Kraft, als die Feder in ihrer Losspringung ausübet; denn diese hat eine Kraft der Spannung, die so gross ist, als die Kraft der Kugel B. Hieraus folget, dass die Elastizität nicht so viel von der Kraft, die in A befindlich ist, rauben kann, als sie dem Körper B mitteilet. Denn A hat nicht so viel Kraft, folglich kann sie ihm auch nicht genommen werden. Demnach muss durch die Würkung der Elastizität in B ein neuer Grad Kraft hinzukommen, ohne dass davor eben so viel auf der andern Seite abginge; ja es erzeuget sich so gar noch dazu ebenfalls in A eine neue Kraft. Denn da die Elastizität nichts mehr von Kraft fand, was sie in A vernichten konnte, so setzte die Kugel sich derselben mit nichts als der Trägheits-Kraft entgegen, und empfing den Grad der Gewalt, den die Feder über die Kraft der Kugel A noch in sich hatte, um damit gegen C zurück zu kehren.
[[A 70>> Es ist also klar: dass in dem Falle, da ein kleiner federharter Körper gegen einen grössern anläuft, nach dem Stosse mehr Kraft vorhanden sein müsse, als vor demselben. Nun würde man das Gegenteil setzen müssen, nämlich: dass nach dem Stosse nur eben dieselbe Grösse der Kraft sich finde, als vor demselben, wenn Leibnizens Kräftenmass wahr wäre. Also müssen wir entweder dieses Gesetz leugnen, oder aller der Überzeugung absagen, die uns in diesem § dargeboten worden.
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Das vorige erhellet noch deutlicher, wenn man den Fall nimmt, darin ein grösserer elastischer Körper einen kleineren stösset
* Fig. VIII
Wir werden von der Richtigkeit desjenigen, was itzo gesagt worden, vollkommen überführet werden, wenn wir den vorigen Fall umkehren, und annehmen, dass die Kugel B* von grösserer Masse gegen die kleinere A anläuft. Denn hier verlieret erstlich die Kugel B durch den Stoss gegen A nicht mehr auch nicht weniger Kraft, als sie eben hiedurch in A erzeuget (wenn wir nämlich dasjenige allein erwägen, was vorgehet, bevor die Elastizität sich hervortut). Also ist, ehe die Federkraft ihre Wirkung tut, die Kraft in diesen Körpern weder vermehret, noch kleiner geworden. Nun ist die Federkraft mit demjenigen Grade gespannet, womit der Körper A gegen C fortrücket, also ist ihre Intensität kleiner, als die Kraft, die in B nach der Richtung BC übrig ist, sie wird sie also, wenn sie aufspringt, niemals erschöpfen, wenn sie gleich ihre ganze Gewalt anwendet. Und wenn nun also die Feder, die in dem Stosse gespannet worden, aufspringt, so wird sie zwar in den Körper A eine neue Kraft bringen, allein sie wird auch eben so viel in [[A 71>> B vernichten, als sie jener Kugel mitteilet. Also wird auch durch die Federkraft die ganze Kraft nicht grösser werden; weil allemal von der andern Seite ehen so viel geraubet wird, als auf der einen hineinkommt.
Wir sehen hieraus, dass einzig und allein in dem Falle, da ein grösserer Körper einen von kleinerer Masse stösst, einerlei Grad Kraft in dem Stosse aufbehalten werde; und dass in allen andern Fällen, wo die Elastizität nicht an der einen Seite so viel Kraft zu vernichten findet, als sie an der andern erzeuget, jederzeit die Kraft naeh dem Stosse grösser werde, als vor demselben; welches das Leibnizische Gesetze zerstöret. Denn in demselhen bleibt in allen nur möglichen Fällen immer eben dieselbe Grösse der Kraft in der Natur, ohne einigen Abgang oder Vermehrung.
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Die Berechnung bestätiget es, dass in dem Falle, da ein grösserer Körper einen kleineren stösst, nach dem Kartesianischen Gesetze eben dieselbe Grösse der Kraft verbleibe
Die Leibnizianer sollten uns also, wenn sie könnten, einen Fall vorlegen, da ein grösserer elastischer Körper einen kleinern anstösst, und der der Schätzung des Cartesius widerstritte: so würde niemand dagegen was aussetzen können. Denn nur einzig und allein ein solcher Fall würde entscheidend und ohne Ausnahme sein; weil man in demselben nach dem Stosse gewiss immer die ganze Grösse der Kraft vor demselben antrifft. Allein niemalen hat sich irgend ein Verteidiger der lebendigen Kräfte gewaget, in dieser Art des Stosses das Kartesianische Gesetze anzugreifen; denn er würde notwendig ohne Mühe wahrgenommen haben: dass die mechanische Regeln mit der Kartesianischen Schätzung hier ganz [[A 72>> wohl übereinstimmen. Man nehme z. E. an: dass die Masse der Körper B dreifach, und A einfach sei, und dass B mit 4 Graden Geschwindigkeit gegen A anlaufe. Man argumentiere alsdenn nach der bekannten phoronomischen Regel: Wie der Unterscheid der Massen A und B zur Summe derselben: so verhält sich die Gesehwindigkeit der Kugel B nach dem Stosse zur Geschwindigkeit vor demselben. Sie hat also 2 Grade. Ferner, wie 2 B:A+ B: so ist die Geschwindigkeit der Kugel A nach dem Stosse zur Geschwindigkeit, die in B vor demselben war. A erlangt also 6 Grade Geschwindigkeit. Mithin ist, nach Kartesianischer Schätzung, die Kraft nach dem Conflictu in beiden Körpern zusammen 12; vor demselben war sie aber auch 12. Und das ist es was man verlanget hat.
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Die Kraft, womit der kleinere Körper von dem grössern abprallt, hat das Zeichen Minus
Wenn man die Quantität einer Kraft messen will, so muss man sie in ihren Würkungen verfolgen. Man muss aber diejenigen Phaenomena vorhero davon absondern, die mit denen Würkungen zwar verbunden sind, aber keine eigentliche Folge der Kraft sein, die da geschätzet werden soll.
Wenn nun ein elastischer Körper einen andern von grösserer Masse anstösst: so wissen wir aus den Gesetzen der Bewegung, dass der kleinere, mit einem gewissen Grade Kraft nach dem Schlage zurück kehre. Wir haben auch aus den letzten Paragraphis gelernet, dass diese Kraft, womit der kleine Körper von dem grösseren abprallet, dem Überschusse derjenigen Kraft gleich sei, den die Anstrengung der lebendig gemachten Elastizität über die Kraft des Körpers A hat, womit dieser, ehe die Federkräfte [[A 73>> beider Kugeln würksam wurden, mit der Kugel B zusammen nach der Richtung AE fortrückte. Nun war (nach demjenigen, was vorher erwiesen worden), so lange die Elastizität noch in dem Körper A eine Kraft antraf, die nach AD gerichtet war, welche sie nach eben demselben Masse vernichten konnte, als sie in die Kugel B Kraft hineinbrachte, ich sage, so lange war nichts in beiden Körpern zusammen genommen, was nicht ganz genau dieselbe Quantität der Kraft in sich enthielte, die vorher in A, als der Ursache, allein vorhanden gewesen; folglich war so lange der Zustand beider Körper als eine rechtmässige Würkung der Kraft, die A vor dem Anstosse hatte, anzusehen. Denn die Würkung ist jederzeit weder grösser noch kleiner als die Ursache. Wir wissen aber ferner: dass, wenn die Federkraft schon alle Kraft vernichtet hat, die in A nach der Richtung AE noch übrig war: sie in beide Körper A und B neue Kräfte hineinbringe, welche über diejenigen also hinzukommen, welche die genuine und vollständige Würkung der Kugel A ausmachten. Wir werden also diese aus der Bewegung beider Kugeln auf die Weise wieder herausziehen können: wenn wir dem Körper A die Kraft nehmen, mit der er nach dem Schlage zurück kehret, und auch eben so viel von der Kraft abziehen, welche die Kugel B erlanget hat. Hieraus ist leicht zu ersehen: dass die Kraft, womit eine kleine elastische Kugel von einer grössern, an welche sie anläuft, abprallet, von einer verneinenden Art sei, und das Zeichen Minus vor sich habe. Wenn, z. E. eine Kugel A mit 2 Graden Geschwindigkeit gegen eine von dreifacher Masse B anläuft: so prallet sie nach [[A 74>> dem Stosse mit einem Grade Geschwindigkeit ab, und gibt der Kugel B auch einen Grad. Die Kraft nun, womit A nach dem Stosse zurückkehret, kann man nicht zu der Kraft der Kugel B hinzu tun, wenn man die ganze Grösse der Würkung haben will, welche A verübet hat. Nein, sie muss so wohl dem Körper A weggenommen, als auch von der Kraft, die in B ist, abgezogen werden. Der Überrest, welcher 2 ist, wird die ganz vollständige Wirkung sein, die durch die Kraft der Kugel A vollzogen worden. Also hat eine Kugel, die 2 zur Masse, und 1 zur Geschwindigkeit hat, eben die Kraft als eine andere, welche eine einfache Masse, und eine zwiefache Geschwindigkeit besitzet.
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Die Frau v. C h a s t e l e t hat hierüber zur Unzeit gescherzet
Es hat also der erleuchteten Frau M a r q u i s i n v o n C h a s t e l e t, gegen dem Herrn von M a i r a n, zur Unzeit gefallen scherzhaft zu sein. Sie antwortet ihm auf eben die Beobachtung, die wir itzo angeführt haben: S i e g l a u b t e, e r w ü r d e n i c h t l e i c h t l i c h e i n e n V e r s u c h m a c h e n, u n d s i c h a u f d e m W e g e e i n e s K ö r p e r s b e f i n d e n w o l l e n, d e r, m i t d e m Z e i c h e n M i n u s b e m e r k e t, m i t 500 oder 1000 G r a d e n K r a f t z u r ü c k s c h l ü g e. Ich glaube es auch; und ich würde mich sehr betrügen, wenn ich besorgte, dass Herr von M a i r a n sich einlassen würde, die Wahrheit auf diese Weise auszumachen. Allein die Sache kommt nicht darauf an: dass die Kraft, welche mit dem Zeichen Minus bemerket worden, nicht eine würkliche Kraft sei, wie die Frau M a r q u i s i n daraus zu schliessen scheinet. Der Herr von M a i [[A 75>> r a n hat dieses ohne Zweifel hiemit nicht sagen wollen. Sie ist in der Tat eine würkliche Kraft, und würde auch würkliche Würkungen ausüben, wenn man sie auf die Probe stellen wollte. Nur dieses wird hiedurch angedeutet: dass so wohl diese Kraft als auch ein Teil in der Kraft der Kugel B, welcher ihr gleich ist, nicht zu der vollständigen Wirkung der Kugel A könne gerechnet werden; sondern dass man sie vielmehr so ansehen müsse, als wenn sie in A gar nicht vorhanden wäre, und dagegen noch von B abgezogen würde, und dass die nach diesem übrig bleibende Kraft alsdenn allererst die vollständige Würkung der Kraft, die vor dem Anlaufe war, eigentlich darbiete. Wenn man aber eine Grösse so ansiehet: so gilt sie in der Summierung weniger, wie nichts, und erfordert das verneinende Zeichen.
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Die Leibnizianer fliehen vor der Untersuchung der lebendigen Kräfte durch den Stoss unelastischer Körper
Nun werden meine Leser vermuten, auch aus der Lehre v o n d e r B e w e g u n g u n e l a s t i s c h e r K ö r p e r d u r c h d e n S t o s s gewisse Beweise angeführt zu finden, deren die Anhänger der Leibnizischen Schätzung sich bedienet hätten, die lebendigen Kräfte zu verteidigen. Allein sie betrügen sich. Diese Herren finden die Bewegungen von der Art nicht vor gar zu vorteilhaft vor ihre Meinung; sie suchen sie also von dieser Untersuchung gänzlich auszuschliessen. Dies ist eine Krankheit, woran diejenigen ordentlicher Weise darnieder liegen, die in der Erkenntnis der Wahrheiten Unternehmungen machen. Sie schliessen, so zu sagen, die Augen bei demjenigen zu, was dem [[A 76>> Satze, den sie sich in den Kopf gesetzt haben, zu widerstreiten scheinet. Eine kleine Ausflucht, eine frostige und matte Ausrede, ist fähig, ihnen gnug zu tun, wenn es darauf ankommt, eine Schwierigkeit wegzuschaffen, die der Meinung, vor die sie eingenommen sind, hinderlich ist. Man hätte uns in der Philosophie viel Fehler ersparen können, wenn man in diesem Stücke sich hätte einigen Zwang antun wollen. Wenn man auf dem Wege ist, alle Gründe herbeizuziehen, welche der Verstand zu Bestätigung einer Meinung, die man sich vorgesetzet hat, darbietet: so sollte man, mit eben der Aufmerksamkeit und Anstrengung, sich bemühen, das Gegenteil auf allerlei Arten von Beweisen zu gründen, die sich nur irgend hervortun, eben so wohl als man vor eine beliebte Meinung immer tun kann. Man sollte nichts verachten, was dem Gegensatze im geringsten vorteilhaft zu sein scheinet, und es in der Verteidigung derselben1 aufs höchste treiben. In einem solchen Gleichgewichte des Verstandes würde öfters eine Meinung verworfen werden, die sonsten ohnfehlbar wäre angenommen worden, und die Wahrheit, wenn sie sich endlich hervortäte, würde sich in einem desto grössern Lichte der Überzeugung darstellen.
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Der Stoss unelastischer Körper ist in Absicht auf die lebendigen Kräfte entscheidender als der Stoss der elastischen
Es ist denen Verteidigern der lebendigen Kräfte schon öfters eingeschärfet worden: dass die Bewegungen unelastischer Körper durch Stoss viel geschickter sind, es auszumachen: ob die lebendigen Kräfte statt haben oder nicht, als die Bewegung der elastischen. Denn in diesen mischet sich [[A 77>> die Federkraft immer mit ein, und macht die Verwirrungen unendlich, da hingegen jener ihre Bewegung durch nichts als die Wirkung und Gegenwirkung allein bestimmet wird. Es ist kein Zweifel, dass die Leibnizianer sich durch die Deutlichkeit dieses Gedankens würden überzeugen lassen, wenn er nur nicht das ganze Gebäude der lebendigen Kräfte umkehrte.
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Die Ausflucht der Leibnizianer in Absicht auf den Einwurf, der ihnen von dem Stosse unelastischer Körper gemacht wird
Sie sind daher genötiget worden, zu einer Ausnahme ihre Zuflucht zu nehmen, welche vielleicht die schlechteste ist, der man sich jemals bedienet hat. Sie behaupten nämlich: dass sich stets in dem Stosse unelastischer Körper ein Teil der Kraft verliere, indem derselbe angewandt wird, die Teile des Körpers einzudrücken. Daher gehet die Hälfte der Kraft, die ein unelastischer Körper hat, verloren, wenn er an einen andern von gleicher Masse, der in Ruhe ist, anstösst, und verzehret sich bei dem Eindrücken derer Teile.
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Der Ursprung dieses irrigen Gedankens
Dieser Gedanke hat mehr wie eine schlimme Seite. Wir wollen einige derselben betrachten.
Es kann uns gleich beim ersten Anblicke nicht schwer werden, die Quelle dieses Irrtums wahrzunehmen. Man weiss es teils durch die Erfahrung, teils durch die Gründe der Naturlehre: dass ein harter Körper, der im Stosse seine Figur nur sehr wenig oder gar nicht ändert, allemal elastisch sei, und dass im Gegenteil die Teile unelastischer Körper so zusammen gefügt sind, dass sie beim [[A 78>> Stosse weichen, und eingedrückt werden. Diese Eigenschaften hat die Natur gemeiniglich zusammen verbunden; allein in einer mathematischen Betrachtung sind wir nicht genötiget, sie zusammen zu nehmen.
Die Anhänger der lebendigen Kräfte haben sich hiemit verwirret. Sie bilden sich ein, weil in der Natur ein unelastischer Körper gemeiniglich einen solchen Bau hat, dass seine Teile beim Stosse weichen und eingedrückt werden, so können die Regeln, die eine pur mathematische Betrachtung der Bewegung solcher Körper darbietet, ohne diese Eigenschaft auch nicht bestehen. Dies ist der Ursprung derjenigen Schwierigkeit, die wir § 60 gesehen, und die ganz ohne Grund ist, wie wir itzo lernen werden.
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E r s t e A n t w o r t auf die Ausnahme der Leibnizianer
In der Mathematik verstehet man unter der Federkraft eines Körpers nichts anders, als diejenige Eigenschaft, durch die er einen andern Körper, der an ihn anläuft, mit eben demselben Grade Kraft wieder zurückstösset, mit welchem dieser an ihn angelaufen war. Daher ist ein unelastischer Körper ein solcher, der diese Eigenschaft nicht hat.
Die Mathematik bekümmert sich nicht um die Art und Weise, wie sich diese Eigenschaft in der Natur hervortut. Es ist und bleibt bei ihr gänzlich unbestimmt: ob die Elastizität aus der Änderung der Figur, und einer plötzlichen Herstellung derselben herfliesse, oder ob eine verborgene Entelechie, eine qualitas occulta, oder, Gott weiss, was [[A 79>> noch sonst vor eine Ursache mehr, die Quelle derselben sei. Wenn man in den Mechaniken die Elastizität so beschrieben findet, dass sie aus der Eindrückung und Zurückspringung der Teile eines Körpers entstehe, so merke man: dass die Mathematiker, die sich dieser Erklĺrung bedienen, sich in dasjenige mengen, was sie nicht angeht, was zu ihrer Absicht nichts tut, und was eigentlich ein Vorwurf der Naturlehre ist.
Wenn demnach die Betrachtung eines unelastischen Körpers in der Mathematik nichts weiter voraussetzet, als nur, dass er in sich keine Kraft habe, einen Körper, der an ihn stösst, wieder zurück zu prellen, und wenn diese einzige Bestimmung dasjenige ist, worauf das ganze Hauptstück der Bewegung unelastischer Körper gebauet ist: so ist es ungereimt zu behaupten: dass die Regeln dieser Bewegungen deswegen so beschaffen sein, weil die Eindrückung der Teile derer sich stossenden Körper solche und keine andere Gesetze zulassen. Denn in denen Grundsätzen, daraus man diese Gesetze gezogen, findet man keine Spur von dem Eindrücken der Teile. Alle Begriffe, worauf man dieselbe gebauet hat, sind so unbestimmt in Absicht auf diese Einschränkung, dass man unter die unelastischen Körper, ohne jenen Eintrag zu tun, eben so wohl diejenige zählen kann, die in dem Stosse ihre Figur nicht ändern, als die, welche eine Zusammendrückung ihrer Teile erdulden. Hat man nun, in der Konstruktion dieser Gesetze, gar nicht auf diese Eindrückung Acht gehabt, um die Regeln der Bewegung derselben gemäss einzurichten, oder auch nicht einmal solche Begriffe zum Grunde gelegt, welche [[A 80>> diese Eindrückung mit einschliessen: so ist es ja sehr seltsam, auf diese die Schuld davon zu schieben, dass gedachte Gesetze so beschaffen sein, wie sie würklich sind.
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Z w e i t e A n t w o r t: Weil man einen Körper unelastisch nennen kann, wenn er gleich vollkommen hart ist
Wir haben gesagt: dass in der Betrachtung, welche uns die Mathematik von der Bewegung unelastischer Körper darbietet, man diese auch als vollkommen hart ansehen könne, als wenn ihre Teile durch den Stoss nicht eingedrückt würden. Die Natur bietet uns auch Exempel dar, dass nicht eben derjenige Körper allemal unelastischer sei, dessen Teile mehr weichen, als die Teile eines andern, sondern dass öfters ein Körper, dessen Teile durch den Stoss in Vergleichung gegen einen andern fast gar nicht eingedrückt werden, doch weniger elastisch sei, als ein anderer, dessen Teile leichter weichen. Denn man lasse eine hölzerne Kugel auf das Pflaster niederfallen, sie wird bei weiten nicht so hoch zurück springen, als eine ausgestopfte, die doch sehr leicht eingedrückt werden kann, und gegen welche zu rechnen jene ungemein hart genannt werden kann. Hieraus sehen wir: dass der Körper so gar in der Natur nicht deswegen unelastisch sei, weil seine Teile eingedrückt werden, sondern nur deswegen, weil sie sich nicht mit eben dem Grade Kraft wieder herstellen, mit welchem sie eingedrückt worden. Also können wir auch Körper setzen, deren Teile in dem Stosse unendlich wenig weichen, die aber zugleich so beschaffen sein, dass sie sich auch von dieser unendlich kleinen Zusammendrückung nicht wiederherstellen, oder, wo sie es tun, doch nur lange [[A 81>> nicht mit dem Grade der Geschwindigkeit, womit sie eingedrückt worden. Wie etwa eine hölzerne Kugel tun würde, wenn man kleine Dinge mit grossen vergleichen darf. Dergleichen Körper, von denen ich rede, würden vollkommen hart* aber doch unelastisch sein. Man würde sie also von den Gesetzen des Stosses unelastischer Körper nicht ausnehmen können, und ihre Teile würden dennoch nicht eingedruckt werden. Wie würde hier die Ausnahme der Herren Leibnizianer bestehen ?
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D r i t t e A n t w o r t: Das Eindrücken der Teile ist kein Grund, weswegen in dem Stosse unelastischer Körper ein Teil der Kraft sollte verloren gehen
Wir können den Leibnizianern noch ihre Voraussetzung schenken: dass die unelastische Körper immer eine Eindrückung ihrer Teile erleiden, und es soll uns doch nichts schaden. Ein Körper tut in einen andern beweglichen, dessen Teile er durch den Stoss eindrückt, eben dieselbe Würkung, die er etwa ausüben würde, wenn sich zwischen beiden eine Feder befände, welche er durch den Anlauf zusammendrückte. Ich kann mich dieses Gedankens frei bedienen, weil er nicht allein plan, und überzeugend ist, sondern weil er auch von einem grossen Schutzgotte der lebendigen Kräfte, dem Herrn Bernoulli in eben demselben Falle gebrauchet worden.
* Fig. IX
Wenn nun eine Kugel A* gegen eine andere B bewegt wird, und die Feder R im Anlauf zudrücket: so, sage ich, treten alle die kleinen Grade [[A 82>> der Kraft, welche angewandt werden, die Feder zusammen zu drücken, in die Masse des Körpers B über, und häufen sich so lange, bis sie in gedachten Körper B die ganze Kraft hinein gebracht haben, womit die Feder ist zugedrückt worden. Denn der Körper A verlieret keinen einzigen Grad der Kraft, und die Feder wird auch nicht um den geringsten Teil zugedrückt, als nur in so fern sie sich an den Körper B steifet. Sie steifet sich aber mit eben derselben Gewalt gegen diese Kugel, mit welcher sie nach dieser Seite aufspringen würde, wenn die Kugel plötzlich wiche, das ist: mit der Kraft, womit A sie von der andern Seite zugedrückt, und welche dieser Körper in ihrer Zusammendrückung aufwendet und verzehret. Nun ist es augenscheinlich, dass eben derselbe Grad Kraft, mit der die1 Feder sich gegen B auszudehnen bemühet ist, und dem die Trägheits-Kraft der Kugel B widerstehet, in dieselbe Kugel hineinkommen müsse. Also empfängt B die ganze Kraft, sich nach der Richtung BE zu bewegen, welche in A verzehret ist, indem er die Feder R zusammendrücket.
Die Anwendung ist leicht zu machen. Denn die Feder R deutet die Teile der unelastischen Kugeln A und B an, die durch den Stoss eingedrückt werden. Es verzehret also der Körper A, indem er, in seinem Stosse gegen B, von beiden Seiten die Teile eindrücket, nichts von seiner Kraft bei diesem Eindrucke, was nicht der Körper B überkommt, und womit er sich nach dem Stosse beweget. Es gehet also kein Teil verloren, noch viel weniger ein so grosser Teil, als die Leibnizianer fälschlich vorgeben.
[[A 83>> § 65
Ich werde müde, alle Unrichtigkeiten und Widersprechungen auszukramen, die in dieser Schwierigkeit begriffen sind, welche die Leibnizianer uns in der Sache von dem Stosse unelastischer Körper haben machen wollen. Die einzige, die ich noch anführen will, könnte allein genug sein, sie unnütze zu machen.
V i e r t e A n t w o r t: Von der Proportion der Härte unelastischer Körper, und dem Grade der Kraft des Anlaufs, der bei der Ausnahme der Leibnizianer bestimmt sein müsse
Wenn man gleich unsern Gegnern alles übrige verstattete, so kann man ihnen doch die Kühnheit nicht verzeihen, die in der Forderung stecket: dass sich in dem Stosse unelastischer Körper nicht mehr auch nicht weniger sondern nur gerade so viel von der Kraft durch das Eindrücken derer Teile verzehren solle, als sie es selber in jedwedem Falle nach ihrer Schätzung nötig finden. Es ist eine Verwegenheit, die unmöglich zu verdauen ist: dass man uns ohne allen Beweis zu glauben aufdringen will: ein Körper müsse in einem Stosse gegen einen gleichen gerade die Hälfte, in dem Stosse gegen einen dreifachen gerade ¾ der Kraft etc. etc. durch den Eindruck der Teile verlieren, ohne dass man uns einen Grund angeben kann, woher denn eben genau so viel und nicht mehr oder weniger drauf gehe; denn gesetzt, dass der Begriff eines unelastischen Körpers notwendig einigen Verlust der Kraft beim Eindrücken erfordert, so weiss ich doch nicht, woraus man denn schliessen wollte: Dass diese Abwesenheit der Elastizität erfordere, dass gerade so viel und nicht weniger Kraft verzehret werden müsse. Die Leibnizianer können doch nicht leugnen, dass je geringer die Festigkeit der Masse der unelastischen Kör[[A 84>>per in Vergleichung mit der Kraft des anlaufenden ist, desto stärker werde sich die Kraft beim Eindrücken der Teile verzehren, je härter aber beide Körper sein, um desto weniger müsse sich von derselben verlieren; denn wenn sie vollkommen hart wären, so würde kein Verlust der Kraft statt finden. Es wird also eine gewisse bestimmte Verhältnis der Härte zweener gleicher und unelastischer Körper dazu erfordert, wenn sich in dem Stosse gerade die Hälfte von der Kraft des anlaufenden verzehren und vernichtet werden soll. Und ohne diese Proportion würde mehr oder weniger herauskommen, nachdem man die sich stossende Körper weicher oder härter machte. Nun ist in den Regeln der Bewegung unelastischer Körper, wider welche die Leibnizianer eine Ausnahme suchen, der Grad der Festigkeit, und noch vielmehr die Proportion derselben zur Stärke des Anlaufs, gänzlich undeterminiert, folglich lässt sich aus denenselben gar nicht verstehen, ob ein Eindruck der Teile geschehe, ob sich hiedurch eine Kraft verzehren, und wie viel von derselben verloren gehen werde, am allerwenigsten aber bieten sie einigen Grund dar, daraus sich verstehen liesse, dass, in dem Anstosse einer Kugel an eine andere von gleicher Schwere, gerade die Hälfte der Kraft verloren gehe. Denn dieses geschiehet nicht ohne eine gewisse ganz genau bestimmte Verhältnis unter der Härte dieser Körper und der Gewalt des Anstosses. Da nun keine solche Bestimmung in den Grundsätzen anzutreffen ist, daraus die Gesetze des Stosses unelastischer Körper hergeleitet werden, die irgend einen Grund eines bestimmten Verlustes der Kraft in sich enthielte, so [[A 85>> ist die Ursache, weswegen diese Regeln so und nicht anders beschaffen sein, nicht in der Eindrückung der Teile zu setzen, die gerade so viel Kraft in jedwedem Falle verlustig macht, als die Leibnizianer vor gut befinden aufzuheben.
Anwendung unserer Schlüsse
Nachdem nun der Vorwand, durch den sich die Verteidiger der lebendigen Kräfte dem Schlage entziehen wollen, den ihnen alle Gesetze des Stosses unelastischer Körper beibringen, auf mehr wie eine Art unkräftig befunden worden: so hindert uns nichts ferner, dieselbe zu dem Dienste zu gebrauchen, den sie uns allemal sehr vortrefflich leisten werden, nämlich die lebendigen Kräfte aus dem Gebiete der Mathematik hinweg zu räumen, worin sie sich unrechtmässiger Weise eingedrungen haben.
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Der Stoss unelastischer Körper hebet die lebendigen Kräfte gänzlich auf
Es ist aber überflüssig, die Art und Weise hier weitläuftig aus einander zu legen, wie die Bewegung unelastischer Körper die lebendige Kräfte aufhebe. Ein jedweder Fall, den man nimmt, tut dieses ohne die geringste Ausnahme oder Schwierigkeit. Z. E. Wenn ein unelastischer Körper A einen andern gleichartigen und gleich schweren B, der in Ruhe ist, anstösst: so bewegen sich beide nach dem Stosse mit ½ Grade der Geschwindigkeit, die vor dem Anstosse war. Es ist also, nach der Leibnizischen Schätzungsart, in jedwedem nach verübtem Stosse ¼ Kraft, und also alles zusammen ½ Grad Kraft, da doch vor demselben ein ganzer Grad in der Natur vorhanden gewesen. Es ist also die Hälfte verloren gegangen, ohne eine [[A 86>> Wirkung getan zu haben, welche ihr gleich ist, oder auch ohne einen einzigen Widerstand erlitten zu haben, durch den sie etwa hätte verzehret werden können, welches auch, sogar nach dem Geständnisse unserer Gegner, eine der grössten Ungereimtheiten ist, die man nur begehen kann.
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Allgemeiner Beweis: dass der Zusammenstoss elastischer Körper1 immer den lebendigen Kräften entgegen sein müsse
Ich will diesen Abschnitt, darin wir die lebendigen Kräfte durch den Zusammenstoss der Körper widerlegt haben, nicht endigen, ohne vorher eine allgemeine Betrachtung beigefügt zu haben, die alles in sich begreifet, was man in dieser Art wider die lebendigen Kräfte nur immer wird sagen können. Ich werde in derselben dartun: dass, wenn man gleich den Leibnizianern ihre Kräften-Schätzung schenken wollte, so sei es doch der Natur der Sache ganz entgegen, selbige aus dem Zusammenstosse der Körper erweisen zu wollen, und dass diese niemals ein anderes Mass als die schlechte Geschwindigkeit darbieten würde, oder auch könnte, wenn gleich die Schätzung nach dem Quadrat eine ganz wahre und ungezweifelte Sache wäre. Es ist unmöglich, sage ich, dass sie aus dem Zusammenstosse der Körper sollte erkannt werden können, sie mag sich auch sonsten in tausend andern Fällen so offenbar zeigen, als man immer wolle.
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Ausführung dieses Beweises
Mein Beweis beruhet auf folgendem.
Man ist darinnen eins: dass man sich der Bewegung der Körper durch den Stoss auf keine andere Art zu dem Endzwecke, davon wir reden, be[[A 87>>dienen könne, als dass man die Kraft, welche ein bewegter Körper durch den Stoss in andere hineinbringt, wie die Würkung ansieht, mit der man die Quantität der Ursache abmessen muss, die sich erschöpfet hat, sie hervorbringen1. Das ist, man muss die Grösse der Ursache in denen Würkungen aufsuchen, welche eine Folge derselben sind. Es versteht sich also schon von selbsten: dass man sich hiebei insbesondere darin wohl vorzusehen habe, dass man in denen gestossenen Körpern nur diejenige Kraft nimmt, welche würklich nichts anders ist, als die durch den Anlauf des andern Körpers unmittelbar hervorgebrachte Würkung; denn sonst ist das ganze Mass, was man gesucht hat, betrüglich und unnütze. Es ist aber augenscheinlich: dass unmittelbar nach dem Augenblicke, darin der stossende Körper in dem gestossenen seine Würkung verübt hat, alle Kraft, die sich alsdenn in diesem befindet, eine ungezweifelte Wirkung des Stosses sei. Daher muss man sich notwendig derselben und keiner andern bedienen, um sie zum Masse der Kraft, die der anlaufende Körper, in Hervorbringung derselben aufgewandt hat, zu machen. Nun hat ein Körper, der seine Bewegung durch den Anstoss eines andern überkommt, so fort nach dem Augenblicke, darin der Stoss die Kraft in ihn hineingebracht hat, und wenn er also sich von der Berührung des anstossenden noch nicht eine endliche Weite hat entfernen können, zwar schon alle die Kraft, die dieser ihm hat mitteilen können, allein noch keine würkliche Bewegung, weil man ihm keine Zeit dazu gelassen hat, sondern nur eine blosse Bemühung zu derselben, mithin eine Kraft, die da [[A 88>> tot ist, und die schlechte Geschwindigkeit zu ihrem Masse hat. Also hat sich die Kraft, die in dem stossenden Körper befindlich war, erschöpfet, um in dem andern eine Kraft zu erwecken, deren ganz genaue Schätzung niemals etwas anders als die blosse Geschwindigkeit sein kann, wenn man auch gleich durch eine Hypothese in dem stossenden eine setzen wollte, die, ich will nicht sagen das Quadrat, sondern gar den Würfel, das Quadratoquadrat, und wer weiss was vor Potenzen der Geschwindigkeit mehr, zum Masse hätte.
Nun wäre es eine Ungereimtheit, die das Gesetz v o n d e r G l e i c h h e i t d e r W ü r k u n g u n d d e r U r s a c h e gänzlich umkehren würde, wenn man setzen wollte, dass eine Kraft, die die Schätzung nach dem Quadrat erfordert, eine andere hervorzubringen aufgewandt wäre, die nach der Geschwindigkeit allein geschätzet würde. Denn weil jene unendliche mal grösser wie diese ist, so würde es eben so viel sein, als wenn man sagen wollte, der ganze Inhalt eines Quadrats wäre angewandt worden, eine Linie und zwar eine endliche Linie hervorzubringen. Daher ist es klar, dass alle Gesetze, so wohl elastischer, als unelastischer Körper, niemals einen Beweis einer andern Schätzung, als der schlechten Geschwindigkeit darbieten werden, und dass sie schon ihrer Natur nach den lebendigen Kräften allemal müssen entgegen sein, man mag gleich alle seine Erfindungs-Kraft erschöpfen, Fälle zu erdenken, die das Ansehen haben, ihnen geneigt zu sein.
[[A 89>> § 69
Weil im vorigen § alles darauf ankommt, dass man nur diejenige Kraft des fortgestossenen Körpers zum Klasse der Kraft des anlaufenden annimmt, welche unmittelbar nach dem Augenblicke der mitgeteilten Wirkung in jenem anzutreffen ist, und eben da er sich von der Berührung des anstossenden losmachet, allein dennoch, noch ehe diese Bewegung schon würklich geschehen ist, so zweifle ich nicht, dass dieses der Punkt sein werde, dawider die Herren, die ich itzo die Ehre hahe meine Gegner zu heissen, am meisten sich empören werden: Ich wollte, dass ich so glücklich wäre, ihnen mit folgendem zuvor zu kommen.
Fortgesetzter Beweis, dass man in dem Stoss der Körper nichts wie die Anfangs- Geschwindigkeit des gestossenen zu erwägen habe
Entweder ist die Kraft, die der gestossene Korper hat, den Augenblick zuvor, ehe er sich von dem stossenden entfernet, derjenigen Kraft gleich, die er hat, nachdem er sich schon würklich beweget, und von demselben entwichen ist, oder sie ist ihr nicht gleieh. Ist das erste, so bedarf es nicht einmal meiner Einschränkung, sondern man kann die Kraft des gestossenen Körpers nehmen, in welchem Augenblicke der Bewegung man will, man wird sie aber allenthalben der Geschwindigkeit schlechthin gemäss finden,* weil sie derjenigen gleich ist, die er hatte, ehe seine Bewegung würklich war. [[A 90>> Ist sie ihr nicht gleich, so will man unfehlbar hiemit so viel sagen: dass die Kraft, die in dem gestossenen Körper befindlich ist, nachdem er sich schon von dem anstossenden entfernet hat, grösser sei, als sie in der Berührung war. Wenn aber dieses ist, so gestehe ich, dass dieses eben die Ursache sei, weswegen ich mich derselben nicht bedienen könne, um die Kraft des Anlaufs darnach zu schätzen. Denn wenn in dem gestossenen Körper, da er sich von dem anlaufenden nach dem Stosse schon entfernet hat, ein Grad Kraft mehr ist, als wie in ihm war, so lange er diesen noch berührte: so ist dieser neue Grad Kraft auch keine Würkung des anlaufenden Körpers, denn die Körper würken nur so lange in einander als sie sich berühren; sondern der erstere ist es allein. Daher kann man jene auch am füglichsten dazu brauchen, diejenige Kraft zu messen, die sich verzehrt hat, um sie hervorzubringen.
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Wir haben die Schwierigkeiten glücklich überstiegen, die der Zusammenstoss der Körper dem alten Gesetze des Cartesius hätte machen können. Ich bilde mir, dass1 ich itzo kühnlich sagen könne, dass die Partei des Herrn von Leibniz ihm von dieser Seite nichts abgewinnen werde. Wir wollen uns bemühen, dass wir uns von denen übrigen dieses auch rühmen können.
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Von der Verteidigung der lebendigen Kräfte [[A 91>> durch die Z u s a m m e n s e t z u n g d e r B e w e g u n g
Lasset uns itzo diejenige Fälle in Erwägung ziehen, welche die Verteidiger der lebendigen Kräfte von den z u s a m m e n g e s e t z t e n B e w e g u n [[A 91>> gen der Körper zu Befestigung ihrer Schätzung entlehnet haben. Gleichwie eine schlimme Sache jederzeit das Merkmal an sich hat: dass sie sich gerne hinter dunkele und verwickelte Fälle verstecket: so hat auch die Partei der lebendigen Kräfte sich der Verwirrung zu Nutze machen wollen, in die man leichtlich bei der Betrachtung der zusammengesetzten Bewegungen geraten kann. Wir wollen uns bemühen, ihr die Decke der Dunkelheit abzuziehen, die den lebendigen Kräften bis daher einzig und allein geneigt gewesen. Herr B ü l f i n g e r hat sich um diese Art der Beweise am meisten verdient gemacht, und seine Gedanken sollen daher die ersten sein, die wir auf die Probe stellen wollen.
* Fig. X
Wir finden seine Abhandlung in dem ersten Bande des Commentarii Petropolitani. Der Satz, der seinem ganzen Gebäude zum Grunde liegt, ist folgender.* Ein K÷rper A, der zwei Bewegungen zu gleicher Zeit empfängt, eine nach der Richtung AB mit der Geschwindigkeit AB, und eine andere, nach einer Richtung, welche mit der vorigen senkrecht verbunden ist, mit der Geschwindigkeit AC, bewegt sich die Diagonallinie dieses rechtwinklichten Parallelogramms in eben der Zeit hindurch, darin er eine jedwede von denen Seiten insbesondere durchlaufen würde. Es sind aber die nach den Seiten des Parallelogramms gerichteten Kräfte einander nicht entgegen gesetzt, mithin kann die eine der andern auch nichts entziehen, und also wird die Kraft, die der Körper hat, wenn er beiden nachgibt, nämlich, wenn er sich in der Diagonallinie beweget, denen Kräften nach den Seiten zusammen genommen gleich sein. Nun würde [[A 92>> dieses nach Cartesens Schätzung nicht statt finden. Denn die Diagonallinie AD ist immer kleiner, wie die zwei Seiten AB und AC zusammen genommen; allein auch in allen andern möglichen Schätzungen würde die Kraft, die der Körper mit der Geschwindigkeit AD hat, der Summe der Kräfte mit denen Geschwindigkeiten AB und AC niemalen gleich sein, als nur in dem einzigen Falle, da dieselben nach den Quadraten ihrer Geschwindigkeiten geschĺtzet werden. Hieraus schliesst Herr Bülfinger: die Kraft eines Körpers, der in würklicher Bewegung ist, könne durch nichts anders, als mit dem Quadrate seiner Geschwindigkeit abgemessen werden.
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Herr Bülfinger hat in seinem Beweise nicht gänzlich geirret. Seine Schlüsse sind im Grunde der Sache vollkommen richtig; allein die Anwendung derselhen ist eigentlich nur fehlerhaft, und hat das Merkmal eines übereilten Urteils an sich.
* Fig. X
In welchem Verstande der Bülfingerische Beweis richtig sei
Wenn man die Bewegung, die der Körper nach* der Seite AC hat, so ansiehet wie gewöhnlich ist, nämlich: dass der Körper mit derselben bemühet ist, die Fläche CD perpendikular zu stossen, so ist gewiss: dass die andere Seitenbewegung in der Linie AB derselben i n d i e s e r A b s i c h t gar nicht entgegen gesetzet sei, weil sie mit der Fläche CD parallel läuft, folglichden Körper weder zu derselben hinzu, noch von ihr abziehet. Eben desgleichen wird die Seitenbewegung AC der Bewegunginderandern Seite AB i n A b s i c h t a u f d i e W ü r k u n g, d i e d e r K ö r p e r m i t i h r g e g e n d i e F l ä c h e BD z u t u n b e m ü h e t i s t, gar nicht ent[[A 93>>gegen sein, weil sie mit dieser Fläche gleichfalls parallel läuft. Was folget aher hieraus ? Nichts weiter, als dass der Körper, wenn er diesen beiden Seitenbewegungen zugleich nachgibt, und die Diagonallinie durchläuft, gegen die Flächen CD und BD eben die Würkungen auf einmal ausüben werde, als er in abgesonderter Bewegung durch die Seiten würde getan haben. Der Körper hat also in der Bewegung durch die Diagonallinie i n A b s i c h t a u f d i e b e i d e n F l ä c h e n CD und BD eine Kraft in sich, die der Summe beider Kräfte nach den Seiten gleich ist. Allein diese Gleichheit ist in ihm nur unter dieser Bedingung, die ich gesagt habe, anzutreffen.
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Herr Bülfinger hat über den Sinn der Streitfrage hinauspeschlossen
Herr Bülfinger band sich nicht an diese Bedingung; ohngeachtet er sich dazu durch die Natur seines Beweises hätte genötiget finden sollen. Er schloss gerade zu: A l s o h a t d e r K ö r p e r i n d e r B e w e g u n g d u r c h d i e D i a g o n a l l i n i e e i n e K r a f t i n s i c h, d i e d e r S u m m e b e i d e r S e i t e n k r ä f t e g l e i c h i s t.
Dieser so uneingeschränkt vorgebrachte Satz nimmt ordentlicher Weise eine Bedeutung an, die von dem Sinne der Schlussfolge, in dem Bülfingerischen Beweise, weit entfernet ist. Denn wenn man sagt: ein Körper, der die oder jene Geschwindigkeit besitzet, hat diese oder jene Kraft in sich: so verstehet man darunter die Kraft, die er in der geraden Richtung seiner Bewegung, und auf einen Gegenstand, den er perpendikular anstösset, ausüben würde. Man muss also, wenn auf eine so eingeschränkte Weise die Rede von der Kraft eines Körpers ist, ihre Grösse in keiner andern Bedeu[[A 94>>tung, als in dieser, zu bestimmen suchen, sonst glaubt man: der Körper habe in der geraden Richtung seiner Bewegung eine gewisse Kraft in sich, die er doch nur zur Seite bei einer gewissen Lage des Gegenstandes, den er anstösst, ausüben kann. Herr Bülfinger, der dieses aus der Acht gelassen hat, ist hiedurch der Beschuldigung einer fallaciae ignorationis elenchi ausgesetzet worden. Denn er hat den Sinn der Streitfrage verlassen, und an statt dass er hätte beweisen sollen: der Körper werde in der Bewegung durch die Diagonallinie e i n e n G e g e n s t a n d, d e r d e r R i c h t u n g d i e s e r s e i n e r B e w e g u n g p e r p e n d i k u l a r e n t g e g e n g e s e t z t i s t, mit einer Kraft stossen, die der Summe der Kräfte, womit er, durch die abgesonderte Seitenbewegungen, die ihm unterliegende Flächen anstossen würde, gleich ist: so bewies er, dass derselbe das Aggregat dieser Kräfte zwar ausübe, aber nur gegen die zwei Seiten-Flächen CD und BD, und nicht gegen die, seiner Bewegung gerade entgegen gesetzte Perpendikular-Fläche.
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Eben derselbe Beweis ist in Absicht auf den Punkt, warum gestritten wird, fehlerhaft
Es kommt also alles nur darauf an, dass ich beweise: ein in der Diagonallinie AD bewegter Körper habe, in der geraden Richtung AD nicht die Summe derer Seitenkräfte zusammen in sich.
* Fig. XI
Ich brauche hiezu nichts weiter: als dass ich eine jedwede von den Seiten-Bewegungen als zusammengesetzt ansehe, wie die Mathematiker es zu tun gewohnt sind.* Die Seitenbewegung AB sei demnach aus der Bewegung AF und AH, die Seitenbewegung AC, im Gegenteil, aus den Bewegungen [[A 95>> AE und AG zusammengesetzt. Weil nun so wohl die Bewegung AF, als auch AE einander gerade widerstreiten, mithin, weil sie gleich sind, sich auch aufheben: so sind nur die Bewegung mit der Geschwindigkeit AH, und die mit der Geschwindigkeit AG übrig, womit der Körper in der Richtung der Diagonallinie fortfähret; und also ist nicht die ganze Kraft der beiden Seitenbewegungen in der Richtung der Diagonallinie vorhanden, sondern es ist in dieser Absicht nur ein Teil von derselben anzutreffen. Ferner, weil die Bewegungen AF und AE ohnedem mit der Fläche BH, die der Körper in der Diagonalbewegung perpendikular anstösst, parallel laufen, mithin keine von beiden dieselbe treffen kann, so siehet man so wohl aus diesem als dem vorhergehenden, der Körper werde den seiner Bewegung durch AD senkrecht entgegen gesetzten Gegenstand nicht mit der Summe der Kräfte nach den Seiten AC und AB anstossen
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Schluss hieraus
Es ist itzo alles abgetan. Denn nunmehro wissen wir: dass ein Körper in der Bewegung durch die Diagonallinie gegen einen senkrecht entstehenden[1] Vorwurf nicht die ganze Summe beider Seitenkräfte ausübe, die der Körper mit jedweder von seinen Seitenbewegungen, gegen die ihnen gleichfalls perpendikular entgegengesetzte Flächen, besitzet. Hieraus folget notwendig: die Kraft sei in der Bewegung durch die Diagonallinie kleiner, als beide Seiten-Kräfte zusammen genommen; folglich könne die Kraft eines Körpers nicht nach dem Quadrate seiner Geschwindigkeit geschätzet werden: [[A 96>> Denn in dieser Art der Schätzung würde gedachte Gleichheit notwendig müssen angetroffen werden, die doch in der Tat nicht anzutreffen ist.
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Aus dem Bülfingerischen Falle werden die lebendigen Kräfte selber widerleget
Wir wollen uns hieran nicht begnügen. An statt dass wir uns vor die Schlüsse des Herrn Bülfingers fürchten sollten, wollen wir sie lieber willig ergreifen: um des Cartesens Gesetze dadurch zu beweisen.
* Fig. XI
Eine gute Sache hat allemal dieses Merkmal an sich: dass selbst die Waffen der Gegner zur Verteidigung derselben dienen müssen, und wir haben mehr wie einmal gesehen, daà die unsrige sich auch dieses Vorzuges rühmen könne.* Die Seitenbewegung AB bringet, nach dem was itzo erwiesen worden, in die Richtung der Diagonallinie keine andere Geschwindigkeit, als nur die Geschwindigkeit AH, womit der Körper in abgesonderter Bewegung die Fläche BH perpendikular treffen würde. Ferner bringt die andere Seitenbewegung AC vor sich allein in die Richtung der Diagonallinie nur die Geschwindigkeit AG, womit der Körper die Fläche CG senkrecht anstossen würde. Aus denen Kräften, welche diese beide Bewegungen AH und AG mit sich führen, ist nun die ganze Kraft der Diagonallinie zusammengesetzt, und was also in jenen beiden nicht anzutreffen ist, das wird in dieser auch nicht vorhanden sein; denn sonst würde in der Summe mehr enthalten sein können, als in denen Summandis zusammen. Es soll also die Kraft mit der Geschwindigkeit AD der Kraft mit der Geschwindigkeit AH plus der Kraft mit der Geschwindigkeit AG gleich sein; und es frägt [[A 97>> sich, was vor Potenzen von AH, von AG, und von AD man nehmen müsse, damit die Summe der heiden ersten der letztern gleich sei. Hier ist es aus den leichtesten Gründen der Arithmetik klar, dass, wenn man die Kräfte durch eine Potenz der Linien AH, AG, und AD schätzen wollte, die grösser ist als die erste Potenz, die auf diese Weise geschätzte Kraft des Körpers, mit der Geschwindigkeit AD, grösser sein würde, als die Summe der Kräfte mit denen Geschwindigkeiten AH, und AG; wenn man aber eine kleinere F u n k t i o n (wie Herr Bülfinger sich ausdrückt) als die F u n k t i o n der schlechten Geschwindigkeiten nehmen wollte, so würde das Aggregat der Teilkräfte grösser sein, als die ganze daraus entsprungene Kraft, welche die Geschwindigkeit AD zum Merkmal hat; im Gegenteil werden sie gleich befunden werden, wenn alles zusammen nach der blossen Geschwindigkeit geschätzet wird. Hieraus folget: man müsse entweder die Kräfte in Proportion der Geschwindigkeiten AH, AG, und AD setzen, oder zugeben: dass das Aggregat kleiner, oder grösser sein könne, als die Aggregandi zusammen.
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*Tab. II Fig. XII
Eben dieselbe Widerlegung: auf eine andere Art
Wir können eben dasselbe auch auf eine andere Art dartun. Wir nehmen wie Herr Bülfinger an: dass die Seitenkräfte* AB und AC dem Körper a durch den Stoss zweier gleicher Kugeln, mit den Geschwindigkeiten bA[2] = AB, und ca = AC, mitgeteilt werden, und dass diese heide zugleich geschehene Antriebe die Bewegung und Kraft durch die Diagonallinie veranlassen. Wir wollen [[A 98>> aber, weil es einerlei ist, annehmen: dass diese Kugeln aus C und B ausliefen, und den Körper a im Punkte D, mit den Geschwindigkeiten CD = b a, und BD = c a, anstiessen. Es ist unleugbar, dass der Körper a in diesem Orte von gedachten Kugeln eben die Kraft erhalten werde, als er im Punkte A erhalten konnte; denn der Ort macht gar keinen Unterscheid, da alles übrige sonst gleich ist. Es frägt sich also: was vor eine Kraft die Kugel a im Punkte D, von diesen zweien zu gleicher Zeit in ihn geschehenen Stössen BD und CD, g e g e n d i e P e r p e n d i k u l a r f l ä c h e FC[3] erhalten wird ? Ich antworte: die Kugel B wird dem Körper a, mit der Bewegung BD, eigentlich nur die Geschwindigkeit BE, in Ahsicht auf die Würkung in diese Fläche, erteilen, und von dem Anlaufe der Kugel C, mit der Geschwindigkeit CD, wird eben derselhe Körper A nur die Geschwindigkeit CF erlangen, womit er, im Punkte D, in die Fläche FE würken kann. Denn die andere zwei Bewegungen, Bg und Ch, welche a annoch von diesem zwiefachen Stosse erhalten hat, gehen mit der Fläche parallel, folglich treffen sie dieselbe nicht, sondern vernichten sich vielmehr einander, weil sie einander entgegen gesetzt und gleich sein. Es haben also beide Seiten-Kräfte BD und CD, oder, welches eben so viel ist, AC und AB, dem Körper, in Absicht auf die Fläche, die er in der Diagonalbewegung perpendikular trifft, nur eine solche Kraft erteilet, die der Summe der Kräfte mit den Geschwindigkeiten BE und CF gleich ist; folglich, e r s t l i c h nicht ihre ganze Kräfte, z w e i t e n s eine solche Kraft, von der hier eben so augenscheinlich, als im vorigen § erhellet, dass sie [[A 99>> sich zu denen, aus welchen sie zusammen gesetzet ist, wie die Geschwindigkeit AD zu den Geschwindigkeiten CF und BE, und nicht wie die Quadrate derselben verhalten müsse.
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Die gerade Kraft in der Diagonallinie ist nicht der Summe der Kräfte nach den Seiten gleich
Wir sehen aus der bisherigen Betrachtung, dass, wenn man voraussetzet, die nach den Seiten des Parallelogramms in der Diagonalbewegung ausgeübten Kräfte wären zusammen der Kraft in der Richtung der Diagonallinie gleich, hieraus folge: dass man die Kräfte nach den Quadraten der Geschwindigkeit schätzen müsse. Allein wir haben zugleich erwiesen: dass diese Voraussetzung falsch sei, und dass diejenige Würkungen, die ein Körper in schräger Bewegung ausübet, bis alle seine Kraft in ihm erschöpfet ist, allemal grösser sei, als dasjenige, was er durch einen perpendikularen Stoss ausrichten würde.
Diese Beobachtung hat das Ansehen eines paradoxen Satzes. Denn es folget hieraus, ein Körper könne in Ansehung gewisser ihm auf eine besondere Art entgegenstehender Flächen mehr Kraft ausüben, als man voraussetzet, dass er gar bei sich habe. Denn so viel Kraft sagt man, dass ein Körper habe, als er durch einen senkrechten Stoss gegen eine unüberwindliche Hindernis aufwendet.
Wegen der metaphysischen Auflösung dieser Schwürigkeit dörfen wir nur immerhin unbekümmert sein, denn es mag hiemit beschaffen sein, wie es wolle, so tut die Mathematik doch einmal den Ausspruch, und nach ihrem Urteile kann man nicht länger zweifeln.
[[A 100>> § 79
In der Leibnizischen Kräftenschätzung ist die Summe der in schräger Richtung ausgeübten Kräfte der Diagonalkraft gleich; allein bei der Kartesianischen ist jene oftermals unendliche mal grösser als diese
Aus der Zerteilung der Bewegung ist klar, dass, wenn ein Körper nach einander gegen viele Flächen in schräger Richtung anläuft, er seine Bewegung alsdenn gänzlich verliere, wenn die Summe derer Quadrate aller sinuum angulorum incidentiae dem Quadrate des sinus totius, der die erste Geschwindigkeit seiner Bewegung anzeiget, gleich ist. Bis dahin sind alle Mechaniker einig, die Kartesianer hievon nicht ausgenommen. Allein hieraus folget vor die Leibnizianer insbesondere: dass der Körper, wenn man die Schätzung nach dem Quadrat statt finden lässet, alsdenn alle seine Bewegung verloren habe, wenn die in schräger Richtung ausgeübten Kräfte alle zusammen der Kraft, die ihm in gerader Bewegung beiwohnet, gleich sind. Hingegen nach der Kartesianischen Schätzung verhält es sich hiemit ganz anders. Die Kräfte, die der Körper durch viele nach einander folgende Stösse in schräger Richtung ausübet, bis alle seine Bewegung verzehret ist, sind nach derselben zusammen viel grösser, als die einzige unzerteilte Kraft, die er in gerader Bewegung besitzet. Also hat alsdenn der Körper seine Bewegung noch nicht verloren, wenn die Summe aller in zerteilter Bewegung ausgeübten Kräfte seiner ganzen unzerteilten Kraft schon gleich ist. Denn ein Körper kann in Ansehung vieler schiefen Flächen weit mehr ausrichten, als gegen diejenige, die er in gerader Richtung perpendikular anstösst, und zwar dergestalt: dass (wenn man annimmt, die Neigung des Stosses geschehe auf alle schiefe Flächen in gleichen Winkeln) sich die Grösse der [[A 101>> Kraft, die da nötig ist, um einem Körper durch schräg entgegengesetzte Hindernisse seine Kraft zu verzehren, zu derjenigen, welche in gerader Richtung dieselbe aufheben würde, verhalte, wie der sinus totus zu dem sinui des Einfallswinkels. Sie ist also z. E., wenn der sinus totus zum sinu1 anguli incidentiae wie 2:1 ist, auch zweimal so gross als diese, wenn er wie 8:1 ist, achtmal, und wenn dieser unendlich klein ist, auch unendlich mal grösser, als die Gewalt der Hindernisse, die genug gewesen wäre, um ihm in gerader entgegengesetzter Richtung seine ganze Bewegung zu verzehren. Also nimmt nach der Leibnizischen Schätzung eine gewisse Hindernis einem Körper seine Kraft gänzlich, die ihm doch von eben derselben in eben derselben Richtung nach der Schätzung des Cartesius nur unendlich wenig zu vernichten vermag, d. i. bei der Schätzung nach. dem Quadrat ist der Verlust der Kraft des bewegten Körpers, wenn die ganze Gewalt der summierten Hindernisse, die er überwunden hat, endlich ist, auch endlich, der Körper mag nun diese Hindernisse in so schiefer Bewegung überwältigt haben als man wolle; hingegen bei der Schätzung nach den Geschwindigkeiten kann die gesamte Kraft der ausgeübten Würkungen eines Körpers endlich sein, und der Verlust der Kraft des Körpers dennoch unendlich klein, wenn nur der Winkel, in welchem er alle diese Hindernisse überwindet, unendlich klein ist.
Dieser Unterscheid ist erstaunlich. Es muss sich hievon irgendwo in der Natur eine Würkung zeigen, sie sei auch wo sie wolle, und es wird sich der Mühe verlohnen, sie aufzusuchen. Denn die Folge derselben wird nicht allein diese sein: dass [[A 102>> man entscheiden könne, ob die Kraft eines Körpers in der Diagonallinie eines rechtwinklichten Parallelogramms der Summe der Seiten-Kräfte gleich sei oder nicht, sondern auch, ob die Schätzung des Herrn v. Leibniz, oder die des Cartesius, die wahre sei; denn die eine Frage ist mit der andern unzertrennlich verbunden.
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Die lebendigen Kräfte werden durch einen neuen Fall widerlegt
Die Bewegung eines Körpers in einer Zirkellinie um einen Mittelpunkt, gegen den er durch seine Schwere gezogen wird (von welcher Art die Bewegungen der Planeten sein), ist der Fall den wir suchen. Lasset uns einen Körper annehmen, der einen hinlänglichen Zentrifugalschwung erhalten hätte, um die Erde in einer Zirkellinie zu laufen. Lasset uns auch von allen Hindernissen ausser der Schwere abstrahieren, die seine Bewegung vermindern könnten: so ist gewiss: dass erstlich die Geschwindigkeit seiner Bewegung endlich sein, hernach zweitens mit eben demselben Grade, in eben derselben Linie unvermindert ins Unendliche fortwähren werde. Diese zwei Lehnsätze setze ich zum Grunde, denn sie sind von beiden Parteien, der Leibnizischen so wohl als der Kartesianischen, gebilliget. Ich setze ferner drittens zum Grunde, dass die Schwere in einen Körper, der sich frei beweget, in einer endlichen Zeit eine endliche Kraft hineinbringe, oder auch in demselben verzehre, wenn die beiden Kräfte, die, welche dem Körper beiwohnet, und die, womit die Schwere drücket, einander entgegen würken. Nun ist der angenommene Körper, der um den gegebenen Mit[[A 103>>telpunkt in einem Zirkel läuft, dem Drucke der Schwere unaufhörlich ausgesetzet, und erleidet also durch die Summe aller unendlich kleinen Schwerdrückungen in einer endlichen Zeit eine endliche Kraft, womit er gegen dem Mittelpunkt seiner Umwendung getrieben wird, per lemma 3. Indessen hält der Körper, durch seine eigentümliche Kraft, allen diesen in ihn geschehenen Drückungen das Gleichgewicht, indem er sich immer in eben derselben Entfernung von dem Mittelpunkte erhält. Also hat er in jedweder endlichen Zeit auch eine endliche Kraft in Ansehung der überwundenen Hindernisse der Schwere ausgeübet. Nun ist aus dem, was wir § 79 ersehen haben, klar, dass: wenn ein Körper in schiefer Richtung eine gewisse Anzahl Hindernisse überwunden hat, die zusammen eine endliche Grösse der Kraft betragen, er hiebei zugleich (wenn man die Leibnizische Schätzung zugibt) an seiner ihm beiwohnenden Kraft einen Verlust von einer endlichen Grösse erleiden müsse. Folglich verlieret der angenommene Körper in jedweder endlichen Zeit seines Zirkellaufes durch die Zuruckhaltungen der Schwere eine endliche Kraft, und also in einer gewissen bestimmten Zeit seine ganze Kraft und Geschwindigkeit; denn die Geschwindigkeit, die er in seinem Kreislaufe besitzet, ist nur endlich. Lemma 1.
Er kann also entweder gar nicht in einem Zirkel laufen, es sei denn, dass er eine unendliche Geschwindigkeit habe, oder man muss zugeben: dass ein Körper durch die Summe aller schrägen Würkungen hier unendlich viel mehr ausrichten könne, als er in geradem Anlaufe Kraft besitzet, und dass [[A 104>> das Leibnizische Kräftenmass, das dieses nicht zugibt, falsch sei.
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Weil der Gedanke, den wir hier ausgeführet haben, sehr fruchtbar von Folgen ist, so wollen wir alle kleine Schwürigkeiten um ihn wegräumen, und denselben, so viel möglich ist, klar und eben machen.
Erweis: dass ein in einen Zirkel1 laufender Körper gegen die Schwere eben so eine Wirkung ausübe, als wenn er gegen eine schiefe Fläche anliefe
Man muss z u e r s t deutlich begreifen lernen: dass die Kraft, die der bewegte Körper in der Zirkelbewegung anwendet, der Schwere das Gleichgewicht zu halten, eine schräge Würkung ausübe, und mit dem Anlaufe eines Körpers gegen eine schiefe Fläche zu vergleichen sei, so wie wir es würklich im vorigen § getan haben.
* Fig. XIII
Man stelle sich zu diesem Endzwecke die unendlich kleine Bogen, die der Körper in seiner Zirkelbewegung durchläuft, als so viel unendlich kleine gerade Linien vor, so wie man auch in der Mathematik gewöhnlich den Zirkel als ein Polygon von unendlich viel Seiten ansiehet.* Der Körper, der nun die unendlich kleine Linie ab durchgelaufen ist, würde, wenn ihm die Schwere keine, Hindernis entgegen setzte, die gerade Richtung dieser Bewegung fortsetzen, und in dem zweiten unendlich kleinen Zeitteile in d sein. Allein durch den Widerstand der Schwere wird er genötiget, diese Richtung zu verlassen, und die unendlich kleine Linie be zu beschreiben. Diese Hindernis der Schwere hat ihm, per resolutionem virium, also die Seiten-Bewegung ac genommen, welche durch die Perpendikellinie ac ausgedruckt wird, die auf die bis in c verlängerte Linie be2 gefället worden. Es er[[A 105>>leidet also der Körper durch die Hindernis der Schwere im Punkte b eben denselben Widerstand, den er von einer Fläche ce3 würde erlitten haben, gegen die er, unter dem Winkel abc, angelaufen wäre; denn die Hindernis, welche diese Fläche ihm entgegensetzet, wird, eben so wie hier, durch die kleine Perpendikellinie ac ausgedrücket. Also kann man die Kraft, die ein Körper in seiner Zirkelbewegung gegen die Schwere ausübet, welche ihn herunter ziehet, mit dem Anlaufe desselben gegen schiefe Flächen ganz wohl vergleichen, und auch auf eben die Weise wie diese schätzen. W. Z. E.
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Der dritte von den angenommenen Grundsätzen unseres Beweises im 80ten § scheinet z w e i t e n s noch einiger Bestätigung zu bedörfen; zum wenigsten kann man, wenn man mit solchen Gegnern zu tun hat, auch in Ansehung der augenscheinlichsten Wahrheiten nicht behutsam genug sein, denn der Streit von den lebendigen Kräften hat uns hinlänglich überführet, wie viel die Parteilichkeit in Ansehung gewisser Meinungen gewaltiger und einnehmender sein könne, als die nackte Stärke der Wahrheit, und wie weit sich die Freiheit des menschlichen Verstandes erstrecke, bei den augenscheinlichsten Wahrheiten annoch zu zweifeln, oder sein Urteil aufzuschieben.
Der kreislaufende Körper tut in jedweder endlichen Zeit gegen die Hindernisse der Schwere eine Würkung einer endlichen Kraft
Ich könnte mich wegen des Satzes: dass die Schwere in einen Körper, der sich frei beweget, in jedweder gegebenen endlichen Zeit auch eine endliche Kraft hinein bringe, auf den 32ten § berufen; allein derselbe hat an denen Verteidigern der lebendigen Kräfte schon seine Gegner, und es ist besser, sie mit ihren eigenen Waffen niederzuschlagen. [[A 106>> Der angenommene Körper, der in seiner Kreisbewegung in einer endlichen Zeit den Bogen af durchgelaufen ist, empfängt die Drucke aller der Federn der Schwere, welchen er in dem ganzen endlichen Raume a f unaufhörlich ausgesetzet ist. Nun bringen, selbst nach dem Geständnisse derer Leibnizianer, die in einem gewissen endlichen Raume befindliche Federn der schwermachenden Materie, die ihren Druck einem Körper durchgehends mitteilen, in denselben eine endliche Kraft: Ergo etc.
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Der Schluss
Demnach hestehet die in zerteilter Bewegung ausgeübte Kraft, wenn sie dem Quadrate der Seiten des rechtwinklichten Parallelogramms proportional geschätzet wird, so gar nicht mit den allerbekanntesten Gesetzen der Kreisbewegung der Körper, und mit den Zentralkräften, die sie verüben. Es sind also die Seitenkräfte in jedweder zusammen gesetzter Bewegung nicht, so wie die Leibnizische Schätzung es erfordert, in der Proportion der Quadrate von ihren Geschwindigkeiten, und eben daher ist der Schluss auch allgemein: dass die Schätzung nach dem Quadrat gänzlich irre; denn eine jede Bewegung kann als zusammengesetzt angesehen werden, wie aus den ersten Grundlehren der Mechanik bekannt ist.
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Wie die Kartesianische Schätzung dieser Schwierigkeit abhelfe
Es ist noch nötig anzumerken, wie vortrefflich die Kartesianische Kräftenschätzung der Schwierigkeit abhilft, unter der die Leihnizische erlieget, wie wir jetzo ersehen haben.
* Fig. XIII
[[A 107>> Es ist aus der Mathematik bekannt: dass die kleine Linie ac,* die dem sinui verso bi des unendlich kleinen Bogens ab parallel und gleich ist, ein unendlich Kleines vom zweiten Grade sei, und also unendliche mal kleiner als die unendlich kleine Linie ab. Nun ist aber ac der Sinus des Winkels, womit der Körper allenthalben in seiner Kreisbewegung dem Drucke her Schwere entgegen würket, und ab, als ein unendlich kleiner Teil der absoluten Bewegung des Körpers selber, ist der sinus totus desselben. Es ist aber aus dem vorher erwiesenen § 79 bekannt, dass: wenn ein Körper in schiefer Bewegung dergestalt gegen eine gewisse Hindernis würket, dass der Sinus des Einfallswinkels, in Ansehung des sinus totius, durchgehends unendlich klein ist, die, durch die Hindernisse, verlorne Kraft gegen die gesamte Gewalt aller überwundenen Hindernisse bei der Kartesianischen Schätzung unendlich klein sei. Also verlieret der Körper in seinem Zirkellaufe durch die Drucke der Schwere nicht eher eine endliche Kraft, als bis er in der ganzen Summe aller derer Zurückhaltungen der Schwere eine Kraft, die unendlich gross ist, überwunden hat. Nun beträget aber die Summe aller Schwerdrückungen eine endliche Zeit hindurch nur eine endliche Kraft, § 80. Lemma 3, und folglich nicht eher eine unendliche Kraft als nach einerunendlichen Zeit: Also verlieret der Körper, der um einen Mittelpunkt, gegen welchen er durch seine Schwere gezogen wird, in einem Zirkel läuft, durch die Hindernisse der Schwere nur in einer unendlichen Zeit eine endliche Kraft,und folglich in jedweder endlichen Zeit unendlich wenig. Hingegen würde der Ver[[A 108>>lust bei der Leibnizischen Schätzung in eben diesen Umständen in jeder endlichen Zeit etwas Endliches betragen, § 80, folglich ist die Kartesianische Schätzung in diesem Falle der Schwürigkeit nicht unterworfen, welcher die Leibnizische, wie wir gesehen haben, allemal ausgesetzet ist.
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Noch ein neuer Widerspruch, welchem die lebendigen Kräfte hier ausgesetzet sein
Der Einwurf, den wir jetzo den lebendigen Kräften gemachet haben, entdecket zugleich eine seltsame Art des Widerspruches in der Schätzung der Kräfte nach dem Quadrat. Denn jedermann ist darin einig: dass die, nach dem Rectangulo der in sich selbst multiplizierten Geschwindigkeit, geschätzte Kraft unendlich mehr Gewalt haben müsse, als diejenige, die nur durch das schlechte Mass der Geschwindigkeit ausgedrücket wird, und dass sie in Ansehung dieser letztern dasjenige sei, was die Fläche gegen die Linie ist. Allein hier zeiget sich gerade das Gegenteil, nämlich: dass in dem Falle den wir gesehen haben, da beide Arten von Kraft in ganz gleiche Umstände zu würken gesetzet werden, die Leihnizische unendlich weniger vermöge als die Kartesianische, und durch unendlich weniger Hindernisse verzehret werde, als diese, welches ein Widerspruch ist, der nicht grösser kann gedacht werden.
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Die Zerstörung des allgemeinen Grundsatzes von der in zusammengesetzter Bewegung befindlichen gleichen Grösse der Kraft mit der einfachen wirft zugleich viele Fälle mehr über den Haufen, die die [[A 109>> Verfechter der lebendigen Kräfte auf eben diesem Grunde erbauet haben.
Widerlegung des Bernoullischen Falles von der Spannung 4 gleicher Federn
Der Bernoullische Fall, den Herr von Wolff in seiner Mechanik anführet, ist einer von den ansehnlichsten unter denselben. Er nimmt 4 Federn an, die alle gleiche Kraft nötig haben, gespannet zu werden. Er lässet ferner einen Körper mit 2 Graden Geschwindigkeit unter einem Winkel von 30 Graden, dessen Sinus wie 1 ist1, gegen die erste, hernach mit dem Überreste der Bewegung, unter einem Winkel, dessen Sinus gleichfalls wie 1 ist, gegen die zweite, und so auch gegen die dritte, und endlich gegen die vierte Feder perpendikular anlaufen. Eine jedwede von diesen Federn nun spannet dieser Körper; er übet also mit 2 Graden Geschwindigkeit 4 Grade Kraft aus, folglich hat er sie gehabt, denn sonst hätte er sie nicht ausüben können. Daher ist die Kraft dieses Körpers nicht wie seine Geschwindigkeit 2, sondern wie das Quadrat derselben.
Ich verlange es nicht zu behaupten: dass der Körper mit 2 Graden Geschwindigkeit unter keinerlei Umständen 4 Grade Kraft ausüben könne. Allein er kann sie nur in schiefem Anlaufe ausüben, und es ist genug, dass wir bewiesen haben, seine Kraft sei in geradem Anlaufe doch jederzeit nur wie 2, und in schräger Bewegung allemal grösser als in der perpendikularen. Jedermann schätzet aber die Kraft eines Körpers nach der Gewalt, die in senkrechtem Stosse in ihm anzutreffen ist. Also ist in derjenigen Art der Würkung, die ohne Zweideutigkeit ist, darin alle Gegner zusammen stimmen, dass sie das wahre Mass der Kraft sei, [[A 110>> der Vorteil auf der Seite des Cartesius gegen die Partei der lebendigen Kräfte.
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Es gründet sich endlich auf die Zusammensetzung der Bewegung noch ein Fall, den man wohl den Achilles unserer Gegner nennen könnte.
Des Herrn von Mairans Einwendung gegen den Hermannschen Fall
Er bestehet hierin: Ein Körper A, der 1 zur Masse, und 2 zur Geschwindigkeit hat, stösset auf einmal unter einem Winkel von 60 Graden zweene Körper B und B, die jeder zur Masse 2 haben. Hier bleibet der stossende Körper A nach dem Stosse in Ruhe, und die Körper B und B bewegen sich jeder mit einem Grade Geschwindigkeit, folglich beide zusammengenommen mit 4 Graden Kraft.
Der Herr von Mairan hat sehr wohl wahrgenommen, wie seltsam und paradox es herauskomme, dass ein besonderer und nur auf gewisse Umstände eingeschränkter Fall eine neue Kräftenschätzung beweisen sollte, die sieh doch wenn sie wahr wäre ohne Unterscheid bei allen und jeden Umständen hervortun müsste. Die Leibnizianer sind jederzeit so kühn zu verlangen: dass, wenn ein Körper 4 Grade Kraft ausübet, es sei auch in welcher Art es wolle, man allema1 sicher sagen könne, er werde eben dieselbe Kraft auch in senkrechter Richtung ausüben; allein in diesem gegenwärtigen Falle ist es augenscheinlich: dass alles auf eine bestimmte Anzahl der Elemente, welche bewegt werden sollen, und auf eine bestimmte Lage derselben gegen den stossenden Körper ankomme, dass folglich die Sache sich ganz anders verhalten werde, [[A 111>> wenn diese Bestimmungen geändert würden, mithin dass man sich sehr betrüge, wenn man so schliesset: der Körper hat in diesen Umständen diese oder jene Kraft verübet, also muss er (gerade zu ohne alle Einschränkung zu reden) auch diese oder jene Kraft haben, und sie wenn man will auch in senkrechter Würkung heraus lassen.
Ich habe mich itzt nur bemühen wollen, den Sinn des Gedankens des Herrn von Mairan auszudrücken, welchen er m seiner Antwort auf die Einwürfe, die ihm die Frau von Chastelet in ihrer Naturlehre gemacht hatte, dem Hermannischen Falle entgegen setzte. Allein mich dünkt, die ganze Sache könne viel leichter und überzeugender, vermittelst desjenigen, was wir bis daher in Ansehung der Zusammensetzung und Zerteilung der Kräfte angemerkt haben, abgetan werden, und sie sei auch grösstenteils hiedurch schon abgetan; weswegen ich glaube, der Leser dieser Blätter werde mich leichtlich durch Herbeiziehung dessen, was ich hiebei erinnert habe, einer ferneren Weitläuftigkeit überheben.
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Der Herr von M a i r a n ist der einzige unter denen Verteidigern des Cartesius, der über die Wahl der Gründe, worauf die Leibnizianer eine neue Kräftenschätzung bauen wollen, einige Betrachtungen angestellet hat; allein er hat es auch nur in dem einzigen Falle getan, den wir im vorigen § angezogen hahen. Diese Gattung der Untersuchung scheinet von nicht grosser Erheblichkeit zu sein, wenn man sie obenhin ansiehet, allein sie ist in der Tat von ganz vortrefflichem Nutzen, so [[A 112>> wie irgend nur eine Methode in der Kunst zu denken sein mag.
Nutzbarkeit dieser Methode des Herrn von Mairan
Man muss eine Methode haben, vermittelst welcher man in jedwedem Falle, durch eine allgemeine Erwägung der Grundsätze, worauf eine gewisse Meinung erbauet worden, und durch die Vergleichung derselben mit der Folgerung, die aus denselhen gezogen wird, abnehmen kann, ob auch die Natur der Vordersätze alles in sich fasse, was in Ansehung der hieraus geschlossenen Lehren erfordert wird. Dieses geschiehet, wenn man die Bestimmungen, die der Natur des Schlusssatzes anhängen, genau bemerket, und wohl darauf Acht hat, ob man auch in der Konstruktion des Beweises solche Grundsätze gewählt habe, die auf die besondere Bestimmungen eingeschränkt sind, welche in der Konklusion stecken. Wenn man dieses nicht so befindet, so darf man nur sicher glauben: dass diese Schlüsse, die auf eine solche Art mangelhaft sind, nichts beweisen, ob man gleich noch nicht entdecken kann, worin der Fehler eigentlich liege, und wenn dieses gleich niemals bekannt würde. Also habe ich z. E. aus der allgemeinen Erwägung der Bewegungen elastischer Körper geschlossen, dass die Phaenomena, die sich durch ihren Zusammenstoss hervortun, unmöglich eine neue Kräftenschätzung, die von der Kartesianischen verschieden ist, beweisen könnten. Denn ich erinnerte mich, dass ja alle diese Phaenomena von den Mechanikern aus der einzigen Quelle des Produkts der Masse in die Geschwindigkeit, zusamt der Elastizität aufgelöset werden, wovon man den Leibnizianern hundert Proben aufzeigen kann, die alle die grössesten [[A 113>> Geometrer zu Urhebern haben, und welche man sie selber unzählige mal durch ihren eigenen Beifall bestätigen siehet. Also, schloss ich, kann dasjenige, was bloss durch die, nach dem schlechten Masse der Geschwindigkeit, geschätzte Kraft hergebracht1 worden, auch von keiner andern Schätzung, als nur von der nach der Geschwindigkeit ein Beweistum abgeben. Ich wusste damals noch nicht, wo eigentlich der Fehler in den Schlüssen der Leibnizianer, über den Zusammenstoss elastischer Körper, zu suchen sei, allein, nachdem ich auf die angezeigte Art überführet worden, es müsse irgendwo in denenselben ein Fehlschluss stecken, er sei auch so verborgen, wie er wolle, so wandte ich alle Aufmerksamkeit an, ihn aufzusuchen, und mich deucht, dass ich ihn an mehr wie einem Orte angetroffen habe.
Diese Methode ist die Hauptquelle dieser ganzen Abhandlung
Mit einem Worte: diese ganze Abhandlung ist einzig und allein ein Geschöpfe von dieser Methode zu denken. Ich will es aufrichtig gestehen: ich hahe alle diejenige Beweise vor die lebendigen Kräfte, deren Schwäche ich itzo vollkommen zu begreifen glaube, anfänglich als so viel geometrische Demonstrationen angesehen, in denen ich nicht den geringsten Fehler vermutete und auch vielleicht nie einen einzigen gefunden hätte, wenn die allgemeine Erwägung der Bedingungen, unter welchen die Schätzung des Herrn von Leibniz festgesetzet wird, meiner Betrachtung nicht einen ganz andern Schwung erteilet hätte. Ich sahe, dass die Würklichkeit der Bewegung die Bedingung dieses Kräftenmasses sei, und dass sie die eigentliche Ursache aus[[A 114>>mache, weswegen man die Kraft des bewegten Körpers nicht so wie die Kraft des zur Bewegung strebenden schätzen solle. Allein als ich die Natur dieser Bedingung erwogen, begriff ich leicht, dass, da man sie mit der Bedingung der toten Kraft unter einerlei Geschlecht setzen kann, und sie sich von ihr nur durch die Grösse unterscheidet, sie unmöglich eine Folgerung haben könne, die von der Folgerung derer Bedingungen einer toten Kraft toto genere unterschieden ist, und auch eben so unendlich sehr von dieser unterschieden bleibet, wenn gleich die Bedingung, die eine Ursache dieser Folgerung ist, der andern Bedingung so nahe gesetzt wird, dass sie sich schon beinahe mit ihr vermenget. Also sahe ich, mit einer Gewissheit, die der geometrischen gar nicht weichet, ein, dass die Würklichkeit der Bewegung kein hinlänglicher Grund sein könne, zu schliessen: dass die Kräfte der Körper in diesem Zustande wie das Quadrat ihrer Geschwindigkeit sein müssten, da sie bei einer unendlich kurz gedauerten Bewegung, oder, welches einerlei ist, bei der blossen Bestrebung zu derselben, nichts wie die Geschwindigkeit zum Masse haben. Ich schloss hieraus: wenn die Mathematik die Würklichkeit der Bewegung als den Grund der Schätzung nach dem Quadrat vor sich hat, und sonst nichts, so müssen ihre Schlüsse sehr hinken. Mit diesem gegründeten Misstrauen in Ansehung aller Leibnizischen Beweise bewappnet griff ich die Schlüsse der Verteidiger dieser Schätzung an, um, ausser dem, dass ich nunmehro wusste, es müssten in denenselben Fehler vorhanden sein, auch zu wissen, worinnen sie bestehen. Ich [[A 115>> bilde mir ein, mein Vorhaben habe mir nicht gänzlich fehl geschlagen.
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Der Mangel dieser Methode ist eine Ursache mit gewesen, woher gewisse offenbare Irrtümer sehr lange sind verborgen geblieben
Wenn man sich jederzeit dieser Art zu denken beflissen hätte, so hätte man sich in der Philosophie viel Irrtümer ersparen können, zum wenigsten wäre es ein Mittel gewesen, sich aus denenselben viel zeitiger heraus zu reissen. Ich unterstehe mich gar zu sagen, dass die Tyrannei der Irrtümer über den menschlichen Verstand, die zuweilen ganze Jahrhunderte hindurch gewähret hat, vornehmlich von dem Mangel dieser Methode, oder anderer, die mit derselben eine Verwandtschaft haben, hergerühret hat, und dass man sich also dieser nunmehro vor andern zu befleissigen habe, um jenem Übel inskünftige vorzubeugen. Wir wollen dieses beweisen.
Wenn man vermittelst gewisser Schlüsse, die irgendwo einen Fehler versteckt halten, der sehr scheinbar ist, eine gewisse Meinung erwiesen zu haben glaubet, und man hat hernach kein anderes Mittel, die Ungültigkeit des Beweises gewahr zu werden, als nur so, dass sich zuerst der Fehler entdecke, der in demselben verborgen lieget, und dass man also vorhero wissen müsse, was es vor ein Fehler sei, der den Beweis verwerflich macht, eher1 man sagen kann, dass einer in demselben befindlich sei, wenn man, sage ich, keine andre Methode als diese hat, so behaupte ich, der Irrtum werde ungemein lange unentdeckt bleiben, und der Beweis werde unzählige mal betriegen, ehe der Betrug offenbar wird. Die Ursache hievon ist folgende. Ich setze [[A 116>> voraus: dass wenn die in einem Beweise vorkommende Sätze und Schlüsse vollkommen scheinbar sind, und das Ansehen der allerbekanntesten Wahrheiten an sich haben, so werde der Verstand demselben Beifall geben, und sich in keine mühsame und langwierige Aufsuchung eines Fehlers in demselben einlassen; denn alsdenn gilt der Beweis, in Ansehung der Überzeugung, die dem Verstande daher entstehet, eben so viel, wie einer, der eine geometrische Schärfe und Richtigkeit hat, und der Fehler, der unter den Schlüssen versteckt liegt, tut, weil er nicht wahrgenommen wird, eben so wenig Würkung zu der Verminderung des Beifalles, als wenn er in dem Beweise gar nicht anzutreffen wäre. Also müsste der Verstand entweder niemalen einem Beweise Beifall geben, oder er muss es in diesem tun, wo er nichts erblicket, was einem Fehler ähnlich siehet, d. i. wo er keinen vermutet, wenn gleich einer in ihm verborgen wäre. In einem solchen Falle also wird er niemals eine besondere Bestrebung zu Aufsuchung eines Fehlers anwenden, weil er keinen Bewegungsgrund dazu hat; folglich wird derselbe sich nicht anders, als vermittelst eines glücklichen Zufalls, hervorfinden, er wird also gemeiniglich sehr lange verborgen bleiben, ehe er entdeckt wird, denn dieser glückliche Zufall kann viele Jahre, ja oftermals ganze Jahrhunderte ausbleiben. Dies ist beinahe der vornehmste Ursprung der Irrtümer, die zur Schande des menschlichen Verstandes viele Zeiten hindurch fortgewähret haben, und die hernach eine sehr leichte Betrachtung aufgedecket hat. Denn der Fehler, der irgendwo in [[A 117>> einem Beweise stecket, sieht dem ersten Anblicke nach einer bekannten Wahrheit ähnlich, also wird der Beweis als vollkommen scharf angesehen, man vermutet mithin keinen Fehler in demselben, man suchet ihn also auch nicht, und daher findet man ihn nicht anders als zufälliger Weise.
Wie das Mittel beschaffen sein muss, wodurch man der Langwierigkeit derer Irrtümer vorbeuget1
Hieraus lässt sich leicht abnehmen, worinnen das Geheimnis werde zu suchen sein, was dieser Schwierigkeit vorbeuget, und welches uns die Entdeckung der Irrtümer, die man begangen hat, erleichtert. Wir müssen die Kunst besitzen, aus denen Vordersätzen zu erraten und zu mutmassen, ob ein auf gewisse Weise eingerichteter Beweis in Ansehung der Folgerung auch werde hinlängliche und vollständige Grundsätze in sich halten. Auf diese Art werden wir abnehmen, ob in ihm ein Fehler befindlich sein müsse, wenn wir ihn gleich nirgends erblicken, wir werden aber alsdenn bewogen werden, ihn zu suchen, denn wir haben eine hinlängliche Ursache, ihn zu vermuten. Also wird dieses ein Wall gegen die gefährliche Bereitwilligkeit des Beifalles sein, der ohne diesen Bewegungs-Grund alle die Tätigkeit des Verstandes von der Untersuchung eines Gegenstandes abwenden würde, in dem er gar keine Ursache findet einen Zweifel und Misstrauen zu setzen. Diese Methode hat uns in den Paragraphis 25, 40, 62, 65, 68 geholfen, und sie wird uns noch ferner gute Dienste leisten.
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Es würde eine Betrachtung von nicht geringem Nutzen sein, wenn man diese Methode etwas [[A 118>> deutlicher aus einander setzen, und die Regeln ihrer Anwendung zeigen wollte, allein diese Art der Untersuchung gehöret nicht unter die Gerichtsbarkeit der Mathematik, welcher doch eigentlich diese Abhandlung gänzlich eigen sein sollte. Wir wollen aber annoch eine Probe ihres Nutzens, in der Widerlegung der Schlüsse, die zum Vorteil der lebendigen Kräfte aus der Zusammensetzung der Bewegungen entlehnet werden, darlegen. In der Zusammensetzung der toten Drucke, z. E. derer Gewichte, die nach schrägen Richtungen einen Knoten ziehen, werden, wenn diese Richtungen einen rechten Winkel einschliessen, die Anfangsgeschwindigkeiten derselben auch durch Linien ausgedruckt, welche Seiten eines rechtwinklichten Parallelogramms sind, und der hieraus entspringende Druck wird durch die Diagonallinie vorgestellet. Obgleich nun hier ebenfalls das Quadrat der Diagonallinie der Summe der Quadrate derer Seiten gleich ist, so folget doch hieraus keinesweges, dass sich die zusammengesetzte Kraft zu einer von den einfachen, wie das Quadrat derer Linien, die die Anfangsgeschwindigkeiten ausdrücken, verhalten werde; sondern alle Welt ist darin einig: dass, diesem unerachtet, die Kräfte in diesem Falle dennoch nur in schlechter Proportion der Geschwindigkeiten sein. Man nehme nun auch die Zusammensetzung der würklichen Bewegungen, so wie man sie durch die Mathematik vorstellet, und vergleiche sie hiemit. Die Linien, welche die Seiten und die Diagonale des Parallelogramms ausmachen, sind nicht anders, als die Geschwindigkeiten nach diesen Richtungen, [[A 119>> eben so, wie es in dem Falle der Zusammensetzung toter Drücke heschaffen ist. Die Diagonallinie hat eben die Verhältnis gegen die Seiten, als sie dorten hat, und der Winkel ist auch derselbe. Also ist nichts von denen Bestimmungen, die in die mathematische Vorstellung der zusammengesetzten würklichen Bewegungen hineinlaufen, von denen unterschieden, unter denen man sich in eben derselben Wissenschaft die Zusammensätze der toten Drucke vorstellet. Da also aus diesen keine Schätzung der Kräfte nach dem Quadrat der Geschwindigkeit herfliesset, so wird sie aus jenen auch nicht können hergefolgert werden; denn es sind eben dieselbe Grundbegriffe, mithin haben sie auch einerlei Folgerungen. Man wird noch einwenden: dass ja ein offenbarer Unterscheid unter denselben anzutreffen sei, weil man voraussetzet, dass die eine von denselben eine Zusammensetzung w i r k l i c h e r Bewegungen, die andere aber nur eine Zusammensetzung t o t e r Drucke sei. Allein diese Voraussetzung ist eitel und vergeblich. Sie kommet nicht mit in den Plan der Grundbegriffe, die das Theorem ausmachen; denn die Mathematik drucket die Würklichkeit der Bewegung nicht aus. Die Linien, die der Vorwurf der Betrachtung sind, sein nur Vorstellungen von der Verhältnis der Geschwindigkeiten. Also ist die Einschränkung von der W ü r k l i c h k e i t der Bewegung hier nur ein toter und müssiger Begriff, der nur neben bei gedacht wird, und aus dem in der mathematischen Betrachtung nichts hergefolgert wird. Hieraus fliesset: dass, aus dieser Art der Untersuchung derer zusammengesetzten Be[[A 120>>wegungen, nichts Vorteilhaftes vor die lebendigen Kräfte könne gesehlossen werden, sondern, dass es etwa untermengte p h i l o s o p h i s c h e Schlussreden sein müssen, wovon aber itzo nicht die Rede ist. Auf diese Weise haben wir durch Hülfe unserer angerühmten Methode itzo begreifen1, dass die mathematische Beweise vor die lebendigen Kräfte aus der Zusammensetzung der Bewegungen falsch und voller Fehler sein müssen, wir wissen aber noch nicht, was es vor Fehler sein, allein wir haben doch eine gegründete Mutmassung, oder vielmehr eine gewisse Überzeugung, dass sie ohnfehlbar darin sein werden. Also dörfen wir uns die Mühe nicht verdriessen lassen, sie mit Ernst aufzusuchen. Ich habe meine Leser dieser Mühe überhoben, denn mich dünkt, dass ich diese Fehler gefunden, und in denen kurz vorhergehenden Paragraphis angezeigt habe.
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Unsere Methode ist endlich noch ein Schwert gegen alle die Knoten der Spitzfindigkeiten und Unterscheidungen, womit Herr B ü l f i n g e r seine Schlüsse, die wir bis daher widerleget haben, gegen einen Einwurf, den ihn1 seine Gegner machen können, hat verwahren wollen. Es ist ein grosser Vorteil vor uns, dass wir denselben abhauen können, da es sonsten sehr mühsam sein würde, ihn aufzulösen.
Die Unterscheidungen des Bülfingers2, womit er dem Ein[[A 121>>wurfe des Herrn von Mairan entgehen will, werden vermittelst dieser Methode abgetan
Herr B ü l f i n g e r hat sehr wohl bemerkt: dass man ihm einwenden würde, seine Beweise, wenn sie richtig wären, müssten eben dasselbe auch vor die Zusammensetzung toter Drucke beweisen. Er hat [[A 121>> sich aber von dieser Seite durch ein Bollwerk von verwickelten metaphysischen Unterscheidungen, wie er sie zu machen weiss, befestiget. Er bemerket: die Würkung der toten Kraft müsse durch das Produkt der Intensität in den Weg den sie nimmt geschätzet werden, dieses aber werde durch das Quadrat dieser Linie ausgedrucket; also könne man den Kartesianern zwar gestehen: dass die Würkungen in der Zusammensetzung toter Drucke gleich sein, allein hieraus folgt3 noch nicht, dass die Kräfte deswegen auch gleich sein müssten. Er setzet hinzu: in motibus isochronis solum actiones sunt ut vires; non in nisu mortuo.4 Eine metaphysische Untersuchung tut in einem mathematischen Streite eine sonderbare Wirkung. Der Mathematikkundige glaubet, dass er sich auf diese Spitzfindigkeiten nicht verstehe, und wenn er sie gleich nicht aufzulösen vermögend ist, so ist es doch weit entfernet, dass er sich durch dieselbe sollte irre machen lassen. Er gehet an dem Leitfaden der Geometrie fort, und alle andere Wege sind ihm verdächtig. Die Geometrer haben sich in Ansehung der Ausflüchte des Herrn Bülfingers eben so aufgeführet. Es hat sich noch niemand mit ihm, so viel ich weiss, auf diese Waffen eingelassen. Man hat sich diese Mühe mit gutem Vorbedachte ersparet; denn eine metaphysische Untersuchung, insbesondere eine, die so verwickelt und zusammengesetzet ist, verstattet nach allen Seiten noch immer unzählige Schlupfwinkel, wohin der eine von den Gegnern sich retten kann, ohne dass ihn der andere zu verfolgen, oder hervorzuziehen, im Stande ist. Wir haben sehr wohl getan, dass wir [[A 122>> die Schlüsse des Herrn Bülfingers gleich anfangs von derjenigen Seite angegriffen haben, wo, nach seinem eigenen Geständnis, die Mathematik allein den Ausspruch tut. Allein, vermittelst unserer Methode, sind wir, wie ich schon gesagt habe, auch über diese Unterscheidungen Meister, wenn sie sich gleich hinter noch so undurchdringliche Decken der Dunkelheit verborgen haben.
Unsere Methode beuget den Unterscheidungen des Herrn Bülfingers vor
Es ist hier vornehmlich die Frage: ob die Unterscheidungen des Herrn Bülfingers den mathematischen Beweis, den er aus der Verhältnis der Diagonallinie gegen die Seitenlinie, in der Zusammensetzung würklicher Bewegungen, vor die lebendigen Kräfte genommen hat, geltend machen können, oder ob dieser mathematische Beweis, allem diesen ungeachtet, dennoch keine Schutzwehre der neuen Schätzung abgeben kann. Dies ist eigentlich der Punkt, warum gestritten wird; denn wenn das Gebäude des Herrn Bülfingers nur auf metaphysischen Grundsätzen beruhet, und nicht durch die mathematische Begriffe von der Zusammensetzung der Bewegungen unterstützet wird, so entschuldiget uns schon die Absicht dieses Hauptstückes, wenn wir uns in die Untersuchung desselben nicht einlassen. Es wird aber die Verhältnis der Diagonalgeschwindigkeit gegen die Seitengeschwindigkeiten in der Zusammensetzung w i r k l i c h e r Bewegungen aus einem und eben demselben Grunde erwiesen, woraus man diese Verhältnis ebenfalls in der Zusammensetzung toter Drucke herleitet. Sie ist also wahr, wenn gleich in denen zusammengesetzten wirklichen Bewegungen keine andere Ei[[A 123>>genschaften und Bestimmungen anzutreffen sein, als die sich hei denen toten Drucken befinden, weil sie hinlänglich bewiesen werden kann, ohne dass man etwas anders hiezu nötig hat, als das, was man auch bei denen toten Drucken, die zusammengesetzet werden, voraussetzen muss. Es kann also aus der Verhältnis der Diagonalgeschwindigkeit bei würklichen Bewegungen nicht geschlossen werden: dass die zusammengesetzten Kräfte von anderer Natur und Schätzungsart sein müssen als die toten Drucke, denn eben dieselbe Verhältnis hat dennoch statt, wenn gleich die Natur der zusammengesetzten Kräfte von den toten Drucken gar nicht unterschieden ist, weil man keine andere Gründe brauchet, um sie zu beweisen, als diejenige, die man auch hier nötig haben würde. Es ist also vergeblich, dass sich Herr Bülfinger derselben bedienen will, um hieraus zu schliessen: dass die Kräfte nicht in Proportion der Geschwindigkeiten, sondern ihrer Quadrate stehen.
Demnach können die metaphysischen Unterscheidungen, derer sich dieser Philosoph bedienet hat, zwar vielleicht etwas darbieten: woraus eine fortgesetzte philosophische Erwägung einige Gründe zum Vorteile der lebendigen Kräfte ziehen würde; allein zur Emporhaltung desjenigen mathematischen Beweises, von dem wir reden, sind sie nicht hinlänglich, weil er schon seiner Natur nach dasjenige unbestimmt lässet, was zu der Regel, die man daraus ziehen will, erfordert wird.
[[A 124>> § 92
Ein besonderer zusammengesetzter Fall des Herrn von Leibniz
Nach allen diesen unterschiedenen Gattungen der Beweise, deren Unrichtigkeit wir denen Verteidigern der lebendigen Kräfte gezeigt haben, komme ich endlich auf denjenigen, der den Herrn von Leihniz, den Vater der lebendigen Kräfte selber zum Urheber hat, und auch das Merkmal seiner Scharfsinnigkeit bei sich führet.
* Acta 1690
Er hat ihn, bei der Gelegenheit, da er die Einwürfe des Abtes C a t e l a n auflösete, in den Actis Eruditorum* der Welt zuerst dargestellet. Er hat sich auch hernach jederzeit, wenn er seiner Kräftenschätzung ein Licht geben wollen, auf dieselbe1 insbesondere berufen: Also werden wir ihn, als eine Hauptstütze der lebendigen Kräfte, anzusehen und wegzuräumen haben.
* Fig.XIV
* Eine Kugel A, von vierfacher Masse, falle auf der schiefen und gebogenen Fläche, deren Höhe 1AE wie 1 ist, aus 1A in 2A, und setze, auf der Horizontalfläche EC, seine Bewegung2, mit dem Grade Geschwindigkeit, den er3 durch den Fall erlanget hat, und der wie 1 ist, fort. Man setze ferner: dass er3 alle Kraft, welche er3 hat, in eine Kugel B von einfacher Masse übertrage, und nach diesem selber im Punkte 3A ruhe. Was wird nun die Kugel B, die 1 zur Masse hat, von der Kugel A, die 4mal mehr Masse, und einen einfachen Grad der Geschwindigkeit hat, vor eine Geschwindigkeit erhalten sollen, wenn ihre Kraft hiedurch der Kraft, die der Körper A hatte, gleich werden soll ? Die Kartesianer sagen: ihre Geschwindigkeit werde 4fach sein müssen. Es laufe also der Körper B, [[A 125>> mit 4 Graden Geschwindigkeit, auf der Horizontalfläche aus 1B in 2B, und, nachdem er daselbst die schiefe und gebogene Fläche 2B 3B angetroffen, bewege er sich dieselbe hinauf, und erreiche mithin auf derselben, durch die ihm beiwohnende Geschwindigkeit, den Punkt 3B, dessen Perpendikular-Höhe 3B C wie 16 ist. Man nehme ferner die inklinierte Schnellwaage 3A 3B an, die sich an dem Punkte F beweget, und deren ein Arm F3B viermal und etwas weniges drüber länger ist als der andere Waagbalken 3A F, die aber einander dennoch das Gleichgewicht halten. Wenn nun der Körper B den Punkt 3B erreichet, und daselbst den Arm der Waage betritt, so ist klar, dass: weil der Balken F 3B, in Ansehung des andern 3A F, etwas grösser ist, als die Masse des Körpers 3A4, in Vergleichung mit der Masse der Kugel 3B5, so werde das Gleichgewicht gehoben sein, und der Körper 3B6 aus 3B in 4B heruntersinken, zugleich aber die Kugel 3A1 aus 3A in 4A erheben. Es ist aber die Höhe 4A 3A beinahe das vierte Teil der Höhe 3B C, mithin wie 4; also hat der Körper B die Kugel A auf diese Weise zu einer beinahe vierfachen Höhe erhoben. Es kann nun durch ein leichtes mechanisches Kunststück gemacht werden: dass die Kugel 4A1 aus 4A in 1A wieder zurück gehe, und mit der durch seinen2 Zurückfall erlangten Kraft gewisse mechanische Würkungen ausübe, hernach aber nochmals aus dem Punkte 1A die schiefe Fläche 1A 2A herablaufe, und alles in den vorigen Zustand setze, auch der Kugel B, welche, durch eine unmerklich kleine Neigung der Fläche 2B [[A 126>> 4B, wieder in dem Punkte 1B sein kann, alle seine3 Kraft, wie vorher, übertrage, und alles noch einmal bewerkstellige. Der Herr von Leibniz fähret fort zu schliessen: also folget aus der Kräftenschätzung des Cartesius: dass ein Körper, wenn man sich seiner Kraft nur wohl bedienet, ins Unendliche immer mehr und mehr Würkungen verüben, Maschinen treiben, Federn spannen, und Hindernisse überwinden könne, ohne dass seinem Vermögen etwas entgehe, eben dieses ohne Aufhören noch ferner zu verüben; dass also die Würkung grösser sein könne, als ihre Ursache, und dass die immerwährende Bewegung, die alle Mechaniker vor ungereimt halten, möglich sei.
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Der Punkt des Fehlschlusses in diesem Beweise
Dieser Beweis ist der einzige unter allen Verteidigungen der lebendigen Kräfte, dessen Scheinbarkeit die Übereilung entschuldigen könnte, welche die Leibnizianer in Ansehung der Schutzgründe ihrer Schätzung bewiesen haben. Herr Bernoulli, Herr Hermann und Wolff haben nichts gesagt, was demselben an Erfindung und scheinbarer Stärke gleich käme. Ein so grosser Mann als Herr von Leibniz war konnte nicht irren, ohne daŕ ihm so gar derjenige Gedanke rühmlich sein musste, der ihm4 zum Irrtum verleitete. Wir wollen in Ansehung dieses Beweises dasjenige sagen, was Hektor beim Virgil von sich rühmt:
– – – – – Si Pergama dextra
defendi possent, etiam hac defensa fuissent.1
Virg. Aeneid.
[[A 127>> Ich will mein Urteil über denselben kurz fassen. Der Herr von Leibniz hätte nicht sagen sollen: dass der Zurückfall der Kugel A, nachdem sie vermittelst der Schnellwaage zu der vierfachen Höhe 4A 3A erhoben worden, und aus 3A2 auf die schiefe Fläche 1A wieder zurückkehret, vorher aber mechanische Kräfte ausübet, eine Würkung der in die Kugel B übertragenen Kraft sei, so sehr dieselbe3 es auch scheinet zu sein. Diese ausgeübte mechanische Kraft ist, wie wir bald sehen werden, zwar der nachfolgende Zustand in der Maschine, der vermittelst der in B übertretenen4 Kraft veranlasset worden, allein sie ist dennoch keine Würkung dieser Kraft. Wir müssen die Vermengung dieser zweien Bedeutungen sehr sorgfältig vermeiden, denn hier ist der rechte Punkt des Fehlschlusses, worauf aller Schein, der sich in dem Leibnizischen Beweise hervortut, gegründet ist. Denn wenn alle diese mechanische Folgen nicht eine rechte Würkung der Kraft sind, die der Körper A in den andern B übertragen hat, so verschwindet alles Ansehen eines paradoxen Gedankens auf einmal, wenn man gleich sagt: dass mehr in dem nachfolgenden Zustande der Maschine enthalten sei, als in dem vorhergehenden. Denn es ist deswegen noch nicht die Würkung grösser als ihre Ursache, und die immerwährende Bewegung selber ist in diesem Falle keine Ungereimtheit, weil die hervorgebrachte Bewegung nicht die wahre Würkung der Kraft ist, welche dieselbe eigentlich nur veranlasset hat, folglich auch immerhin grösser sein kann als diese, ohne dass man gegen das Grundgesetze der Mechanik anstösset.
[[A 128>> § 94
Die Kraft, welche A durch die Einrichtung der Maschine erhält, ist keine hervorgebrachte Würkung der des Körpers B
Der Körper B, in welchen man alle Kraft der Kugel A übertragen hat, wendet dieselbe gänzlich auf, indem er die schiefe Fläche 2B 3B hinauf läuft. In dem Punkte 3B hat er also Kraft die ganze Grösse seiner Würkung vollendet, und auch alle ihm mitgeteilte Kraft verzehret. Indem er nun daselbst auf den Balken der Waage gerät, so ist es nicht mehr die vorige Kraft, womit er den Körper 3A1 in die Höhe hebet, sondern die erneuerte Gewalt der Schwere tut allein diese Würkung, die Kraft aber, die B von der Kugel A erhalten hatte, hat hieran keinen Anteil. Wenn ferner die Kugel A hiedurch bis in 4A erhoben worden, so hat die überwiegende Kraft der Kugel 3B auch auf diese Art ihre völlige Würkung ausgeübet, und die Kraft, welche der Körper B empfängt, indem er aus 4A in 1A zurückkehret, ist wieder eine Würkung einer neuen Ursache, die von der Tätigkeit des Hebels gänzlich unterschieden, und auch viel grösser als dieselbe ist, nĺmlich des Druckes der Schwere, welcher dem Körper im freien Falle mitgeteilet wird. Also ist diejenige Kraft, womit der Körper A mechanische Würkungen ausübet, ehe er wieder im Punkte 1A ankömmt, etwas, was zwar durch die Kraft der Kugel B veranlasset, das ist gewissen mechanischen Ursachen übergeben worden, aber sie selber nicht zur hervorbringenden Ursache hat.
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Dieses wird bestätiget
Wenn die Leibnizianer in dem nachfolgenden Zustande, der in der Natur entstehet, allemal ge[[A 129>>rade nur so viel Kraft setzen wollen, als der vorhergehende in sich enthält, so möchte ich gerne wissen, wie sie sich nur aus dem Einwurfe hinaushelfen wollten, den man ihnen aus ihrem eigenen Beweise machen kann. Wenn ich die Kugel B in 3B auf die Schnellwaage setze, folglich sie daselbst den Balken niederdrückt, und den Körper A aus 3A in 4A erhebet, so ist dieses der vorhergehende Zustand der Natur, die Kraft aber, die A hernach erhält, indem er aus 4A wieder zurückfällt, ist der nachfolgende Zustand, der durch den vorigen veranlasset wird. Es ist aber in diesem viel mehr Kraft enthalten, als in jenem. Denn die Überwucht des Körpers 3B1 über den Körper 3A2 kann in Ansehung ihres eigentümlichen Gewichtes unvergleichbar klein sein, also kann die Geschwindigkeit, womit 3A3 gehoben wird, ungemein klein sein, gegen die Geschwindigkeit, die er durch den freien Zurückfall aus 4A in 1A erhält, denn hier häufen sich die unverminderten Drucke der Schwere, dort aber nur solche, die gegen diese unvergleichbar klein sein, Also ist der nachfolgende Zustand der Kraft, der in der Natur ist, unstrittig grösser, als der vorhergehende, der ihn veranlasset hat.
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Eben dieses aus dem Gesetze der Kontinuität erwiesen
Es kommt hier alles vornehmlich darauf an: dass man überzeuget sei, die Kraft, welche B mit 4 Graden Geschwindigkeit besitzet, sei nicht die hervorbringende Ursache der Würkung, die sich hier in der Maschine hervortut, wie die Leibnizianer voraussetzen müssen, wenn sie in des Cartesius Gesetze [[A 130>> eine Ungereimtheit zeigen wollen. Denn, wenn dieses wäre, so würde, wenn man diese Ursache nur um etwas weniges verminderte, die Würkung auch nur sehr wenig kleiner werden. Allein dieses zeiget sich hier in der Maschine ganz anders. Wenn wir setzen: dass der Körper 1B4 etwas minder als 4 Grade Geschwindigkeit habe, so wird er nur bis zum Punkte a, auf der gebogenen Fläche 3B a5, hinaufgelangen, wo die Länge 3A F des einen Waagbalkens, gegen die Länge des andern Waagarmes ganz genau in vierfacher Verhältnis stehet, wo also das Gewichte des Körpers B den Hebel nicht beweget, noch den Körper 3A1 im geringsten aus seiner Stelle hinausrücket. Also wenn B einen Teil der Kraft weniger hat, der so klein angenommen werden kann, dass er fast gar nicht in Betrachtung kommt: so erlangt 3A2 alsdenn sehon gar keine Kraft mehr; so bald im Gegenteil dieses wenige noch hinzu kommt. so wird 3A2 nicht allein die Kraft, die er anfänglich hatte, wiederbekommen, sondern noch weit mehr drüber. Es ist augenscheinlich: dass dieser Sprung sich nicht zutragen würde, wenn die Kraft des Körpers 3B3 die wahre hervorbringende Ursache desjenigen Zustandes wäre, der sich in der Maschine hervortut.
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Die ganze Grösse des zureichenden Grundes in dem vorhergehenden Zustande
Wenn man die Anlegung des Hebels in dieser Maschine, und ihre geometrische Bestimmung in Absicht auf die Proportion der Körper erwäget, wenn man hiezu noch das Übermass der Verhältnis der Höhe 3B 4B, gegen die Höhe 1A E, über die Proportion der Masse des Körpers B zur Masse A hinzutut (denn die Höhe 3B 4B ist gegen die [[A 131>> Höhe 1A E, wie 16 zu 1, die Masse A aber gegen B nur wie 4 zu 1), so hat man die ganze Grösse derjenigen Bestimmungen, welche die Kraft in A veranlasset haben; hiezu nehme man noch die Druckungen der Schwere, welche vermittelst der vorteilhaften Anlegung der geometrischen Bestimmungen würksamer gemacht werden, so hat man die ganze Zusammenfassung aller zureichenden Gründe, darin man die Grösse der Kraft, die in A entstehet, vollkommen wieder finden wird. Wenn man hievon die einzige Kraft des Körpers B absondert, so ist kein Wunder, dass sie viel zu klein befunden wird, um in ihr den Grund der Kraft, die in A hineinkommt, darzulegen. Alles, was der Körper B hiebei tut, ist, dass er zu gleicher Zeit, da er die Zurückhaltungen der Schwere überwindet, eine gewisse Modalität gewinnet, das ist, eine gewisse Quantität der Höhe, die nämlich grösser ist als nach Proportion seiner Geschwindigkeit, und folglich auch seiner Masse.
So ist denn die Kraft des Körpers B nicht die wahre würkende Ursache der Kraft, welche in A erzeuget wird: es wird in Ansehung ihrer also das grosse Gesetze der Mechanik: effectus quilibet aequipollet viribus causae plenae, ohne Gültigkeit sein; und es kann immerhin auf diese Weise eine i m m e r w ä h r e n d e B e w e g u n g hervorgebracht werden, ohne dass dieses Grundgesetze im geringsten verletzet wird.
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Die einzige Schwierigkeit, die noch [[A 132>> in dem Leibnizischen Argumente stecken könnte
Es bestehet also alles, was der Herr von Leibniz mit seinem Argumente uns entgegen setzen [[A 132>> kann, darin: dass es, wenn man gleich die gänzliche Unmöglichkeit der Sache nicht dartun kann, dennoch sehr unregelmässig und widernatürlich heraus komme: dass eine Kraft eine andere grössere, als sie ist, erwecke, es mag nun auf eine Art geschehen, wie sie wolle. Der Herr von Leibniz lenket sich selber auf diese Seite:
Act. Erud. 1691 p. 5421
* Sequeretur etiam causam non posse iterum restitui suoque effectui surrogari; quod quantum abhorreat a more naturae et rationibus rerum facile intelligitur. Et consequens esset: decrescentibus semper effectibus, neque unquam crescentibus, ipsam continue rerum naturam declinare, perfectione imminuta, neque unquam resurgere atque amissa recuperare posse sine miraculo. Quo2 in Physicis certe abhorrent a sapientia constantiaque conditoris.3 Er würde so gelinde nicht geredet haben, wenn er nicht gesehen hätte, dass die Natur der Sache ihm diese Mässigung auferlege. Man mag nur gewiss versichert sein: dass er mit dem ganzen Donner seines geometrischen Bannes, und aller Gewalt der Mathematik wider seinen Feind aufgezogen wäre, wenn seine Scharfsinnigkeit diese Schwäche nicht wahrgenommen hätte. Allein er sahe sich genötiget, die Weisheit Gottes zu Hülfe zu rufen, ein gewisses Merkmal, dass die Geometrie ihm keine tüchtige Waffen dargeboten hätte.
Nec DEUS intersit, nisi dignus vindice nodus
Inciderit1 – – – – – – – – –
Horat. de arte poet.
Wird beantwortet
Allein auch die kleine Schutzwehre ist von keiner Beständigkeit. Es ist hier bloss von der [[A 133>> Schätzung der Kräfte, welche durch die Mathematik erkannt wird, die Rede, und es ist kein Wunder, wenn dieselbe der Weisheit Gottes nicht vollkommen genug tut. Dies ist eine, aus dem Mittel aller Erkenntnisse herausgenommene Wissenschaft, die vor sich allein nicht mit den Regeln des Wohlanständigen und Geziemenden gnugsam bestehet, und die mit den Lehren der Metaphysik zusammen genommen werden muss, wenn sie auf die Natur vollkommen angewendet werden soll. Die Harmonie, die sich unter den Wahrheiten befindet, ist wie die Übereinstimmung in einem Gemälde. Wenn man einen Teil insbesondere herausnimmt, so verschwindet das Wohlanständige, das Schöne und Geschickte; allein sie müssen alle zugleich gesehen werden, um dasselbe wahrzunehmen. Die Kartesianische Schätzung ist den Absichten der Natur zuwider: also ist sie nicht das wahre Kräftenmass der Natur, allein dieses hindert dennoch nicht, dass sie nicht das wahre und rechtmässige Kräftenmass der Mathematik sein sollte. Denn die mathematischen Begriffe von den Eigenschaften der Körper und ihrer Kräfte sind noch von den Begriffen, die in cler Natur angetroffen werden, weit unterschieden, und es ist genug, dass wir gesehen haben: die Kartesianische Schätzung sei jenen nicht entgegen. Wir müssen aber die metaphysische Gesetze mit den Regeln der Mathematik verknüpfen, um das wahre Kräftenmass der Natur zu bestimmen; dieses wird die Lücke ausfüllen und den Absichten der Weisheit Gottes besser Gnüge leisten.
- 99
Der Einwurf des Herrn P a p i n s
Herr Papin, einer von den berüchtigsten Widersachern der lebendigen Kräfte, hat die Sache des Cartesius gegen diesen Beweisgrund des Herrn von Leibniz sehr unglücklich geführet. Er hat seinem Gegner das Schlachtfeld geräumet, und ist querfeldeingelaufen, um irgendwo einen Posten zu behaupten, der ihn schützen sollte. Er gibet dem Herrn von Leibniz zu: dass, wenn man voraussetzet, der Körper A habe seine ganze Kraft in den Körper B übertragen, nach Kartesianischer Schätzung eine immerwährende Bewegung erfolge, und gestehet ihm sehr gutherzig zu, dass diese Art der Bewegung eine Ungereimtheit sei: Quomodo autem per translationem totius potentiae corporis A in corpus B iuxta Cartesium obtineri possit motus perpetuus, evidentissime demonstrat, atque ita Cartesianos ad absurdum reductos arbitratur. Ego autem et motum perpetuum absurdum esse fateor, et CI. Vir. demonstrationem ex supposita translatione esse legitimam.1 Nachdem er seine Sache auf diese Weise verdorben hat: so suchet er seine Ausflucht darin: dass er die Voraussetzung seines Gegners, die ein sehr zufällig Stück seines Argumentes ist, leugnet, und ihn herausfodert, ihm diesen Knoten aufzulösen. Folgende Worte geben seine Meinung zu erkennen: Sed hypothesis ipsius possibilitatem translationis nimirum totius potentiae ex corpore A in corpus B pernego, etc.1—* *Act. x69x pag. 9
- 100
Der Herr von Leibniz hat seinen Gegner auf einmal entwaffnet, und ihm nicht die geringste Aus[[A 135>>flucht übrig gelassen. Er hat ihm gezeiget: dass die würkliche Übertragung der Kraft kein wesentliches Stück seines Beweises sei, und dass es genug sei, in B eine Kraft zu setzen, die der Kraft in A substituiert werden könne. Man kann alles in der Abhandlung, die er den Actis einverleibet hat, und die wir schon angezogen haben, bewiesen antreffen. Ich kann aber nicht unterlassen, ein Vergehn des Herrn von Leibniz anzuführen, welches in einer öffentlichen Disputation seinem Gegner den Sieg würde in die Hände gespielet haben. Es bestehet darin: dass er etwas, was, wie er selber erinnert, eigentlich zur Hauptsache nicht gehöret, zugibt, um einen Nebenumstand im Argumente darzutun, was aber, wenn es angenommen wird, zwar diese Nebenbedingung bewähret, allein den Hauptpunkt im Beweise gänzlich umkehret.
Ein Vergehen des Herrn von Leibniz
Die Sache verhält sich also: Herr Papin, der es sich in den Kopf gesetzet hatte, keine andere Ausnahme in dem Einwurfe seines Gegners zu machen, als diejenige: dass es unmöglich sei, dass ein Körper seine ganze Kraft einem andern mitteile, suchte dem Herrn von Leibniz alle die Kunststücke verdächtig zu machen, wodurch er dieses zu leisten vermeinete.
* Fig. XV
Daher widerstritte er ihm mit allem Eifer: dass der vierfache Körper 1A,* durch einen Stoss auf denvollkommen steifen Hebel 1ACB,im Punkte 1A, dessen Entfernung vom Ruhepunkte C, gegen die Entfernung CB vierteilig ist, dem einfachen Körper B seine ganze Kraft mitteilen könne; denn dahin lenkte sich der Herr von Leibniz in Behauptung seines mechanischen Falles, von dem wir [[A 136>> gehandelt haben. Herr Papin wurde den Vorteil nicht gewahr, den seine Sache erhalten konnte, wenn er diese Auflösung ergriffen, und daraus selber gegen die lebendige Kräfte geschlossen hätte. Er fasste daher dieselbe an: aber mit so schwachen Gründen, die seinem Gegner den Mut vermehreten, auf der Behauptung desselben zu beharren. Leibniz bestand also auf der Richtigkeit dieses Kunstgriffes, dessen er sich glaubte bedienen zu können, um in einen Körper die ganze Kraft eines andern durch einen einzigen Stoss zu versetzen. Er nahm die Gründe, die Papin angeführet hatte, die Scheinbarkeit desselben zu zeigen, mit Dankbarkeit an, und räumete die Schwierigkeiten weg, womit derselbe diese hinwiederum zu vereitelen vermeinete. Ich glaube, dass er folgendes in rechtem Ernst gesagt habe: Cum Florentiae essem, dedi amico aliam adhuc demonstrationem, pro possibilitate translationis virium totalium etc. corpore maiore in minus quiescens, prorsus affinem iis ipsis, quo Cl.1 Papinus ingeniosissime pro me iuvando excogitavit, pro quibus gratias debeo, imo et ago sinceritate eius dignas.2 Wir wollen jetzt sehen, dass Leibniz seiner Sache einen sehr schlechten Schwung gegeben habe, indem er auf der Behauptung dieses Satzes steif beharrete, den er seinem Gegner vielmehr hätte einräumen sollen; denn alsdenn hätte er zwar die Nebensache verloren (deren Verlust ihm aber gar keinen Nachteil bringen konnte), allein die Hauptsache würde er gewonnen haben: Herr Papin hätte auf folgende Art argumentieren können und auch sollen, um seinen Gegner auf seinem eigenen Geständnisse zu ertappen.
Beweis, dass ein vierfacher Körper durch einen Stoss auf einen Hebel einem 1fachen 4 Grade Geschwindigkeit mitteilen könne
[[A 137>> Wenn der vierfache Körper 1A mit einem Grade Geschwindigkeit den Hebel in 1A stösset, so ist augenscheinlich: dass er in einen andern 2A, der mit ihm von gleicher Masse ist, und auch eben so weit vom Ruhepunkte des Hebels abstehet, durch diesen Stoss seine ganze Kraft und Geschwindigkeit versetzen werde. Weil aber diese Geschwindigkeit, womit 2A weggeprellet wird, eine Fortsetzung derjenigen Bewegung ist, womit der Hebel, indem er den Körper fortstösset, den unendlich kleinen Raum 2A 2a zurückleget, so ist die Geschwindigkeit dieser unendlich kleinen Bewegung der Geschwindigkeit des fortgestossenen Körpers 2A, und also derjenigen, womit 1A den Hebel stösset, gleich; mithin wird diese Kugel 1A in ihrem Anlaufe den Hebel die unendlich kleine Linie 1A 1a hinunterdrücken, und zwar wird dieselbe mit eben derselben Geschwindigkeit, womit 1A anläuft, zurückgelegt werden. Nun setze man anstatt des Körpers 2A die Kugel 1B1, die viermal weniger Masse als A hat, in vierfacher Entfernung vom Ruhepunkte C, und sehe, was vor eine Hindernis alsdenn der Körper B dem Körper A, indem dieser den Hebel aus 1A in 1a wiederzudrücken2 bemühet ist, machen werde. Es ist bekannt, dass die vis inertiae, oder der Widerstand, den ein Körper vermittelst seiner Trägheitskraft der Bewegung eines andern in den Weg leget, seiner Masse propertionieret sei; nun ist aber eine vierteilige Masse in vierfacher Entfernung vom Ruhepunkte der Quantität einer einfachen in vierteiliger Entfernung3 gleich zu schätzen: Also tut B in B dem Stosse des Körpers 1A auf [[A 138>> den Hebel gerade nur so viel Widerstand, als der Körper 2A = 1A in 2A würde getan haben. So wird denn der Körper 1A auch in diesem Falle, da sich die Kugel B an statt der Kugel 2A auf dem Hebel befindet, die unendlich kleine Linie 1A 1a mit dem Hebel zugleich durchlaufen, und zwar mit eben der Geschwindigkeit, wie im vorigen Falle, d. i. die so gross ist als diejenige, womit er auf den Punkt 1A anläuft. Es kann aber der Körper 1A den Hebel aus 1A in 1a nicht niederdrücken, ohne zugleich das andere Ende in B aus B in b hinaufzubewegen; die unendlich kleine Linie B b aber ist 4mal grösser als 1A 1a: also wird der Körper B durch diesen Stoss des Hebels eine Geschwindigkeit erhalten, die gegen diejenige, womit A1 anläuft, vierfach ist.
Eben dasselbe auf eine andere Art erwiesen
Dieses erhellet noch auf eine andere Art. Alle harte Körper können wir uns als elastisch, das ist, als dem Stosse weichend, aber wieder zurück springend, vorstellen; also können wir dem steifen Hebel 1ACB auch eine solche Federkraft beilegen. Der Körper 1A also, der auf den Hebel mit dem Grade Geschwindigkeit wie 1 anläuft, wendet seine ganze Kraft auf, indem er die Feder 1AC spannet, und sie um den Raum 1A 1a aufdrücket. Nun sind die Momenta der Geschwindigkeit, welche diese Feder, die ganze Zeit dieses Druckes hindurch, durch ihren Widerstand in dem Körper 1A verzehret, denjenigen Momentis gleich, womit die Feder C 2A, als der fortgesetzte Arm des Hebels, zu gleicher Zeit vermöge dieser Spannung durch den Raum 2A 2a aufspringet; mithin, wenn diese steife Linie bis B [[A 139>> verlängert worden, sind die Momenta der Geschwindigkeit, womit die Feder CB aufspringet, indem der Hebel 1a CB sich in die gerade Linie 1a Cb wieder herstellet, viermal grösser, als die Momenta, womit er im Punkte 2A zurück schläget (denn der Raum bB, den der Punkt B zu gleicher Zeit zurücke leget, ist viermal grösser als 2A 2a). Allein, wegen der vierfachen Entfernung des Punktes B vom Ruhepunkte C, ist die Steife der Federn2 CB dennoch viermal schwächer als die Steife der Feder C 2A; daher muss man dagegen den Widerstand in B viermal kleiner machen, als in 2A, und alsdenn bleibet das Momentum der Geschwindigkeit, das die Feder CB in den vierteiligen Körper B hineinbringt, vierfach, da hingegen das Momentum, welches die Feder C 2A an den vierfachen Körper 2A anwenden würde, einfach ist. Nun ist die Zeit, in der die Feder CB würket, so gross als diejenige, darin die C 2A ausspringen3 würde, und die Geschwindigkeiten, die zweene Körper, 2A und B, durch die Würkung zweier Federn, C 2A und CB, die gleich lange würken, erhalten, sind wie die Momenta der Geschwindigkeiten, welche diese Federn in ihre Körper hineinbringen, mithin in dem Körper B viermal grösser, als in 2A; da aber die Geschwindigkeit, die 2A von dem Fortstosse der Feder C 2A erhalten würde, der Geschwindigkeit, womit 1A in 1A anläuft, gleich ist, so wird die Geschwindigkeit, die der Körper B durch diesen Stoss des Körpers 1A auf den Hebel erhält, viermal grösser sein, als diejenige war, womit 1A seinen Stoss verrichtete. W. z. E.
Wie Herr P a p i n hieraus gegen Leibnizen hätte argumentieren können
[[A 140>> Wir sehen also aus diesem zwiefachen Beweise: dass ein vierfacher Körper einem einfachen durch einen einzigen Stoss eine vierfache Geschwindigkeit erteilen könne. Dieses ist nach denen mechanischen Grundsĺtzen wahr, welche selbst die eifrigsten Verteidiger der lebendigen Kräfte nicht würden in Zweifel zu ziehen im Stande sein. Herr Papin hätte hiedurch seinen Gegner rechtschaffen in die Enge treiben können, wenn er seines Vorteils wohl wahrgenommen hätte. Er hätte ihm sagen sollen: Ihr habt mir zugegeben, dass ein vierfacher Körper, vermittelst eines Hebels, in einen einfachen, dessen Distanz vom Mittelpunkte vierfach ist, alle seine Kraft hinein bringen könne; ich kann euch aber dartun, dass er bei diesen Umständen demselben vier Grade Geschwindigkeit erteile: also hat ein einfacher Körper mit 4 Graden Geschwindigkeit alle Kraft eines vierfachen mit 1 Grade, dieses ist aber der Punkt, um welchen gestritten wird, und den ihr mir zu leugnen verlanget.
- 101
So ist denn der fürchterlichste Streich unter allen, womit die lebendigen Kräfte der Schätzung des Cartesius gedrohet haben, leer ausgegangen. Nunmehro ist keine Hoffnung übrig, dass dieselbe nach diesem noch Mittel finden werden, sich aufrecht zu erhalten.
– – – vires in ventum effudit, et ultro
Ipse gravis graviterque ad terram pondere vasto
[[A 141>> Concidit: ut quondam cava concidit aut Erymantho,
Aut Ida in magna, radicibus eruta pinus.1
Virg. Aen. Libr. V.
- 102
Wir haben die vornehmsten Gründe der Leibnizianer widerlegt
Wir haben die ansehnlichste und berühmteste Gründe der Neurung von den lebendigen Kräften bis daher angeführet, und Sorge getragen, dieser Sekte, nach dem Rechte der Wiedervergeltung, alle die Vorwürfe und Zurechtweisungen zu bezahlen, welche sie den Schülern des Cartesius so häufig gemachet haben. Man würde mit Unrecht von uns verlangen: dass wir alles, was in dieser Sache auf der Seite des Herrn von Leibniz geschrieben worden, herbei ziehen sollten, um unserer Partei einen vollkommenen Triumph daraus zuzubereiten. Dieses würde heissen, von den Zedern auf dem Libanon an, bis zu dem Ysop, der aus der Wand wächst, nichts verschonen, damit man sein Werk nur bereichern könne. Wir könnten noch mehr wie einen Streif in das Gebiete unserer Gegner tun, ihre Güter ausplündern, und dem Anhange des Cartesius so viel Siegeszeichen und Triumphbogen errichten; allein ich glaube, meine Leser werden kein grosses Verlangen darnach bezeigen. Wenn man jemals mit Grunde gesagt hat, dass ein grosses Buch ein gross Übel sei, so würde man es von einem solchen sagen können, welches, wie dieses, wenig andere Dinge als lauter verschiedene Verteidigungen eben derselben Sache, und zwar einer sehr abstrakten Sache anzie[[A 142>>het, endlich sie nur zu einem einzigen Endzwecke anziehet, nämlich sie alle zu widerlegen.
Wir können indessen diesem Missbrauche der Weitläuftigkeit nicht so gänzlich absagen, dass wir nicht noch einen Beweis herbei zu ziehen berechtiget sein sollten, von dessen Verschweigung uns gleichwohl die ganze Anzahl der Gegner und Verfechter unserer Streitsache lossprechen würde. Dieser Beweis hat nur wegen des Ranges seines Verfassers einen Anspruch auf eine Stelle in dieser Abhandlung; allein er hat nicht die geringste, in Betrachtung des Ansehens, darin er bei den Anhängern beider Parteien stehet. Die Leibnizianer haben nicht geglaubet, dass er ihrer Meinung etwas nutzen könne, und man hat nicht gesehen, dass sie zu demselben ihre Zuflucht genommen hätten, so sehr sie auch öfters in die Enge getrieben worden.
- 105
Ein Argument des Herrn Wolffen
Herr W o l f f ist derjenige, von dem wir diesen Beweis haben, und den er, mit allem Gepränge der Methode ausgezieret, in dem ersten Bande des Petersburgischen Commentirii vorgetragen hat. Man kann sagen: dass die Hindurchführung seinep Satzes durch eine grosse Reihe von vorhergehenden Sätzen, die vermittelst einer gestrengen Methode sehr genau zerteilet und vervielfältiget werden, der Kriegslist einer Armee zu vergleichen ist, welche, damit sie ihrem Feinde ein Blendwerk mache, und ihre Schwäche verberge, sich in viele Haufen sondert, und ihre Flügel weit ausdehnet.
Ein jeder, der seine Abhandlung in dem angeführten Werke der Akademie lesen wird, wird [[A 143>> befinden: dass es sehr schwer sei, in ihr dasjenige heraus zu suchen, was darin den rechten Beweis ausmacht, so sehr ist alles, vermöge der analytischen Neigung, die sich daselbst hervor tut, gedehnet und unverständlich gemacht worden. Wir wollen uns die Beschaffenheit seines Unternehmens einiger massen bekannt machen.
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Der Haupt-Grundsatz dieses Argumentes
Herr P a p i n hatte behauptet: man könne nicht sagen, dass ein Körper etwas getan habe, wenn er gar keine Hindernisse überwältiget, keine Massen verrücket, keine Federn spannet, u.s.w. Herr Wolff widerspricht ihm hierin, und zwar aus diesem Grunde: Wenn ein Mensch eine Last durch einen gewissen Raum hindurch trägt, so ist jedermann darin einig, dass er etwas g e t a n und ausgerichtet habe; nun träget ein Körper seine eigene Masse, vermöge der Kraft, die er in würklicher Bewegung besitzet, durch einen Raum hindurch: Eben hiedurch hat seine Kraft etwas g e t a n und ausgeübet. Herr Wolff verspricht im Anfange seiner Abhandlung, sich dieses Grundes zu begeben, und unabhängig von demselben seinen Satz zu beweisen; allein er hat sein Wort nicht gehalten.
Nachdem er erkläret hatte, was er durch u n s c h ä d l i c h e W ü r k u n g e n (effectus innocuos) verstehe, nämlich solche, in derer Hervorbringung die Kraft sich nicht versehret1: so setzet er einen Satz zum Grunde, auf welchem sein Gebäude einzig und allein errichtet ist, und den wir ihm nur nehmen dürfen, um alle Bemühung seiner Schrift [[A 144>> fruchtlos zu machen. Si duo mobilia per spatia inaequalia transferuntur, effectus innocui sunt ut spatia.2 Dieses ist der Satz, den wir meinen.* Lasset uns sehen, wie er es angefangen hat, ihn zu beweisen. Er schliesset auf folgende Weise: Wenn der Effekt durch den Raum A wie e ist, so ist derjenige Effekt, der in einem gleichen oder eben demselben Raum A geschiehet, auch e; folglich in dem Raum 2A ist er 2e, in dem Raum 3A wird er 3e sein, d. i. die Effekten werden in der Proportion der Räume stehen.
Sein Beweis beruhet also auf dieser Voraussetzung: W e n n d e r K ö r p e r d u r c h e b e n d e n s e l b e n R a u m g e h e t, s o h a t e r a u c h e b e n d i e s e l b e u n s c h ä d l i c h e W ü r k u n g a u s g e ü b e t. Dieses ist der rechte Punkt der Verführung und des Irrtumes, der sich hernach über seine ganze Schrift ausbreitet. Es ist nicht genug, dass nur der Raum eben derselbe sei, wenn die Würkung, die in ihm durch einen gleichen Körper verübet worden, auch dieselbe sein soll; man muss hiebei die Geschwindigkeit des Körpers, womit er den Raum zurück leget, mit in Erwägung ziehen. Wenn diese nicht ebenfalls gleich ist, so wird, aller der Gleichheit des [[A 145>> Raums ungeachtet, die unschädliche Würkung dennoch unterschieden sein. Dieses zu begreifen müssen wir uns, so wie wir im 17. § getan haben, den Raum, den der Körper durchläuft, nicht als vollkommen leer, sondern als mit Materie, aber mit unendlich dünner, folglich unendlich wenig widerstehender Materie erfüllet, vorstellen. Dieses geschicht nur, damit wir eine wahre Wirkung und ein gewisses Subjekt derselben haben, denn im übrigen bleibt es dennoch eine unschädliche Wükung, so wie im Wolffischen Argumente. Wenn also der Körper einen eben so grossen Raum als ein anderer, der ihm gleich ist, zurücke leget: so haben sie beide gleich viel Materie verrücket, aber deswegen noch nicht allemal gleiche Wýrkung ausgeýbet. Denn, wenn der eine seinen Raum mit zweimal mehr Geschwindigkeit durchgelaufen hat, so haben alle Teilchen seines Raumes durch seine Würkung auch zweimal mehr Geschwindigkeit von ihm erhalten, als die Teilchen des Raumes, den der andere Körper mit einfacher Geschwindigkeit durchläuft, folglich hat der erstere Körper eine grössere Würkung ausgeübet, obgleich die Masse und der zurückgelegte Raum in beiden gleich war.
- 105
Noch ein Hauptgrund des Wolffischen Schediasmatis
So ist denn der Grundsatz aller Schlüsse des Herrn Wolffen augenscheinlich falsch, und streitet wider dasjenige, was man von den Begriffen des Wirkens und der Bewegung am allerklärsten und gewissesten beweisen kann. Wenn man einmal geirret hat, so ist die Folge nichts anders, als eine Kette [[A 146>> von Irrtümern. Herr Wolff ziehet aus seinem Grundsatze einen andern, der seinem System eigentlich alle die grosse Folgerungen, die den Leser so unvermutet überraschen und in Verwunderung setzen, darbietet. Er heisst: W e i l i n g l e i c h f ö r m i g e r B e w e g u n g d i e R a u m e i n z u s a m m e n g e s e t z t e r V e r h ä l t n i s d e r G e s c h w i n d i g k e i t e n u n d Z e i t e n s i n d: s o s i n d d i e u n s c h ä d l i c h e W ü r k u n g e n, w i e d i e M a s s e n, Z e i t e n u n d G e s c h w i n d i g k e i t e n z u s a m m e n. Hierauf bauet er das Theorem: Actiones, quibus idem effectus producitur, sunt ut celeritates.1
Wird widerleget
In dem Beweise dieses Lehrsatzes findet sich ein Fehlschluss, der wo möglich noch härter ist als der, welchen wir kaum bemerket haben. Er hatte bewiesen: dass,wenn zwei gleiche Körper einerlei Wirkung in ungleicher Zeit ausrichten, ihre Geschwindigkeiten sich umgekehrt wie die Zeiten verhalten, darin diese gleiche Wirkungen hervorgebracht werden, das heisst: dass der Körper, der seine Wirkung in halber Zeit vollendet, zwei Grade Geschwindigkeit habe, da der andere im Gegenteil, der die ganze Zeit dazu aufwenden muss, nur einen Grad besitzet: Hieraus schliesset er: W e i l j e d e r m a n n g e s t e h e t, d i e j e n i g e A k t i o n s e i z w e i m a l g r ö s s e r, d i e i n z w e i m a l k ü r z e r e r Z e i t a l s e i n e a n d e r e i h r e W i r k u n g v o l l b r i n g e t: s o w e r d e n d i e A c t i o n e s i n d i e s e m F a l l e i n u m g e k e h r t e r V e r h ä l t n i s d e r Z e i t e n, d. i. d e r g e r a d e n v o n d e n G e s c h w i n d i g k e i t e n s e i n. Hierauf gehet er weiter fort, und erwäget den Fall, da zwei v e r s c h i e d e n e Körper einerlei Wirkung in gleicher Zeit aus[[A 147>>üben. Er zeiget: dass in diesem Falle die Geschwindigkeiten in umgekehrter Verhältnis der Massen sein werden, und schliesset ferner also: Quoniam hic eadem est ratio massarum, quae in casu priori erat temporum; ratio vero celeritatum eodem modo se habeat: perinde est, sive massae diversae et tempus idem, sive massae sint eaedem et tempus diversum etc.1 Dieser Schluss ist einUngeheuer, nicht aber ein Argument, das man in einer mathematischen Abhandlung finden sollte. Man erinnere sich: dass in dem vorigen Falle nur deswegen sei gesagt worden, die Actiones zweier gleichen Körper, welche in ungleichen Zeiten gleiche Wirkung ausrichten, sein umgekehrt wie die Zeiten, weil diejenige Aktion, die eine Würkung in kürzerer Zeit ausrichtet, eben deswegen, und auch in eben demselben Masse grösser ist, als eine andere, welche dazu mehr Zeit aufwendet. Also hat dieser Schluss aus diesem Grunde statt, weil die Kürze der Zeit, darin eine Würkung vollendet wird, jederzeit von einer desto grössern Aktion zeuget. Allein, wenn ich, wie hier in dem zweiten Falle, an statt der Ungleichheit der Zeiten die Ungleichheit der Massen setze, und dagegen die Zeiten gleich mache: so siehet man leicht, dass die Ungleichheit der Massen die Folge nicht habe, welche die Ungleichheit der Zeiten hat. Denn bei der erstern hatte der Körper, der in kleinerer Zeit seine Wirkung vollendete, ehen deswegen, w e i l d i e Z e i t k l e i n e r w a r, eine grössere Aktion ausgeübet; allein hier hat der Körper, der eine kleinere Masse hat, und mit derselben in gleicher Zeit eben so viel Wirkung [[A 148>> als der andre ausrichtet, n i c h t w e g e n d e r K l e i n i g k e i t s e i n e r M a s s e eine g r ö s s e r e A k t i v i t ä t. Dies wäre ganz ungereimt zu sagen; denn die Kleinigkeit der Masse ist ein wahrer und wesentlicher Grund, worauf vielmehr die K l e i n i g k e i t der Aktivität beruhet, und wenn ein Körper ohnerachtet dieser Kleinigkeit der Masse dennoch in gleicher Zeit eben so viel Wirkung als ein anderer ausübet, so kann man nur schliessen: dass das, was seiner Actioni wegen einer geringen Masse abgehet, durch eine grössere Geschwindigkeit ersetzet und ausgefüllet, und dadurch der Actioni des andern gleich gemacht worden. Also, wenn die Massen ungleich, die Zeiten und Wirkungen aber gleich sein: so kann man nicht sagen, die Actiones der Körper verhalten sich umgekehrt wie ihre Massen, ob wohl in dem Falle der ungleichen Zeiten und gleichen Massen diese Proportion in Ansehung der Zeiten und Actionum statt hatte: E s i s t d a h e r n i c h t e i n e r l e i: o b d i e M a s s e n u n g l e i c h u n d d i e Z e i t e n g l e i c h, o d e r o b d i e Z e i t e n u n g l e i c h u n d d i e M a s s e n g l e i c h s e i n.
So ist denn derjenige Beweis, worauf ein Haupttheorem in der Wolffischen Abhandlung gegründet worden, ungültig und unnütze; also werden die lebendige Kräfte daselbst kein Land finden, das sie nähren kann.
Es gibt zuweilen in einer Schrift gewisse mässige Fehler, die sich nicht sehr weit ausbreiten, und die Gültigkeit der Hauptsache nicht gänzlich verderben. Allein in derjenigen, von welcher wir reden, laufen die Sätze an der Methode als an ei[[A 149>>nem Seile herab; daher machen ein oder zwei Irrtümer das ganze System verwerflich und unbrauchbar.
- 106
Wir haben noch keine Dynamik
Herr Wolff hatte in seiner Abhandlung das Vorhaben, uns die erste Grundlage zu einer Dynamik zu liefern. Sein Unternehmen ist unglücklich ausgefallen. So haben wir denn noch zur Zeit keine dynamische Grundsätze, auf welche wir mit Recht bauen können. Unsere Schrift, welche die wahre Schätzung der lebendigen Kräfte darzulegen verspricht, sollte diesen Mangel ergänzen. Das dritte Kapitel soll hievon einen Versuch machen; allein darf man wohl hoffen: dass man das Ziel treffen werde, da es einem von den Versuchtesten in dieser Art der Betrachtung nicht gelungen ist, es zu erreichen.
- 107
Das Argument des Herrn von Musschenbroek
Eben, da ich im Begriffe bin, die Widerlegung derer Gründe, worauf die berühmteste Leibnizianer ihre Kräftenschätzung gründen, mit dem vorhergehenden Falle zu beschliessen, erhalte ich die, vom Herrn Professor Gottscheden übersetzte G r u n d l e h r e n d e r N a t u r w i s s e n s c h a f t des Herrn Peters von M u s s c h e n b r o e k, die in der Ostermesse dieses 1747sten Jahres an das Licht getreten sind. Dieser grosse Mann, der grösseste unter den Naturforschern dieser Zeit, an dessen Meinungen das Vorurteil und der Sekteneifer weniger als an irgend eines andern Menschen Lehrsätzen einen Anteil hat, dieser so berühmte Philosoph, hat die Schä[[A 150>>tzung des Herrn von Leibniz erstlich seiner mathematischen Untersuchung, hernach denen Versuchen, die er so geschickt zu machen weiss, unterworfen, und in beiden bewährt befunden. Dieser letztere Weg, den er genommen hat, gehöret nicht zu gegenwärtigem Hauptstücke; allein der erstere gehöret zu demselhen. Die Absicht dieser Abhandlung erfordert es von mir, die Schwierigkeiten, die der berühmte Verfasser daselbst der Schätzung des Cartesius machet, zu erwägen, und sie, wo möglich, von dem Gegenstande, dessen Verteidigung unser Geschäfte ist, abzuwenden. Werden mir aber nicht die enge Grenzen dieser Blätter, oder, damit ich mich offenherzig ausdrücke, die erstaunliche Ungleichheit, die sich hier hervortut, unüberwindliche Hindernisse setzen ?
* Fig. XVI
Lasst uns sehen, was vor Gründe es gewesen sind, die ihm in der mathematischen Erwägung Leibnizens Gesetze zu beweisen geschienen haben.* Wenn eine gewisse äusserliche Ursache, die sich mit dem gedruckten Körper zugleich mit beweget, z. E. eine Feder BC, die, an dem Widerhalte AS befestiget, einen Körper F fortstösset, gegeben ist: so wird sie demselben, wenn er in Ruhe ist, 1 Grad Geschwihdigkeit erteilen. So bald aber dieser Körper diesen Grad schon besitzet, so werden zweimal mehr Federn erfordert, ihm den zweiten Grad der Geschwindigkeit zu geben. Denn wenn sich die einfache Feder noch einmal allein ausstreckete, so würde der Körper, der sich schon mit eben dem Grade Geschwindigkeit würklich beweget, womit die Feder sich ausdehnet, dieselbe fliehen, und ihre Drucke [[A 151>> nicht in sich aufnehmen.
* Fig. XVII
Allein es muss die zweite Feder* DB hinzukommen, die da machet, dass der Punkt B, an welchem sich die Feder BC steifet, dem Körper mit der Geschwindigkeit, damit er entfliehen würde, nachfolge, und dass auf diese Weise der Körper F wie anfänglich in Ansehung der Feder BC ruhe, damit er, wenn diese sich ausstrecket, den Grad Geschwindigkeit wie 1 erhalte.
* Fig. XVIII
Eben* so werden drei Federn ED, DB, BC erfordert,um dem Körper F, der schon an sich 2 Grade Geschwindigkeit besitzet, nur den dritten zu erteilen. Einem Körper, der schon 100 Grade hat, einen einzigen neuenzu erteilen, werden 101 Federn erfordert, und so weiter. Also ist die Anzahl der Federn, die nötig sind, einem Körper einen gewissen Grad Geschwindigkeit zu geben, wie die Anzahl der Grade, in welche die ganze Geschwindigkeit des Körpers zerteilet ist; d. i. die ganze Kraft der Federn, die einem Körper einen Grad Geschwindigkeit mitteilen, ist wie die ganze Geschwindigkeit, die der Körper alsdenn haben würde, wenn er diesen Grad besässe.
* Fig.XIX
Nun sind in dem Triangel*ABC, dessen Cathetus AB in gleiche Teile geteilet worden, die Linien DE, FG, HI, etc. wie die Linien AD, AF,AH, folglich kann man sich der Linie DE bedienen, um diejenige Feder anzuzeigen, die dem Körper den ersten Grad Geschwindigkeit AD erteilet; die zweimal grössere Linie FG, um rlie zweifache Feder anzuzeigen, die den zweiten Grad Geschwindigkeit DF hervorbringt; die Linie HI, um die dreimal grössere Feder anzudeuten, die den dritten Grad Geschwindigkeit FH erwecket, u.s.w. [[A 152>> Wenn man sich diese Linien DE, FG, etc. unendlich nahe gedenket, so werden sie nach der Methode des unendlich Kleinen, die Cavalerius in die Messkunst eingeführet hat, den ganzen Inhalt des Triangels ABC ausmachen. Also ist die Summe aller Federn, die in einem Körper die Geschwindigkeit AB erzeugen, wie die Fläche ABC, d.i. wie das Quadrat der Geschwindigkeit AB. Diese Federn aber stellen die Kräfte vor, welche zusammen in dem Körper gedachte Geschwindigkeit hervorgebracht haben, und w i e s i c h d i e A n z a h l K r ä f t e, d i e i n e i n e n K ö r p e r w i r k e n, v e r h ä l t, s o v e r h ä l t s i c h a u c h d i e i n d e m s e l b e n h e r v o r g e b r a c h t e K r a f t; also ist die Kraft eines Körpers wie das Quadrat der Geschwindigkeit die er besitzet.
- 108
Untersuchung dieses Argumentes
Ich glauhe, ein Anhänger des Cartesius würde folgendes gegen diesen Beweis einwenden:
Wenn man die in einen Körper übertragene Kraft nach der Summe gewisser Federn schätzen will: so muss man nur diejenige Ferlern nehmen, die ihre Gewalt in den Körper würklich hinein bringen; allein diejenige, die in ihn gar nicht gewürket haben, kann man auch nicht gebrauchen, um eine ihnen gleiche Kraft in dem Körper zu setzen. Dieser Satz ist einer von den allerdeutlichsten der Mechanik, und den nie ein Leibnizianer in Zweifel gezogen hat. Der Herr von Musschenbroek selber bekennet sich zu demselben am Ende seines Beweises; denn dieses sind seine Worte: Wie sich [[A 153>> die Anzahl Kräfte, d i e i n e i n e n K ö r p e r w ü r k e n, verhält, so verhält sich auch die in demselben hervorgehrachte Kraft. Wenn aber ein Körper F, der sich schon mit 1 Grade Geschwindigkeit heweget, durch die Ausstreckung der zweien Federn DB, HC den 2ten Grad erhält: so würket von diesen zweien Federn nur BC in ihn, DB aber bringet nichts von ihrer Spannungskraft in ihn hinein. Denn die Feder DB strecket sivh mit 1 Grade Geschwindigkeit aus; der Körper F aher beweget sich auch schon würklich mit 1 Grade; also fliehet F den Druck dieser Feder, und dieselbe wird ihn in ihrer Ausbreitung nicht erreichen können, um die Kraft ihrer Ausspannun in ihn zu übertragen. Sie tut weiter nichts, als dass sie den Widerhalt B, an welchem sich die Feder Bc1 steifet, dem Körper F, mit eben der Geschwindigkeit, womit er sich beweget, nachträget, damit derselbe, in Ansehung dieses Körpers, ruhe, und die Feder BC ihre ganze Kraft, die wie 1 ist, in ihn hinein bringe. Sie ist also keine würkende, sondern nur eine Gelegenheitsursache der Kraft, die auf diese Weise in F zu der ersteren hinzu kommt; die einzige Feder BC aber ist die würkende Ursache derselben. Ferner, wenn dieser Körper schon a Grade Geschwindigkeit besitzet, so erteilet ihm unter den dreien gleichen Federn ED, DB, BC nur die einzige BC ihre Kraft und auch den dritten Grad der Geschwindigkeit, u.s.w. ins Unendliche.
* Fig. XIX
Also wenn DE* die erste Feder ist, deren Kraft in den Körper F hinein gekommen, und den ersten Grad Geschwindigkeit AD in ihm erwecket hat, so hat die Feder fG, die [[A 154>> ihr gleich ist, ihm den zweiten Grad Geschwindigkeit gegeben, und ihre Kraft in ihm1 übertragen; die Feder hI den dritten Grad, u.s.w.; folglich machet die Summe der Federn DE + fG + hI + kM + 1N + rO + bC = BC die ganze Grösse der Kraft aus, die an den Körper F von seiner Ruhe an angewandt worden, und die in ihm die Geschwindigkeit AB erwecket hat. Es verhĺlt sich aber BC wie AB, und BC ist die Kraft, AB aber die Geschwindigkeit; also ist die Kraft wie die Geschwindigkeit, und nicht wie das Quadrat derselben.
- 109
Neuer Fall zu Bestätigung des Kartesianischen Kräftenmasses
Nunmehro sind wir über alle die Schwierigkeiten hinweg,die uns in der Behauptung des Kartesianischen Gesetzes entgegen stehen könnten. Wir wollen es aber hiemit noch nicht gnug sein lassen. Eine Meinung, die einmal im Besitze des Ansehens, und so gar des Vorurteiles ist, muss man ohne Ende verfolgen, und aus allen Schlupfwinkeln heraus jagen. Eine solche ist wie das vielköpfichte Ungeheuer, das nach jedwedem Streiche neue Köpfe aushecket.
Vulneribus foecunda suis erat ille1: nec ullum
De centum numero caput est impune recisum,
Quin gemino cervix haerede valentior esset.2
Ovid. Metam.
Ich würde es mir vor sehr rühmlich halten: wenn man an diesem Werke tadelte, dass es die Leibnizische Kräftenschätzung überflüssig und mit mehr Grün[[A 155>>den, als es nötig gewesen wäre, widerlegt hätte; allein ich würde mich schämen, wenn ich es daran hätte ermangeln lassen.
* Fig. XX
Nehmet eine inklinierte Schnellwaage* ACB, deren ein Arm CB gegen den andern AB3 vierfach, der Körper B aber, der das Ende des vierfachen Armes drücket, gegen den andern A vierteilig ist. Diese werden in der Lage, darin wir sie gesetzet haben, ruhen und gegen einander vollkommen im Gleichgewichte stehen. Hänget zu dem Körper A noch ein kleines Gewichte e hinzu: so wird der Körper B durch den Bogen Bb gehoben, und A dagegen durch den Bogen Aa herabsinken, der Körper B aber wird in dieser Bewegung viermal mehr Geschwindigkeit als A erhalten. Nehmet das Gewichte e hinweg, und hänget dagegen ein viermal kleineres d zu dem Körper b an das Ende des Waagarmes Cb hinzu: so wird b durch den Bogen bB niedergedrückt, a aber durch den Bogen aA hinauf gehoben werden; b aber, welches einerlei mit B ist, wird hiedurch eben so viel Geschwindigkeit als in dem erstern Falle erhalten, imgleichen a, welches einerlei mit A ist, wird seine Geschwindigkeit, die in ihn im erstern Falle hinein gebracht wurde, nun ebenfalls bekommen; nur mit diesem Unterschiede: dass die Richtung der Bewegungen umgekehrt wird. Da nun die Würkung, welche das angehängte Gewichte e ausübet, in der Kraft, die der Körper A und B zusammen haben, bestehet, und die Wirkung, die das viermal kleinere d ausrichtet, ebenfalls in derjenigen Kraft, welche b = B und a = A hiedurch zusammen erhalten, [[A 156>> zu setzen ist: so ist klar: dass diese Gewichter e und d gleich grosse Wirkungen ausgeübt, folglich gleich viel Kraft müssen angewandt und also auch gehabt haben. Es sind aber die Geschwindigkeiten, womit diese Gewichter e und d würken, (nämlich so wohl ihre Anfangsgeschwindigkeiten, als die endliche Geschwindigkeiten, die sie durch die Häufung aller dieser Druckungen erhalten) umgekehrt wie ihre Massen: also haben zwei Körper, deren Geschwindigkeiten in umgekehrter Verhältnis ihrer Massen sind, gleiche Kräfte; welches die Schätzung nach dem Quadrate umwirft.
- 110
Leibnizens Zweifels-Knoten
Die Kartesianer haben den Verteidigern des neuen Kräftenmasses niemals mit mehr Zuversicht Trotz bieten können, als nachdem Herr Jurin den Fall gefunden hat, dadurch man auf eine einfache Art und mit sonnenklarer Deutlichkeit einsiehet: dass die Verdoppelung der Geschwindigkeit jederzeit nur die Verdoppelung der Kraft setze.
* Acta 1695 pag. 155
Herr von Leibniz leugnete dieses insbesondere in dem Versuche einer Dynamischen Abhandlung, die er den Actis* einverleibet. Man höre ihn nur folgendergestalt reden: Cum igitur comparare vellem corpora diversa, aut diversis celeritatibus praedita, equidem facile vidi: si corpus A sit simplum, et B duplum1, utriusque autem celeritas aequalis, illius quoque vim esse simplam, huius duplam, cum praecise quicquid in illo ponitur semel, in hoc ponatur bis. Nam in B est bis corpus ipsi A aequale, et aequivelox nec quicquam ultra. S e d s i c o r p o r a A [[A 157>> e t B2 s i n t a e q u a l i a, c e l e r i t a s a u t e m i n A s i t s i m p l a, e t i n C d u p l a, v i d e b a m n o n p r a e c i s e q u o d i n A e s t d u p l a r i i n C.3 Diesen Knoten hat Herr Jurin durch den leichtesten Fall von der Welt aufgelöset.
* Fig. XXI
Auflösung des Herrn Jurins
Er nahm eine bewegliche Fläche, z. E.* einen Kahn AB an, der sich, nach der Richtung BC, mit der Geschwindigkeit wie 1 beweget und die Kugel E mit gleicher Bewegung mit sich wegführet. Diese Kugel hat also durch die Bewegung der Fläche die Geschwindigkeit 1, und auch die Kraft 1. Er nimmt ferner auf dieser Fläche eine Feder R an, die an dem Widerhalte D losschnellet, und der gedachten Kugel E vor sich noch einen Grad Geschwindigkeit, und also auch einen Grad Kraft erteilet. Also hat dieselbe zusammen zwei Grade Geschwindigkeit, und mit demselben1 zwei Grade Kraft empfangen. Es ziehet folglich die Verdoppelung der Geschwindigkeit nichts mehr als die Verdoppelung der Kraft nach sich, und nicht, wie die Leibnizianer sich fälschlich überreden, die Vervierfachung derselben.
Dieser Beweis ist unendlich deutlich, und leidet gar keine Ausflucht, denn die Bewegung der Fläche kann nichts mehr tun, als dass sie dem Körper eine Geschwindigkeit, die ihr gleich ist, das ist, eine einfache Geschwindigkeit, und folglich auch eine einfache Kraft erteile. Die Feder R aber, weil sie eine gemeinschaftliche Bewegung mit der Fläche und Kugel zugleich hat, würket mit nichts als ihrer Spannungs-Kraft. Diese nun ist gerade so gross, dass sie einem Körper wie der unsrige ist nicht mehr wie einen Grad Geschwindigkeit, und also auch [[A 158>> nur einen Grad Kraft erteilen könne. Also wird man in allem, was in die Konstruktion dieses Problems hineinkommt, nichts mehr als die Ursachen zu 2 Graden Kraft antreffen, man mag sich wenden, wohin man wolle, und dennoch werden in dem Körper würklich a Grade Geschwindigkeit vorhanden sein.
- 111
Der Frau von Chastelet Einwurf gegen Jurins Argument
Die Marquisin von C h a s t e l e t hat dieses Argument des Herrn J u r i n s bestritten, aber auf eine Art, deren Schwäche zu bemerken sie scharfsinnig genug gewesen wäre, wenn die Neigung gegen eine Meinung, auf welche einmal die Wahl gefallen, nicht einer schlimmen Sache den schönsten Anstrich geben könnte.
Sie hat folgendes eingewandt. Der Kahn AB ist keine unbewegliche Fläche; folglich wenn sich die Feder R gegen den Widerhalt D steifet, so wird sie in den Kahn gewisse Kräfte hineinbringen, und man wird also in der Masse des Kahnes die 2 Grade Kraft wiederfinden, die man in dem Körper E nach Leibnizischer Schätzung vermisset.
- 112
In dieser Ausflucht findet sich der Fehler desjenigen Trugschlusses, den man fallaciam ignorationis elenchi nennet. Sie greift das Argument ihres Gegners nicht eigentlich da an, wo er den Nerven seines Beweises hinein geleget hat; sondern bekümmert sich um einen zufälligen Nebenumstand, der ihrer Meinung günstig zu sein schei[[A 159>>net, der aber dem Jurinischen Beweise nicht notwendig anklebet. Wir können diesen Stein des Anstosses leicht aus dem Wege räumen. Es hindert uns nichts, uns den Kahn AB, als dureh eine solche Kraft getrieben, vorzustellen, die ihm nicht verstattet, vermöge der Anstrengung der Feder gegen D, in die Richtung AF im geringsten zurück zu weichen. Man darf ihn zu diesem Ende nur von unendlich grosser Masse gedenken. Der Kahn wird alsdenn durch die endliche Kraft der Feder R nur unendlich wenig, d. i. gar nicht weichen; also wird der Körper eben die Kraft von dieser Feder erhalten, als wenn dieselbe, gegen einen gänzlich unbeweglichen Widerhalt gespannet, losschnellete, d. i. er wird ihre ganze Kraft erhalten.
- 113
Herrn Richters Einwurf gegen Jurins Argument
* Act. Erud. 1735 p. 511
Herr R i c h t e r, der in dem Verzeichnisse dererjenigen, welche zu der Emporhaltung des neuen Kräftenmasses ihren Beitrag getan haben, keine geringe Stelle verdienet, hat einen etwas scheinbareren Einwurf gegen Jurins Argument vorgebracht.*
Er glaubt, eben dieselbe Kraft könne in Relation gegen verschiedene Dinge sehr ungleich sein. Die Feder R habe der Kugel E zwar in Ansehung derer Dinge, die sich mit dem Kahne zugleich in einer Richtung und Geschwindigkeit bewegen, eine Kraft wie 1 erteilet, allein in Ansehung derer Gegenstände, die da ausserhalb dem Kahne würklich ruhen, habe die Feder der Kugel nicht eine einfache, sondern dreifache Kraft gegeben.
[[A 160>> Ich möchte gerne wissen, wo doch die zwei Grade Kraft, die nach Herrn Richters Meinung der Körper E in Relation gegen die ruhende Gegenstände erhält, herkommen sollten; denn sie können doch nicht wegen einer leeren Abstraktion oder eines müssigen Gedankens in ihm entstanden sein; sondern es müssen durchaus tätige Ursachen und Kräfte sein, wodurch sie hätten hervorgebracht werden sollen. Wenn aber alles gegen die äussere Dinge in absoluter Ruhe ist, und der Kahn fängt an, sich mit einem Grade Geschwindigkeit zu bewegen, so entstehet in dem Körper E hiedurch ein Grad absoluter Kraft. Von da an tut der Kahn schon keine Wirkung mehr in den Körper; denn er ruhet in Ansehung seiner, allein die Spannungs-Kraft der Feder fängt an, ihre Tätigkeit auszulassen. Diese hat nun gerade nur so viel, als zu Hervorbringung eines Grades Kraft erfordert wird; mehr wird man in ihr vergeblich suchen. Es ist also in den Körper nicht mehr absolute Wirkung verübt worden, als nur so viel man zu 2 Graden Kraft rechnet. Wenn nun in Relation gegen die ruhenden Dinge, d. i. in absolutem Verstande, in dem Körper 4 Grade Kraft entstanden sein sollten, und es wäre dennoch nicht mehr wie 2 Grade absolute Wirkung in demselben ausgeübet worden, so müssten 2 Grade von ohngefähr und ohne Ursache entstanden, oder aus dem Nichts hervorgekrochen sein.
Man kann zu gänzlicher Vermeidung alles Skrupels, wenn anders in einer so klaren Sache einiger Skrupel statt hat, den Fall des Herrn Jurins [[A 161>> so einrichten: dass, wenn alles in absoluter Ruhe ist, der Körper E zuerst von der Feder einen Grad Geschwindigkeit überkomme, indessen dass der Kahn noch ruhet, so wird unstrittig diese erlangte Kraft des Körpers E eine absolute Kraft sein. Wenn nun der Kahn sich alsdenn auch anfängt mit einem Grade zu bewegen: so ist dieses wiederum eine absolute Bewegung, weil er vorher gegen alle Dinge ruhete. Er teilet also allem demjenigen , was zu seiner Masse gehöret, folglich auch dem Körper E, wiederum einen Grad Kraft mit, der, weil die Ursache, die ihn erzeugete, in absoluter Bewegung gewirket hat, von derselben nicht mehr wie einfach sein kann. Also entspringen nuch auf diese Weise in allem nicht mehr wie 2 Grade Kraft vor den Körper E.
Herr Richter suchet sich noch mit einer andern Ausflucht, die er von dem Stosse elastischer Körper hernimmt heraus zu wickeln. Allein seine Rechtfertigung ist auf der gemeinen Hypothese der Leibnizianer erbauet: dass man nach dem Stosse elastischer Körper gerade die Kraft, die vor dem Stosse war, antreffen müsse. Wir haben diese Voraussetzung widerleget; also ist es nicht nötig, sich mit Herrn Richtern hier insbesondre einzulassen.
- 1131
ZUSÄTZE UND ERLÄUTERUNGEN,
DIE EINIGE STÜCKE DIESES KAPITELS BETREFFEN
[[A 162>> I. ERLÄUTERUNG ZUM 25TEN §
Weil das Theorem dieses § die vornehmste Grundfeste unserer gegenwärtigen Betrachtungen ist, so wollen wir es unter einer etwas deutlichern Gestalt vortragen.
* Tab. I Fig. 2
Deutlicherer Vortrag des 25. §
Das Merkmal einer wirklichen Bewegung ist eine endliche Dauer derselben. Diese Dauer aber, oder die von dem Anfange der Bewegung verflossene Zeit, ist unbestimmt, kann also nach Belieben angenommen werden. Wenn demnach die Linie AB* die während der Bewegung verfliessende endliche Zeit vorstellet: So hat der Körper in B eine würkliche Bewegung, ferner in C, als der Hälfte, auch in D, als dem Punkte des Vierteiles, und so fort an in allen noch kleineren Teilen dieser Zeit, man mag sie ins Unendliche so klein machen als man will; denn dieses erlaubet der unbestimmte Begriff ihrer Grösse. Also kann ich diese Zeit unendlich klein gedenken, ohne dass hiedurch dem Begriffe der Wirklichkeit der Bewegung etwas abgehet. Wenn aber die Zeit dieser Dauer unendlich klein ist, so ist sie wie nichts zu rechnen, und der Körper ist nur in dem Anfangspunkte, d. i. in einer blossen Bestrebung zur Bewegung. Folglich, wenn es ohne fernere Einschränkung, so wie Leibnizens Gesetze erheischet, wahr ist, dass des Körpers Kraft in jeder wirklichen Bewegung das Quadrat zum Masse hat: So ist sie auch bei blosser Bestrehung zur Bewegung also beschaffen; welches sie selber doch verneinen müssen.
Woher der undeterminierte Begriff der endlichen Zeit die unendlich kleine mit in sich schliesset
[[A 163>> Es scheinet beim ersten Anblicke, als wenn Leihnizens Gesetze, durch die ihm anhängende Einschränkung der endlichen verflossenen Zeit genugsam gesichert sei, dass es nicht auf die Bewegung, deren Dauer unendlich klein ist, könne gezogen werden; denn die endliche Zeit ist ja ein Begriff, der ein, von der unendlich kleinen Zeit, ganz unterschiedliches Geschlechte andeutet: also hat es das Ansehen, dass, bei dieser Einschränkung, dasjenige durchaus nicht könne auf die unendlich kleine Zeit gezogen werden, was nur unter der Bedingung der endlichen zugelassen wird. Es hat dieses auch seine Richtigkeit: wenn man von der endlichen Zeit so redet, dass man dabei voraussetzet, dass sie bestimmt, und ihre Grösse determiniert sein müsse, wenn diese oder jene Eigenschaft aus ihr, als einer Bedingung, herfliessen soll. Wenn man aber eine endliche Zeit erfordert, aber dabei zulässet, dass man sie so gross oder klein nehmen könne, als man wolle: so ist alsdenn auch die unendlich kleine Zeit mit in ihr Geschlecht eingeschlossen. Denen Leibnizianern kann dieses nicht unbekannt sein. Denn sie müssen wissen, dass ihr Ahnherr das Gesetze der Kontinuität auf diesem Grunde erbauet habe: dass nämlich, wenn man annimmt, A sei grösser als B, doch so, dass es unbestimmt sei, wie viel oder wenig es grösser sei, so werde man, ohne den Gesetzen, die unter dieser Bedingung wahr sein, Eintrag zu tun, auch sagen können, A sei B gleich, oder, wenn man A gegen B anlaufen lässt, und annimmt, dass sich B auch bewege, so werde man, wenn der Grad dieser seiner Bewegung unbestimmt ist, auch annehmen können; dass B ruhe, ohne dass [[A 164>> hiedurch dasjenige könne aufgehoben werden, was unter jener Bedingung festgesetzet ist, und so in andern Fällen mehr.
Leibnizens Schätzung gilt auch nicht unter der Bedingung der endlichen Geschwindigkeit
* Tab. I Fig. 2
Wollte man endlich noch sagen: dass Leibnizens Schätzung zwar nicht unter der Bedingung der endlichen Zeit, aber dennoch unter der Voraussetzung der endlichen Geschwindigkeit, wahr sei (obgleich dieses offenbar gegen ihre Lehre sein würde), so merke man: dass man die endliche Geschwindigkeit eben so wohl als die endliche Zeit durch die Linie AB* vorstellen könne, und alsdenn wird es sich gleichfalls ausweisen, dass, wenn ihr Gesetz überhaupt bei endlicher Geschwindigkeit gilt, es auch bei unendlich kleiner gelten müsse, welches sie doch selber nicht umhin können zu leugnen.
- ZUSÄTZE ZU DEN § 31, BIS 36
Unsere Gegner rechnen es unter die klärsten Begriffe, die man nur haben kann: dass ein Körper gerade die Kraft aller der Federn habe, die er zudrückt, bis ihm seine ganze Bewegung genommen worden, die Zeit, in der diese Federn gedrucket werden, sei wie sie wolle.
* Acta Erud. 1735 p. 210
Herr J o h a n n B e r n o u l l i sagt von denen, die mit der Anzahl der überwältigten Federn allein nicht zufrieden sein, sondern noch immer nach der Zeit der Zudrückung fragen, dass sie eben so ungereimt wären, als einer, der die Menge Wasser in einem Becher messen will, und sich an dem würklichen Masse, was er vor sich hat, nämlich der Kapazität des Bechers, nicht begnüget, sondern [[A 165>> meinet, er müsse noch die Zeit dazu wissen, in der dieser Becher angefüllet worden. Er setzet vor Zuversicht und Unwillen hinzu:* Desine igitur quaerere nodum in scirpo.1 Die Frau Marquisin von Chastelet hat einen eben so scherzhaften Einfall in Bereitschaft; allein sie irren beide, und zwar, wo mir es erlaubt ist zu sagen, mit eben so grossem Nachteile ihres Ruhmes, als die Zuversicht war, die sie in diesem Irrtume haben blicken lassen.
Woher die Zeit notwendig bei der Hindernis der Schwere in Anschlag kommt
Wenn eine jede von den Federn A, B, C, D, E von solcher Art ist, dass sie nur einem einzigen Drucke des Körpers M widerstehet, und zugleich dadurch ihre ganze Tätigkeit verlieret, folglich hernach in dem Körper M gar keine Wirkung mehr tut, er mag ihr so lange ausgesetzet sein, als er wolle: so gestehe ich selber, dass der Körper einerlei Kraft ausgeübet habe, er mag diese Federn in einfacher, oder vierfacher Zeit zugedrückt haben, denn nachdem er sie einmal zugedrückt hat, so bringt er die übrige Zeit bei ihr müssig zu. Wenn im Gegenteil die Kraft des Körpers die Tätigkeit der Feder, deren Druck er überwindet, nicht zugleich aufhebet: so gehen aus der Feder in den entgegenwirkenden Körper alle Augenblicke neue Grade Kraft über; denn die Wirksamkeit dieser Feder, die in dem ersten Augenblicke die Ursache eines in dem Körper erloschenen Grades Kraft war, ist es auch noch, und zwar eben so stark, in dem zweiten Augenblicke, ferner in dem dritten, und so weiter in allen folgenden ins Unendliche. Unter diesen Bedingungen ist es nicht einerlei, ob der Körper, der den Druck dieser Feder überwältiget, es in kürzerer, oder längerer [[A 166>> Zeit tue; denn in der längern hat er mehr Drückungen ausgehalten, als in der kürzeren. Nun ist aber der Druck der Schwere von dieser Art. Eine jede Feder derselben wirket alle Augenblicke mit gleicher Tätigkeit, und der Körper, der ihren Druck in dem ersten Augenblicke überwindet, hat es deswegen noch nicht auf alle folgende Augenblicke getan. Er wird zu dem zweiten eben so viel Kraft brauchen, u.s.f. Die Kraft also, die ein Körper aufwendet, der Drückung eines einzigen Teiles der schwermachenden Materie Widerstand zu leisten, ist nicht bloss wie die Intensität der Schwerdrückung, sondern wie das Rectangulum aus dieser in die Zeit.
Noch ein Beweis gegen die lebendige Kräfte
Man kann zum überflüssigen Beweis des Satzes: dass nicht die Anzahl der Federn, sondern die Zeit, das Mass der verübten Wirkung sei, noch dieses hinzusetzen. Ein schräg geworfener Körper, dessen Bewegung parabolisch ist, müsste so wohl eine gewisse Höhe weit schneller durch den Fall zurücklegen, als auch eine viel grössere Geschwindigkeit und Kraft am Ende desselben überkommen, als ihm der senkrechte Fall von gleicher Höhe erteilen könnte. Denn indem er die krumme Linie beschreibt, so durchläuft er bis zum Ende des Falles einen, grössern Raum, als wenn er vertikal gefallen wäre. In jenem grösseren Raum aber muss er notwendig mehr Federn der Schwere erdulden, als er in der kurzen geraden Linie antreffen konnte, denn die schwerdrückende Materie ist nach allen Seiten gleich verhreitet: also müsste er, Leibnizens Satze zufolge, [[A 167>> in jenern mehr Kraft und Geschwindigkeit erlangen, als in diesem, welches ungereimt ist.
GEDANKEN ÜBER DEN STREIT,
ZWISCHEN DER FRAU MARQUISIN VON CHASTELET,
UND DEM HERRN VON MAIRAN,
VON DEN LEBENDIGEN KRÄFTEN
Der Herr von Mairan ist auf den Anschlag gekommen, die Kraft eines Körpers nach den n i c h t ü b e r w u n d e n e n H i n d e r n i s s e n, n i c h t z u g e d r ü c k t e n F e d e r n, n i c h t v e r r ü c k t e n M a t e r i e n zu schätzen, oder, wie sich die Frau von Chastelet ausdrückt, n a c h d e m j e n i g e n, w a s e r n i c h t t u t. Diese Gegnerin hat so etwas Wunderliches in diesem Gedanken zu finden vermeinet, da sie geglaubet hat, sie dürfe, um ihn lächerlich zu machen, ihn nur anführen. Ungeachtet dieser berühmte Mann nun seinem Gedanken eine Einschränkung beigefügt hat, worauf eigentlich alles ankommt, nämlich: d a s s d i e s e F e d e r n d e n n o c h w ü r d e n z u g e d r ü c k t w o r d e n s e i n, w e n n m a n d u r c h e i n e H y p o t h e s e a n n ä h m e, d a s s e r s e i n e K r a f t b e h a l t e n, o d e r i m m e r w i e d e r a n g e n o m m e n h a t t e1, so findet seine Gegnerin dennoch so etwas Unerlaubtes und Unbefugtes in dieser Hypothese, dass sie ihm deswegen einen noch viel härteren Vorwurf machet. Ich werde kürzlich zeigen, wie gewiss und untrüglich der Gedanke dieses vortrefflichen Man[[A 168>>nes sei, und dass, ausser des Herrn Jurins seinem, den wir schon angeführet haben, nicht leicht etwas Entscheidenderes und Gründlicheres in dieser Sache habe ersonnen werden können.
Verteidigung der Schätzungs-Art des Hrn. von Mairan gegen die Frau von Chastelet
Wenn man dasjenige nimmt, was die Kraft eines Körpers eingebüsset hat, indem gewisse Hindernisse durch dieselbe überwunden worden, wenn man, sage ich, diese Einbusse misst: so weiss man auf das gewisseste, wie gross die gesamte Gewalt des überwältigten Widerstandes gewesen ist; denn der Körper hätte diesen Widerstand oder Hindernis nicht überwinden können, ohne einen ihr gleichen Grad Kraft dabei aufzuwenden, und wie gross denn diese in dem Körper zernichtete und verzehrte Kraft ist, so stark ist auch die Hindernis gewesen, die ihm dieselbe genommen hat, und auch die Wirkung, die auf dieselbe Weise verübet worden.
Tab. II Fig. 22
Nehmet nun einen Körper an, der mit fünf Graden Geschwindigkeit von dem Horizonte senkrecht in die Höhe steiget, und drücket den Raum, oder die Höhe die er erreichet, wie gewöhnlich durch den Inhalt des Triangels ABC aus, in welchem die Linie AB die verflossene Zeit, BC aber die Geschwindigkeit, womit er sich zu der Höhe erhebet, ausdrücke. Die gleiche Linien AD, DF, FH, u.s.w. sollen die Elemente der ganzen Zeit AB ausdrücken, folglich die kleinen Triangel, daraus die Fläche des grossen zusammen gesetzt ist, und die alle so gross sind, wie ADE, die Elemente des ganzen Raumes, oder die Anzahl aller Federn, die der Körper binnen der Zeit AB zudrückt. Demnach drücket unser Körper in dem ersten Zeitteilchen BK, darin er anfängt, in [[A 169>> die Höhe zu steigen, die 9 Federn zu, die er in dem Raume KL BC antrifft. Er würde aber, wenn die Zurückhaltung dieser Federn in ihm keine Kraft verzehret hätten1, oder wenn dieser Verlust immer anders woher wäre ersetzet worden, annoch die Feder LEC2 dazu zugedrückt haben, die er itzo nicht zudrucken kann, weil ihm gerade so viel Kraft, als er hiezu haben muss, bei der Zudrückung der andern aufgegangen. Also ist die Feder LEC2 das Mass derjenigen Kraft, die der Widerstand der zugedrückten 9 Federn in unserm Körper verzehret hat. Nachdem er nun dieses verrichtet hat, so fähret er fort, mit dem Überreste seiner Kraft, der ihm nach dem angezeigten Verluste übergeblieben, weiter in die Höhe zu steigen, und drücket in dem zweiten Zeitteilchen KH die 7 Federn, die in dem Raum HI KL angetroffen werden, zu. Hier ist nun aufs neue klar: dass wenn unser Körper diese 7 Federn hätte zudrücken können, und ihm doch seine Kraft ganz verblieben wäre, so würde er in eben derselben Minute noch die Feder Ii L dazu zugedrücket und überwältigt haben; allein, da er dieses nicht getan hat, so folget: dass er, durch die Zudrückung der 7 übrigen Federn, den Grad verloren habe, dessen Ergänzung ihn würde in den Stand gesetzet haben, Ii L noch dazu zu überwältigen; folglich zeiget diese Feder die Grösse des Verlustes an, den der Widerstand der 7 Federn seiner Kraft zugezogen hat. Auf eben diese Weise wird die Feder G gi1 die Einbusse der Kraft, durch die Zurückhaltungen der Schwere in dem dritten Zeitteilchen FH, zu erkennen geben, und so weiter. So ist denn also [[A 170>> der Verlust, den der frei in die Höhe steigende Körper erleidet, indem er die Hindernis der Schwere überwindet, wie die Summe der nicht zugedrückten Federn Llc2, IiL, Ggi3, Eeg4, AaE, folglich auch die Quantität der Hindernis selber, die er bezwungen hat, und mithin seine Kraft, in dieser Proportion. Und, da die nicht zugedruckten Federn die Verhältnis der Zeiten pder Geschwindigkeiten haben, so ist die Kraft des Körpers auch wie diese. W. Z. E.
Es erhellet ferner hieraus, warum Herr von Mairan befugt sei, durch eine Hypothese anzunehmen, der Körper habe Hindernisse überwunden, und doch seine Kraft ganz behalten, welches anfänglich dem ersten Grundgesetze der Bewegungen zu widersprechen scheinet. Denn die Hindernisse nehmen ihm freilich einen ihnen gleichen Teil der Kraft; allein es stehet dennoch frei, diesen Abgang immer in Gedanken anderswoher zu ersetzen, und den Körper dennoch schadlos zu halten, damit man sehe, wie viel er, bei auf diese Weise unverminderter Kraft, mehr tun würde, als wenn dasjenige wäre verloren geblieben, was die Hindernis verzehret hatte. Dieses wird alsdenn das ganze Mass derjenigen Kraft an die Hand geben, die der Widerstand wirklich dem Körper benimmt, weil es zu erkennen gibt, was vor einen Grad man hinzutun müsse, damit der Körper nichts verloren habe.
Ich kann nicht umhin, hier noch eine Anmerkung über diejenige Art zu machen, womit die Frau Marquisin die Lehrsätze ihres Gegners angreifet. Mich dünkt, sie habe keine bessere Methode erwählen können, ihm den allerempfindlichsten Streich beizu[[A 171>>bringen, als, da sie seinen Schlüssen den Zug von etwas seltsamen und ungereimten zu geben beschäftigt ist. Eine ernsthafte Vorstellung locket den Leser zu der gehörigen Aufmerksamkeit und Untersuchung an, und lässet die Seele zu allen Gründen offen, die von einer, oder der andern Seite in sie eindringen können. Aber die wunderliche Figur, unter der sie die Meinungen ihres Gegners auftreten lässt, bemächtigt sich so gleich der schwachen Seite des Lesers, und vernichtet in ihm die Lust zu einer nĺheren Erwägung. Diejenige Kraft der Seele, die die Beurteilung und das Nachsinnen regieret, ist von einer trägen und ruhigen Natur; sie ist vergnügt, den Punkt ihres Ruhestandes anzutreffen, und bleibt gerne bei demjenigen stille stehen, was sie von einem mühsamen Nachdenken losspricht; darum lässt sie sich leicht von solchen Vorstellungen gewinnen, die die eine von zweien Meinungen auf einmal unter die Wahrscheinlichkeit heruntersetzet1, und die Mühe fernerer Untersuchungen für unnötig erkläret2. Unsere Philosophin hätte also ihr ridendo dicere verum, oder den Einfall, ihrem Gegner im Lachen die Wahrheit zu sagen, mit mehrerer Billigkeit, und vielleicht auch mit besserem Erfolg gebrauchen können, wenn ihr Gegner ernsthafter Gründe unfähig gewesen wäre, und man ihn seine Auslachenswürdigkeit hätte wollen empfinden lassen. Die Anmerkung, die ich hier mache, würde gegen eine jede andere Person ihres Geschlechtes das Ansehen eines ungesitteten Betragens, und einer gewissen Aufführung, die man pedantisch nennet, an sich haben; allein der Vorzug des Verstandes und der Wissenschaft, [[A 172>> an derjenigen Person, von der ich rede, der sie über alle übrige ihres Geschlechtes, und auch über einen grossen Teil des andern, hinweg setzet, beraubet sie zugleich desjenigen, was das eigentliche Vorrecht des schöneren Teiles der Menschen ist, nämlich der Schmeichelei und der Lobsprüche, die dieselbe zum Grunde haben.
Die Wahl des Herrn von Mairans wird noch dadureh vortrefflich: dass die Federn, die in seiner Methode das Mass der aufgewandten Kraft sein, nicht allein gleich sein, sondern auch in gleichen Zeiten würden sein zugedrücket worden; folglich so wohl die Leibnizianer vergnügt werden, die auf eine Gleichheit des Raumes dringen, wenn sie gestehen sollen, dass die Kraft gleich sei, als auch die Kartesianer, die dieses in Ansehung der Zeit erfordern.
III. ZUSÄTZE ZU DEN § 45, 46, 47
Mich deucht, ich habe nichts Gewisseres und Unwidersprechlicheres sagen können, als dass eine Feder einen Körper unmöglich fortstossen kann, wenn sie sich nicht mit eben der Gewalt gegen einen Widerhalt steifet, und eben so stark anstemmet, als sie auf der andern Seite mit ihrer Spannungskraft den Körper stösst; und folglich, weil, in dem Falle des Herrn Bernoulli, kein anderer Widerhalt ist, als der Körper B, sie eben dieselbe Gewalt der Anstrengung gegen ihn anwenden müsse, als sie gegen A anwenden kann; denn die Feder würde den Körper A gar nicht fortstossen, wenn B nicht dieselbe [[A 173>> in der Spannung erhielte, indem er ihrer Ausstreckung widerstrehet; daher empfängt derselbe, weil er kein unbeweglicher Widerhalt ist, alle Kraft gleichfalls, die die Feder in A hineinbringt. Ohngeachtet die ganze Welt auf gleiche Weise denket, so fand doch Herr Johann Bernoulli in dem Gegensatze ich weiss nicht was vor ein helles Licht, worauf er eine unüberwindliche Zuversicht gründete. Er spricht: Non capio, quid pertinacissimus adversarius, si vel scepticus esset, huic evidentissimae demonstrationi opponere queat1, und hald darauf: Certe, in nostra potestate non est, aliquem eo adigere, ut fateatur, diescere, quando videmus2 solem horizontem ascendere.3 Lasset uns diesen Zufall der menschlichen Vernunft, in der Person eines so grossen Mannes, nicht mit Gleichgültigkeit ansehen, sondern daraus lernen, auch in unsere grösseste Überzeugung ein weises Misstrauen zu setzen, und allemal zu vermuten, dass wir auch alsdenn noch nicht ausser der Gefahr sein, uns selber zu hintergehen; damit der Verstand in seinem Gleichgewichte wenigstens sich so lange erhalte, bis er Zeit gewonnen hat, die Umstände, den Beweis, und das Gegenteil in genugsamer Prüfung kennen zu lernen.
In eben dieser Abhandlung, von der wir reden, zeiget der Herr Bernoulli: Wie man einem Körper eben dieselbe Kraft, in kürzerer Zeit, durch den Druck einer gleichen Anzahl Federn erteilen könne. Ich habe darauf, in so weit es unser Geschäfte eigentlich angehet, schon genug geantwortet; allein hier will ich noch eine Beobachtung beifügen, die zwar unser Vorhaben nicht betrifft, allein den[[A 174>>noch ihren besonderen Nutzen haben kann. Er spricht daselbst: die Kugel F werde durch die 4 Federn a, b, c, d allemal gleiche Kraft erhalten, man mag sie in einer Linie, wie Fig. 23, oder in zwei Teilen neben einander, wie Fig. 24, oder in 4 solchen Zerteilungen, wie die 25te Fig. ausweiset, zusammensetzen.
Erinnerung bei der Art, wie Herr Bernoulli in einen Körper die ganze Kraft von viel Federn zu bringen vermeinet
Hiebei merke man folgende Kautele. Der Gedanke desselben ist nur bei solchen Umständen wahr, da die hintereinander hangende Federn a, b, c, d*1 dem Körper noch nicht eine grössere Geschwindigkeit erteilen, als diejenige ist, womit eine dieser Federn abgesondert vor sich allein aufspringen würde; denn so bald dieses ist, so schlägt es fehl, wenn man, nach dem Anschlage des Herrn Bernoulli, durch neben einander verknüpfte Federn* dem Körper eben dieselbe Geschwindigkeit geben will, als sie ihm nach einander in einer Reihe mitteilen können. Es sei nämlich die Geschwindigkeit, die die Reihe Federn in der 23ten Figur dem Körper, bis sie sich völlig ausgestrecket haben, erteilet, wie 10, die Geschwindigkeit aber, womit eine derselben, z. E. a vor sich allein, nämlich ohne dass sie einen Körper fortstösst, aufspringet, wie 8: so ist klar, dass, in der Methode der 25ten Figur, die 4 Federn dem Körper nur 8 Grade Geschwindigkeit werden erteilen können. Denn so bald der Körper diese Grade empfangen hat, so hat er eben so viel Geschwindigkeit, als die Federn, die ihn fortstossen sollen, selber haben, wenn sie frei aufspringen, also werden sie alsdenn nichts mehr in ihn hineinbringen können. Indessen ist doch unstrittig, dass, wenn dieser Kör[[A 175>>per F durch den Anlauf diese 4 Federn in der 25ten Figur wieder zudrücken soll, er eben so wohl 10 ganze Grade Kraft hiezu nötig habe, als in der 23ten oder 24ten. Weil aber eben diese 25te Figur die Abbildung der elastischen Kraft eines jeden Körpers sein kann, so erhellet hieraus, dass es möglich sei, dass ein völlig elastischer Körper gegen einen unbeweglichen Widerhalt mit einer gewissen Geschwindigkeit anlaufen könne, und dass diesem ohngeachtet die Geschwindigkeit, womit er zurück prallet, viel kleiner sein könne, als womit er angestossen hatte. Wenn man aber doch gerne haben will, dass diese 4 Federn dem Körper, den sie stossen, ihre ganze Kraft mitteilen sollen, so muss man zu der Masse F noch 2/10, hinzutun, denn alsdenn werden die 4 Federn an der Menge der Materie dasjenige ersetzen, was sie mit der Geschwindigkeit nicht einbringen können.
Ausführliche Darlegung der Fehler in dem Wolffischen Beweise
Ich habe mich nicht deutlich genug erkläret, da ich pag. 147 den ungemeinen Fehler in dem Argumente des Herrn Baron Wolffens habe anzeigen wollen. Es scheinet beim ersten Anblicke, als wenn der Schluss darin noch mathematisch genug heraus komme, nämlich der Regel gemäss: aequales rationes sibi substitui invicem possunt1; allein er hat in der Tat mit derselben gar keine Gemeinschaft. Der vorhergehende Fall war dieser: Tem[[A 176>>pora, quibus duo mobilia, s i s u n t a e q u a l i a, eosdem effectus patrant, sunt reciproce ut celeritates.2 Darauf folgt in der zweiten Nummer des Beweises: Massae c o r p o r u m i n a e q u a l i u m, quae eosdem effectus patrant, sunt reciproce ut celeritates.1 Hieraus folgert Herr Wolff nun (denn so lautet sein Argument, wenn man es gehörig auflöset): weil die Verhältnis der Zeiten urid der Massen in beiden Fällen der Verhältnis der Geschwindigkeiten gleich sein: so werden sie unter einander gleich sein. Dieses kann gebilliget werden, aber dass man nur die Bestimmungen nicht aus der Acht lasse, unter welcher2 sie einander gleich sind, nämlich: dass die Massen ungleicher Körper, die einerlei Wirkung tun, sich eben so verhalten, als die Zeiten, worin NB g l e i c h e K ö r p e r eben dieselbe Wirkung verüben, denn das ist die Einschränkung, die, wie man sehen kann, den Verhältnissen anhänget. Allein der Schluss des Herrn Wolffen ist dieser: also verhalten sich die Massen dieser Körper, wie die Zeiten, darin e b e n d i e s e u n g l e i c h e K ö r p e r ihre gleiche Wirkung verüben; welches eine augenscheinliche Verfälschung der gegebenen Proportion ist.
Wenn unser Autor nur auf den Gedanken gekommen wäre, die zwei Sätze, die er aus einander herleiten will, mit einander zu vergleichen: so hätte er sonnenklar sehen müssen, dass sie von einander nicht allein nicht herfliessen, sondern so gar sich gerade widersprechen. Nämlich der erste Satz ist dieser: Actiones, quibus corpora aequalia eosdem effectus patrant, sunt ut celeritates.3 Hieraus will [[A 177>> er den andern Satz, der das Resultat der zweiten Nummer im Beweise ist, herfolgern, nämlich: Actiones, quibus corpora inaequalia eosdem effectus patrant, sunt etiam ut ipsorum celeritates; celeritates autem eorum sunt reciproce ut massae.4
Wenn wir nun, nach Massgebung des ersten Satzes, zwei gleiche Körper nehmen A und B, so, dass B zweimal mehr Geschwindigkeit habe als A: so ist, nach dieser Regel, die Aktion, womit B eben denselben Effekt tut als A, zweimal grösser als die Aktion des Körpers A; weil jener nämlich, wegen seiner grösseren Geschwindigkeit, diesen Effekt in zweimal kleinerer Zeit verrichtet. Allein nach der zweiten Regel würde ich B zweimal kleiner machen können, und die besagte Aktion würde doch eben so gross sein wie vorher, wenn gleich die Geschwindigkeit so wie vorher verbliebe. Nun ist es aber augenscheinlich: dass, wenn B zweimal kleiner wird, als es vorher gewesen, und seine Geschwindigkeit dieselbe verbleibt, es unmöglich den gegebenen Effekt in eben der Zeit tun kann, als da seine Masse zweimal grösser war, sondern es wird mehr Zeit dazu brauchen; mithin, weil die Aktion desto kleiner wird, je grösser die Zeit ist, die zu eben demselben Effekt angewandt worden, so wird die Aktion notwendig alsdenn kleiner sein müssen, als wenn die Masse von B bei eben derselben Geschwindigkeit zweimal grösser ist, welches also dem Resultat der zweiten Nummer widerspricht.
Alle diese Widersprüche aber sind in dem vorhabenden Wolffischen Beweise anzutreffen, wenn man ihm gleich den Satz schenket, den er zum [[A 178>> Grunde leget: nämlich, dass die Actiones ungleich sein können, deren Effectus doch gleich sein. Dieser Satz, den nie ein Sterblicher sich hat einfallen lassen zu behaupten, ist ein Widerspruch in der besten Form, so genau als man sie nur immer ersinnen kann. Denn das Wort der Aktion ist ein relatives Wort, welches die Wirkung oder Effekt in einem Dinge andeutet, in so weit ein anderes Ding den Grund davon in sich enthĺlt. Es ist also der Effekt und die Aktion eben dasselbe, und die Bedeutung unterscheidet sich nur darin, dass ich es bald zu demjenigen Dinge referiere, welches der Grund davon ist, bald ausser demselben betrachte. Es würde also eben so viel gesagt sein, als: eine Aktion könne sich selber ungleich sein. Zudem hat es nur deswegen den Namen der Aktion, weil von ihr ein Effekt abhänget, und wenn in dieser Aktion ein Teil sein könnte, von dem nicht ein ihm gleicher Effekt abhinge, so würde derselbe Teil den Namen der Aktion auch nicht haben können. Wenn auch schon die Zeiten ungleich sein, darin eben dieselbe Effectus hervorgebracht worden, so bleiben die daran gewandte Actiones dennoch gleich, und es folget nur daraus: dass, bei gleichen Zeiten, die Effekte, und auch die ihnen korrespondierende Actiones, ungleich sein werden.
Kurz hievon zu reden: Es leuchtet so gleich in die Augen, dass ganz besondere Ursachen müssen gewesen sein, welche so ausnehmende Fehler in dieser Abhandlung veranlasset haben, die mit der bekannten und hochgepriesenen Scharfsinnigkeit des Verfassers, die aus allem demjenigen hervorleuch[[A 179>>tet, was sein Eigentum ist, gar nicht zusammen stimmen. Es ist nicht schwer zu ermessen: dass das rühmliche Verlangen, die Ehre des Herrn von Leibniz, welche man damals vor die Ehre von ganz Deutschland hielte, zu retten, diese Bemühung hervorgebracht, und die Beweise in einer viel vorteilhafteren Gestalt dargestellet haben1, als sie ausser diesem Lichte ihrem Urheber würden erschienen sein. Die Sache selber war von so verzweifelter Art, dass sie nicht konnte ohne Irrtümer verteidigt werden; aber ihr Unterfangen war doch so anlockend, dass sie der Kaltsinnigkeit der Untersuchung nicht Platz liesse. Eben dieses will ich von den Vergehungen der hochberühmten Männer, des Herrn Hermanns, Bernoulli etc. gesagt haben, die ich entweder schon gezeigt habe, oder noch zeigen werde, und dergleichen man ausser diesem Vorwurfe bei ihnen fast gar nicht antrifft. Die Ehre des Mannes also, von dem wir reden, bleibt gesichert. Ich habe Freiheit, mit seiner Schutzschrift so umzugehen, als mit einer Sache, die sein Eigentum nicht ist. Er kann mir unterdessen dasjenige zurufen, was ein älterer Philosoph, obzwar bei einer Gelegenheit, die ihn etwas näher anging, ausrief: D u t r i f f s t n u r d a s G e h ä u s e d e s A n a x a r c h u s.
[[A 180>> DRITTES HAUPTSTÜCK,
WELCHES EINE
NEUE SCHÄTZUNG DER LEBENDIGEN KRÄFTE,
ALS DAS WAHRE KRÄFTENMASS DER NATUR
DARLEGRT
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Woher dasjenige Gesetze, welches in der Mathematik falsch befunden worden, in der Natur statt haben könne
Wir haben demnach ausführlich dargetan, dass die Schätzung der Kräfte nach dem Quadrat in der Mathematik falsch befunden werde, und dass diese kein anderes Kräften- Mass erlaube, als nur das alte, oder Kartesianische. Indessen haben wir doch an unterschiedlichen Stellen des vorigen Hauptstückes dem Leser Hoffnung gemacht, die Quadrat- Schätzung dem ohngeachtet doch in die Natur einzuführen, und jetzo ist es Zeit, unser Versprechen zu erfüllen. Dieses Unterfangen wird die meisten von meinen Lesern stutzig machen; denn es scheinet, als wenn daraus folge, dass die Mathematik nicht unbetrüglich sei, und dass es angehe, von ihrem Ausspruche noch zu appellieren. Allein die Sache befindet sich wirklich nicht so. Wenn die Mathematik ihr Gesetze über alle Körper insgemein ausspräche: so würden auch die natürlichen darunter begriffen sein, und es würde vergeblich sein, eine Ausnahme zu hoffen. Allein sie setzet den Begriff von ihrem Körper selber fest, vermittelst der Axiomatum, von denen sie fordert, dass man sie bei ihrem Körper voraussetzen müsse, welche aber so beschaffen [[A 181>> sein, dass sie an demselben gewisse Eigenschaften nicht erlauben und ausschliessen, die an dem Körper der Natur doch notwendig anzutreffen sein: Folglich ist der Körper der Mathematik ein Ding, welches von dem Körper der Natur ganz unterschieden ist, und es kann daher etwas bei jenem wahr sein, was doch auf diesen nicht zu ziehen ist.
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Unterscheid zwischen dem mathematischen und natürlichen Körper, und derer beiderseits betreffenden Gesetze
Wir wollen jetzt sehen, was denn dieses vor eine Eigenschaft sei, die in dem Körper der Natur anzutreffen ist, und die die Mathematik an dem ihrigen nicht erlaubet, und welches hernach verursachet, dass jener ein Ding von ganz anderem Geschlechte ist, als dieser. Die Mathematik erlaubet nicht, dass ihr Körper eine Kraft habe, die nicht von demjenigen, der die äusserliche Ursache seiner Bewegung ist, gänzlich hervorgebracht worden. Also lässt sie keine andere Kraft in dem Körper zu, als in so weit sie von draussen in ihm verursacht worden, und man wird sie daher in den Ursachen, seiner Bewegung allemal genau, und in eben demselben Masse, wieder antreffen. Dieses ist ein Grundgesetze der Mechanik, dessen Voraussetzung aber auch keine andere Schätzung, als die Kartesianische statt finden lässet. Mit dem Körper der Natur aber hat es, wie wir es bald erweisen werden, eine ganz andere Beschaffenheit. Derselbe hat ein Vermögen in sich, die Kraft, welche von draussen durch die Ursache seiner Bewegung in ihm erwecket worden, von selber in sich zu vergrössern, so, dass in ihr Grade Kraft sein können, die von der äusserlichen Ursache [[A 182>> der Bewegung nicht entsprungen sein, und auch grösser sein wie dieselbe, die folglich mit demselben Masse nicht können gemessen werden, womit die Kartesianische Kraft gemessen wird,und auch eine andere Schätzung haben. Wir wollen diese Eigenschaft des natürlichen Körpers mit aller Genauheit und Gründlichkeit, die eine so wichtige Sache erfordert, abhandeln.
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Die Geschwindigkeit ist kein Begriff von einer Kraft
Die Geschwindigkeit schliesset, wie wir § 3 gesehen haben, an und vor sich keinen Begriff einer Kraft in sich. Denn sie ist eine Bestimmung der Bewegung, das ist, desjenigen Zustandes des Körpers, da er die Kraft, die er hat, nicht anwendet, sondern mit derselben untätig ist. Sie ist aber eigentlich die Zahl von derjenigen Kraft, die der Körper hat, wenn er ruhet, d. i. die er mit unendlich kleiner Geschwindigkeit hat; das ist, sie ist die Zahl, darin diejenige Kraft, die dem Körper bei unendlich kleiner Geschwindigkeit beiwohnet, die Einheit ist. Dieses erhellet am klärsten aus der Art der Zergliederung, nach Anweisung des vortrefflichen Jurinischen Falles, § 110; wenn wir nämlich auf die ähnliche Art, wie er die Geschwindigkeit, aus zwei gleichen Teilen bestehend, betrachtet, sie in ihren unendlich kleinen Teilen erwägen.
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Es würde keine Kraft [[A 183>> sein, wenn keine Bestrebung wäre, den Zustand in sich zu erhalten
Um genau zu wissen, was den Begriff der Kraft eigentlich bestimme, müssen wir auf nach[[A 183>>folgende Weise verfahren. Die Kraft wird mit Recht durch die Hindernis geschätzet, welche sie bricht, und in dem Körper aufhebet. Hieraus erhellet: dass ein Körper gar keine Kraft haben würde, wenn in ihm nicht eine Bestrebung wäre, den Zustand, den die Hindernis aufheben soll, in sich zu erhalten; denn wenn dieses nicht wäre, so würde dasjenige, was die Hindernis zu brechen hätte, wie 0 sein.
Was die Intension sei
Die Bewegung ist das äusserliche Phaenomenon der Kraft, die Bestrebung aber, diese Bewegung zu erhalten, ist die Basis der Aktivität, und die Geschwindigkeit zeigt an, wie vielmal man dieselbe nehmen müsse, damit man die ganze Kraft habe. Jene wollen wir hinfüro die Intension nennen; also ist die Kraft dem Produkt aus der Geschwindigkeit in die Intension gleich.
Erläuterung dieses Begriffes
* Fig. XXIII
Damit man ein Beispiel habe, daran man diese Begriffe desto deutlicher vermerken könne, so nehme man die vierfache Feder a, b, c, d* an. Wenn wir nun setzen, dass die Geschwindigkeit, womit eine jede derselben allein sich anfängt auszurecken, wie 1 ist: so ist die Anfangsgeschwindigkeit, womit die ganze Feder a d, die aus 4 dergleichen zusammengesetzet ist, wenn sie sich frei ausstreckte, wie 4, und es scheinet, als wenn daraus folge, dass die Anfangsgeschwindigkeit, die die vierfache Feder einem Körper eindrückt, viermal grösser sein werde, als diejenige, die die einfache würket. Allein die Intension ist in der vierfachen Feder 4mal kleiner als in der einfachen; denn eben dieselbe Kraft, die eine von diesen vier verbundenen Federn gegn ei[[A 184>>nen unbeweglichen Widerhalt in gewisser Masse zudrücken würde, drücket die vierfache viermal mehr zu, weil der Widerhalt der einzelnen Feder, wenn sie auf diese Weise mit 3 anderen verbunden worden, ein beweglicher Widerhalt ist, und folglich der Steifigkeit, oder, welches hier einerlei ist, der Intension, der vierfachen Feder dasjenige abgehet, was ihre Geschwindigkeit überträgt. Daher geschieht es denn: dass die Anfangsgeschwindigkeit, die die vierfache Feder einem Körper erteilet, nicht grösser ist, als diejenige, die er von einer einfachen haben kann, obgleich jener ihre Anfangsgeschwindigkeit, wenn sie sich frei ausdehnet, diese viermal übertrifft. Und dieses kann dienen, den Begriff der Intension verständlich zu machen, und zu zeigen, woher sie bei Schätzung der Kraft notwendig in Anschlag kommen müsse.
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Wenn die Intension wie ein Punkt ist, so ist die Kraft wie eine Linie, nämlich wie die Geschwindigkeit
Wenn die Kraft eines Körpers von der Art ist, dass sie den Zustand der Bewegung nur auf einen Augenblick zu erhalten bestrebt ist, die Geschwindigkeit mag sein, wie sie wolle: so ist diese Bestrebung, oder Intension, bei allen Geschwindigkeiten gleich; folglich ist die ganze Kraft eines solchen Körpers nur in Proportion seiner Geschwindigkeit; denn der eine von denen Faktoren ist immer gleich, folglich verhält sich das Produkt, welches die Quantität der Kraft andeutet, wie der zweite Faktor.
[[A 185>> § 119
Bei einer solchen Bewegung würde eine unaufhörliche Ersetzung der in dem Körper alle Augenblicke verschwindenden Kraft von draussen nötig sein, und die Kraft würde immerfort nur eine Wirkung eines beständigen äusserlichen Antriebes sein, wenn der Körper auf diese Weise eine immerwährende Bewegung leisten sollte.
Wenn die Intension endlich, d. i. wie eine Linie ist, so ist die Kraft wie das Quadrat
Allein hieraus erhellet auch klärlich: dass, wenn im Gegenteil die Kraft des Körpers von der Art wäre, dass sie eine hinlängliche Bestrebung in sich enthielte, die Bewegung mit der gegebenen Geschwindigkeit einförmig und unaufhörlich von selber ohne eine äusserliche Machthülfe zu erhalten, diese Kraft von ganz anderer Art, und auch unendlich viel vollkommener sein müsste.
Denn da jener ihre Intension bei allen Geschwindigkeiten gleich, nämlich unendlich klein ist, und nur durch die Menge der Grade Geschwindigkeit vervielfältiget ist: so muss dieselbe im Gegenteil in dieser allemal in Proportion der Geschwindigkeit sein, und auch mit dieser multiplizieret werden, wovon das Resultat das wahre Mass der Kraft ist. Denn die endliche Geschwindigkeit, deren Intension unendlich klein ist, gibt eine Kraft an die Hand, wovon diejenige, die eben diese Intension bei unendlich kleiner Geschwindigkeit ausmachet, die Einheit ist. Wenn also ein Körper diese Geschwindigkeit und Kraft in sich selber hinlänglich gründen soll, damit er die vollständige Bestrebung habe, sie immerwährend in sich zu erhal[[A 186>>ten: so wird seine Intension dieser Kraft oder Geschwindigkeit proportioniert sein müssen. Und hieraus entspringet alsdenn eine ganz neue Gewalt, die das Produkt ist aus der der Geschwindigkeit proportionierten Kraft in die Intension, die nun auch wie die Geschwindigkeit ist; welches Produkt also dem Quadrate der Geschwindigkeit gleich ist. Es ist nämlich leicht zu begreifen: dass, da die Kraft, die der Körper mit unendlich kleiner Intension, und bei endlicher Geschwindigkeit hatte, wie eine Linie war, die diese Geschwindigkeit vorstellet, und die Intension wie ein Punkt, nunmehro aber die Intension ebenfalls wie eine Linie ist, die hieraus entspringende Kraft wie eine Fläche sei, die aus dem Flusse der ersteren Linie erzeuget worden, und zwar wie das Quadrat, weil benannte Linien einander proportional sein.
Man merke, dass ich hier durchgehends von dem Unterschiede der Massen abstrahiere, oder sie gleich gedenke. Zweitens, dass ich den Raum bei denen Bewegungen, davon ich rede, als leer ansehe.
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Der Körper, der seine Bewegung frei und immerwährend zu erhalten die innerliche Bestrebung in sich hat, hat eine Kraft, [[A 187>> die wie das Quadrat der Geschwindigkeit ist
Es hat demnach derjenige Körper, der seine Bewegung in sich selber hinlänglich gründet, so, dass aus seiner inneren Bestrebung hinlänglich verstanden werden kann, dass er die Bewegung, die er hat, frei, immerwährend und unvermindert ins Unendliche selber in sich erhalten werde, eine Kraft, die das Quadrat seiner Geschwindigkeit zum Masse hat, oder, wie wir sie hinfüro nen[[A 187>>nen wollen, eine lebendige Kraft. Im Gegenteil, wenn seine Kraft den Grund nicht in sich hat, sich selber zu erhalten, sondern nur auf der Gegenwart der äusserlichen Ursache beruhet, so ist sie wie die blosse Geschwindigkeit, das ist, es ist eine tote Kraft.
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Der Körper erhebet aus seinem inneren Antriebe den Eindruck von draussen unendlich höher und in ein ganz anderes Geschlechte
Nun wollen wir aber die Kraft eines Körpers erwägen, wie sie beschaffen ist, wenn sie durch die Wirkung einer äusserlichen Ursache in ihm zuerst entstehet. Sie ist alsdenn ohnfehlbar auf der Gegenwart dieser äusserlichen Ursache gegründet, und würde in demselben Augenblicke in dem Körper nicht vorhanden sein, wenn jene den Antrieb nicht erweckte. Also ist in1 demselben Augenblicke, darin sie auf der Gegenwart der äusserlichen Ursache beruhet, von der Art, dass sie augenblicklich verschwinden müsste, wenn jene nicht gegenwärtig wäre; denn, ob der Körper diese in ihm erweckte Kraft nach diesem Augenblicke hernach in sich selber gründen könne, und was alsdenn hieraus fliessen würde, davon reden wir voritzo nicht. In demselben Augenhlicke ist die Intension der Kraft also unendlich klein, und folglich die Kraft selber, die sich nur auf den äusserlichen Antrieb gründet, wie die blosse Geschwindigkeit, d. i. tot. Wenn hernach aber ehen derselbe Körper diese ihm erteilte Geschwindigkeit also in seiner inneren Kraft gründet, dass aus seiner Bestrebung eine immerwährend freie Erhaltung der Bewegung herfolget: so ist sie alsdenn keine tote Kraft mehr, sondern eine le[[A 188>>bendige, die das Quadrat zum Masse hat, und gegen jene wie eine Fläche gegen eine Linie zu rechnen ist. Hieraus ist klar: dass ein Körper auf diese Weise, wenn er seine ihm eingedrückte Geschwindigkeit von selber frei fortsetzet, diejenige Kraft, die er von der äusserlichen mechanischen Ursache empfangen hat, von selber in sich unendlich vergrössere, und zu einem ganz anderen Geschlechte erhebe, dass folglich die Anmerkung, die wir § 115 gegehen haben, hier erwiesen sei, und dass die lebendigen Kräfte gänzlich aus der Gerichtsbarkeit der Mathematik ausgeschlossen werden.
Der Körper kann keine lebendige Kraft von draussen erlangen
Ferner ersiehet man hieraus, dass dielebendige Kraft nicht könne durch eine äusserliche Ursache, sie sei auch so gross wie sie wolle, in einem Körper hervor gebracht werden; denn, in so fern eine Kraft von einer Ursache von draussen abhänget, so ist sie allemal nur wie die schlechte Geschwindigkeit, wie wir erwiesen haben: sondern sie muss aus der innern Quelle der Naturkraft des Körpers die zum Quadratmasse gehörige Bestimmungen überkommen.
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Es sind unendlich viel Zwischengrade zwischen der toten u. lebendigen Kraft
Wir haben erwiesen: dass, wenn ein Körper die Ursache seiner Bewegung in sich selber h i n l ä n g l i c h und v o l l s t ä n d i g gegründet hat, so, dass aus der Beschaffenheit seiner Kraft verstanden werden kann, dass sie sich in ihm unverändert und frei auf immer erhalten werde, er eine lebendige Kraft habe, wenn er aber seine Kraft in sich g a r n i c h t gründet, sondern damit [[A 189>> von draussen abhängt, nur eine tote Kraft habe, die unendlich kleiner ist als jene. Dieses gibt so gleich die Folge an die Hand: dass, wenn eben derselbe Körper seine Kraft zwar etwas, aber noch nicht vollständig in sich gegründet hat, seine Kraft der lebendigen etwas näher komme, und von1 der toten etwas unterscheide, und dass notwendig zwischen diesen beiden äussersten Grenzen, der gänzlich toten und gänzlich lebendigen Kraft, noch unendlich viel Zwischen-Grade sein, die von jener zu dieser überführen.
Die lebendige Kraft entspringet nur in einer endlichen Zeit nach dem Anfange der Bewegung
Ferner fliesset hieraus kraft des Gesetzes der Kontinuität, dass eben derselbe Körper, der im Anfangsaugenblicke eine tote Kraft hat, und hernach eine lebendige überkommt, die gegen die erstere wie eine Fläche gegen die erzeugende Linie ist, diese Kraft erst in einer endlichen Zeit erlange. Denn, wenn man setzen wollte, er überkomme diese letztere Kraft nicht in einer endlichen Zeit von dem Anfangs-Augenblicke, sondern unmittelbar in dem unendlich kleinen Zeitteilchen nach demselben: so würde dieses so viel sagen, dass er in dem Anfangsaugenblicke selber diese lebendige Kraft schon habe. Denn das Gesetz der Kontinuität, und selbst die Mathematik, beweiset, dass es einerlei sei, ob ich sage, der Körper befinde sich im Anfangs-Augenblicke seiner Bewegung, oder in dem unendlich kleinen Zeitteilchen nach demselben. Nun ist aber die Kraft in dem Anfangs-Punkte der Bewegung selber tot: also kann man, ohne einen Widerspruch zu begehen, nicht sagen, dass sie hernach lebendig sei, als wenn man zugleich festsetzet, dass diese le[[A 190>>bendige Kraft in ihr allererst nach einer endlichen Zeit, nach der Wirkung der äusserlichen Ursache, in ihr angetroffen werde.
Erläuterung desselben
Die Naturkraft des Körpers setzet nämlich den von draussen empfangenen Eindruck in sich selber fort, und indem sie, durch eine fortgesetzte Bestrebung, die Intension, die vorher wie ein Punkt war, in sich häufet, bis sie wie eine Linie wird, die der von draussen in sie erregten Kraft, die sich wie die Geschwindigkeit verhielte, proportional ist, so häufet sie hiedurch die von draussen erlangte Kraft selber, welche vorher auch nur wie eine Linie war, dass sie jetzo wie eine Fläche ist, in der die eine Seite die äusserlich erteilte Geschwindigkeit und Kraft vorstellet, die andere aber die aus dem Inneren des Körpers von selber erwachsene Intension vorbildet, die jener proportional ist.
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Was die Vivifikation ist
Denjenigen Zustand, da die Kraft des Körpers zwar noch nicht lebendig ist, aber doch dazu fortschreitet, nenne ich die L e b e n d i g w e r d u n g, oder V i v i f i k a t i o n derselben.
Wie die Intension während der Lebendigwerdung der Kraft beschaffen sei
In der Zwischenzeit also, darin die Kraft sich zur lebendigen erhebet, welche zwischen den beiden Punkten, dem Anfangs-Punkte, und demjenigen, da die Kraft schon völlig lebendig ist, begriffen wird, hat der Körper noch nicht seine Kraft und Geschwindigkeit in sich selber hinlänglich gegründet. Hie wird es vielleicht meinem Leser einfallen zu fragen, wie denn der Körper in dieser Zwischenzeit im Stande sei, seine ihm erteilte Geschwindigkeit frei und einförmig zu erhalten und [[A 191>> fortzusetzen, da er doch alsdenn seine Kraft und Bewegung in sich selber noch nicht hinlänglich gegründet hat, und folglich sie auch nicht selber erhalten kann. Hierauf antworte ich: die Kraft ist in dieser Zwischenzeit zwar freilich nicht so beschaffen, dass sich aus ihr eine immerwährend freie und unverminderte Bewegung verstehen liesse, wenn sie nicht durch die innere Bestrehung noch weiter erhoben würde. Allein oh die Bestrebung der Kraft, sich zu erhalten, in dieser Art unvollständig ist, davon ist hie nicht die Rede. Es frägt sich nur: ob die Intension der Kraft, die noch nicht so weit erwachsen ist, dass sie die Bewegung unvermindert und unaufhörlich erhalten könne, doch wenigstens sie diejenige Zeit hindurch erhalten könne, die bis zur vollendeten Vivifikation nötig ist. Dass dieses aber nicht allein möglich sei, sondern sich auch in der Tat so verhalte, erhellet hieraus, weil, in dieser ganzen Zwischenzeit, jeden Augenblick ein neues Element der Intension in dem Körper entspringet, welches die gegebene Geschwindigkeit ein unendlich kleines Zeitteilchen erhält, folglich alle die Elemente dieser Intension, die die ganze Zwischenzeit hindurch in dem Körper entspringen, in allen Augenblicken derselben, das ist in der ganzen Zeit, dieselbe Geschwindigkeit erhalten, wie dieses aus der Zusammenhaltung mit dem 18ten § klar einleuchtet.
Wenn die Vivifikation aufhören sollte, ehe sie vollständig geworden, was würde [[A 192>> alsdenn mit der Bewegung geschehen?
Wenn wir aber annehmen: dass in der Zwischenzeit der Vivifikation, ehe diese noch vollständig geworden, der Körper auf einmal ablasse, die Elemente der Intension ferner zu häufen, und die Kraft völlig lebendig zu machen, was wird alsdenn [[A 192>> wohl geschehen? Es ist offenbar: dass alsdenn der Körper nur diejenige Grade der Geschwindigkeit in sich gründen, und in freier Bewegung fortan beständig erhalten werde, welcher diejenige Intension, die er in dieser Zeit der Vivifikation schon gewonnen hat, proportional ist, die übrigen Grade Geschwindigkeit aber, die eine grössere Intension, als wirklich vorhanden ist, erfordern, um zu der völligen Vivifikation zu gelangen, plötzlich verschwinden, und aufhören müssen. Denn die vorhandene Intension ist nur im Stande, einen Teil dieser Geschwindigkeit in sich zu gründen, und es entspringen auch nicht weiter in jedcm Augenblicke neue Elemente der Intension, die alle Augenblicke die gegebene Geschwindigkeit erhalten, also muss der übrige Teil von selber verschwinden.
Und wie wäre es alsdenn mit der Kraft beschaffen ?
Wenn also ein frei bewegter Körper einen Widerstand trifft, an dem er seine Kraft anwendet, bevor er zur völligen Vivifikation mit seiner ganzen Geschwindigkeit gelanget ist: so ist diejenige Kraft, die er ausübet, wie das Quadrat desjenigen Grades Geschwindigkeit, dem seine erlangte Intension proportional und gemäss ist, und welche also in der gegebenen Zeit hat lebendig werden können, odei auch dem Quadrate1 dieser seiner erlangten Intension; mit den übrigen Graden ist der Körper untätig, oder wirket doch nur nach dem Masse der schlechten Geschwindigkeit, welches aber gegen die andere Kraft wie nichts zu achten ist.
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Neue Schätzung der Kr.
E s h a t d e m n a c h e i n K ö r p e r, d e r s e i n e G e s c h w i n d i g k e i t i n f r e i e r B e w e g u n g i n s [[A 193>> U n e n d l i c h e u n v e r m i n d e r t e r h ä l t, e i n e l e b e n d i g e K r a f t, d. i. e i n e s o l c h e, d i e d a s Q u a d r a t d e r G e s c h w i n d i g k e i t z u m M a s s e h a t.
Bedingungen derselben
Allein dieses sind auch die Bedingungen,die diesem Gesetze anhängen.
- Muss der Körper den Grund in sich enthalten, in einem nicht widerstehenden Raume seine Bewegung gleichförmig, frei und immerwährend zu erhalten.
- Siehet man aus dem vorher Erwiesenen: dass er diese Kraft nicht von der äusserlichen Ursache herhabe, die ihn in Bewegung gesetzet, sondern, dass sie nach der äusserlichen Anreizung aus der inneren Naturkraft des Körpers selber entspringe.
- Dass diese Kraft in ihm in einer endlichen Zeit erzeuget werde.
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Dieses Gesetze ist der Hauptgrund der neuen Kräftenschätzung, von welcher ich sagen würde: dass ich sie an die Stelle der Schätzungen des Cartes und Leibnizens setze, und zum Fundament der wahren Dynamik mache, wenn die Geringschätzigkeit meiner Urteile, in Vergleichung mit so grossen Männern, mit denen ich zu tun habe, mir erlaubte, mit solcher Auktorität zu reden. Indessen bin ich nicht ungeneigt, mich zu überreden: dass dieses Gesetze vielleicht dasjenige Ziel bestimmen könne, dessen Verfehlung den Zwiespalt und die Uneinigkeit unter den Philosophen aller Nationen erregt hat. Die lebendigen Kräfte werden in die Natur aufgenommen, nachdem sie aus der Ma[[A 194>>thematik verwiesen worden. Man wird keinen von beiden grossen Weltweisen, weder Leibnizen noch Cartesen, durchaus des Irrtums schuldig geben können. Auch so gar in der Natur wird Leibnizens Gesetze nichtanders statt finden, als nachdem es durch Cartesens Schätzung gemässigt worden. Es heisst gewissermassen die Ehre der menschlichen Vernunft verteidigen, wenn man sie in den verschiedenen Personen scharfsinniger Männer mit sich selber vereiniget und die Wahrheit, welche dieser ihre Gründlichkeit niemals gänzlich verfehlet, auch alsdenn herausfindet, wenn sie sich gerade widersprechen.
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Weil es freie Bewegungen gibt, so gibt es auch lebendige Kräfte
Es kommt nur darauf an, dass es in der Welt freie Bewegungen gebe: die sich immerwährend und unvermindert erhalten würden, wenn kein äusserlicher Widerstand wäre: so ist die Sache ausgemacht, und es gibt gewiss in der Natur lebendige Kräfte. Die freie und immerwährende Bewegung der Planeten, wie auch die unzählbare andere Erfahrungen, welche es ausweisen, dass die freibewegte Körper nur nach Massgebung des Widerstandes ihre Bewegung verlieren, und ohne dieselbe sie immer erhalten würden, leisten diese Gewährung, und behaupten das Dasein der lebendigen Kräfte in der Natur.
Die Mathematik erlaubt keine freie Bewegungen
Indessen ist hieraus auch klar: dass die Mathematik, nach der Schärfe zu urteilen, an ihrem Körper keine freie Bewegung erlaube. Denn sie erlaubet dasjenige nicht, welches notwendig ist, die Bewegung frei und immerwährend zu machen, [[A 195>> nämlich, dass der Körper aus seinem Innern eine Bestrebung und Kraft in sich erzeuge, die weder von der äusserlichen Ursache entstanden ist, noch von ihr herkommen kann. Denn sie erkennet keine andere Kraft in einem Körper, als diejenige, die von demjenigen Körper hervorgebracht worden, der die Ursache seiner Bewegung ist.
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Leichtere Methode, diese Betrachtungen zu nutzen
Obgleich die bisherige Betrachtungen und Beweise von der Art sein, dass sie, so viel als nur die Natur der Sache zulässt, den mathematischen Begriffen und ihrer Klarheit gleich kommen: so will ich doch denen zu Gefallen, denen alles verdächtig ist, was nur den Schein einer Metaphysik an sich hat, und die durchaus eine Erfahrung fordern, sie zum Grunde der Folgerungen zu legen, eine Methode anzeigen, nach welcher sie diese Betrachtungen mit ihrer besseren Befriedigung gebrauchen können. Ich werde nämlich gegen das Ende dieses Hauptstückes aus einer Erfahrung in mathematischer Schärfe dartun: dass in der Natur wirklich Kräfte, die das Quadrat der Geschwindigkeit haben, zu finden sein.
Hierauf können diese Herren aus dem Resultat aller Beweise des zweiten Hauptstückes sich überführen: dass eine dergleichen Kraft nicht könne eine Wirkung der äusserlichen mechanischen Ursache sein, weil, wenn man die Kraft nur als eine Wirkung derjenigen Ursache zulässt, die die Bewegung zuwege gebracht hat, keine andere Schätzung statt haben könnte, als die nach der blossen Geschwindigkeit. [[A 196>> Dieses wird sie hernach auf die Art und Weise leiten, wie diese Kraft aus der inneren Naturkraft des Körpers entspringen könne, und sie allmählich in diejenige Betrachtungen hineinführen, die ich über das Wesen der lebendigen Kräfte angestellet habe.
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Herr Bernoulli hat schon diese Begriffe gehabt
Ich habe gesagt, dass die freie, und aus dem Innern des Körpers fortgesetzte, Dauer der Kraft das wahrhafte Merkmal sei, woraus man einzig und allein abnehmen könne, dass dieselbe lebendig sei, und das Quadrat zum Masse habe. Ich bin ungemein erfreut, diesen Gedanken auf das genaueste in derjenigen Abhandlung des Herrn Johann Bernoulli anzutreffen, welche wir oben angeführet haben. Er hat seine Meinung als ein blosser Geometrer, zwar nicht in der rechten Sprache der Metaphysik, aber dennoch vollkommen deutlich ausgedrücket: Vis viva, spricht er, est aliquid reale et substantiale, quod per se subsistit, et quantum in se est, non dependit1 ab alio; – – – Vis mortua non est aliquid absolutum, et per se durans etc. etc.2
Diese Anführung gereichet meiner Betrachtung zu nicht geringem Vorteil. Der Mathematikkundige siehet sonst die Schlüsse, von denen er glaubt, dass sie aus spitzfündigen metaphysischen Unterscheidungen herfliessen, mit einem gewissen Misstrauen an, welches ihn nötiget, seinen Beifall aufzuschieben, und ich müsste besorgen, dass er es auch in Ansehung der meinigen tun möchte; allein [[A 197>> hier liegt die Sache so am Tage, dass sie sich dem strengsten Geometrer in seinee mathematischen Erwägung von selber darstellet.
Aber er hat sie nicht in den tüchtigen Gründen aufgesucht
Ich erstaune, dass, da Herr Bernoulli in dem Begriffe von der lebendigen Kraft diese Erleuchtung hatte, es ihm möglich gewesen ist, sich in der Art und Weise so sehr zu verirren, dadurch er diese Kraft beweisen wollte. Er hätte leichtlich abnehmen können, dass er sie in denen Fällen nicht finden würde, die in Ansehung dieses realis et substantialis, quod per se subsistit, et est absolutum aliquid1, unbestimmt sein, oder in denen diejenige Bestimmungen, welche hierauf führen sollen, nicht anzutreffen sind; denn dasselbe ist ja, wie er es selber einsahe, das Geschlechts-Merkmal der lebendigen Kraft, und dasjenige, was in Ansehung dieses Charakters unbestimmt ist, kann auch nicht auf die lebendige Kraft führen. Indessen meinte er sie in dem Falle der zwischen zwei ungleiche Körper sich ausstreckenden Feder anzutreffen, darin nicht allein nichts zu finden ist, was vielmehr auf die, durch obiges Unterscheidungszeichen bemerkte, lebendige Kraft, als auf die so genannte tote führen sollte, sondern so gar alle Kraft, die in der Einrichtung seines Beweises vorkommt, etwas ist, quod non est aliquid absolutum, sed dependet ab alio2.
Wir werden hiedurch nochmals überführet, wie gefährlich es sei, sich dem blossen Ausgange des Beifalles in einem zusammengesetzten und scheinbaren Beweise zu überlassen, ohne den Leitfaden der Methode, die wir § 88, 89, 90 angepriesen, und mit grossem Nutzen gebraucht haben; d. i. wie [[A 198>> unumgänglich notwendig es sei, die der Sache, welche das Subjekt des Beweises ist, notwendig anhängende Begriffe zum voraus zu erwägen, und hernach zu untersuchen, ob die Bedingungen des Beweises auch die gehörige Bestimmungen in sich schliessen, die auf die Festsetzung dieser Begriffe abzielen.
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Die lebendige Kräfte sind von zufälliger Natur
Wir haben erwiesen: dass das Dasein der lebendigen Kräfte in der Natur sich auf der Voraussetzung allein gründe, dass es darin freie Bewegungen gibt. Nun kann man aber aus den wesentlichen und geometrischen Eigenschaften eines Körpers kein Argument ausfindig machen, welches ein solches Vermögen zu erkennen geben sollte, als zu Leistung einer freien und unveränderten Bewegung erfordert wird, nach demjenigen, was wir in Ansehung dessen in dem vorhergehenden ausgemacht haben. Also folget: dass die lebendigen Kräfte nicht als eine notwendige Eigenschaft erkannt werden, sondern etwas Hypothetisches und Zufälliges sind.
Dieses haben auch die Leibnizianer erkannt
Herr von Leibniz erkannte dieses selber, wie er es insonderheit in der Theodizee bekennet, gnd Herr Nikolaus Bernoulli1 bestätiget es durch die Manier, die man, wie er meinet, brauchen muss, die lebendigen Kräfte erweislich zu machen; nämlich, dass man die Grundäquation voraussetzen müsse, dv = pdt, in welcher dv das Element der lebendigen Kraft2, p der Druck3, der die Geschwindigkeit erzeuget, und dt das Element der Zeit, darin der Druck die unendlich kleine Geschwindigkeit hervorgebracht hat, [[A 199>> anzeiget.
Und dennoch suchen sie sie in geometrisch notwendigen Wahrheiten
Er saget, dieses sei etwas Hypothetisches, welches man annehmen müsse. Die anderen Verfechter der lebendigen Kräfte, die sich einen Gewissens-Skrupel daraus machten, anders zu urteilen, als Herr von Leibniz, haben aus demselben Tone gesungen. Und dennoch haben sie die lebendigen Kräfte in denen Fällen gesuchet, die durchaus geometrisch notwendig sein, und auch darin zu finden vermeinet; welches gewiss äusserst zu verwundern ist.
Sonderbarer Fehltritt des Herrn Hermanns in dieser Materie
Herr Hermann versuchte es auf die gleiche Art, ohne dass er sich durch die Zufälligkeit der lebendigen Kräfte irre machen liesse. Allein die vorgefasste gute Meinung von Leibnizens Gedanken, und der Vorsatz, durchaus zum Zwecke zu kommen, leitete ihn in einen Fehlschuss4, der gewiss anmerkungswürdig ist. Mich dünkt, es sollte nicht leichtlich jemand gefunden werden, dem es einfallen sollte, also zu schliessen: Die zwei Grössen a und b soll man zusammen nehmen, und in ihrer Verbindung betrachten, ergo muss man sie zusammen multiplizieren; und dennoch geschahe dieses, recht nach dem Buchstaben, von Herrn Hermann, der ein so grosser Meister im Schliessen war. „Weil der Körper, s a g t e r, der im Fallen ein neues Element der Kraft empfängt, doch schon eine Geschwindigkeit hat, so muss man diese doch auch mit in Betrachtung ziehen. Man wird also die Geschwindigkeit u, die er schon hat, seine Masse M, und das Element der Geschwindigkeit, oder, welches einerlei ist, das Produkt aus der Schwere g in die Zeit, d. i. gdt zusammen setzen. E r g o [[A 200>> i s t dv1, o d e r d a s E l e m e n t d e r l e b e n d i g e n K r a f t, g l e i c h gMdt2, d. i. d e m P r o d u k t a u s d e n e n h i e r b e z e i c h n e t e n G r ö s s e n.”
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Die Erfahrung bestätiget die sukzessive Lebendigwerdung
Unser Lehrgebäude führet mit sich, dass ein frei und gleichförmig bewegter Körper in dem Anfange seiner Bewegung noch nicht seine grösseste Kraft habe, sondern dass dieselbe grösser sei, wenn er sich eine Zeitlang schon beweget hat. Mich dünkt, es sind jedermann gewisse Erfahrungen bekannt, die dieses bestätigen. Ich habe selber befunden: dass bei vollkommen gleicher Ladung einer Flinte, und bei genauer Übereinstimmung der andern Umstände, ihre Kugel viel tiefer in ein Holz drang, wenn ich dieselbige einige Schritte vom Ziele abbrannte, als wenn ich sie nur einige Zolle davon in ein Holz schoss. Diejenige, die bessere Gelegenheit haben als ich, Versuche anzustellen, können hierüber genauere und besser abgemessene Proben machen. Indessen lehret doch also die Erfahrung, dass die Intension eines Körpers, der sich gleichförmig und frei bewegt, in ihm wachse, und nur nach einer gewissen Zeit ihre rechte Grösse habe, denen Sätzen gemäss, die wir hievon erwiesen haben.
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Nunmehro, nachdem wir das Fundament einer neuen Kräftenschätzung gelegt haben, sollten wir uns bemühen, diejenige Gesetze anzuzeigen, die mit derselben insonderheit verbunden sein, und die [[A 201>> gleichsam das Gerüste zu einer neuen Dynamik ausmachen.
Ich bin in dem Besitze, einige Gesetze darzulegen, nach denen die Vivifikation oder Lebendigwerdung der Kraft geschiehet, allein, da diese Abhandlung den ersten Plan dieser so neuen und unvermuteten Eigenschaften der Kräfte zu entwerfen bemühet ist, so muss ich mit Recht besorgen, dass meine Leser, die vornehmlich begierig sind, von dem Hauptwesen gewiss gemacht zu werden, sich mit Verdruss in einer tiefen Untersuchung einer Nebensache verwickelt sehen möchten, zumal, da es Zeit genug ist, sich darin einzulassen, wenn das Hauptwerk erstlich genugsam gesichert, und durch Erfahrungen bewähret ist.
Diesem zu Folge werde ich nur die allgemeinsten und beobachtungswürdigsten Gesetze, die mit unserer Kräftenschätzung verknüpfet sind, und ohne die ihre Natur nicht wohl kann begriffen werden, mit möglichster Deutlichkeit zu eröffnen bemühet sein.
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Folgende Anmerkung leget ein ganz unbekanntes dynamisches Gesetze dar, und ist in der Kräften-Schätzung von nicht gemeiner Erheblichkeit.
Es gilt nicht bei allen Geschwindigkeiten überhaupt die Lebendigwerdung der Kr.
Wir haben gelernet: dass ein Körper, der im Ruhestande wirket, nur einen toten Druck ausübe, der von dem Geschlechte der lebendigen Kräfte ganz unterschieden ist, uhd auch nur die schlechte Geschwindigkeit zum Mass hat; womit auch so wohl der ganze Anhang der Kartesianer, als Leibnizens Schüler übereinstimmen. Ein Körper aber, dessen [[A 202>> Geschwindigkeit unendlich klein ist, beweget sich eigentlich gar nicht, und hat also eine im Ruhestande bestehende Kraft; also hat sie das Mass der Geschwindigkeit schlechthin.
Wenn wir also die, zum Geschlechte der lebendigen Kräfte gehörige, Bewegungen bestimmen wollen: so müssen wir sie nicht über alle Bewegungen ausdehnen, deren Geschwindigkeit so gross oder klein sein kann, als man will, d. i. ohne dass ihre Geschwindigkeit dabei bestimmt ist. Denn alsdenn würde bei allen ins Unendliche kleinern Graden Geschwindigkeit dasselbe Gesetze wahr sein, und die Körper würden auch bei unendlich kleiner Geschwindigkeit eine lebendige Kraft haben können, welches kurz vorher falsch befunden worden.
Die Geschwindigkeit muss hiebei bestimmt sein
Demnach gilt das Gesetze der Quadratschätzung nicht überalle Bewegungen, ohne Betrachtung ihrer Geschwindigkeit, sondern diese kommt dabei mit in Anschlag. Daher wird, bei einigen Graden Geschwindigkeit, die mit denenselben verbundene Kraft nicht lebendig werden können, und es wird eine gewisse Grösse der Geschwindigkeit sein, mit welcher die Kraft allererst die Vivifikation erlangen kann, und unter welcher, in allen kleinern Graden bis zur unendlich kleinen, dieses nicht angehet.
Folglich ist auch nicht ohne Unterscheid mit allen Geschwindigkeiten eine freie Bewegung möglich
Weil ferner die völlige Lebendigwerdung der Kraft die Ursache der freien und immerwährenden Erhaltung der Bewegung ist, so folget, dass diese auch nicht bei allen Geschwindigkeiten ohne Einschränkung möglich sei, sondern dass dieselbe hie gleichfalls bestimmt sein muss, d. i. es müsse die Geschwindigkeit eine gewisse bestimmte Grösse haben, [[A 203>> wenn der Körper mit derselben eine immerwährende, unveränderte und freie Bewegung leisten soll; unter diesem bestimmten Grade würde bei allen kleinern Graden dieses nicht möglich sein, bis bei unendlich kleinem Grade Geschwindigkeit diese Eigenschaft ganz verschwindet, und die Dauer der Bewegung nur etwas Augenblickliches ist.
Also wird die Regel der freien und unverminderten Fortsetzung der Bewegung nicht überhaupt, sondern nur von einem gewissen Grade Geschwindigkeit an, gelten, unter demselben werden alle kleinere Grade der Bewegungen sich von selber aufzehren und verschwinden, bis bei unendlich kleinen Grade die Rewegung nur einen Augenblick dauert, und einer immerwährenden Ersetzung von draussen nötig hat. Daher gilt Newtons Regel in seiner1 unbestimmten Bedeutung nicht von den Körpern der Natur: Corpus quodvis pergit in statu suo, vel quiescendi, vel movendi, uniformiter, in directum, nisi a causa externa statum mutare cogatur.2
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Die Erfahrung bestätiget dieses
Die Erfahrung bestätiget diese Anmerkung, denn wenn die unendlich kleine Geschwindigkeit lebendig werden könnte, so müsste sie, wegen der Proportion gegen die Lebendigwerdung der endlichen Kräfte, in unendlich kleiner Zeit lebendig werden, § 122, also würden zweene Körper, wenn sie nur allein den Druck der Schwere ausübeten, zwar nur ihren Geschwindigkeiten proportionale Kräfte haben, aber, so bald sie nur von ganz unmerklich kleinen Höhen herabgelassen würden, so müsste [[A 204>> ihre Kraft so gleich wie das Quadrat derselben sein. Welches dem Gesetze der Kontinuität, und der Erfahrung entgegen ist; denn, wie wir schon erwähnet haben, so hat ein Körper, der ein Glas durch sein Gewicht nicht zerbricht, auch nicht die Kraft, es zu zerbrechen, wenn man es eine ungemein kleine Entfernung davon auf dasselbe fallen lässt, und 2 Körper, die einander gleich wiegen, werden sich auch das Gleichgewicht halten, wenn man sie gleich beide ein wenig auf die Waagschalen fallen lässt, da doch, wofern jenes statt hätte, alsdenn hier ein ungemeiner Ausschlag erfolgen müsste.
Anwendung auf die Bewegung in medio resistente
Diese Regel muss also in Bestimmung der Regeln von dem Widerstande des Mittelraumes, darin Körper sich frei bewegen, hinfüro mit in Anschlag kommen. Denn, wenn die Geschwindigkeit schon sehr klein zu werden anfängt, so tut der Mittelraum nicht mehr so viel zur Verringerung der Bewegung als vorher, sondern dieselbe verliert sich zum Teil von selber.
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Ob die Lebendigwerdung und freie Bewegung in allen grössern Graden der Geschwindigkeit ins Unendliche möglich sei
Wir sind in dem Mittelpunkte der artigsten Aufgaben, welche die abstrakte Mechanik vorher niemals hat gewähren können.
Wir haben die Frage aufgeworfen, ob die Körper auch bei allen Geschwindigkeiten, s i e m ö g e n s o k l e i n s e i n, w i e s i e w o l l e n, zur völligen Lebendigwerdung der Kraft gelangen, und ihre Bewegungen unverändert frei fortsetzen können. Jetzo wollen wir untersuchen, ob sie auch dieselbe in allen höhern Graden der Geschwindigkeiten [[A 205>> ins Unendliche zu leisten vermögend sein, das ist, ob die Körper die, ihnen erteilte, Bewegung frei fortsetzen und unvermindert erhalten, folglich zur völligen Lebendigwerdung der Kraft gelangen können, die Geschwindigkeit, die ihnen erteilt worden, m a g s o g r o s s s e i n, w i e s i e w o l l e.
Weil die Lebendigwerdung, und die darauf sich gründende unvermindert freie Fortsetzung der Bewegung, ein Erfolg der innern Naturkraft des Körpers ist, folglich allemal voraussetzet, dass diese vermögend sei, jene in sich hervorzubringen, und zu dem erforderlichen Grade der Intension von selber zu gelangen: so kommt es, bei der Leistung aller ins Unendliche höhern Grade der lebendigen Kraft, einzig und allein auf die Grösse und das Vermögen dieser Naturkraft an. Nun ist aber keine Grösse der Natur wirklich unendlich, wie dieses die Metaphysik auf eine unbetrügliche Art dartut: also muss die besagte Naturkraft eines jeden Körpers eine bestimmte endliche Quantität haben. Daher ist ihr Vermögen zu wirken auch in ein endliches Mass eingeschränkt, und es folget: dass sie ihre Fähigkeit, lebendige Kräfte bei immer grössern Graden Geschwindigkeit aus sich hervorzubringen, nur bis auf ein gewisses endliches Ziel erstrecken werde, das ist, dass der Körper nicht ins Unendliche, bei allen Graden Geschwindigkeit, die Kraft mit derselben in sich lebendig machen, und folglich derselben unendliche und unverminderte Fortdauer in freier Bewegung leisten könne, sondern dass dieses Vermögen des Körpers allemal nur bis auf eine gewisse Grösse der Geschwindigkeit gelte, so dass [[A 206>> in allen höhern Graden über dieselbe das Vermögen des Körpers weiter nicht zureicht, die derselben gemässe Vivifikation zu vollführen, und eine so grosse Kraft aus sich hervorzubringen.
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Was in Ansehung der freien Bewegung hieraus erfolge
Hieraus fliesset: dass, wenn dieser Grad bestimmt ist, der Körper, wenn ihn eine äusserliche Ursache mit grösserer Geschwindigkeit antreibt, zwar derselben nachgeben, und so lange, als der Antrieb von draussen dauert, diese Geschwindigkeit der Bewegung annehmen werde, allein, so bald jene ablässt, auch so fort denjenigen Grad von selber verlieren müsse, der über die bestimmte Masse ist, und nur denjenigen übrig behalten, und frei und unvermindert fortsetzen werde, welche der1 Körper nach dem Masse seiner Naturkraft in sich lebendig zu machen vermögend ist.
Der Körper Fähigkeit in Ansehung dessen ist verschieden
Ferner ergibt sich hieraus: dass es möglich, und auch wahrscheinlich sei, dass unter der grossen Mannigfaltigkeit der Körper der Natur dieser ihre Naturkraft in verschiedenen Körpern von verschiedener Grösse sein werde, folglich, dass einer von denselben eine gewisse Geschwindigkeit frei fortzusetzen vermögend sei, wozu doch des andern Naturkraft nicht zulanget.
Summa
Es sind also zwei Grenzen, darinnen die Grösse derjenigen Geschwindigkeit eingeschlossen ist, bei welcher die Lebendigwerdung der Kraft eines gewissen Körpers bestehen kann, die eine, unter welcher, die andere, über welcher die Lebendigwerdung und freie Bewegung nicht mehr kann erhalten werden.
[[A 207>> § 136
Die lebendige Kraft kann zum Teil ohne Wirkung verschwinden
Wir haben § 121 gelernet: dass die Kraft eines Körpers, wenn sie lebendig geworden ist, viel grösser sei, als diejenige mechanische Ursache war, die ihm die ganze Bewegung gegeben hatte; und dass daher ein Körper mit 2 Graden Geschwindigkeit 4 Grade Kraft habe, obgleich die äusserliche Ursachen seiner Bewegung, nach Anweisung der Jurinischen Methode, § 110 in ihn nur mit 2 Graden Kraft gewirket hat. Jetzt wollen wir erklären: wie eine Hindernis, deren Gewalt viel kleiner ist, als die Kraft, die der Körper hat, ihm dennoch seine ganze Bewegung nehmen könne, und dass folglich, s o w i e d i e l e b e n d i g e K r a f t i m e r s t e r e n F a l l e z u m T e i l v o n s e l b e r e n t s t e h e t, a l s o a u c h i m z w e i t e n s i c h v o n s e l b e r i n d e r Ü b e r w ä l t i g u n g e i n e r H i n d e r n i s, d i e v i e l g e r i n g e r i s t a l s s i e, v e r z e h r e n k ö n n e.
Beweis
Dieses zu beweisen, dürfen wir nur den Jurinischen Fall § 110 umkehren. Es bewege sich nämlich der Kahn AB von C gegen B, mit der Geschwindigkeit wie 1. Ferner wollen wir setzen: die Kugel E bewege sich in derselben Richtung, nämlich CB, aber in freier Bewegung und mit lebendiger Kraft, mit einer Geschwindigkeit wie 2, folglich wird diese Kugel die Hindernis R, die hier durch eine Feder vorgestellet wird, und deren Kraft wie 1 ist, nur mit einem einfachen Grade Geschwindigkeit treffen; denn was den andern Grad betrifft, so bewegt er sich1 nicht mit demselben in Ansehung dieser Hindernis, weil diese eben dieselbe [[A 208>> Bewegung nach einerlei Richtung gleichfalls hat, folglich dem Körper nur ein Grad Bewegung in Relation gegen dieselbe übrig bleibet. Bei einfachem Grade Geschwindigkeit aber ist die Kraft auch nur wie 1, folglich stösst die Kugel, mit einer Kraft wie 1, auf die Hindernis, welche ebenfalls eine einfache Kraft hat, und wird also durch dieselbe diesen seinen Grad1 Geschwindigkeit und Kraft verlieren. Es bleibt ihm alsdenn2 aber nur ein Grad absolute Bewegung, und folglich auch nur ein Grad Kraft übrig, die mithin wiederum durch eine andere Hindernis, welche wie 1 ist, mag vernichtet werden; folglich kann ein Körper, in dem wir eine lebendige Kraft setzen, und der also mit 2 Graden Geschwindigkeit 4 Grade Kraft hat, von zwei Hindernissen zur Ruhe gebracht werden, die jede nur 1 Grad Kraft haben, mithin müssen auf diese Weise 2 Grade in ihm von selber verschwinden, ohne durch äusserliche Ursachen aufgehoben und gebrochen zu werden.
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Die Umstände, unter welchen ein Körper einen Teil seiner lebendigen Kraft ohne Wirkung verschwendet, sind also diese: dass zwei oder mehr Hindernisse ihm nach einander auf solche Weise Widerstand tun, dass jedwede nicht der ganzen Geschwindigkeit des bewegenden Körpers, sondern nur einem Teile derselben sich entgegen setzet, wie die Auflösung des vorigen § es zu erkennen gibt.
Erklärung dieses Satzes nach unseren Begriffen der lebendigen Kraft
[[A 209>> Wie dieses mit unsern Begriffen von der lebendigen Kraft zusammenstimme, lässt sich auf folgende Weise ohne Schwierigkeit begreifen. Wenn die Geschwindigkeit eines Körpers in ihre Grade zerteilt wird, so ist die lebendige Kraft, die bei einem von diesen Graden von den andern abgesondert anzutreffen ist, und welche also der Körper auch anwendet, wenn er mit diesem Grade ganz allein ohne die übrigen wirket, wie das Quadrat dieses Grades; wenn er aber mit seiner ganzen Geschwindigkeit unzerteilt und zugleich wirket, so ist die ganze Totalkraft wie das Quadrat derselben, folglich derjenige Teil der Kraft, der dem benannten Grade Geschwindigkeit zukommt, wie das Rectangulum aus diesem Grade in die ganze Geschwindigkeit, welches eine viel grössere Quantität ausmacht, als die in dem vorigen Falle war. Denn, wenn wir z. E. die ganze Geschwindigkeit aus zwei Graden bestehend annehmen, welche dem Körper eine nach der andern1 erteilt worden, so erhob sich die lebendige Kraft, da die Geschwindigkeit noch 1 war, nur zu einer Grösse wie 1; nachdem aber der zweite Grad hinzukam, so entsprung in demselben nicht allein wiederum ein Grad Kraft, der diesem zweiten Grade Geschwindigkeit allein proportioniert ist, sondern die Naturkraft erhob die Intension noch in derselben Proportion, darin die Geschwindigkeit wuchs, und machte, dass die lebendige Kraft bei der gesamten Geschwindigkeit 4fach wurde, da doch die Summe der Kräfte, bei allen abgesonderten Graden, nur 2fach gewesen sein würde, folglich dass ein jeder Grad, in der verbundenen Wirkung mit den übrigen, 2 Grade Kraft ausüben konnte, da ein jeder [[A 210>> vor sich in abgesonderter Wirkung nur eine einfache hatte. Daher wenn ein Körper, der eine lebendige, folglich mit 2facher Geschwindigkeit 4 Grade Kraft hat, seine ganze Geschwindigkeit nicht zugleich, sondern einen Grad nach dem andern, anwendet: so übet er nur eine zwiefache Kraft aus, die übrige 2 aber, die dem Körper bei der gesamten Geschwindigkeit beiwohneten, verschwinden von selber, nachdem die Naturkraft aufhöret, sie zu erhalten, eben so, wie sie bei ihrer Erzeugung gleichfalls aus dieser Naturkraft von selber hervorgebracht worden.
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Diese Anmerkung belohnet unsere Mühe mit wichtigen Folgerungen.
Folgerungen
- Wir werden die vollständige Wirkung der lebendigen Kraft nirgends antreffen, als wo die Hindernis der ganzen Geschwindigkeit des mit lebendiger Kraft eindringenden Körpers zugleich Widerstand tut, und alle Grade derselben zusammen erduldet.
- Wo im Gegenteil die Hindernis sich nur einem Grade derselben allein widersetzet, folglich die ganze Geschwindigkeit nicht anders, als in zerteilten Graden, nach und nach erduldet, da gehet ein grosser Teil der lebendigen Kraft von selber verlustig, ohne dass er durch die Hindernis vernichtiget worden, und man würde sich betrügen, wenn man glaubete, die Hindernis, die auf diese Weise die ganze Bewegung verzehret, habe auch die ganze Kraft selber gebrochen. Dieser Verlust ist jederzeit um desto beträchtlicher, je kleiner der Grad Geschwindigkeit, den die Hindernis erduldet, gegen die ganze Geschwindigkeit des bewegenden Körpers ist. Z. E. Es sei die Geschwindig[[A 211>>keit, in der der Körper seine lebendige Kraft hat, in 3 gleiche Grade zerteilet, deren jedwedem allein sich die Hindernis auf einmal nur widersetzen kann, so ist, wenn gleich der Körper mit jedem dieser Grade besonders auch eine lebendige Kraft hat, die Kraft jeden Grades besonders wie 1, folglich die Gewalt der Hindernis, die diese 3 nach einander überwindet, auch wie 3; die ganze lebendige Kraft aber dieses Körpers war wie das Quadrat von 3, d. i. wie 9: folglich sind auf diese Weise 6 Grade Kraft, d. i. 2/3 vom Ganzen, ohne äusserlichen Widerstand von selber verloren gegangen. Im Gegenteil, wenn wir eine andere Hindernis nehmen, die nicht das Dritteil, sondern die Hälfte besagter ganzen Geschwindigkeit auf einmal erduldet, folglich die ganze Bewegung nicht in 3 sondern in 2 getrennten Graden verzehret, so ist der Verlust, den die lebendige Kraft hiebei ausser demjenigen erduldet, was diese Hindernis verzehret, nur wie 2, d. i. ½ vom Ganzen, folglich kleiner als im vorigen Falle. Auf gleiche Weise, wenn der Grad, dem die Hindernis auf einmal widerstrebet, 1/8 von der ganzen Geschwindigkeit ist, so verschwendet der Körper 7/8 von der ganzen Kraft, davon die Ursache nicht in der Hindernis zu suchen ist, und so ins Unendliche.
- Wenn der Grad Geschwindigkeit, dem die Hindernis sich in jedem Augenblick entgegensetzet, nur unendlich klein ist: so ist alsdenn gar keine Spur einer lebendigen Kraft mehr in den überwältigten Hindernissen zu finden, sondern, weil alsdenn jeder einzelne Grad nur in Proportion seiner schlechthin genommenen Geschwindigkeit wirket, und die Sum[[A 212>>me aller Grade der ganzen Geschwindigkeit gleich ist, so ist die ganze Wirkung der Kraft des Körpers, ob sie gleich lebendig ist, doch nur der schlechten Geschwindigkeit proportioniert, und die ganze Grösse der lebendigen Kraft verschwindet von selber völlig, ohne eine ihr gemässe Wirkung auszuüben, nämlich, da sie eigentlich wie eine Fläche ist, die aus dem Flusse derjenigen Linie, die die Geschwindigkeit vorstellet, erzeuget worden, so verschwinden alle Elemente dieser zweiten Abmessung nach und nach von selber, und es tut sich in der Wirkung keine andere Spur einer Kraft hervor, als die nur der erzeugenden Linie, d. i. der Geschwindigkeit schlechthin proportioniert ist.
- Also findet sich nirgends eine Spur einer lebendigen Kraft in den verübten Wirkungen, oder überwältigten Hindernissen, wenn gleich der Körper wirklich eine lebendige Kraft hat, als nur da, wo das Moment der Geschwindigkeit, womit die Hindernis widerstrebet, von endlicher Grösse ist; aber auch alsdenn doch nicht ohne diese wichtige Bedingung, nämlich, dass auch diese Grösse der Geschwindigkeit nicht so klein sein mag, als sie wolle, denn wir wissen aus dem 132. §, dass eine gewisse Quantität derselben erfordert werde, damit der Körper, der sich mit derselben beweget, eine lebendige Kraft haben könne, und, wenn das Moment der Widerstrebung der Hindernis nach Massgebung derselben zu klein ist, in derselben auch keine Wirkung der lebendigen Kraft könne verspüret werden.
Den höchsterheblichen Nutzen dieser Anmerkung werden wir insonderheit gegen das Ende dieses Hauptstückes vernehmen, woselbst sie dienen wird, die [[A 213>> vornehmste Erfahrung, die die lebendigen Kräfte beweiset, recht zu erleuchten und bewährt zu machen.
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Die Phaenomena derer Körper, die die Schwere überwinden, beweisen keine lebendige Kraft, dennoch streiten sie nicht dawider
Da das Moment der Schwerdrückung nur mit unendlich kleiner Geschwindigkeit geschiehet: so erhellet vermittelst der dritten Nummer des vorigen § gar deutlich, dass ein Körper, der seine Bewegung aufwendet, indem er die Hindernisse der Schwere überwindet, gegen dieselbe nur eine Wirkung ausüben werde, die seiner Geschwindigkeit schlechthin proportioniert ist, obgleich die Kraft selber sich wie das Quadrat dieser Geschwindigkeit verhält, demjenigen ganz gemäss, was auch die Erfahrung hievon zu erkennen gibt, wie wir es im vorigen Hauptstücke ausführlich, und mehr wie auf eine Weise gesehen haben.
Sehet also hier so gar eine Erfahrung, die kein anderes als Cartesens Gesetze zuzulassen scheinet, und welches1 auch in der Tat eigentlich keine Merkmale von irgend einer anderen Schätzung als von dieser von sich zeiget, gleichwohl aber, bei genauer Erwägung, der Quadratschätzung, wenn sie in ihrer richtigen Bedeutung genommen wird, nicht widerstreitet, sondern ihr dennoch Platz lässt.
Also widerleget die Wirkung, welche senkrecht in die Höhe steigende Körper verüben, indem sie die Hindernisse der Schwere überwinden, zwar Leibnizens Schätzung ohne alle Widerrede, allein unsere lebendigen Kräfte beweiset sie zwar eigentlich nicht; jedennoch hebet sie dieselbe nicht auch auf. Indessen wenn wir unsere Aufmerksamkeit nur genau hierauf richten, so werden wir auch so gar daselbst noch einige Strahlen von unserer Schätzung antreffen. Denn der [[A 214>> Körper würde seine ihm beiwohnende Bewegung nicht frei fortsetzen, und dieselbe so lange selber erhalten können, bis die äusserliche Widerstrebung sie ihm nach und nach nimmt, wo er nicht diejenige innerliche Bestrebung oder Intension aus sich selbst hervorbrächte, die zugleich der Grund der freien Bewegung, und auch der lebendigen Kraft ist.
- 140
Hierauf gegründete Proben
Aus dem bis daher Erwiesenen ersehen wir zugleich die Ursache des wohlbekannten Kunststückes, wie man fast unbezwingliche Gewalten durch gar geringe Hindernisse aufheben könne. Wenn nämlich die Gewalt, die man brechen soll, auf einer lebendigen Kraft beruhet: so setzet man ihr nicht eine Hindernis entgegen, die ihren Widerstand auf einmal tut, und plötzlich muss gebrochen werden, denn diese müsste oftermals unermesslich gross sein, sondern vielmehr eine solche, welche die Kraft nur in ihren kleinern Graden der Geschwindigkeit nach und nach erduldet und aufzehret; denn auf diese Weise wird man durch ganz unbeträchtliche Widersetzungen erstaunlich grosse Gewalten vereiteln; gleichwie man z. E. die Stoffe der Mauerbrecher durch Wollsäcke zernichtet hat, welche Mauren würden zermalmet haben, wenn sie unmittelbar auf dieselbe getroffen hätten.
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Weiche Körper wirken nicht mit ihrer ganzen Kraft
Ferner erhellet: dass die Körper, welche weich sind, und sich im Anlaufe leichtlich zusammendrücken, lange nicht alle ihre Kraft durch den Stoss anwenden werden, und dass sie vielmals gar geringe Wirkungen verüben, welche doch bei eben derselben Kraft und Masse, aber grösserer Härtigkeit, ungleich grösser [[A 215>> sein würden. Ich weiss wohl: dass noch andere Ursachen dazu kommen, die ausser derjenigen, von welcher wir reden, zu diesem Verluste das Ihre beitragen, oder vielmehr machen, dass einer zu sein scheinet, aber unsere angeführte ist unstrittig die vornehmste, und zwar eines wahrhaften Verlustes.
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Aufgeworfene Frage, ob die Wirkungder Körper ohne Unterscheid ihrer Masse ihrer lebendigen Kraft proportional sein könne
Nunmehro wollen wir untersuchen, wie denn die Wirkung eines Körpers, der eine lebendige Kraft hat, dessen Masse man aber unendlich klein gedenket, sein werde, denn dieses gibt hernach zu erkennen: ob bei gleichen Umständen, wenn die Kräfte zweier Körper beide lebendig sein, alle beide auch die, diesen lebendigen Kräften proportionale, Wirkungen ausüben können, wenn man sie in gleiche Umstände setzet, die Masse des einen sei auch so klein wie sie wolle; oder ob vielmehr eines jeden Körpers Masse eine gewisse Grösse haben müsse, so, dass, wenn man sie kleiner machet, die Wirkung, die er verübet, seiner lebendigen Kraft nicht proportional sein kann.
Das ist wohl untrüglich: dass, wenn ein Körper von endlicher Masse eine lebendige Kraft hat, ein jegliches seiner Teile, sie mögen so klein sein, wie sie wollen, auch eine lebendige Kraft haben müsse, und diese auch haben würde, wenn es sich gleich von den andern abgesondert bewegte; allein hier ist die Frage, ob ein solches kleines, oder, wie wir es hier annehmen wollen, unendlich kleines Teilchen vor sich allein auch eine seiner lebendigen Kraft proportionale Wirkung in der Natur ausüben könne, wenn man es in die gleiche Umstände setzet, darin ein grösserer in dieser Proportion wirken würde. Wir wer[[A 216>>den befinden, dass dieses nicht geschehen könne, und dass ein Körper, der eine lebendige Kraft hat, wenn seine Masse kleiner ist, als sie nach Massgebung der Regel, die wir beweisen wollen, sein muss, in der Natur keine solche Wirkung verübe, die dieser seiner lebendigen Kraft proportional ist, sondern, dass er um desto weniger dieser Proportion beikomme, je kleiner hernach die Masse ist, bis, wenn die Masse unendlich klein ist, der Körper mit derselben nur in Proportion seiner Geschwindigkeit schlechthin wirken kann, ob er gleich eine lebendige Kraft hat, und ein anderer Körper, mit eben derselben Geschwindigkeit und lebendigen Kraft, aber gehörig grosser Masse, in Wirkung ausüben würde, die dem Quadrate seiner Geschwindigkeit in die Masse multipliziert gemäss wäre.
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Beantwortung
Die Sache kommt einzig und allein darauf an, dass alle Hindernisse in der Natur, die von einer gewissen Kraft sollen gebrochen werden, derselben nicht alsofort im Berührungspunkte gleich einen endlichen Grad der Widerstrebung entgegen setzen, sondern vorher einen unendlich kleinen, und so fortan, bis nach dem unendlich kleinen Räumchen, welches die bewegende Kraft durchbrochen hat, der Widerstand, den sie antrifft, endlich wird. Dieses setze ich kraft der Übereinstimmung der wahren Naturlehre voraus, ohne dass ich mich einlassen will, die mancherlei Gründe, die es bestätigen, hier anzuführen. Newtons Schüler nehmen daher Gelegenheit zu sagen: dass die Körper in andere wirken, wenn sie sich gleich noch nicht berühren. Diesem zu Folge treffen wir einen [[A 217>> besondern Unterschied zwischen der Wirkung, die ein Körperchen von unendlich kleiner Masse in solche Hindernisse der Natur ausübet, und zwischen derjenigen, die er verrichtet1, wenn seine Masse die bestimmte endliche Grösse hat, wenn wir gleich den Unterscheid nicht achten, der ohnedem allemal zwischen den Kräften zweier Körper ist, deren Massen verschieden sein, und der schon lange bekannt ist, sondern nur den in Betrachtung ziehen, der aus dem Begriffe unserer lebendigen Kräfte allein herfliesset.
Wir wissen nämlich schon: dass, wenn der Körper gleich eine lebendige Kraft hat, diese aber angewandt wird, die Hindernis der Schwerdrückungen zu überwinden, seine Wirkung dennoch nur in Proportion der Geschwindigkeit schlechthin stehe, und alle Intension, die das Merkmal der lebendigen Kraft ist, ohne Wirkung verschwinde. Nun wirket aber der Gegendruck der Schwere, mit unendlich kleiner Sollizitation, bis in das Innerste seiner Masse, d. i. unmittelbar auf die unendlich kleine Teile des bewegenden Körpers, also ist dieses sein Zustand dem Zustande desjenigen Körperchens gleich, der zwar1 mit lebendiger Kraft, aber unendlich kleiner Masse gegen eine jegliche Hindernis der Natur anläuft, denn dieser2 erduldet, wie wir angemerkt haben, auch hier allemal einen Widerstand, der, eben so wie bei der Schwere, mit unendlich kleiner Sollizitation ihm unmittelbar widerstrebet; folglich wird eine solche unendlich kleine Masse auch auf gleiche Weise seine3 lebendige Kraft in sich selbst verzehren, und bei jeder Hindernis der Natur nur nach Proportion seiner4 Geschwindigkeit wirken.
[[A 218>> Dass dieses aber nur dem unendlich kleinen Körper begegne, und dagegen einer von endlicher und bestimmter Masse, in dieselbe Hindernis, eine seiner lebendigen Kraft gemässe Wirkung ausüben könne, erhellet klärlich daraus, weil, wie wir annehmen, dass die5 Hindernis ihren Widerstand nur von aussen tut, und nicht wie die Schwere in das Innerste wirket; folglich der endliche Körper daselbst, wo die unendlich kleine Masse durch die fortgesetzte unendlich kleine Widerstrebung der Hindernis ihre ganze Geschwindigkeit verlor, nur unendlich wenig, d. i. nichts verlieret, sondern seine Kraft nur gegen die endlichen Grade der Widerstrebung aufwendet, wozu jene nicht durchdringen kann; folglich in die Umstände gelanget, in welchen, wie wir § 386 No. 4 gesehen haben, derjenige Körper sein muss, der seine lebendige Kraft zu einer ihr proportionalen Wirkung anwenden soll.
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Die Masse muss bestimmt scin, mit welcher ein Körper die seiner lebendigen Kraft proportionierte Wirkung ausüben kann, unter dieser Grösse können kleinere Massen dieses nicht tun
Da nun also die Wirkung des Körpers, der sich mit endlicher Kraft, aber unendlich kleiner Masse beweget, nirgend in der Natur dem Quadrat der Geschwindigkeit, sondern nur derselben schlechthin proportioniert ist: so folget, vermöge der Art zu schliessen, die uns schon durch die oftmalige Ausübung bekannt sein muss, dass man nicht allgemein und ohne Einschränkung sagen könne: Dieser Körper hat eine lebendige Kraft, folglich wird seine Wirkung bei gehörigen* Umständen seiner lebendigen Kraft auch proportional sein, die Masse mag sonsten so klein sein [[A 219>> wie sie wolle; sondern es wird eine gewisse Quantität der Masse dazu erfordert werden, dass man dieses sagen könne, und unter diesem bestimmten Masse wird keine Wirkung eines solchen Körpers in die Hindernisse der Natur seiner lebendigen Kraft proportioniert sein können, sie mögen auch sein, welche sie wollen; es wird aber die Wirkung um desto mehr von der Verhältnis der lebendigen Kraft abgehen, je mehr die Quantität der Masse unter diesem bestimmten Masse ist, in allen höhern Grössen aber über dieselbe versteht es sich schon von selber, dass diese Abweichung gar nicht angetroffen werde.
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Folgerungen
Es folgen hieraus nachstehende Anmerkungen:
- Dass ein kleines Teilchen Materie, in fester Vereinigung mit einer grossen Masse, mit lebendiger Kraft eine ganz andere, und ausnehmend grössere Wirkung ausüben könne, als es allein, und von derselben getrennet, verrichten kann.
- Dass dieser Unterscheid dennoch nicht notwendig sei, sondern auf dieser zufälligen Eigenschaft der Natur beruhe: dass alle ihre Hindernisse, der Regel der Kontinuität gemäss, schon von weitem, und mit unendlich kleinen Graden anheben, ehe sie ihre endliche Widerstrehung dem anlaufenden Körper entgegensetzen, dass aber diesem ungeachtet die Natur schon keine andere Wirkung verstattet.
- Dass es nicht ohne Unterscheid wahr sei: dass die Wirkungen zweier Körper, deren Kräfte lebendig sind, und deren Geschwindigkeit gleich ist, sich bei gleichen Umständen wie ihre Masse verhalten; denn, wenn die eine von ihnen kleiner ist, als nach [[A 220>> Massgebung der angeführten Regel sein soll, so gehet ihre Wirkung noch dazu von dem Quadratmasse der Geschwindigkeit ab, und ist also viel kleiner, als sie nach der Verhältnis der Massen allein hätte sein sollen.
- Dass so gar die Veränderung der Figur der Körper ohne Änderung ihrer Masse verursachen könne, dass ihre Wirkung bei den angeregten Umständen die Proportion ihrer Geschwindigkeit habe, obgleich die Kraft die Verhältnis vom Quadrate derselben hat, und dass also ein Körper, der eine lebendige Kraft hat, eine viel kleinere Wirkung tun könne, bloss deswegen, weil seine Figur geändert worden, ohne dass, weder seine Masse, noch Geschwindigkeit, noch lebendige Kraft, oder die Beschaffenheit dcr Hindernis, im geringsten eine Veränderung erlitten. Z. E. So muss eine güldene Kugel mit lebendiger Kraft eine viel grössere Wirkung tun, als wenn eben dieselbe güldene Masse, mit gleicher Geschwindigkeit und Kraft, gegen dieselbe Hindernis anliefe, aber so, dass sie vorher zu einem dünnen und weit ausgedehnten Goldblatt geschlagen worden. Denn obgleich hier in Ansehung der Kraft nichts verändert worden ist, so machet doch die Änderung der Figur, dass seine kleinsten Teile die Hindernis hier eben so treffen, als wenn sie, von einander abgesondert, auf dieselbe gestossen hätten, folglich, laut dem kurz vorher Erwiesenen, lange nicht mit ihrer lebendigen Kraft, und derselben proportional wirken, sondern eine Wirkung ausüben, die dem Masse der schlechten Geschwindigkeit entweder nahe kommt, oder mit ihr übereintrifft; da im Gegenteil, wenn die Masse in [[A 221>> der Figur einer soliden Kugel gegen die Hindernis anläuft, sie auf eine so kleine Fläche derselben trifft, dass die unendlich kleine Momente der Widersetzungen, welche sie in so kleinem Raume antrifft, nicht im Stande sein, die Bewegung dieser Masse aufzuzehren, folglich die lebendige Kraft unversehrt bleibt, um einzig und allein gegen die endlichen Grade der Widerstrebung dieser Hindernis angewandt zu werden; gleichwie es dagegen klar ist, dass sie mit ihrer ersten Figur eine überaus grosse Fläche der Hindernis decket, und folglich, bei einerlei Masse, einen unglaublich grössern Widerstand, von der unendlich kleinen Sollizitation, die in jedem Punkte der Hindernis anzutreffen ist, erleidet, und daher von dieser leichter muss können aufgezehrt werden, mit entweder gänzlichem, oder doch grossem Verluste der lebendigen Kraft, welches auf die erstere Art nicht geschiehet.
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Flüssigkeiten wirken in Proportion des Quadrates der Geschwindigkeit
Allein die wichtigste Folgerung, die ich aus dem jetzo erwiesenen Gesetze ziehe, ist diejenige, welche ganz natürlicher Weise daraus herfliesst, nämlich, dass flüssige Körper durch den Stoss in Verhältnis des Quadrats ihrer Geschwindigkeit wirken,1 ob sie gleich, wenn die Wirkung hier ihren lebendigen Kräften proportional sein sollte, solches nicht nach dem Masse des Quadrats, sondern des Würfels ihrer Geschwindigkeit tun müssten; und wie dieses unserer Theorie der lebendigen Kräfte nicht entgegen sei, ob es gleich die lebendigen Kräfte des Herrn von Leibniz aufhebet, wie Herr Jurin schon sehr wohl angemerket hat.
Wie dieses aus dem Vorigen folge
[[A 222>> Denn die Flüssigkeiten sind in die feinsten Teile, welche vor unendlich klein gelten können, zerteilet, und machen zusammen keinen zusammenhängenden festen Körper aus, sondern wirken alle nach einander, ein jedes vor sich, und von den übrigen abgesondert; folglich erdulden sie denjenigen Verlust der lebendigen Kraft, den die unendlich kleine Körperchen, wie wir angemerket haben, allemal erleiden, wenn sie gegen eine Hindernis der Natur, sie sei welche sie wolle, anlaufen, und wirken also nur in Proportion ihrer Geschwindigkeit, ob ihre Kraft gleich wie das Quadrat derselben ist.
Herr Richter hat sich viel vergebliche Mühe gegeben, diesen Streich des Herrn Jurins abzuwenden. Seine Sache war hülflos, da sie an die Regel gebunden war: dass die Kräfte in keiner andern Proportion stehen, als derjenigen, darin ihre Wirkungen sind.
Vom Widerstande des Mittel-Raumes
Endlich begreifet auch jedennann hieraus leichtlich, woher die Körper mit freier Bewegung und lebendiger Kraft, in einem flüssigen Mittelraume, nur in Proportion des Quadrates ihrer Geschwindigkeit Widerstand leiden, ohne dass hiedurch unseren lebendigen Kräften Eintrag geschiehet; obgleich es der Leibnizischen Schätzung widerspricht, nach welcher dieser Widerstand dem Würfel der Geschwindigkeit proportioniert sein müsste.
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Wird durch die Erfahrung bestätiget
Es sind unzählbare Erfahrungen, die die Regel bestätigen, von der wir bis daher geredet haben. Ob dieselbe gleich nicht so genau abgemessen sein, so sind sie dennoch untrüglich, und haben die Übereinstimmung eines allgemeinen Beifalles.
[[A 223>> Denn wofern wir unserer Regel nicht Platz einräumen, so müssen wir setzen: dass ein Körper, wenn er noch so klein und gering ist, eben so grosse Wirkung in gleichen Umständen durch den Anstoss tun würde, als eine grosse Masse, wenn man nur ihre Geschwindigkeiten den Quadratwurzeln ihrer Massen umgekehrt proportioniert machte, oder nach Cartesens Regel, wenn sie sich wie diese Massen selber umgekehrt verhielten. Allein die Erfahrung widerspricht diesem. Denn jedermann ist darin einig, dass eine Flaumfeder oder ein Sonnenstäubchen durch eine freie Bewegung nicht die Wirkungen einer Kanonenkugel ausrichten würden, wenn man ihnen gleich noch so viel Grade Geschwindigkeit, als man selber verlanget, zugestehen wollte; und niemand wird wie ich glaube vermuten, dass eines von denselben die feste Klumpen der Materie zertrümmern, und Mauren durchbrechen könne, wenn sie mit noch so grosser Geschwindigkeit in freier Bewegung auf dieselbe treffen sollten. Dieses alles kann zwar durch keinen ordentlich angestellten Versuch geprüfet und bestätiget werden, allein die unzählbare Erfahrungen, die hievon in ähnlichen Fällen, obzwar nicht in so grosser Masse vorkommen, verursachen, dass niemand an dem angeregten Erfolge zweifelt.
Nun ist doch aber nicht zu leugnen, dass besagte kleine Körperteilchen unter der angeführten Einrichtung ihrer Geschwindigkeit notwendig mit den grossen Körpern gleiche Kraft haben müssten, es sei nach Cartesens, oder Leibnizens, oder unserm Kräftenmasse: also bleibt kein ander Mittel übrig, dieses zu erklären, als, dass der kleine Körper eine viel [[A 224>> kleinere Wirkung verüben müsse, als nach Massgebung seiner Kraft geschehen sollte, und dass seine lebendige Kraft grösstenteils ohne Wirkung vereitelt wird, gerade so, wie wir es § 43, 44, 451 von demselben bewiesen haben.
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Die Bewegungen elastischer Körper heben Leibnizens Schätzung aber nicht die unsrige auf
Zu denenjenigen Erfahrungen, welche keine Spur von einer andern Schätzung, als nur der Kartesianischen, geben, und daher unserem Kräftenmasse zu widerstreiten scheinen, gehören endlich noch die Bewegungen elastischer Körper, durch den Stoss, wovon wir im vorigen Hauptstücke ausführlich gehandelt haben, und welche alle in ganz untrüglichen Versuchen wahr befunden werden. Sie heben auch in der Tat die Quadrat-Schätzung des Herrn von Leibniz gänzlich auf, vermöge der Voraussetzung, die damit unzertrennlich verbunden ist: nämlich dass die Wirkungen, in deren Hervorbringung die Kraft sich verzehret, dieser allemal gleich sein. Unsere hat den wohlgegründeten Vorzug, diesem Gesetze nicht unterworfen zu sein, und entgehet daher diesem Streiche.
Wir wissen schon aus dem Vorigen: dass die lebendige Kraft nicht so etwas ist, welches von draussen, durch eine äusserliche Ursache, z. E. durch einen Stoss, in einem Körper könne hervorgebracht werden; dieses kann uns schon unterweisen: dass wir die lebendigen Kräfte der gestossenen Körper nicht vor die Wirkungen der stossenden ansehen, und diese durch jene abzumessen suchen werden. Die Realauflösung aber der ganzen Schwierigkeit, wo man [[A 225>> ja eine noch hierin anzutreffen vermeint, bestehet in nachfolgendem.
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Beweis
Alle Mechanikverständige müssen wissen: dass ein elastischer Körper in den andern nicht mit seiner ganzen Geschwindigkeit auf einmal wirke, sondern durch eine fortgesetzte Häufung der unendlich kleinen Grade, die er in denselben nach einander hineinbringt. Ich habe nicht nötig, mich in die besondern Ursachen hievon einzulassen, genug für mich, dass ich hierin den einstimmigen Beifall auf meiner Seite habe, und dass jedermann es erkennet: dass ohne diese Voraussetzung kein Bewegungsgesetze könne erklärt werden. Die wahre Ursache hievon ist wohl diese: weil die Elastizität, nach der Natur einer Feder, sich nur demjenigen Grade Geschwindigkeit entgegensetzet, welche1 hinlänglich ist, sie zu spannen; folglich bei jedem unendlich kleinen Grade der Eindrückung, die sie leidet, nur immer einen unendlich kleinen Grad der Geschwindigkeit des anstossenden Körpers erduldet, und also jeden Augenblick nicht der ganzen Geschwindigkeit, sondern nur dem unendlich kleinen Grade entgegengesetzet ist, und ihn in sich aufnimmt, bis die sukzessive Häufung die ganze Geschwindigkeit in den leidenden Körper auf diese Weise übertragen hat.
Hieraus folget laut dem Vorhergehenden: dass, da der anstossende Körper hier nur nach einander mit einzelnen unendlich kleinen Graden seiner Geschwindigkeit wirket, er auch nur in schlechter Proportion seiner Geschwindigkeit wirken werde, ohne Nachteil seiner lebendigen Kraft, die er dem ungeachtet in sich haben kann.
[[A 226>> § 150
Das beliebte Gesetze des Herrn von Leibniz von der unveränderten Erhaltung einerlei Grösse der Kraft in der Welt ist noch ein Vorwurf, der allhier eine genaue Prüfung zu erfordern scheint. Es leuchtet so gleich in die Augen: dass, wenn in den bisherigen Betrachtungen etwas Gegründetes ist, es in derjenigen Bedeutung, darin es sonsten aufgenommen worden, nicht statt finden könne. Was aber unsere Schätzung in diesem Stücke einführen würde, und wie sie den Regeln der allgemeinen Harmonie und Ordnung, welche besagtes Leibnizische Gesetze so preiswürdig gemacht haben, Gnüge leisten könne, das erlaubet mir die Beschaffenheit unseres Vorhabens, und die Ermüdung, welche ich in einer so rauhen und ungebähnten Materie mit Recht von der Aufmerksamkeit meines gelehrten Lesers besorge, und die ich vielleicht schon gar zu sehr beleidigt zu haben befürchten muss, nicht, gehörig zu entwerfen, obgleich ich im Besitze bin, einige Abrisse davon darzulegen.
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Wir befinden uns jetzo in dem Lande der Erfahrungen; ehe wir aber darin Besitz nehmen können, müssen wir erst gewiss sein, dass diejenige Ansprüche vertilget worden, welche ein gegründeteres Recht hierauf zu haben vorschützen, und uns aus diesem Gebiete verdringen wollen. Unsere Bemühung, die wir bis daher hiezu angewandt haben, würde unvollständig sein, wenn wir denjenigen Versuch und mechanischen Beweis, der den hochberühmten Herrn von Musschenbroek zum Urheber hat, und folglich überredend und scharfsinnig ist, vorübergingen, ohne [[A 227>> unsere übernommene Kräftenlehre dawider zu schützen. Er hat durch denselben die lebendige Kräfte in Leibnizischer Bedeutung zu verteidigen gedacht, und daher ist es unsere Pflicht, ihn zu prüfen.
Wir werden bei genauer Erwägung desselben. belehret werden: dass er nicht den verhofften Erfolg habe, sondern vielmehr Cartesens Kräftenmass bestätige. Und dieses wird unsere oft erwähnte Anmerkung aufs neue bestätigen: dass man keine Spur einer nach dem Quadrat zu schätzenden Kraft antreffe, so lange man ihren Ursprung nirgend anders, als in den äusserlichen Ursachen zu finden vermeinet, und dass die wahrhafte lebendige Kraft nicht von draussen in dem Körper erzeuget werde, sondern der Erfolg der bei der äusserlichen Sollizitation in dem Körper aus der innern Naturkraft entstehenden Bestrebung ist; dass also alle diejenige, die nichts als das Mass der äusserlich wirkenden mechanischen Ursachen annehmen, um das Mass der Kraft in dem leidenden Körper daraus zu bestimmen, wofern sie nur richtig urteilen, niemals etwas anders, als Cartesens Schätzung antreffen werden.
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Der Beweis des Herrn von M u s s c h e n b r o e k ist folgender.
Musschenbroekscher mechanischer Beweis der lebendigen Kräfte
Nehmet einen hohlen Zylinder, an welchem eine Feder feste gemacht ist. Aus dem Zylinder muss ein Stab hervorragen, der mit Löchern versehen ist, und der durch die Öffnung eines steifen Bleches durchgestecket wird. Wenn ihr nun die stählerne Feder an dieses Blech mit Gewalt andrücket, und spannet, so, dass der Stab durch die Öffnung desselben weiter herausraget, so könnet ihr sie in dieser [[A 228>> Spannung erhalten, indem ihr auf der hervorragenden Seite desselben einen Stift durch ein Loch des Stabes durchstecket. Endlich hänget den Zylinder als ein Pendul an zwei Fäden an irgend einer Maschine auf, sodann ziehet den Stift heraus, so wird die Feder losschnellen, und dem Zylinder eine gewisse Geschwindigkeit geben, die durch die erlangte Höhe erkannt wird. Benennet diese Geschwindigkeit mit 10. Hierauf machet denselben Zylinder zweimal schwerer, als er vorher war, indem ihr in denselben so viel Gewichte hineinleget, als hiezu nötig sein, und spannet die Feder wie zuvor. Wenn ihr sie nun alsdenn wiederum losschnellen lasset: so werdet ihr durch die Höhe, die er erreichet, befinden, dass die Geschwindigkeit 7,07 Grade habe. Hieraus argumentieret Herr von Musschenbroek wie folget. Die Feder war beidemal gleich gespannet, und hat daher in beiden Fällen gleiche Kraft gehabt, und da sie jedes mal ihre ganze Kraft anwendet, so hat sie auch, beide Male, gleiche Kräfte in den Zylinder hineingebracht; also muss die Kraft, die ein Körper von einfacher Masse mit 10 Graden Geschwindigkeit besitzet, derjenigen gleich sein, die in einem andern, der eine zweifache Masse und 7,07 Grade Geschwindigkeit hat, anzutreffen ist. Dieses ist aber auf keine andere Art möglich, als wenn man die Kraft nach dem Produkt aus der Masse in das Quadrat der Geschwindigkeit schätzet; denn alle andere mögliche Funktionen der Geschwindigkeit lassen diese Gleichheit nicht zu, aber nach der Quadratschätzung allein sind die Quadrate der Zahlen 10 und 7,07 quam proxime in umgekehrter Verhältnis der Mas[[A 229>>sen 1 und 2, folglich die Produkte derselben in die gegenseitige Massen gleich.
Es sind also, schliesst er, die Kräfte nicht nach dem Masse der Geschwindigkeiten, sondern dem Quadrate derselben zu schätzen.
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Ich bin verbunden, die Erinnerung, die ich gegen dieses Argument darlegen will, nicht gar zu weitläuftig zu machen; daher will ich von der gegründeten Einwendung, die ich hiebei noch machen könnte, nichts erwähnen, dass die Momente des Druckes der sich ausspannenden Feder auch nach dem Geständnisse der Leibnizianer nur tote Kräfte sein, folglich, so wohl sie, als die damit dem Körper erteilte Momente der Kraft, nur schlechthin nach den Geschwindigkeiten müssen geschätzet werden, mithin auch die ganze Kraft, die die Summe dieser Momente ist; sondern ich will auf eine jedermann bekannte mechanische Art, die die Deutlichkeit der Geometrie an sich hat, verfahren, aber zugleich etwas ausführlich erläutern, nicht als wenn die Sache nicht leicht genug wäre, dass sie auch kürzer könnte begriffen werden, sondern damit alle Verwirrung, die in Ansehung der Wirkung der Federn bis daher in dem Streite der Kräftenschätzung geherrschet hat, ein vor allemal gänzlich abgetan werde.
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Herr von Musschenbroek spricht: die Feder ist in beiden Fällen gleich gespannet, folglich hat sie in beiden gleiche Kraft, sie teilet aber jedesmal ihrem Zylinder ihre ganze Kraft mit, also gibet sie auch beide Male, wenn sie sich ausstrecket, ihrem Zylinder eine [[A 230>> gleiche Kraft. Dieses ist das Fundament des Beweises, aber auch des Irrtums, wiewohl dieser nicht so wohl persönlich dem Herrn von Musschenbroek, als vielmehr den gesamten Verteidigern der Leibnizischen Kräftenschätzung eigen ist.
Eine gleich gespannte Feder teilet einem grösseren Körper eine grössere Kraft mit, als einem kleinern
Wenn man von der ganzen Kraft einer Feder redet, so kann man darunter nichts anders als die Intension ihrer Spannung verstehen, welche derjenigen Kraft gleich ist, die der Körper, in den sie wirket, in einem Moment von dem Drucke derselben überkommt. In Ansehung dieser kann man wohl sagen, dass sie gleich sei, der Körper, in den die Feder wirket, mag gross oder klein sein. Allein, wenn man auf diejenige Kraft siehet, welche dieselbe in einen Körper in einer gewissen Zeit durch ihre fortgesetzte Drückung hineihbringt, so ist offtnbar: dass die Grösse der auf diese Weise in den Körper gebrachten Kraft auf die Grösse der Zeit ankomme, in welcher die gleiche Drückung sich in dem Körper gehäufet hat; und dass, je grösser diese Zeit ist, desto grösser auch die Kraft sei, die die gleich gespannte Feder in derselben dem Körper erteilet. Nun kann man aber die Zeit, die die Feder, indem sie einen Körper fortstösset, brauchet, bis sie sich ganz ausgestrecket hat, länger machen, nachdem man will, wenn man nämlich die Masse, die da fortgestossen werden soll, grösser machet, wie dieses niemanden unbewusst ist; also kann man auch nach Belieben veranstalten, dass eben dieselbe Feder bei gleicher Spannung bald mehr bald weniger Kraft durch ihre Ausstreckung austeilet, nachdem die Masse, die durch die Feder getrieben wird, vermehret oder vermindert wird. Hieraus erhellet, [[A 231>> wie widernatürlich der Ausdruck ist: dass die Feder einem Körper den sie fortstösst durch die Ausreckung ihre ganze Kraft erteile. Denn die Kraft, die sie dem Körper gibt, ist ein Erfolg, der nicht allein von der Kraft der Feder, sondern zugleich von der Beschaffenheit des gestossenen Körpers abhanget, nachdem dieser sich länger, oder kürzer unter den Drückungen dieser Feder befindet, d. i. nachdem er grösser, oder kleiner an Masse ist, die Kraft der Feder an sich betrachtet aber ist nichts anders, als das Moment ihrer Ausspannung.
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Auflösung der Musschenbroekschen Schwierigkeit
Nunmehro ist es leicht, die Verwirrung in dem Musschenbroekischen Beweise zu verhüten.
Der zweimal schwerere Zylinder ist den Drückungen der Feder länger ausgesetzet, indem diese sich ausstrecket, als der andere von einfacher Masse. Diesen stösst die Feder mit gleicher Spannungskraft geschwinder fort, und endigt den Raum ihrer Ausstreckung mit ihm in kürzerer Zeit, als mit jenem. Weil aber das Moment der Kraft, welche die Feder in jedwedem Augenblicke den Zylindern eindruckt, in beiden gleich ist (denn das Moment ihrer Geschwindigkeit ist umgekehrt wie die Massen), so muss der schwerere Zylinder durch den Antrieb der Feder mehr Kraft überkommen, als der leichtere. Also ist diejenige Schätzung falsch, nach welcher diese Kräfte in beiden würden gleich befunden werden, d. i. sie können nicht nach dem Quadrat der Geschwindigkeit geschätzet werden.
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Woher die Quad. der [[A 232>> Geschwindigkeiten der Zylinder in verkehrter Verhältnis der Massen sein
Wenn man noch die Ursache wissen will, woher [[A 232>> denn hier eben die Geschwindigkeiten der Zylinder, die sie von derselben Feder erhalten, just so proportioniert sein, dass ihre Quadrate sich umgekehit wie die Massen verhalten (welche Verhältnis eigentlich dasjenige ist, wodurch der Verteidiger des Herrn von Leibniz angelocket worden), so können wir auch dieses ohne Schwierigkeit klar machen, ohne deshalber eine andere als Cartesens Mass zu Hülfe zu nehmen.
Denn es ist aus den ersten Gründen der Mechanik bekannt: dass in einförmig beschleunigter Bewegung (motu uniformiter accelerato) die Quadrate der erlangten Geschwindigkeiten sich wie die durchgelaufene Räume verhalten; folglich, wenn die Momente der Geschwindigkeiten zweier Körper, die beide in motu uniformiter accelerato begriffen sind, ungleich sein, werden die Quadrate der Geschwindigkeiten, die sie in solcher Bewegung erlangen, in zusammengesetzter Verhältnis aus den Räumen und diesen Momenten stehen. Nun teilet aber im Musschenbroekischen Versuche die gleich gespannte Feder jedwedem Zylinder seine Bewegung motu uniformiter accelerato mit, und die Räume sind gleich, die sie mit solcher beschleunigten Bewegung durchlaufen, indem die Feder sich bis zum Punkte ihrer grössten Ausdehnung ausstrecket, also verhalten sich die Quadrate der hiebei überkommenen Gesehwindigkeiten wie die Momente der Geschwindigkeit, die die Drückung der Feder jedwedem Zylinder erteilet, d. i. umgekehrt wie die Massen dieser Zylinder.
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Nunmehro komme ich dahin, diejenige Versuche und Erfahrungen darzulegen, welche die Wirk[[A 233>>lichkeit und das Dasein der nach dem Quadrat der Geschwindigkeit zu schätzenden Kräfte in der Natur unwidersprechlich beweisen, und meinen geneigten Leser vor alle mühsame Aufmerksamkeit, die ihm gegenwärtige schlechte Aufsätze verursacht haben, mit einer siegreichen Überzeugung belohnen werden.
Versuche, die die lebendigen Kräfte beweisen
Ich habe nur mit denenjenigen zu tun, welchen die Beschaffenheit der Streitsache von den lebendigen Kräften genugsam bekannt ist. Daher setze ich voraus, dass meine Leser von den berüchtigten Versuchen der Herren Ricciolus, s’Gravesande, Poleni und von Musschenbroek hinlängliche Kundschaft haben, welche den Kräften der Körper nachforscheten, indem sie die Eindrücke massen, die dieselbe durch den Stoss in weiche Materien verursachten. Ich will nur kürzlich berühren: dass Kugeln von gleicher Grösse und Masse, die von ungleicher Höhe in die weiche Materie, z. E. Unschlitt frei herabfielen, solche Höhlen in dieselbe eingeschlagen haben, welche die Proportion der Höhen hatten, von denen sie herabgefallen waren, d. i. die Verhältnis des Quadrates ihrer Geschwindigkeiten; und dass, wenn dieselbe gleich an Grösse, aber von ungleicher Masse waren, die Höhen aber, von denen man sie fallen liess, in umgekehrter Proportion dieser Massen standen, alsdenn die in die weiche Materie eingeschlagenen Höhlen gleich befunden wurden. Wider die Richtigkeit dieser Versuche haben die Kartesianer nichts einzuwenden gewusst, es ist nur die hieraus gezogene Folgerung gewesen, darum man gestritten hat.
Die Leibnizianer haben hieraus folgendergestalt ganz richtig argumentieret. Die Hindernis, die die [[A 234>> weiche Materie der Kraft des hineindringenden Körpers entgegensetzet, ist nichts anders, als der Zusammenhang ihrer Teile, und daher bestehet dasjenige, was der Körper zu tun hat, indem er in dieselbe hineindringt, einzig und allein darin, dass er ihre Teile trennet. Es ist aber dieser Zusammenhang durch die ganze weiche Masse gleichförmig, also ist die Quantität des Widerstandes und daher auch der Kraft, die der Körper anwenden muss, dieselbe zu brechen, wie die Summe der zertrennten Teile, d. i. wie die Grösse der eingeschlagenen Höhlen. Diese aber verhalten sich, laut dem angeführten Versuche, wie die Quadrate der Geschwindigkeiten der eindringenden Körper, folglich sind die Kräfte von diesen wie die Quadrate ihrer Geschwindigkeiten.
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Einwurf der Kartesianer
Die Verteidiger des Cartesius haben hiewider nichts Tüchtiges einwenden können. Allein, weil sie ehedem mit ungezweifelter Gewissheit eingesehen hatten, dass die lebendige Kräfte durch die Mathematik verdammet würden, auf die sich gleichwohl die Leibnizianer auch beriefen, so gedachten sie, sich aus dieser Schwierigkeit so gut als sie konnten heraus zu helfen, indem sie nicht zweifelten, dass derjenige Versuch betrüglich sein müsste, welcher etwas festzusetzen schiene, was die Geometrie nicht erlaubte. Wir haben hergegen schon oben die nötige Erinnerungen beigebracht, jetzt wollen wir nur sehen, was es vor eine Ausflucht gewesen sei, deren die Kartesianer sich bedienet haben, den angeführten Versuch ungültig zu machen.
Sie wandten ein, die Leibnizianer hätten hier [[A 235>> wiederum auf die Zeit nicht Acht, in der diese Höhlen gemacht wĺren. Die Zeit sei bei der Überwindung der Hindernisse dieser weichen Materie eben so ein Knoten, als sie bei der Überwindung der Schwere gewesen war. Die eingedruckte Höhlen würden nicht in gleicher Zeit gemacht. Kurz sie waren überzeugt, dass der Einwurf von wegen der Zeit bei der Überwältigung der Hindernisse der Schwere gültig gewesen (wie er es denn auch in der Tat gewesen ist), und nun, dachten sie, könnte man ihn hie wiederum auf die Bahn bringen, und mit eben solchem Erfolg gegen die lebendige Kräfte gebrauchen.
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Wird widerleget
Ich weiss wohl, dass die Leibnizianer dieser Klage kurz abgeholfen haben, indem sie unter andern zwei Kegel von unterschiedlicher Grundflĺche in die weiche Materie fallen liessen, wobei die Zeiten, darin ihre Höhlen gemacht wurden, notwendig mussten gleich sein, und dennoch der Erfolg so wie vorher beschaffen war; allein ich will auch diesem Vorteile absagen, und die Schwierigkeit, die die Kartesianer machen, aus dem Grunde zernichten.
Bei der Wirkung der Schwere kommt die Zeit mit in Anschlag
Man darf weiter nichts tun, als die Ursache erwägen, weswegen der Widerstand der Schwerdrückung, die ein Körper überwinden soll, nicht dem Raume, sondern der Zeit proportioniert ist. Der Grund ist aber dieser. Wenn der Körper eine Feder der Schwere überwindet, so vernichtet er nicht hiedurch ihre Wirksamkeit, sondern er leistet ihr nur das Gegengewichte, sie aher behält ihre Widerstrebung dennoch unvermindert, um in ihn so lange immerfort mit gleichem Grade zu wirken, als er ihr [[A 236>> ausgesetzet ist. Wenn der Körper eine jede Feder der Gravität dadurch, dass er sie überwältiget, zugleich so zu sagen zersprengen und ihre Kraft vernichtigen möchte, so ist kein Zweifel, dass, weil jede Feder gleiche Kraft hat, der Widerstand, den der Körper erleidet, der Summe aller zersprengten Federn gleich sein würde, die Zeit möchte nun sein, wie sie wollte. Aber nun behält jede Feder, ohngeachtet sie vom Körper überwunden wird, ihre Drückungskraft, und setzet diese in ihn so lange fort, als er sich unter derselben befindet, folglich kann vor die Wirkung, die eine einzige Feder tut, nicht ein einzelner und unteilbarer Druck angegeben werden, sondern sie tut eine an einander hangende Reihe von Druckungen, welche um desto grösser ist, je längere Zeit der Körper ihr unterworfen ist, z. E. in denenjenigen Teilen des Raumes, da die Bewegung des Körpers langsamer ist, da ist auch das Zeitteilchen des Aufenthalts in jedem Punkte länger, als da, wo die Bewegung geschwinder ist, folglich erduldet er dort von einer jeden einzelnen Feder eine längere Reihe gleicher Drückungen als hier.
Dieses befindet sich bei der weichen Materie ganz anders
Allein dieses befindet sich bei der Trennung der weichen Efasse ganz anders. Ein jedes Element der weichen Masse hat eine gleiche Kraft zusammenzuhängen, und hiedurch benimmt sie dem Körper, der sie trennet, einen gleichen Grad Kraft,aber eben dadurch wird sie auch zugleich zertrennet, und tut also fortan schon keinen Widerstand mehr, die Zeit, die er sich bei ihr aufhält, mag hernach so gross sein, wie sie wolle. Denn hier wird die Feder durch eben die Wirkung, die ihrem Widerstand gleich ist, zugleich zerbrochen, und kann daher nicht noch fortfahren zu wirken, so wie die Fe[[A 237>>der der Schwere, die an sich unzerstörlich war. Daher ist der Widerstand, den die weiche Masse dem eindringenden Körper tut, wie die Summe der Federn, die er zerbricht, d. i. wie die Höhle, die er einschläget, ohne dass hiebei die Zeit im geringsten etwas zu tun hat.
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Die Leibnizianer haben Ursache, über diese wichtige Vergehung der Kartesianer mit nicht geringer Befriedigung zu triumphieren. Dieser Zufall rächet den Schimpf, den ihnen die Verweisung so mancherlei Fehltritte zugezogen hat, durch ein gleiches Schicksal an ihren Gegnern. Die Leibnizianer haben die lebendige Kräfte in solchen Fällen zu finden vermeint, darin sie nicht waren, aber was hindert dieses ? haben die Kartesianer sie doch nicht in denen Fällen sehen können, darin sie wirklich waren, und darin sie niemand ohne grosse Verblendung hätte übersehen können.
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Der angeführte Versuch also erweiset das Dasein solcher Kräfte in der Natur, die das Quadrat der Geschwindigkeit zum Masse haben; allein unsere vorhergehende Betrachtungen erklären, bei welchen Bedingungen dieselbe nicht statt haben, und auch, welche Bedingungen die einzigen sind, unter denen sie Platz finden können. Wenn man sich dieses alles nach unsrer Anweisung zu Nutze macht, so überkommt man nicht allein eine hinlängliche Gewissheit von den lebendigen Kräften, sondern auch einen Begriff von ihrer Natur, der nicht allein richtiger, sondern auch vollständiger ist, als er sonst jemals gewesen ist, oder auch hat sein können. Die besondere Beschaffenheit dieses vorhabenden Versuches gibt noch einige ausser[[A 238>>ordentliche Merkmale an die Hand, die zu besondern Anmerkungen Anlass geben können; allein ich kann mich durchaus in dieselbe nicht einlassen, nachdem die Aufmerksamkeit des geneigten Lesers, durch so viel verwickelte Untersuchungen ermüdet, vielleicht nichts mehr als den Schluss dieser Betrachtungen wünschet.
Es ist aber noch ein einziges, welches ich nicht unberührt lassen kann, weil es die vorhergehende Gesetze bestätiget, und ihnen ein grosses Licht erteilet. Der Versuch, den wir vorhaben, beweiset solche Kräfte, die die Schätzung nach dem Quadrat der Geschwindigkeit an sich haben, daher müssen, nach Massgebung der 4ten Nummer des 138. §, die Geschwindigkeiten der Widerstrebung jedes Elementes der Hindernis in diesem Versuche mit endlichen Graden geschehen, denn wenn sie nur mit unendlich kleinen geschehen möchten, wie die Drückungen der Schwere, so würde die Überwindung derselben eben so wenig als an diesen eine nach dem Quadrat zu schätzende Kraft zu erkennen geben, § 139. Wir wollen also beweisen: dass der Renisus eines jeglichen Elementes der weichen Masse nicht mit unendlich kleiner Geschwindigkeit, wie die Schwere, sondern mit einem endlichen Grade geschehe.
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Das Moment der Hindernis der weichen Materie geschiehet mit endlicher Geschwindigkeit
Wenn man die zylindrische Höhle, welche der kugelförmichte Körper in die weiche Materie einschläget, in ihre übereinanderliegende Zirkel-Scheibchen, deren Dicke unendlich klein ist, einteilet, so zeigt ein jegliches derselben das Element der verrückten Masse an. Ein jedes von diesen benimmt also dem eindringenden Körper einen unendlich kleinen Teil [[A 239>> seiner Geschwindigkeit, weil sie alle insgesamt ihm die ganze Geschwindigkeit nehmen. Da aher die Quantität eines solchen Zirkulscheibchens gegen die Masse der Kugel unendlich klein ist, so folget, dass die Geschwindigkeit seiner Widerstrebung von endlicher Grösse sein müsse, damit er dem Körper einen unendlich kleinen Teil seiner Bewegung durch seinen Widerstand benehmen könne. Also leistet ein jegliches Element der weichen Materie dem hineinschlagenden Körper ihren Widerstand mit einer Bestrebung, die ein endliches Mass der Geschwindigkeit hat. W. Z. E.
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So haben wir denn unser Geschäfte vollführet, welches in Ansehung des Vorwurfs, worauf es gerichtet war, gross genug gewesen ist, wenn nur die Ausführung diesem Unterfangen gemäss gewesen wäre. Ich bilde mir ein, dass ich, insonderheit was das Hauptwerk betrifft, auf eine unwidersprechliche Gewissheit Anspruch machen könne. In Ansehung dieses Vorzuges, dessen ich mich anmasse, kann ich die gegenwärtige Handlung nicht endigen, ohne vorher mit meinen Gläubigern die Rechnung an Gelehrsamkeit und Erfindung zu schliessen. Nach den scharfsinnigen Bemühungen der Kartesianer war es nicht schwer, die Verwirrung der Quadratschätzung mit der Mathematik zu verhüten, und nach den sinnreichen Anstalten der Leibnizianer war es fast unmöglich, sie in der Natur zu vermissen. Die Kenntnis dieser zwei äussersten Grenzen mussten1 ohne Schwierigkeit den Punkt bestimmen, darin das Wahre von beiden Seiten zusammen fiel. Diesen anzutreffen, war nichts weniger [[A 240>> als eine grosse Scharfsinnigkeit nötig, es bedurfte nur einer kleinen Abwesenheit des Parteieneifers, und ein kurzes Gleichgewicht der Gemütsneigungen, so war die Beschwerde so fort abgetan. Wenn es mir gelungen hat, in der Sache des Herrn von Leibniz einige Fehltritte wahrzunehmen, so bin ich dennoch auch hierin ein Schuldner dieses grossen Mannes, denn ich würde nichts vermocht haben, ohne den Leitfaden des vortrefflichen Gesetzes der Kontinuität, welches wir diesem unsterblichen Erfinder zu danken haben, und welches das einzige Mittel war, den Ausgang aus diesem Labyrinthe zu finden. Kurz, wenn gleich die Sache aufs beste zu meinem Vorteile ausfällt: so ist der Anteil der Ehre, der mir übrig bleibt, doch so gering, dass ich nicht befürchte, die Ehrsucht könne sich so weit erniedrigen, mir dieselbe zu missgönnen.
ENDE
A L L G E M E I N E N A T U R G E S C H I C H T E
U N D T H E O R I E D E S H I M M E L S,
O D E R V E R S U C H V O N D E R V E R F A S S U N G
U N D D E M M E C H A N I S C H E N U R S P R U N G E
D E S G A N Z E N W E L T G E B Ä U D E S
N A C H N E W T O N I S C H E N G R U N D S Ä T Z E N
A B G E H A N D E L T
TITEL DER ORIGINALAUSGABE (A)
_____
Allgemeine Naturgeschichte
und Theorie des Himmels,
oder
Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge
des ganzen Weltgebäudes
nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt.
Königsberg und Leipzig,
bey Johann Friederich Petersen, 1755.
[[A III>> DEM
ALLERDURCHLAUCHTIGSTEN
GROSSMÄCHTIGSTEN KÖNIGE UND HERRN
HERRN FRIEDERICH,
KÖNIGE VON PREUSSEN
MARKGRAFEN ZU BRANDENBURG,
DES H. R. REICHS ERZKÄMMERER UND KURFÜRSTEN,
SOUVERÄNEN UND OBERSTEN HERZOGE
VON SCHLESIEN, ETC. ETC. ETC.
MEINEM ALLERGNÄDIGSTEN KÖNIGE
UND HERRN
[[A V>> A l l e r d u r c h l a u c h t i g s t e r,
G r o s s m ä c h t i g s t e r K ö n i g
A l l e r g n ä d i g s t e r K ö n i g u n d H e r r !
Die Empfindung der eigenen Unwürdigkeit und der Glanz des Thrones können meine Blödigkeit nicht so kleinmütig machen, als [[A VI>> die Gnade, die der allerhuldreichste M o n a r c h über alle seine Untertanen mit gleicher Grossmut verbreitet, mir Hoffnung einflösset: dass die Kühnheit, der ich mich unterwinde, nicht mit ungnädigen Augen werde angesehen werden. Ich lege, hiemit in alleruntertänigster Ehrfurcht eine der geringsten Proben desjenigen Eifers zu den Füssen E w. K ö n i g l. M a j e s t ä t, womit H ö c h s t D e r o Akademien, durch die Aufmunterung [[A VII>> und den Schutz ihres erleuchteten Souveräns, zur Nacheiferung anderer Nationen in den Wissensehaften angetrieben werden. Wie beglückt würde ich sein, wenn es gegenwärtigem Versuche gelingen möchte, den Bemühungen, womit der niedrigste und ehrfurchtsvolleste Untertan unausgesetzt bestrebt ist, sich dem Nutzen seines Vaterlandes einigermassen brauchbar zu machen, das allerhöchste Wohlge[[A VIII>>fallen seines M o n a r c h e n zu erwerben. Ich ersterbe in tiefster Devotion
E w. K ö n i g l. M a j e s t ä t
alleruntertänigster Knecht,
Königsberg
den 14. März, 1755. d e r V e r f a s s e r.
[[A IX>> VORREDE
Ich habe einen Vorwurf gewählet, welcher sowohl von Seiten seiner innern Schwierigkeit, als auch in Ansehung der Religion einen grossen Teil der Leser gleich anfänglich mit einem nachteiligen Vorurteile einzunehmen vermögend ist. Das Systematische, welches die grossen Glieder der Schöpfung in dem ganzen Umfange der Unendlichkeit verbindet, zu entdecken, die Bildung der Weltkörper selber und den Ursprung ihrer Bewegungen aus dem ersten Zustande der Natur durch mechanische Gesetze herzuleiten: solche Einsichten scheinen sehr weit die Kräfte der menschlichen Vernunft zu überschreiten. Von der andern Seite drohet die Religion mit einer feierlichen Anklage über die Verwegen[[A X>>heit, da man der sich selbst überlassenen Natur solche Folgen beizumessen sich erkühnen darf, darin man mit Recht die unmittelbare Hand des höchsten Wesens gewahr wird, und besorget in dem Vorwitz solcher Betrachtungen eine Schutzrede des Gottesleugners anzutreffen. Ich sehe alle diese Schwierigkeiten wohl und werde doch nicht kleinmütig. Ich empfinde die ganze Stärke der Hindernisse, die sich entgegen setzen, und verzage doch nicht. Ich habe auf eine geringe Vermutung eine gefährliche Reise gewagt, und erblicke schon die Vorgebürge neuer Länder. Diejenigen, welche die Herzhaftigkeit haben, die Untersuchung fortzusetzen, werden sie betreten und das Vergnügen haben, selbige mit ihrem Namen zu bezeichnen.
Ich habe nicht eher den Anschlag auf diese Unternehmung gefasset, als bis ich mich in Ansehung der Pflichten der Religion in Sicherheit gesehen habe. Mein [[A XI>> Eifer ist verdoppelt worden, als ich bei jedem Schritte die Nebel sich zerstreuen sahe, welche hinter ihrer Dunkelheit Ungeheuer zu verbergen schienen und nach deren Zerteilung die Herrlichkeit des höchsten Wesens mit dem lebhaftesten Glanze hervorbrach. Da ich diese Bemühungen von aller Sträflichkeit frei weiss, so will ich getreulich anführen, was wohlgesinnete oder auch schwache Gemüter in meinem Plane anstössig finden, können, und bin bereit, es der Strenge des rechtgläubigen Areopagus mit einer Freimütigkeit zu unterwerfen, die das Merkmal einer redlichen Gesinnung ist. Der Sachwalter des Glaubens mag demnach zuerst seine Gründe hören lassen.
Wenn der Weltbau mit aller Ordnung und Schönheit nur eine Wirkung der ihren allgemeinen Bewegungsgesetzen überlassenen Materie ist, wenn die blinde Mechanik der Naturkräfte sich aus dem [[A XII>> Chaos so herrlich zu entwickeln weiss und zu solcher Vollkommenheit von selber gelanget: so ist der Beweis des göttlichen Urhebers, den man aus dem Anblicke der Schönheit des Weltgebäudes ziehet, völlig entkräftet, die Natur ist sich selbst genugsam, die göttliche Regierung ist unnötig, Epikur lebt mitten im Christentume wieder auf, und eine unheilige Weltweisheit tritt den Glauben unter die Füsse, welcher ihr ein helles Licht darreichet, sie zu erleuchten.
Wenn ich diesen Vorwurf gegründet fände, so ist die Überzeugung, die ich von der Unfehlbarkeit göttlicher Wahrheiten habe, bei mir so vermögend, dass ich alles, was ihnen widerspricht, durch sie vor gnugsam widerlegt halten und verwerfen würde. Allein eben die Übereinstimmung, die ich zwischen meinem System und der Religion antreffe, erhebet meine Zuversicht in Ansehung aller Schwierig[[A XIII>>keiten zu einer unerschrockenen Gelassenheit.
Ich erkenne den ganzen Wert derjenigen Beweise, die man aus der Schönheit und vollkommenen Anordnung des Weltbaues zur Bestätigung eines höchstweisen Urhebers ziehet. Wenn man nicht aller Überzeugung mutwillig widerstrebet, so muss man so unwidersprechlichen Gründen gewonnen geben. Allein ich behaupte: dass die Verteidiger der Religion dadurch, dass sie sich dieser Gründe auf eine schlechte Art bedienen, den Streit mit den Naturalisten verewigen, indem sie ohne Not denselben eine schwache Seite darbieten.
Man ist gewohnt, die Übereinstimmungen, die Schönheit, die Zwecke, und eine vollkommene Beziehung der Mittel auf dieselbe in der Natur zu bemerken und herauszustreichen. Allein indem man die Natur von dieser Seite erhebet, so sucht [[A XIV>> man sie anderer Seits wiederum zu verringern. Diese Wohlgereimtheit, sagt man, ist ihr fremd, sie würde, ihren allgemeinen Gesetzen überlassen, nichts als Unordnung zuwege bringen. Die Übereinstimmungen zeigen eine fremde Hand, die eine von aller Regelmässigkeit verlassene Materie in einen weisen Plan zu zwingen gewusst hat. Allein ich antworte: wenn die allgemeinen Wirkungsgesetze der Materie gleichfalls eine Folge aus dem höchsten Entwurfe sein, so können sie vermutlich keine andere Bestimmungen haben, als die den Plan von selber zu erfüllen trachten, den die höchste Weisheit sich vorgesetzet hat; oder wenn dieses nicht ist, sollte man nicht in Versuchung geraten zu glauben, dass wenigstens die Materie und ihre allgemeine Gesetze unabhängig wären, und dass die höchstweise. Gewalt, die sich ihrer so rühmlichst zu bedienen gewusst hat, zwar gross, aber doch nicht unendlich, zwar [[A XV>> mächtig, aber doch nicht allgenugsam sei ?
Der Verteidiger der Religion besorgt: dass diejenigen Übereinstimmungen, die sich aus einem natürlichen Hang der Materie erklären lassen, die Unabhängigkeit der Natur von der göttlichen Vorsehung beweisen dörften. Er gesteht es nicht undeutlich: dass, wenn man zu aller Ordnung des Weltbaues natürliche Gründe entdecken kann, die dieselbe aus den allgemeinsten und wesentlichen Eigenschaften der Materie zu Stande bringen können, so sei es unnötig, sich auf eine oberste Regierung zu berufen. Der Naturalist findet seine Rechnung dabei, diese Voraussetzung nicht zu bestreiten. Er treibt aber Beispiele auf, die die Fruchtbarkeit der allgemeinen Naturgesetze an vollkommen schönen Folgen beweisen, und bringt den Rechtgläubigen durch solche Gründe in Gefahr, welche in dessen Händen zu unü[[A XVI>>berwindlichen Waffen werden könnten. Ich will Beispiele anführen. Man hat schon mehrmalen es als eine der deutlichsten Proben einer gütigen Vorsorge, die vor die Menschen wacht, angeführt: dass in dem heissesten Erdstriche die Seewinde gerade zu einer solchen Zeit, da das erhitzte Erdreich am meisten ihrer Abkühlung bedarf, gleichsam gerufen über das Land streichen und es erquicken. Z. E. In der Insel Jamaika, so bald die Sonne so hoch gekommen ist, dass sie die empfindlichste Hitze auf das Erdreich wirft, gleich nach 9 Uhr vormittags, fängt sich an aus dem Meer ein Wind zu erheben, der von allen Seiten über das Land wehet; seine Stärke nimmt nach dem Masse zu, als die Höhe der Sonne zunimmt. Um 1 Uhr nachmittages, da es natürlicher Weise am heissesten ist, ist er am heftigsten und lässt wieder mit der Erniedrigung der Sonne allmählich nach, so dass gegen Abend eben die [[A XVII>> Stille als beim Aufgange herrschet. Ohne diese erwünschte Einrichtung würde diese Insel unbewohnbar sein. Eben diese Wohltat geniessen alle Küsten der Länder, die im heissen Erdstriche liegen. Ihnen ist es auch am nötigsten, weil, da1 sie die niedrigsten Gegenden des trockenen Landes sein, auch die grösste Hitze erleiden; denn die höher im Lande befindliche Gegenden, dahin dieser Seewind nicht reichet, sind seiner auch weniger benötigt, weil ihre höhere Lage sie in eine kühlere Luftgegend versetzet. Ist dieses nicht alles schön, sind es nicht sichtbare Zwecke, die durch klüglich angewandte Mittel bewirket worden? Allein zum Widerspiel muss der Naturalist die natürlichen Ursachen davon in den allgemeinsten Eigenschaften der Luft antreffen, ohne besondere Veranstaltungen deswegen vermuten zu dörfen. Er bemerket mit Recht, dass diese Seewinde solche periodische Bewegungen [[A XVIII>> anstellen müssen, wenn gleich kein Mensch auf solcher Insel lebete, und zwar durch keine andere Eigenschaft, als die der Luft auch ohne Absicht auf diesen Zweck bloss zum Wachstum der Pflanzen unentbehrlich vonnöten ist, nämlich durch ihre Elastizität und Schwere. Die Hitze der Sonne hebet das Gleichgewicht der Luft auf, indem sie diejenige verdünnet, die über dem Lande ist, und dadurch die kühlere Meeresluft veranlasset, sie aus ihrer Stelle zu heben und ihren Platz einzunehmen.
Was vor einen Nutzen haben nicht die Winde überhaupt zum Vorteile der Erdkugel, und was vor einen Gebrauch macht nicht der Menschen Scharfsinnigkeit aus denselben; indessen waren keine andere Einrichtungen nötig, sie hervorzubringen, als dieselbe allgemeine Beschaffenheit der Luft und Wärme, welche auch unangesehen dieser Zwecke auf der Erde befindlich sein mussten.
[[A XIX>> Gebt ihr es, sagt allhier der Freigeist, zu: dass, wenn man nützliche und auf Zwecke abzielende Verfassungen aus den allgemeinsten und einfachsten Naturgesetzen herleiten kann, man keine besondere Regierung einer obersten Weisheit nötig habe: so sehet hier Beweise, die euch auf eurem eigenen Geständnisse ertappen werden. Die ganze Natur, vornehmlich die unorganisierte, ist voll von solchen Beweisen, die zu erkennen geben, dass die sich selbst durch die Mechanik ihrer Kräfte bestimmende Materie eine gewisse Richtigkeit in ihren Folgen habe und den Regeln der Wohlanständigkeit ungezwungen genug tue. Wenn ein Wohlgesinneter, die gute Sache der Religion zu retten, diese Fähigkeit der allgemeinen Naturgesetze bestreiten will, so wird er sich selbst in Verlegenheit setzen und dem Unglauben durch eine schlechte Verteidigung Anlass zu triumphieren geben.
[[A XX>> Allein lasst uns sehen, wie diese Gründe, die man in den Händen der Gegner als schädlich befürchtet, vielmehr kräftige Waffen sind, sie zu bestreiten. Die nach ihren allgemeinsten Gesetzen sich bestimmende Materie bringt durch ihr natürliches Betragen, oder, wenn man es so nennen will, durch eine blinde Mechanik anständige Folgen hervor, die der Entwurf einer höchsten Weisheit zu sein scheinen. Luft, Wasser, Wärme erzeugen, wenn man sie sich selbst überlassen betrachtet, Winde und Wolken, Regen, Ströme, welche die Länder befeuchten, und alle die nützliche Folgen, ohne welche die Natur traurig, öde und unfruchtbar bleiben müsste. Sie bringen aber diese Folgen nicht durch ein blosses Ungefähr, oder durch einen Zufall, der eben so leicht nachteilig hätte ausfallen können, hervor, sondern man siehet: dass sie durch ihre natürliche Gesetze eingeschränkt sind, auf keine andere [[A XXI>> als diese Weise zu wirken. Was soll man von dieser Übereinstimmung denn gedenken ? Wie wäre es wohl möglich, dass Dinge von verschiedenen Naturen in Verbindung mit einander so vortreffliche Übereinstimmungen und Schönheiten zu bewirken trachten sollten, so gar zu Zwecken solcher Dinge, die sich gewissermassen ausser dem Umfange der toten Materie befinden, nämlich zum Nutzen der Menschen und Tiere, wenn sie nicht einen gemeinschaftlichen Ursprung erkenneten, nämlich einen unendlichen Verstand, in welchem aller Dinge wesentliche Beschaffenheiten beziehend entworfen worden ? Wenn ihre Naturen vor sich und unabhängig notwendig wären, was vor ein erztaunliches Ohngefähr, oder vielmehr was vor eine Unmöglichkeit würde es nicht sein, dass sie mit ihren natürlichen Bestrebungen sich gerade so zusammen passen [[A XXII>> sollten, als eine überlegte kluge Wahl sie hätte vereinbaren können.
Nunmehro mache ich getrost die Anwendung auf mein gegenwärtiges Unterfangen. Ich nehme die Materie aller Welt in einer allgemeinen Zerstreuung an und mache aus derselben ein vollkommenes Chaos. Ich sehe nach den ausgemachten. Gesetzen der Attraktion den Stoff sich bilden und durch die Zurückstossung ihre Bewegung modifizieren. Ich geniesse das Vergnügen, ohne Beihülfe willkürlicher Erdichtungen, unter der Veranlassung ausgemachter Bewegungsgesetze sich ein wohlgeordnetes Ganze erzeugen zu sehen, welches demjenigen Weltsystem so ähnlich siehet das wir vor Augen haben, dass ich mich nicht entbrechen kann, es vor dasselbe zu halten. Diese unerwartete Auswickelung der Ordnung der Natur im Grossen wird mir anfänglich verdächtig, da sie auf so schlechten und einfachen Grunde ei[[A XXIII>>ne so zusammengesetzte Richtigkeit gründet. Ich belehre mich endlich aus der vorher angezeigten Betrachtung: dass eine solche Auswickelung der Natur nicht etwas Unerhörtes an ihr ist, sondern dass ihre wesentliche Bestrebung solche notwendig mit sich bringet, und dass dieses das herrlichste Zeugnis ihrer Abhängigkeit von demjenigen Urwesen ist, welches so gar die Quelle der Wesen selber und ihrer ersten Wirkungsgesetze in sich hat. Diese Einsicht verdoppelt mein Zutrauen auf den Entwurf den ich gemacht habe. Die Zuversicht vermehret sich bei jeden Schritte, den ich mit Fortgang weiter setze, und meine Kleinmütigkeit hört völlig auf.
Aber die Verteidigung deines Systems, wird man sagen, ist zugleich die Verteidigung der Meinungen des Epikurs, welche damit die grösseste Ähnlichkeit haben. Ich will nicht völlig alle Übereinstimmung mit demselben ablehnen. Vie[[A XXIV>>le sind durch den Schein solcher Gründe zu Atheisten geworden, welche bei genauerer Erwägung sie von der Gewissheit des höchsten Wesens am kräftigsten hätten überzeugen können. Die Folgen, die ein verkehrter Verstand aus untadelhaften Grundsätzen zieht, sind öfters sehr tadelhaft, und so waren es auch die Schlüsse des Epikurs, ohnerachtet sein Entwurf der Scharfsinnigkeit eines grossen Geistes gemäss war.
Ich werde es also nicht in Abrede sein, dass die Theorie des Lukrez oder dessen Vorgängers des1 Epikurs, Leukipps, und Democritus mit der meinigen viele Ähnlichkeit habe. Ich setze den ersten Zustand der Natur, so wie jene Weltweise, in der allgemeinen Zerstreuung des Urstoffs aller Weltkörper, oder der Atomen, wie sie bei jenen genannt werden. Epikur setzte eine Schwere, die diese elementarische Teilchen zum Sinken trieb, und dieses [[A XXV>> scheinet von der Newtonischen Anziehung die ich annehme nicht sehr verschieden zu sein; er gab ihnen auch eine gewisse Abweichung von der geradlinichten Bewegung des Falles, ob er gleich in Ansehung der Ursache derselben und ihren Folgen2 ungereimte Einbildungen hatte: diese Abweichung kommt einigermassen mit der Veränderung der geradlinichten Senkung, die wir aus der Zurückstossungskraft der Teilchen herleiten, überein; endlich waren die Wirbel, die aus der verwirreten Bewegung der Atomen entstanden, ein Hauptstück in dem Lehrbegriffe des Leukipps und Democritus und man wird sie auch in dem unsrigen antreffen. So viel Verwandtschaft mit einer Lehrverfassung, die die wahre Theorie der Gottesleugnung im Altertum war, zieht indessen die meinige dennoch nicht in die Gemeinschaft ihrer Irrtümer. Auch in den aller unsinnigsten Meinungen, welche sich [[A XXVI>> bei den Menschen haben Beifall erwerben können, wird man jederzeit etwas Wahres bemerken. Ein falscher Grundsatz, oder ein paar unüberlegte Verbindungssätze leiten den Menschen von dem Fusssteige der Wahrheit durch unmerkliche Abwege bis in den Abgrund. Es bleibt ohnerachtet der angeführten Ähnlichkeit dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen der alten Kosmogonie und der gegenwärtigen, um aus dieser ganz entgegengesetzte Folgen ziehen zu können.
Die angeführten Lehrer der mechanischen Erzeugung des Weltbaues leiteten alle Ordnung, die sich an demselben wahrnehmen lässt, aus dem ungefähren Zufalle her, der die Atomen so glücklich zusammentreffen liess, dass sie ein wohlgeordnetes Ganze ausmachten. Epikur war gar so unverschämt, dass er verlangte, die Atomen wichen von ihrer geraden Bewegung ohne alle Ursache ab, um einan[[A XXVII>>der begegnen zu können. Alle insgesamt trieben diese Ungereimtheit so weit, dass sie den Ursprung aller belebten Geschöpfe eben diesem blinden Zusammenlauf beimassen und die Vernunft wirklich aus der Unvernunft herleiteten. In meiner Lehrverfassung hingegen finde ich die Materie an gewisse notwendige Gesetze gebunden. Ich sehe in ihrer gänzlichen Auflösung und Zerstreuung ein schönes und ordentliches Ganze sich ganz natürlich daraus entwickeln. Es geschiehet dieses nicht durch einen Zufall und von ungefähr, sondern man bemerket, dass natürliche Eigenschaften es notwendig also mit sich bringen. Wird man hiedurch nicht bewogen zu fragen: warum musste denn die Materie gerade solche Gesetze haben, die auf Ordnung und Wohlanständigkeit abzwecken ? war es wohl möglich, dass viele Dinge, deren jedes seine von dem andern unabhängige Natur hat, einander von selber [[A XXVIII>> gerade so bestimmen sollten, dass ein wohlgeordnetes Ganze daraus entspringe, und wenn sie dieses tun, gibt es nicht einen unleugbaren Beweis von der Gemeinschaft ihres ersten Ursprungs ab, der ein allgenugsamer höchster Verstand sein muss, in welchem die Naturen der Dinge zu vereinbarten Absichten entworfen worden?
Die Materie, die der Urstoff aller Dinge ist, ist also an gewisse Gesetze gebunden, welchen sie frei überlassen notwendig schöne Verbindungen hervorbringen muss. Sie hat keine Freiheit, von diesem Plane der Vollkommenheit abzuweichen. Da sie also sich einer höchst weisen Absicht unterworfen befindet, so muss sie notwendig in solche übereinstimmende Verhältnisse durch eine über sie herrschende erste Ursache versetzt worden sein, und e s i s t e i n G o t t e b e n d e s w e g e n, w e i l d i e N a t u r a u c h s e l b s t i m C h a o s n i c h t a n d e r s [[A XXIX>> a l s r e g e l m ä s s i g u n d o r d e n t l i c h v e r f a h r e n k a n n.
Ich habe so viel gute Meinung von der redlichen Gesinnung dererjenigen, die diesem Entwurfe die Ehre tun, ihn zu prüfen, dass ich mich versichert halte, die angeführte Gründe werden, wo sie noch nicht alle Besorgnis schädlicher Folgen von meinem System aufheben können, dennoch wenigstens die Lauterkeit meiner Absicht ausser Zweifel setzen. Wenn es dem ungeachtet boshafte Eiferer gibt, die es vor eine würdige Pflicht ihres heiligen Berufs halten, den unschuldigsten Meinungen schädliche Auslegungen anzuheften, so bin ich versichert, dass ihr Urteil bei Vernünftigen gerade die entgegengesetzte Wirkung ihrer Absicht hat. Man wird mich übrigens des Rechts nicht berauben, das Cartesius, als er die Bildung der Weltkörper aus bloss mechanischen Gesetzen zu erklären wagte, bei billigen Richtern je[[A XXX>>derzeit genossen hat. Ich will deswegen die Verfasser der allgemeinen Welthistorie* anführen: „Indessen können wir nicht anders als glauben: dass der Versuch dieses Weltweisen, der sich bemühet, die Bildung der Welt in gewisser Zeit aus wüster Materie durch die blosse Fortsetzung einer einmal eingedrückten Bewegung zu erklären, und solches auf einige wenige leichte und allgemeine Bewegungsgesetze gebracht, so wenig als anderer, d i e s e i t d e m m i t m e h r e r e m B e i f a l l e b e n d a s v e r s u c h t h a b e n a u s d e n u r s p r ü n g l i c h e n u n d a n e r s c h a f f e n e n E i g e n s c h a f t e n d e r M a t e r i e z u t u n, strafbar oder Gott verkleinerlich sei, wie sich manche eingebildet haben, i n d e m d a d u r c h v i e l m e h r e i n h ö h e r e r B e g r i f f s e i n e r u n e n d l i c h e n W e i s h e i t v e r u r s a c h t w i r d.”
Ich habe die Schwierigkeiten, die von Seiten der Religion meine Sätze zu bedrohen schienen, hinweg zu räumen gesucht. [[A XXXI>> Es gibt einige nicht geringere in Ansehung der Sache selber. Wenn es gleich wahr ist, wird man sagen, dass Gott in die Kräfte der Natur eine geheime Kunst gelegt hat, sich aus dem Chaos von selber zu einer vollkommenen Weltverfassung auszubilden, wird der Verstand des Menschen, der bei den gemeinsten Gegenständen so blöd ist, in so grossem Vorwurfe die verborgene Eigenschaften zu erforschen vermögend sein ? Ein solches Unterfangen heisst eben so viel als wenn man sagte: G e b t m i r n u r M a t e r i e, i c h w i l l e u c h e i n e W e l t d a r a u s b a u e n. Kann dich die Schwäche deiner Einsichten, die an den geringsten Dingen, welche deinen Sinnen täglich und in der Nähe vorkommen, zu schanden wird, nicht lehren: dass es vergeblich sei, das Unermessliche und das, was in der Natur vorging, ehe noch eine Welt war, zu entdecken ? Ich vernichte diese Schwierigkeit, indem deutlich1 zeige, dass [[A XXXII>> eben diese Untersuchung unter allen, die in der Naturlehre aufgeworfen werden können, diejenige sei, in welcher man am leichtesten und sichersten bis zum Ursprunge gelangen kann. Eben so wie unter allen Aufgaben der Naturforschung keine mit mehr Richtigkeit und Gewissheit aufgelöset worden, als die wahre Verfassung des Weltbaues im Grossen, die Gesetze der Bewegungen und das innere Triebwerk der Umläufe aller Planeten; als worin die Newtonische Weltweisheit solche Einsichten gewähren kann, dergleichen man sonst in keinem Teile der Weltweisheit antrifft; eben also, behaupte ich, sei unter allen Naturdingen, deren erste Ursache man nachforschet, der Ursprung des Weltsystems und die Erzeugung der Himmelskörper, samt den Ursachen ihrer Bewegungen, dasjenige, was man am ersten gründlich und zuverlässig einzusehen hoffen darf. Die Ursache hievon ist leicht zu ersehen. Die [[A XXXIII>> Himmelskörper sind runde Massen, also von der einfachsten Bildung, die ein Körper, dessen Ursprung man sucht, nur immer haben kann. Ihre Bewegungen sind gleichfalls unvermischt. Sie sind nichts als eine freie Fortsetzung eines einmal eingedrückten Schwunges, welcher, mit der Attraktion des Körpers im Mittelpunkte verbunden, kreisförmicht wird. Überdem ist der Raum, darin sie sich bewegen, leer, die Zwischenweiten, die sie von einander absondern, ganz ungemein gross und also alles sowohl zur unverwirrten Bewegung, als auch deutlichen Bemerkung derselben auf das deutlichste aus einander gesetzt. Mich dünkt, man könne hier in gewissem Verstande ohne Vermessenheit sagen: G e b e t m i r M a t e r i e, i c h w i l l e i n e W e l t d a r a u s b a u e n ! das ist, gebet mir Materie, ich will euch zeigen, wie eine Welt daraus entstehen soll. Denn wenn Materie vorhanden ist, welche mit einer we[[A XXXIV>>sentlichen Attraktionskraft begabt ist, so ist es nicht schwer, diejenigen Ursachen zu bestimmen, die zu der Einrichtung des Weltsystems, im Grossen betrachtet, haben beitragen können. Man weiss was dazu gehöret, dass ein Körper eine kugelrunde Figur erlange, man begreift was erfordert wird, dass frei schwebende Kugeln eine kreisförmige Bewegung um den Mittelpunkt anstellen gegen den sie gezogen werden. Die Stellung der Kreise gegeneinander, die Übereinstimmung der Richtung, die Exzentrizität, alles kann auf die einfachsten mechanischen Ursachen gebracht werden, und man darf mit Zuversicht hoffen, sie zu entdecken, weil sie auf die leichtesten und deutlichsten Gründe gesetzt werden können. Kann man aber wohl von den geringsten Pflanzen oder Insekt sich solcher Vorteile rühmen ? Ist man in Stande zu sagen: G e b t m i r M a t e r i e, i c h w i l l e u c h z e i g e n, w i e e i n e [[A XXXV>> R a u p e e r z e u g e t w e r d e n k ö n n e ? Bleibt man hier nicht bei dem ersten Schritte, aus Unwissenheit der wahren innern Beschaffenheit des Objekts und der Verwickelung der in demselben vorhandenen Mannigfaltigkeit, stecken ? Man darf es sich also nicht befremden lassen, wenn ich mich unterstehe zu sagen: dass eher die Bildung aller Himmelskörper, die Ursach ihrer Bewegungen, kurz, der Ursprung der ganzen gegenwärtigen Verfassung des Weltbaues, werde können eingesehen werden, ehe die Erzeugung eines einzigen Krauts oder einer Raupe, aus mechanischen Gründen, deutlich und vollständig kund werden wird.
Dieses sind die Ursachen, worauf ich meine Zuversicht gründe, dass der physische Teil der Weltwissenschaft künftighin noch wohl eben die Vollkommenheit zu hoffen habe, zu der N e w t o n die mathematische Hälfte derselben erhoben hat. [[A XXXVI>> Es sind nächst den Gesetzen, nach welchen der Weltbau, in der Verfassung darin er ist, bestehet, vielleicht keine anderen in der ganzen Naturforschung solcher mathematischen Bestimmungen fähig, als diejenigen, nach welchen er entstanden ist, und ohne Zweifel würde die Hand eines versuchten Messkünstlers hier nicht unfruchtbare Felder bearbeiten.
Nachdem ich den Vorwurf meiner Betrachtung einer günstigen Aufnahme zu empfehlen mir habe angelegen sein lassen: so wird man mir erlauben, mich wegen der Art, nach der ich ihn abgehandelt habe, kürzlich zu erklären. Der erste Teil gehet mit einem neuen System des Weltgebäudes im Grossen um. Herrn1 W r i g h t v o n D u r h a m, dessen Abhandlung ich aus den Hamburgischen freien Urteilen vom Jahr 1751 habe kennen lernen, hat mir zuerst Anlass gegeben, die Fixsterne nicht als ein ohne sichtbare Ord[[A XXXVII>>nung zerstreutes Gewimmel, sondern als ein System anzusehen, welches mit einem planetischen die grösste Ähnlichkeit hat, so dass, gleichwie in diesem die Planeten sich einer gemeinschaftlichen Fläche sehr nahe befinden, also auch die Fixsterne sich in ihren Lagen auf eine gewisse Fläche, die durch den ganzen Himmel muss gezogen gedacht werden, so nahe als möglich beziehen und durch ihre dichteste Häufung zu derselben denjenigen lichten Streif darstellen, welcher die Milchstrasse genannt wird. Ich habe mich vergewissert, dass, weil diese von unzähligen Sonnen erleuchtete Zone sehr genau die Richtung eines grössten Zirkels hat, unsere Sonne sich dieser grossen Beziehungsfläche gleichfalls sehr nahe befinden müsse. Indem ich den Ursachen dieser Bestimmung nachgegangen bin, habe ich sehr wahrscheinlich zu sein befunden: dass die so genannten Fixsterne, oder feste Sterne, wohl eigentlich [[A XXXVIII>> langsam bewegte Wandelsterne einer höhern Ordnung sein könnten. Zur Bestätigung dessen, was man an seinem Orte von diesem Gedanken antreffen wird, will ich allhier nur eine Stelle aus einer Schrift des Herrn B r a d l e y von der Bewegung der Fixsterne anführen. „Wenn man aus dem Erfolg der Vergleichung unserer besten jetzigen Beobachtungen, mit denen welche vor diesem mit einem erträglichen Grade der Richtigkeit angestellet worden, ein Urteil fällen will, so erhellet: dass einige Fixsterne wirklich ihren Stand gegen einander verändert haben, und zwar so, dass man siehet, dass dieses nicht irgend von einer Bewegung in unserm Planetengebäude herrühret, sondern dass es bloss einer Bewegung der Sterne selber zugeschrieben werden kann. Der A r k t u r gibt einen starken Beweis hievon an die Hand. Denn wenn man desselben ge[[A XXXIX>>genwärtige Deklination mit seinem Orte, wie derselbe so wohl von T y c h o als auch von F l a m m s t e e d ist bestimmt worden, vergleicht, so wird man finden: dass der Unterschied grösser ist, als man ihn von der Ungewissheit ihrer Beobachtungen herzurühren vermuten kann. Man hat Ursache zu vermuten: dass auch andere Exempel von gleicher Beschaffenheit unter der grossen Anzahl der sichtbaren Sterne vorkommen müssen, weil ihre Lagen gegeneinander durch mancherlei Ursachen können verändert werden. Denn wenn man sich vorstellt, dass unser eigenes Sonnengebäude seinen Ort in Ansehung des Weltraums verändert: so wird dieses nach Verlauf einiger Zeit eine scheinbare Veränderung der Winkelentfernungen der Fixsterne verursachen. Und weil dieses in solchem Falle in die Örter der nächsten Sterne einen grösseren Einfluss haben würde, [[A XL>> als in die Örter dererjenigen, welche weit entfernet sind, so würden ihre Lagen sich zu verändern scheinen, obgleich die Sterne selbst wirklich unbeweglich blieben. Und wenn im Gegenteil unser eigen Planetengebäude stille steht und einige Sterne wirklich eine Bewegung haben: so wird dieses gleichfalls ihre scheinbare Lage verändern, und zwar um destomehr, je näher sie bei uns sind, oder je mehr die Richtung der Bewegung so beschaffen ist, dass sie von uns kann wahrgenommen werden. Da nun also die Lagen der Sterne von so mancherlei Ursachen können verändert werden, indem man die erstaunlichen Entfernungen, in welchen ganz gewiss einige gelegen sind, betrachtet: so werden wohl die Beobachtungen vieler Menschenalter nötig sein, die Gesetze der scheinbaren Veränderungen, auch eines einzigen Sternes, zu bestimmen. Viel [[A XLI>> schwerer muss es also noch sein, die Gesetze für alle die merkwürdigsten Sterne festzusetzen.“
Ich kann die Grenzen nicht genau bestimmen, die zwischen dem System des Herrn W r i g h t und dem meinigen anzutreffen sein, und in welchen Stücken ich seinen Entwurf bloss nachgeahmet, oder weiter ausgeführt habe. Indessen boten sich mir nach der Hand annehmungswürdige Gründe dar, es auf der einen Seite beträchtlich zu erweitern. Ich betrachtete die Art neblichter Sterne, deren Hen von M a u p e r t u i s in der Abhandlung v o n d e r F i g u r d e r G e s t i r n e* gedenket, und die die Fi[[A XLII>>gur von mehr oder weniger offenen Ellipsen vorstellen, und versicherte mich [[A XLIII>> leicht, dass sie nichts anders als eine Häufung vieler Fixsterne sein können. Die [[A XLIV>> jederzeit abgemessene Rundung dieser Figuren belehrte mich, dass hier ein unbegreiflich zahlreiches Sternenheer, und zwar um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt, müsste geordnet sein, weil sonst ihre freie Stellungen gegen einander wohl irreguläre Gestalten, aber nicht abgemessene Figuren vorstellen würden. Ich sahe auch ein: dass sie in dem System, darin sie sich vereinigt befinden, vornehmlich auf die Fläche beschränkt sein müssten, weil sie nicht zirkelrunde, sondern elliptische Figuren abbilden, und dass sie wegen ihres blassen Lichts unbegreiflich weit von uns abstehen. Was ich aus diesen Analogien geschlossen habe, wird die Abhandlung selber der Untersuchung des vorurteilfreien Lesers darlegen.
In dem z w e i t e n Teile, der den eigentlichsten Vorwurf dieser Abhandlung in sich enthält, suche ich die Verfas[[A XLV>>sung des Weltbaues aus dem einfachsten Zustande der Natur bloss durch mechanische Gesetze zu entwickeln. Wenn ich mich unterstehen darf, denenjenigen, die sich über die Kühnheit dieses Unternehmens entrüsten, bei der Prüfung, womit sie meine Gedanken beehren, eine gewisse Ordnung vorzuschlagen, so wollte ich bitten, das a c h t e H a u p t s t ü c k zuerst durchzulesen, welches, wie ich hoffe, ihre Beurteilung zu einer richtigen Einsicht vorbereiten kann. Wenn ich indessen den gneigten Leser zur Prüfung meiner Meinungen einlade, so besorge ich mit Recht, dass, da Hypothesen von dieser Art gemeiniglich nicht in viel besseren Ansehen, als philosophische Träume stehen, es eine saure Gefälligkeit vor einen Leser ist, sich zu einer sorgfältigen Untersuchung von selbst erdachten Geschichten der Natur zu entschliessen und dem Verfasser durch alle die Wendungen, dadurch er den Schwie[[A XLVI>>rigkeiten, die ihm aufstossen, ausweichet, geduldig zu folgen, um vielleicht am Ende, wie die Zuschauer des londonschen Marktschreiers*, seine eigne Leichtgläubigkeit zu belachen. Indessen getraue ich mir zu versprechen: dass, wenn der Leser durch das vorgeschlagene Vorbereitungs-Hauptstück hoffentlich wird überredet worden sein, auf so wahrscheinliche Vermutungen doch ein solches physisches Abenteuer zu wagen, er auf dem Fortgange des Weges nicht so viel krumme Abwege und unwegsame Hindernisse, als er vielleicht anfänglich besorgt, antreffen werde.
Ich habe mich in der Tat mit grössester Behutsamkeit aller willkürlichen Erdichtungen entschlagen. Ich habe, nachdem ich die Welt in das einfachste Chaos versetzt, keine andere Kräfte als die Anziehungs- und Zurückstossungskraft [[A XLVII>> zur Entwickelung der grossen Ordnung der Natur angewandt, zwei Kräfte, welche beide gleich gewiss, gleich einfach und zugleich gleich ursprünglich und allgemein sind. Beide sind aus der Newtonischen Weltweisheit entlehnet. Die erstere ist ein nunmehro ausserzweifelgesetztes Naturgesetz. Die zweite, welcher vielleicht die Naturwissenschaft des N e w t o n nicht so viel Deutlichkeit als die erstere1 gewähren kann, nehme ich hier nur in demjenigen Verstande an, da sie niemand in Abrede ist, nämlich bei der feinsten Auflösung der Materie, wie z. E. bei den Dünsten. Aus diesen so einfachen Gründen habe ich auf eine ungekünstelte Art, ohne andere Folgen zu ersinnen, als diejenigen, worauf die Aufmerksamkeit des Lesers ganz von selber verfallen muss, das folgende System hergeleitet.
Man erlaube mir schlüsslich, wegen der Gültigkeit und des angeblichen Wertes [[A XLVIII>> derjenigen Sätze, die in der folgenden Theorie vorkommen werden und wornach ich sie vor billigen Richtern geprüft zu werden wünsche, eine kurze Erklärungen1 zu tun. Man beurteilt billig den Verfasser nach demjenigen Stempel, den er auf seine Ware druckt; daher hoffe ich, man werde in den verschiedenen Teilen dieser Abhandlung keine strengere Verantwortung meiner Meinungen fodern, als nach Massgebung des Werts, den ich von ihnen selber ausgebe. Überhaupt kann die grösste geometrische Schärfe und mathematische Unfehlbarkeit niemals von einer Abhandlung dieser Art verlangt werden. Wenn das System auf Analogien und Übereinstimmungen, nach den Regeln der Glaubwürdigkeit und einer richtigen Denkungsart, gegründet ist: so hat es allen Foderungen seines Objekts genug getan. Diesen Grad der Tüchtigkeit meine ich in einigen Stücken die[[A XLIX>>ser Abhandlung, als in der Theorie der Fixsternensystemen, in der Hypothese von der Beschaffenheit der neblichten Sterne, in dem allgemeinen Entwurfe von der mechanischen Erzeugungsart des Weltbaues, in der Theorie von dem Saturnusringe und einigen andern erreicht zu haben. Etwas minder Überzeugung werden einige besondere Teile der Ausführung gewähren, wie z. E. die Bestimmung der Verhältnisse der Exzentrizität, die Vergleichung der Massen der Planeten, die mancherlei Abweichungen der Kometen, und einige andere.
Wenn ich daher in dem siebenten Hauptstück, durch die Fruchtbarkeit des Systems und die Annehmlichkeit des grössten und wunderwürdigsten Gegenstandes, den man sich nur denken kann, angelocket, zwar stets an dem Leitfaden der Analogie und einer vernünftigen Glaubwürdigkeit, doch mit einiger Kühn[[A L>>heit die Folgen des Lehrgebäudes so weit als möglich fortsetze; wenn ich das Unendliche der ganzen Schöpfung, die Bildung neuer Welten und den Untergang der alten, den unbeschränkten Raum des Chaos der Einbildungskraft darstelle: so hoffe ich, man werde der reizenden Annehmliehkeit des Objekts und dem Vergnügen, welches man hat, die Übereinstimmungen einer Theorie in ihrer grössesten Ausdehnung zu sehen, so viel Nachsicht vergönnen, sie nicht nach der grössten geometrischen Strenge, die ohnedem bei dieser Art der Betrachtungen nicht statt hat, zu beurteilen. Eben dieser Billigkeit versehe ich mich in Ansehung des dritten Teiles. Man wird indessen allemal etwas mehr wie bloss Willkürliches, obgleich jederzeit etwas weniger als Ungezweifeltes, in selbigen antreffen.
[[A LI>> INHALT
DES GANZEN WERKS
ERSTER TEIL
Abriss einer allgemeinen systematischen Verfassung unter den Fixsternen, aus den Phaenomenis der Milchstrasse hergeleitet. Ähnlichkeit dieses Fixsternensystems mit dem Systeme der Planeten. Entdeckung vieler solcher Systeme, die sich in der Weite des Himmels, in Gestalt elliptischer Figuren, zeigen. Neuer Begriff von der systematischen Verfassung der ganzen Schöpfung.
B e s c h l u s s. Wahrscheinliche Vermutung mehrer1 Planeten über dem Saturn, aus dem Gesetze, nach welchem die Exzentrizität der Planeten mit den Entfernungen zunimmt.
ZWEITER TEIL
Erstes Hauptstück
G r ü n d e v o r d i e L e h r v e r f a s s u n g e i n e s m e c h a n i s c h e n U r s p r u n g s d e r W e l t. Gegengründe. Einziger Begriff unter allen möglichen, beiden genug zu tun. Erster Zustand der Natur. Zerstreuung der Elemente aller Materie durch den ganzen Weltraum. Erste Regung durch die Anziehung. Anfang der Bildung eines Körpers in dem Punkte der stärksten Attraktion. Allgemeine Senkung der Elemente gegen diesen Zentralkörper. Zurückstossungskraft der feinsten Teile, darin die Materie aufgelöset worden. Veränderte Rich[[A LII>>tung der sinkenden Bewegung durch die Verbindung dieser Kraft mit der erstern. Einförmige Richtung aller dieser Bewegungen nach eben derselben Gegend. Bestrebung aller Partikeln, sich zu einer gemeinschaftlichen Fläche zu dringen und daselbst zu häufen. Mässigung der Geschwindigkeit ihrer Bewegung zu einem Gleichgewichte mit der Schwere des Abstandes ihres Orts. Freier Umlauf aller Teilchen um den Zentralkörper in Zirkelkreisen. Bildung der Planeten aus diesen bewegten Elementen. Freie Bewegung der daraus zusammengesetzten Planeten in gleicher Richtung in gemeinschaftlichen Plane, nahe beim Mittelpunkte bei nahe in Zirkelkreisen, und weiter von demselben mit zunehmenden Graden der Exzentrizität.
Z w e i t e s H a u p t s t ü c k
H a n d e l t v o n d e r v e r s c h i e d e n e n D i c h t i g k e i t d e r P l a n e t e n u n d d e m V e r h ä l t n i s s e i h r e r M a s s e n. Ursache, woher die nahen Planeten dichterer Art sind, als die entferneten. Unzulänglichkeit der Erklärung des N e w t o n. Woher der Zentralkörper leichterer Art ist, als die nächst um ihn laufende Kugeln. Verhältnis der Massen der Planeten, nach der Proportion der Entfernungen. Ursache aus der Art der Erzeugung, woher der Zentralkörper die grösste Masse hat. Ausrechnung der Dünnigkeit, in welcher alle Elemente der Weltmaterie zerstreuet gewesen. Wahrscheinlichkeit und Notwendigkeit dieser Verdünnung. Wichtiger Beweis der Art der Erzeugung der Himmelskörper aus einer merkwürdigen Analogie des Herren de B u f f o n.
D r i t t e s H a u p t s t ü c k
V o n d e r E x z e n t r i z i t ä t d e r P l a n e t e n k r e i s e u n d d e m U r s p r u n g e d e r K o m e t e n. Die Exzentrizität nimmt [[A LIII>> gradweise, mit den Entfernungen von der Sonne, zu. Ursache dieses Gesetzes aus der Kosmogonie. Woher die Kometenkreise von dem Plane der Ekliptik frei ausschweifen. Beweis, dass die Kometen aus der leichtesten Gattung des Stoffes gebildet sein. Beiläufige Anmerkung von dem Nordscheine.
V i e r t e s H a u p t s t ü c k
V o n d e m U r s p r u n g e d e r M o n d e u n d d e n B e w e g u n g e n d e r P l a n e t e n u m d i e A c h s e. Der Stoff zu Erzeugung der Monde war in der Sphäre, daraus der Planet die Teile zu seiner eigenen Bildung sammlete, enthalten. Ursache der Bewegung dieser Monde mit allen Bestimmungen. Woher nur die grossen Planeten Monde haben. Von der Achsendrehung der Planeten. Ob der Mond ehedem eine schnellere gehabt habe ? Ob die Geschwindigkeit der Umwälzung der Erde sich vermindere ? Von der Stellung der Achse der Planeten gegen den Plan ihrer Kreise. Verrückung ihrer Achse.
F ü n f t e s H a u p t s t ü c k
V o n d e m U r s p r u n g e d e s S a t u r n u s r i n g e s u n d d e r B e r e c h n u n g s e i n e r t ä g l i c h e n U m d r e h u n g a u s d e m V e r h ä l t n i s s e n1 d e s s e l b e n. Erster Zustand des Saturns mit der Beschaffenheit eines, Kometen verglichen. Bildung eines Ringes aus den Teilchen seiner Atmosphäre vdrmittelst der von seinem Umschwunge eingedrückten Bewegungen. Bestimmung der Zeit seiner Achsendrehung nach dieser Hypothese. Betrachtung der Figur des Saturns. Von der sphäroidischen Abplattung der Himmelskörper überhaupt. Nähere Bestimmung der Beschaffenheit dieses Ringes. Wahrscheinliche Vermutung neuer Entdeckungen. Ob die Erde vor der Sündflut nicht einen Ring gehabt habe ?
[[A LIV>> S e c h s t e s H a u p t s t ü c k
V o n d e m Z o d i a k a l l i c h t e.
S i e b e n t e s H a u p t s t ü c k
V o n d e r S c h ö p f u n g i m g a n z e n U m f a n g e i h r e r U n e n d l i c h k e i t s o w o h l d e m R a u m e a l s d e r Z e i t n a c h. Ursprung eines grossen Systems der Fixsterne. Zentralkörper im Mittelpunkte des Sternensystems. Unendlichkeit der Schöpfung. Allgemeine systematische Beziehung in ihrem ganzen Inbegriffe. Zentralkörper der ganzen Natur. Sukzessive Fortsetzung der Schöpfung in aller Unendlichkeit der Zeiten und Räume, durch unaufhörliche Bildung neuer Welten. Betrachtung über das Chaos der ungebildeten Natur. Allmählicher Verfall und Untergang des Weltbaues. Wohlanständigkeit eines solchen Begriffes. Wiedererneurung der verfallenen Natur.
Z u g a b e z u m s i e b e n t e n H a u p t s t ü c k e
A l l g e m e i n e T h e o r i e u n d G e s c h i c h t e d e r S o n n e ü b e r h a u p t. Woher der Zentralkörper eines Weltbaues ein feuriger Körper ist. Nähere Betrachtung seiner Natur. Gedanken von den Veränderungen der ihn umgebenden Luft. Erlöschung der Sonnen. Naher Anblick ihrer Gestalt. Meinung des Herren W r i g h t von dem Mittelpunkte der ganzen Natur. Verbesserung derselben.
A c h t e s H a u p t s t ü c k
A l l g e m e i n e r B e w e i s v o n d e r R i c h t i g k e i t e i n e r m e c h a n i s c h e n L e h r v e r f a s s u n g d e r E i n r i c h t u n g d e s [[A LV>> W e l t b a u e s ü b e r h a u p t, i n s o n d e r h e i t v o n d e r G e w i s s h e i t d e r g e g e n w ä r t i g e n. Die wesentliche Fähigkeit der Naturen der Dinge, sich von selber zur Ordnung und Vollkommenheit zu erheben, ist der schönste Beweis des Daseins Gottes. Verteidigung gegen den Vorwurf des Naturalismus.
Die Verfassung des Weltbaues ist einfach und nicht über die Kräfte der Natur gesetzt. Analogien, die den mechanischen Ursprung der Welt mit Gewissheit bewähren. Eben dasselbe aus den Abweichungen bewiesen. Die Anführung einer unmittelbaren göttlichen Anordnung tut diesen Fragen kein Gnüge. Schwierigkeit, die den Newton bewog, den mechanischen Lehrbegriff aufzugeben. Auflösung dieser Schwierigkeit. Das vorgetragene System ist das einzige Mittel unter allen möglichen, beiderseitigen Gründen ein Gnüge zu leisten. Wird ferner durch das Verhältnis der Dichtigkeit der Planeten, ihrer Massen, der Zwischenräume ihres Abstandes und dem stufenartigen Zusammenhange1 ihrer Bestimmungen erwiesen. Die Bewegungsgründe der Wahl Gottes bestimmen diese Umstände nicht unmittelbar. Rechtfertigung in Ansehung der Religion. Schwierigkeiten, die sich bei einer Lehrverfassung von der unmittelbaren göttlichen Anordnung hervortun.
DRITTER TEIL
E n t h ä l t e i n e V e r g l e i c h u n g z w i s c h e n d e n E i n w o h n e r n d e r G e s t i r n e.
Ob alle Planeten bewohnt sein ? Ursache, daran zu zweifeln. Grund der physischen Verhältnisse zwischen den Bewohnern verschiedener. Planeten. Betrachtung des Menschen. Ursachen der Unvollkom[[A LVI>>menheit seiner Natur. Natürliches Verhältnis der körperlichen Eigenschaften der belebten Kreaturen, nach ihrem verschiedenen Abstande von der Sonne. Folgen dieser Verhältnis auf ihre geistige Fähigkeiten. Vergleichung der denkenden Naturen auf verschiedenen Himmelskörpern. Bestätigung aus gewissen Umständen ihrer Wohnplätze. Fernerer Beweis aus den Anstalten der göttlichen Vorsehung, die zu ihrem Besten gemacht sind. Kurze Ausschweifung.
B e s c h l u s s
Die Begebenheiten des Menschen in dem künftigen Leben.
[[A I>> KURZER ABRISS
DER NÖTIGSTEN GRUNDBEGRIFFE
DER NEWTONISCHEN WELTWISSRNSCHAFT*
DIE ZU DEM VERSTANDE DES NACHFOLGENDEN
ERFORDERT WERDEN
Sechs Planeten, davon drei Begleiter haben, Merkur, Venus, die Erde mit ihrem Monde, Mars, Jupiter mit vier und Saturn mit fünf Trabanten, die um die Sonne als den Mittelpunkt Kreise beschreiben, nebst den Kometen, die es von allen Seiten her und in sehr langen Kreisen tun, machen ein System aus, welches man das System der Sonnen oder auch den planetischen Weltbau nennt. Die Bewegung aller dieser Körper, weil sie kreisförmig und in sich selbst zurückkehrend ist, setzet zwei [[A II>> Kräfte voraus, welche bei einer jeglichen Art des Lehrbegriffs gleich notwendig sind, nämlich eine s c h i e s s e n d e K r a f t, dadurch sie in jedem Punkte ihres krummlinichten Laufes die gerade Richtung fortsetzen, und sich ins Unendliche entfernen würden, wenn nicht eine andere K r a f t, welche es auch immer sein mag, sie beständig nötigte, diese zu verlassen und in einem krummen Gleise zu laufen, der die Sonne als den Mittelpunkt umfasset. Diese zweite Kraft, wie die Geometrie selber es ungezweifelt ausmacht, zielt allenthalben zu der Sonne hin und wird daher die sinkende, die Zentripetalkraft, oder auch die Gravität genennet.
Wenn die Kreise der Himmelskörper genaue Zirkel wären, so würde die allereinfachste Zergliederung der Zusammensetzung krummlinichter Bewegungen zeigen: dass ein anhaltender Trieb gegen den Mittelpunkt dazu erfordert werde; allein obgleich sie an allen Planeten sowohl als Kometen Ellipsen sind, in deren gemeinschaftlichem Brennpunkte sich die Sonne befindet, so tut doch die höhere Geometrie mit Hülfe der Keplerischen Analogie (nach welcher der r a d i u s v e c t o r, oder die von dem Planeten zur Sonne gezogene Linie, stets solche Räume von der elliptischen Bahn abschneidet, die den Zeiten proportioniert sein) gleichfalls mit untrieglicher Gewissheit dar: dass eine Kraft den Planet in dem ganzen Kreislaufe gegen den Mittelpunkt der Sonne unablässig treiben müsse. Diese Senkungskraft, die durch den ganzen Raum des Planetensystems [[A III>> herrschet und zu der Sonne hinzielet, ist also ein ausgemachtes Phaenomenon der Natur, und eben so zuverlässig ist auch das Gesetze erwiesen, nach welchem sich diese Kraft von dem Mittelpunkte in die ferne Weiten erstrecket. Sie nimmt immer umgekehrt ab, wie die Quadrate der Entfernungen von demselben zunehmen. Diese Regel fliesst auf eme eben so untriegliche Art aus der Zeit, die die Planeten in verschiedenen Entfernungen zu ihren Umläufen gebrauchen. Diese Zeiten sind immer wie die Quadratwurzel aus den Cubis ihrer mittlern Entfernungen von der Sonne, woraus hergeleitet wird: dass die Kraft, die diese Himmelskörper zu dem Mittelpunkte ihrer Umwälzung treibt, in umgekehrten Verhältnisse der Quadrate des Abstandes abnehmen müsse.
Eben dasselbe Gesetz, was unter den Planeten herrscht, in so fern sie um die Sonne laufen, findet sich auch bei den kleinen Systemen, nämlich denen, die die um ihre Hauptplaneten bewegte Monden ausmachen. Ihre Umlaufszeiten sind eben so gegen die Entfernungen proportioniert, und setzen eben dasselbe Verhältnis der Senkungskraft gegen den Planeten fest, als dasjenige ist, dem dieser zu der Sonne hin unterworfen ist. Alles dieses ist aus der untrieglichsten Geometrie, vermittelst unstrittiger Beobachtungen, auf immer ausser Widerspruch gesetzt. Hiezu kommt noch die Idee, dass diese Senkungskraft eben derselbe Antrieb sei, der auf der Oberfläche des Planeten die Schwere genannt wird, und der von diesem sich stufenweise nach dem an[[A IV>>geführten Gesetze mit den Entfernungen vermindert. Dieses ersiehet man aus der Vergleichung der Quantität der Schwere auf der Oberfläche der Erde mit der Kraft, die den Mond zum Mittelpunkte seines Kreises hintreibt, welche gegen einander eben so wie die Attraktion in dem ganzen Weltgebäude, nämlich im umgekehrten Verhältnis des Quadrats der Entfernungen ist. Dies ist die Ursache, warum man oftgemeldete Zentralkraft auch die Gravität nennet.
Weil es überdem auch im höchsten Grade wahrscheinlich ist: dass, wenn eine Wirkung nur in Gegenwart und nach Proportion der Annäherung zu einem gewissen Körper geschiehet, die Richtung derselben auch aufs genaueste auf diesen Körper beziehend ist, zu glauben sei, dieser Körper sei, auf was für Art es auch wolle, die Ursache derselben: so hat man um deswillen Grund genug zu haben vermeinet, diese allgemeine Senkung der Planeten gegen die Sonne einer Anziehungskraft der letztern zuzuschreiben, und dieses Vermögen der Anziehung allen Himmelskörpern überhaupt beizulegen.
Wenn ein Körper also diesem Antriebe, der ihn zum Sinken gegen die Sonne oder irgend einen Planeten treibt, frei überlassen wird: so wird er in stets beschleunigter Bewegung zu ihm niederfallen und in kurzem sich mit desselben Masse vereinigen. Wenn er aber einen Stoss nach der Seite hin bekommen hat: so wird er, wenn dieser nicht so kräftig ist, dem Drucke des Sinkens genau das Gleichgewicht zu leisten, sich in einer [[A A>> gebogenen Bewegung zu dem Zentralkörper hinein senken, und wenn der Schwung, der ihm eingedruckt worden, wenigstens so stark gewesen, ihn, ehe er die Oberfläche desselben berührt, von der senkrechten Linie um die halbe Dicke des Körpers im Mittelpunkte zu entfernen, so wird er nicht dessen Oberfläche berühren, sondern, nachdem er sich dichte um ihn geschwungen hat, durch die vom Falle erlangte Geschwindigkeit sich wieder so hoch erheben, als er gefallen war, um in beständiger Kreisbewegung um ihn seinen Umlauf fortzusetzen.
Der Unterschied zwischen den Laufkreisen der Kometen und Planeten bestehet also in der Abwiegung der Seitenbewegung gegen den Druck, der sie zum Fallen treibt; welche zwei Kräfte je mehr sie der Gleichheit nahe kommen, desto ähnlicher wird der Kreis der Zirkelfigur, und je ungleicher sie sein, je schwächer die schiessende Kraft in Ansehung der Zentralkraft ist, desto länglichter ist der Kreis, oder, wie man es nennt, desto exzentrischer ist er, weil der Himmelskörper in einem Teile seiner Bahn sich der Sonne weit mehr nähert, als im andern.
Weil nichts in der ganzen Natur auf das genaueste abgewogen ist, so hat auch kein Planet eine ganz zirkelförmige Bewegung; aber die Kometen weichen am meisten davon ab, weil der Schwung, der ihnen zur Seite eingedrückt worden, am wenigsten zu der Zentralkraft ihres ersten Abstandes proportioniert gewesen.
Ich werde mich in der Abhandlung sehr oft des Ausdrucks e i n e r s y s t e m a t i s c h e n V e r f a s [[A VI>> s u n g d e s W e l t b a u e s bedienen. Damit man keine Schwierigkeit finde, sich deutlich vorzustellen, was dadurch soll angedeutet werden, so will ich mich darüber mit wenigem erklären. Eigentlich machen alle Planeten und Kometen, die zu unserem Weltbau gehören, dadurch schon ein S y s t e m aus, dass sie sich um einen gemeinschaftlichen Zentralkörper drehen. Ich nehme aber diese Benennung noch in engerem Verstande, indem ich auf die genauere Beziehungen sehe, die ihre Verbindung mit einander regelmässig und gleichförmig gemacht hat. Die Kreise der Planeten beziehen sich so nahe, wie möglich auf eine gemeinschaftliche Fläche, nämlich auf die verlängerte Äquatorsfläche der Sonne; die Abweichung von dieser Regel findet nur bei der äussersten Grenze des Systems, da alle Bewegungen allmählich aufhören, statt. Wenn daher eine gewisse Anzahl Himmelskörper, die um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt geordnet sind, und sich um selbigen bewegen, zugleich auf eine gewisse Fläche so beschränkt worden, dass sie von selbiger zu beiden Seiten nur so wenig als möglich abzuweichen die Freiheit haben; wenn die Abweichung nur bei denen, die von dem Mittelpunkte am weitesten entfernet sind, und daher an den Beziehungen weniger Anteil als die andern haben, stufenweise statt findet: so sage ich, diese Körper befinden sich in einer s y s t e m a t i s c h e n V e r f a s s u n g zusammen verbunden.
A L L G E M E I N E N A T U R G E S C H I C H T E
U N D T H E O R I E D E S H I M M E L S
E R S T E R T E I L
ABRISS EINER SYSTEMATISCHEN VERFASSUNG
UNTER DEN FIKSTERNEN,
IMGLBICHEN
VON DER VIELHEIT SOLCHER
FIXSTERNSYSTEMEN
Seht jene grosse W u n d e r k e t t e, die alle Teile dieser Welt
Vereinet und z u s a m m e n z i e h t und die das g r o s s e G a n z’ erhält.
P o p e.
[[A 1>> ALLGEMEINE NATURGESCHICHTE
UND THEORIE DES HIMMELS
ERSTER TEIL,
VON DER SYSTEMATISCHEN VERFASSUNG
UNTER DEN FIXSTERNEN
Der Lehrbegriff von der allgemeinen Verfassung des Weltbaues hat seit den Zeiten des Huygens keinen merklichen Zuwachs gewonnen. Man weiss noch zur Zeit nichts mehr, als was man schon damals gewusst hat, nämlich, dass sechs Planeten mit zehn Begleitern, welche alle beinahe auf einer Fläche die Zirkel ihres Umlaufs gerichtet haben, und die ewige1 kometische Kugeln, die nach allen Seiten ausschweifen, ein [[A 2>> System ausmachen, dessen Mittelpunkt die Sonne ist, gegen welche sich alles senkt, um welche ihre Bewegungen gehen, und von welcher sie alle erleuchtet, erwärmet und belebet werden; dass endlich die Fixsterne, als eben so viel Sonnen, Mittelpunkte von ähnlichen Systemen sein, in welchen alles eben so gross und eben so ordentlich als in den unsrigen2 eingerichtet sein mag, und dass der unendliche Weltraum von Weltgebäuden wimmele, deren Zahl und Vortrefflichkeit ein Verhältnis zur Unermesslichkeit ihres Schöpfers hat.
Das Systematische, welches in der Verbindung der Planeten, die um ihre Sonnen laufen, statt fand, verschwand allhier in der Menge der Fixsternen, und es schien, als wenn die gesetzmässige Beziehung, die im Kleinen angetroffen wird, nicht unter den Gliedern des Weltalls im Grossen herrsche; die Fixsterne bekamen kein Gesetz, durch welches ihre Lagen gegen einander eingeschränket wurden, und man sahe sie alle Himmel und aller Himmel Himmel ohne Ordnung und ohne Absicht erfüllen. Seit dem die Wissbegierde des Menschen sich diese Schranken gesetzet hat, so hat man weiter nichts getan, als die Grösse desjenigen daraus abzunehmen und zu bewundern, der in so unbegreiflich grossen Werken sich offenbaret hat.
Dem Herrn Wright von Durham, einem Engelländer, war es vorbehalten, einen glücklichen Schritt zu einer Bemerkung zu tun, welche von ihm selber zu keiner gar zu tüchtigen Absicht ge[[A 3>>braucht zu sein scheinet, und deren nützliche Anwendung er nicht genugsam beobachtet hat. Er betrachtete die Fixsterne nicht als ein ungeordnetes und ohne Absicht zerstreutes Gewimmel, sondern er fand eine systematische Verfassung im Ganzen, und eine allgemeine Beziehung dieser Gestirne gegen einen Hauptplan der Raume, die sie einnehmen.
Wir wollen den Gedanken, den er vorgetragen, zu verbessern und ihm diejenige Wendung zu erteilen suchen, dadurch er an wichtigen Folgen fruchtbar sein kann, deren völlige Bestätigung den künftigen Zeiten aufbehalten ist.
Jedermann, der den bestirnten Himmel in einer heitern Nacht ansiehet, wird denjenigen lichten Streif gewahr, der durch die Menge der Sterne, die daselbst mehr als anderwärts gehäuft sein, und durch ihre sich in der grossen Weite verlierende Kenntlichkeit, ein einförmichtes Licht darstellet, welches man mit dem Namen der M i l c h s t r a s s e benennet hat. Es ist zu bewundern, dass die Beobachter des Himmels durch die Beschaffenheit dieser am Himmel kenntlich unterschiedenen Zone nicht längst bewogen worden, sonderbare Bestimmungen in der Lage der Fixsterne daraus abzunehmen. Denn man siehet ihn die Richtung eines grössten Zirkels, und zwar in ununterbrochenem Zusammenhange, um den ganzen Himmel einnehmen, zwei Bedingungen, die eine so genaue Bestimmung und von dem Unbestimmten des Ungefährs so kenntlich unterschiedene Merkmale mit sich führen, dass auf[[A 4>>merksame Sternkundige natürlicher Weise dadurch hätten veranlasset werden sollen, der Erklärung einer solchen Erscheinung mit Aufmerksamkeit nachzuspüren.
Weil die Sterne nicht auf die scheinbare hohle Himmelssphäre gesetzet sind, sondern, einer weiter als der andere von unserm Gesichtspunkte entfernet, sich in der Tiefe des Himmels verlieren: so folget aus dieser Erscheinung, dass in den Entfernungen, darin sie einer hinter dem andern von uns abstehen, sie sich nicht in einer nach allen Seiten gleichgültigen Zerstreuung befinden, sondern sich auf eine gewisse Fläche vornehmlich beziehen müssen, die durch unsern Gesichtspunkt gehet, und welcher sie sich so nahe als möglich zu befinden bestimmet sind.
Diese Beziehung ist ein so ungezweifeltes Phaenomenon, dass auch selber die übrigen Sterne, die in dem weisslichten Streife der Milchstrasse nicht begriffen sind, doch um desto gehäufter und dichter gesehen werden, je näher ihre Örter dem Zirkel der Milchstrasse sind, so, dass von den 2000 Sternen, die das blosse Auge am Himmel entdecket, der grösste Teil in einer nicht gar breiten Zone, deren Mitte die Milchstrasse einnimmt, angetroffen wird.
Wenn wir nun eine Fläche durch den Sternenhimmel hindurch in unbeschränkte Weiten gezogen gedenken, und annehmen: dass zu dieser Fläche alle Fixsterne und Systemata eine allgemeine Beziehung ihres Orts haben, um sich derselben näher [[A 5>> als andern Gegenden zu befinden, so wird das Auge, welches sich in dieser Beziehungsfläche befindet, bei seiner Aussicht in das Feld der Gestirne, an der hohlen Kugelfläche des Firmaments, diese dichteste Häufung der Sterne in der Riehtung solcher gezogenen Fläche unter der Gestalt einer von mehrerem Lichte erleuchteten Zone erblicken. Dieser lichte Streif wird nach der Richtung eines grössten Zirkels fortgehen, weil der Stand des Zuschauers in der Fläche selber ist. In dieser Zone wird es von Sternen wimmeln, welche durch die nicht zu unterscheidende Kleinigkeit der hellen Punkte, die sich einzeln dem Gesichte entziehen, und durch ihre scheinbare Dichtigkeit, einen einförmig weisslichten Schimmer, mit einem Worte, eine Milchstrasse vorstellig machen. Das übrige Himmelsheer, dessen Beziehung gegen die gezogene Fläche sich nach und nach vermindert, oder welehes sich auch dem Stande des Beobachters näher befindet, wird mehr zerstreuet, wiewohl doch, ihrer Häufung nach, auf eben diesen Plan beziehend gesehen werden. Endlich folget hieraus, dass unsere Sonnenwelt, weil von ihr aus dieses System der Fixsterne in der Richtung eines grössesten Zirkels gesehen wird, mit in eben derselben grossen Fläche befindlich sei, und mit den übrigen ein System ausmache.
Wir wollen, um in die Beschaffenheit der allgemeinen Verbindung, die in dem Weltbaue herrschet, desto besser zu dringen, die Ursache zu entdecken suchen, welche die Örter der Fixsterne auch ei[[A 6>>ne1 gemeinschaftliche Fläche beziehend gemacht hat.
Die Sonne schränket die Weite ihrer Anziehungskraft nicht in den engen Bezirk des Planetengebäudes ein. Allem Ansehen nach erstreckt sie selbige ins Unendliche. Die Kometen, die sich sehr weit über den Kreis des Saturns erheben, werden durch die Anziehung der Sonne genötiget, wieder zurück zu kehren und in Kreisen zu laufen. Ob es also gleich der Natur einer Kraft, die dem Wesen der Materie einverleibt zu sein scheinet, gemässer ist, unbeschränkt zu sein, und sie auch wirklich von denen, die Newtons Sätze annehmen, davor erkannt wird: so wollen wir doch nur zugestanden wissen, daà diese Anziehung der Sonne ohngefähr bis zum nächsten Fixsterne reiche, und dass die Fixsterne als eben so viel Sonnen in gleichem Umfange um sich wirken, folglich dass das ganze Heer derselben einander durch die Anziehung zu nähern bestrebt sei; so finden sich alle Weltsystemen in der Verfassung, durch die gegenseitige – Annäherung, die unaufhörlich und durch nichts gehindert ist, über kurz oder lang in einen Klumpen zusammen zu fallen, wofern diesem Ruin nicht so wie bei den Kugeln unsers planetischen Systems durch die den Mittelpunkt fliehende Kräfte vorgebeugt worden, welche, indem sie die Himmelskörper von dem geraden Falle abbeugen, mit den Kräften der Anziehung in Verbindung die ewige Kreisumläufe zuwege bringen, dadurch das Gebäude der Schöpfung vor der [[A 7>> Zerstörung gesichert und zu einer unvergänglichen Dauer geschickt gemacht wird.
So haben denn alle Sonnen des Firmaments Umlaufsbewegungen, entweder um einen allgemeinen Mittelpunkt oder um viele. Man kann sich aber allhier der Analogie bedienen, dessen, was bei den Kreisläufen unserer Sonnenwelt bemerket wird: dass nämlich, gleichwie eben dieselbe Ursache, die den Planeten die Zenterfliehkraft, durch die sie ihre Umläufe verrichten, erteilet hat, ihre Laufkreise auch so gerichtet, dass sie sich alle auf eine Fläche beziehen, also auch die Ursache, welche es auch immer sein mag, die den Sonnen der Oberwelt, als so viel Wandelsternen höherer Weltordnungen die Kraft der Umwendung1 gegeben, ihre Kreise zugleich so viel möglich auf eine Fläche gebracht2, und die Abweichungen von derselben einzuschränken bestrebt gewesen.
Nach dieser Vorstellung kann man das System der Fixsterne einiger massen durch das planetische abschildern, wenn man dieses unendlich vergrössert. Denn wenn wir an statt der 6 Planeten mit ihren 10 Begleitern so viele tausend derselben, und an statt der 28 oder 30 Kometen, die beobachtet worden, ihrer hundert oder tausendmal mehr awehmen, wenn wir eben diese Körper als selbstleuchtend gedenken, so würde dem Auge des Zuschauers, das sie von der Erde ansiehet, eben der Schein als von den Fixsternen der Milchstrasse entstehen. Denn die gedachte Planeten würden, durch ihre Naheit [[A 8>> zu dem gemeinen Plane ihrer Beziehung, uns, die wir mit unserer Erde in eben demselben Plane befindlich sein, eine von unzählbaren Sternen dicht erleuchtete Zone darstellen, deren Richtung nach dem grössesten Zirkel ginge; dieser lichte Streifen würde allenthalben mit Sternen genugsam besetzet sein, obgleich gemäss der Hypothese es Wandelsterne, mithin nicht an einen Ort geheftet sind, denn es würden sich allezeit nach einer Seite Sterne genug durch ihre Versetzung befinden, obgleich andere diesen Ort geändert hätten.
Die Breite dieser erleuchteten Zone, welche eine Art eines Tierkreises vorstellet, wird durch die verschiedene Grade der Abweichung besagter Irrsterne von dem Plane ihrer Beziehung und durch die Neigung ihrer Kreise gegen dieselbe Fläche veranlasset werden; und weil die meisten diesem Plane nahe sein, so wird ihre Anzahl nach dem Masse der Entfernung von dieser Fläche zerstreuter erscheinen; die Kometen aber, die alle Gegenden ohne Unterscheid einnehmen, werden das Feld des Himmels von beiden Seiten bedecken.
Die Gestalt des Himmels der Fixsterne hat also keine andere Ursache, als eben eine dergleichen systematische Verfassung im Grossen, als der planetische Weltbau im Kleinen hat, indem alle Sonnen ein System ausmachen, dessen allgemeine Beziehungsfläche die Milchstrasse ist; die sich am wenigsten auf diese Fläche beziehende werden zur Seite gesehen, sie sind aber eben deswegen weniger ge[[A 9>>häufet, weit zerstreuter und seltener. Es sind so zu sagen die Kometen unter den Sonnen.
Dieser neue Lehrbegriff aber legt den Sonnen eine fortrückende Bewegung bei, und jedermann erkennet sie doch als unbewegt, und von Anbeginn her an ihre Örter geheftet. Die Benennung, die die Fixsterne davon erhalten haben, scheinet durch die Beobachtung aller Jahrhunderte bestätigt und ungezweifelt zu sein. Diese Schwierigkeit würde das vorgetragene Lehrgebäude vernichten, wenn sie gegründet wäre. Allein allem Ansehen nach ist dieser Mangel der Bewegung nur etwas Scheinbares. Es ist entweder nur eine ausnehmende Langsamkeit, die von der groàen Entfernung von dem gemeinen Mittelpunkte ihres Umlaufs, oder eine Unmerklichkeit, die durch den Abstand von dem Orte der Beobachtung veranlasset wird. Lasset uns die Wahrscheinlichkeit dieses Begriffes durch die Ausrechnung der Bewegung schätzen, die ein unserer Sonne naher Fixstern haben würde, wenn wir setzten, dass unsere Sonne der Mittelpunkt seines Kreises wäre. Wenn seine Weite nach dem Huygens über 21000mal grösser, als der Abstand der Sonne von der Erde angenommen wird: so ist nach dem ausgemachten Gesetze der Umlaufszeiten, die im Verhältnis der Quadratwurzel aus dem Würfel der Entfernungen vom Mittelpunkte stehen, die Zeit, die er anwenden müsste, seinen Zirkel um die Sonne einmal zu durchlaufen, von mehr als anderthalb Millionen Jahre1, und dieses wür[[A 10>>de in 4000 Jahren2 eine Verrückung seines Orts nur um einen Grad setzen. Da nun nur vielleicht sehr wenige Fixsterne der Sonne so nahe sind, als Huygens den Sirius ihr zu sein gemutmasset hat, da die Entfernung des übrigen Himmelsheeres des letzteren seine vielleicht ungemein übertrifft, und also zu solcher periodischen Umwendung ungleich längere Zeiten erfordern würden1, überdem auch wahrscheinlicher ist, dass die Bewegung der Sonnen des Sternenhimmels um einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt gehe, dessen Abstand ungemein gross, und die Fortrückung der Sterne daher überaus langsam sein kann: so lässt sich hieraus mit Wahrscheinlichkeit abnehmen, dass alle Zeit, seit der man Beobachtungen am Himmel angestellet hat, vielleicht noch nicht hinlänglich sei, die Veränderung, die in ihren Stellungen vorgegangen, zu bemerken. Man darf indessen noch nicht die Hoffnung aufgeben, auch diese mit der Zeit zu entdecken. Es werden subtile und sorgfältige Aufmerker, imgleichen eine Vergleichung weit von einander abstehender Beobachtungen dazu erfordert. Man müsste diese Beobachtungen vornehmlich auf die Sterne der Milchstrasse richten,* welche der Hauptplan aller Bewegung ist. Herr B r a d l e y hat beinahe [[A 11>> unmerkliche Fortrückungen der Sterne beobachtet. Die Alten haben Sterne an gewissen Stellen des Himmels gemerket, und wir sehen neue an andern. Wer weiss, waren es nicht die vorigen, die nur den Ort geändert haben ? Die Vortrefflichkeit der Werkzeuge und die Vollkommenheit der Sternenwissenschaft machen uns gegründete Hoffnung zu Entdeckung so sonderbarer Merkwürdigkeiten.** Die Glaubwürdigkeit der Sache selber aus den Gründen der Natur und der Analogie unterstützen diese Hoffnung so gut, dass sie die Aufmerksamkeit der Naturforscher reizen können, sie in Erfüllung zu bringen.
Die Milchstrasse ist, so zu sagen, auch der Tierkreis neuer Sterne, welche fast in keiner andern Himmelsgegend, als in dieser, wechselsweise sich sehen lassen und verschwinden. Wenn diese Abwechselung ihrer Sichtbarkeit von ihrer periodischen Entfernung und Annäherung zu uns herrühret, so scheinet wohl, aus der angeführten systematischen Verfassung der Gestirne, dass ein solches Phaenomenon mehrenteils nur in dem Bezirk der Milchstrasse müsse gesehen werden. Denn da es Sterne sind, die in sehr ablangen Kreisen um andere Fix[[A 12>>sterne als Trabanten um ihre Hauptplaneten laufen, so erfordert es die Analogie mit unserm planetischen Weltbau, in welchem nur die dem gemeinen Plane der Bewegungen nahe Himmelskörper um sich laufende Begleiter haben, dass auch nur die Sterne, die in der Milchstrasse sind, um sich laufende Sonnen haben werden.1
Ich komme zu demjenigen Teile des vorgetragenen Lehrbegriffs, der ihn durch die erhabene Vorstellung, welche er von dem Plane der Schöpfung darstellet, am meisten reizend macht. Die Reihe der Gedanken, die mich darauf geleitet haben, ist kurz und ungekünstelt; sie bestehet in folgendem. Wenn ein System von Fixsternen, welche in ihren Lagen sich auf eine gemeinschaftliche Fläche beziehen, so wie wir die Milchstrasse entworfen haben, so weit von uns entfernet ist, dass alle Kenntlichkeit der einzelnen Sterne, daraus es bestehet, so gar dem Sehrohre nicht mehr empfindlich ist; wenn seine Entfernung zu der Entfernung der Sterne der Milchstrasse eben das Verhältnis, als diese zum Abstande der Sonne von uns hat; kurz, wenn eine solche Welt von Fixsternen in einem so unermesslichen Abstande von dem Auge des Beobachters, das sich ausserhalb demselben2 befindet, angeschauet wird: so wird dieselbe unter einem kleinen Winkel als ein mit schwachem Lichte erleuchtetes Räumchen erscheinen, dessen Figur zirkelrund sein wird, wenn seine Fläche sich dem Auge gerade zu darbietet, und elliptisch, wenn es von der Seite gesehen wird. Die [[A 13>> Schwäche des Lichts, die Figur und die kennbare Grösse des Durchmessers werden ein solches Phaenomenon, wenn es vorhanden ist, von allen Sternen, die einzeln gesehen werden, gar deutlich unterscheiden.
Man darf sich unter den Beobachtungen der Sternkundigen nicht lange nach dieser Erscheinung umsehen. Sie ist von unterschiedlichen Beobachtern deutlich wahrgenommen worden. Man hat sich über ihre Seltsamkeit verwundert; man hat gemutmasset und bisweilen wunderlichen Einbildungen, bisweilen scheinbaren Begriffen, die aber doch eben so ungegründet, als die erstern waren, Platz gegeben. Die neblichten Sterne sind es, welche wir meinen, oder vielmehr eine Gattung derselben, die der Herr von Maupertuis so beschreibet:* D a s s e s k l e i n e, e t w a s m e h r a l s d a s F i n s t e r e d e s l e e r e n H i m m e l s r a u m s e r l e u c h t e t e P l ä t z c h e n s e i n, d i e a l l e d a r i n ü b e r e i n k o m m e n, d a s s s i e m e h r o d e r w e n i g e r o f f e n e E l l i p s e n v o r s t e l l e n, a b e r d e r e n L i c h t w e i t s c h w ä c h e r i s t, a l s i r g e n d e i n a n d e r e s, d a s m a n a m H i m m e l g e w a h r w i r d. Der Verfasser der Astrotheologie bildete sich ein, dass es Öffnungen im Firmamente wären, durch welche er den Feuerhimmel zu sehen glaubte. Ein Philosoph von erleuchtetern Einsichten, der schon angeführte Herr von Maupertuis, hält sie in Betrachtung ihrer Figur und kennbaren Durchmessers vor erstaunlich [[A 14>> grosse Himmelskörper, die durch ihre von dem Drehungsschwunge verursachte grosse Abplattung, von der Seite gesehen, elliptische Gestalten darstellen.
Man wird leicht überführt, dass diese letztere Erklärung gleichfalls nicht statt finden könne. Weil diese Art von neblichten Sternen ausser Zweifel zum wenigsten eben so weit als die übrigen Fixsterne von uns entfernet sein muss: so wäre nicht allein ihre Grösse erstaunlich, nach welcher sie auch die grössesten Sterne viele tausendmal übertreffen müssten, sondern das wäre am allerseltsamsten, dass sie bei dieser auàerordentlichen Grösse, da es selbstleuchtende Körper und Sonnen sein, das allerstumpfste und schwächste Licht an sich zeigen sollten.
Weit natürlicher und begreiflicher ist es, dass es nicht einzelne so grosse Sterne, sondern Systemata von vielen sein, deren Entfernung sie in einem so engen Raume darstellet, dass das Licht, welches von jedem derselben einzeln unmerklich ist, bei ihrer unermesslichen Menge in einen einförmichten blassen Schimmer ausschlägt. Die Analogie mit dem Sternensystem, darin wir uns befinden, ihre Gestalt, welche gerade so ist, als sie es nach unserem Lehrbegriffe sein muss, die Schwäche des Lichts, die eine vorausgesetzte unendliche Entfernung erfordert: Alles stimmet vollkommen überein, diese elliptische Figuren vor eben dergleichen [[A 15>> Weltordnungen, und, so zu reden, Milchstrassen zu halten, deren Verfassung wir eben entwickelt haben; und wenn Mutmassungen, in denen Analogie und Beobachtung vollkommen übereinstimmen, einander zu unterstützen, eben dieselbe Würdigkeit haben als förmliche Beweise, so wird man die Gewissheit dieser Systemen vor ausgemacht halten müssen.1
Nunmehro hat die Aufmerksamkeit der Beobachter des Himmels Bewegungsgründe genug, sich mit diesem Vorwurfe zu beschäftigen. Die Fixsterne, wie wir wissen, beziehen sich alle auf einen gemeinschaftlichen Plan, und machen dadurch ein zusammengeordnetes Ganze, welches eine Welt von Welten ist. Man siehet, dass in unermesslichen Entfernungen es mehr solcher Sternensystemen gibt, und dass die Schöpfung in dem ganzen unendlichen Umfange ihrer Grösse allenthalben systematisch und auf einander beziehend ist.
Man könnte noch mutmassen, dass eben diese höhere Weltordnungen nicht ohne Beziehung gegen einander sein, und durch dieses gegenseitige Verhältnis wiederum ein noch unermesslicheres System ausmachen. In der Tat siehet man, dass die elliptische Figuren diese Arten2 neblichter Sterne, welche der Herr von Maupertuis anführet, eine sehr nahe Beziehung auf den Plan der Milchstrasse ha[[A 16>>ben. Es stehet hier ein weites Feld zu Entdeckungen offen, wozu die Beobachtung den Schlüssel geben muss. Die eigentlich so genannten neblichten Sterne, und die, über welche man strittig ist, sie so zu benennen, müssten nach Anleitung dieses Lehrbegriffs untersucht und geprüft werden. Wenn man die Teile der Natur nach Absichten und einem entdeckten Entwurfe betrachtet, so eröffnen sich gewisse Eigenschaften, die sonst übersehen werden und verborgen bleiben, wenn sich die Beobachtung ohne Anleitung auf alle Gegenstände zerstreuet.
Der Lehrbegriff, den wir vorgetragen haben, eröffnet uns eine Aussicht in das unendliche Feld der Schöpfung, und bietet eine Vorstellung von dem Werke Gottes dar, die der Unendlichkeit des grossen Werkmeisters gemäss ist. Wenn die Grösse eines planetischen Weltbaues, darin die Erde als ein Sandkorn kaum bemerket wird, den Verstand in Verwunderung setzt, mit welchem Erstaunen wird man entzücket, wenn man die unendliche Menge Welten und Systemen ansiehet, die den Inbegriff der Milchstrasse erfüllen; allein wie vermehrt sich dieses Erstaunen, wenn man gewahr wird, dass alle diese unermessliche Sternordnungen wiederum die Eigheit von einer Zahl machen, deren Ende wir nicht wissen, und die vielleicht eben so wie jene unbegreiflich gross, und doch wiederum noch die Einheit einer neuen Zahlverbindung ist. Wir sehen die ersten Glieder einer fortschreitenden Verhältnis von [[A 17>> Welten und Systemen, und der erste Teil dieser unendlichen Progression gibt schon zu erkennen, was man von dem Ganzen vermuten soll. Es ist hie kein Ende, sondern ein Abgrund einer wahren Unermesslichkeit, worin alle Fähigkeit der menschlichen Begriffe sinket, wenn sie gleich durch die Hülfe der Zahlwissenschaft erhoben wird. Die Weisheit, die Güte, die Macht, die sich offenbaret hat, ist unendlich, und in eben der Masse fruchtbar und geschäftig; der Plan ihrer Offenbarung muss daher eben wie sie unendlich und ohne Grenzen sein.
Es sind aber nicht allein im Grossen wichtige Entdeckungen zu machen, die den Begriff zu erweitern dienen, den man sich von der Grösse der Schöpfung machen kann. Im Kleinern ist nicht weniger unentdeckt, und wir sehen sogar in unserer Sonnenwelt die Glieder eines Syptems, die unermesslich weit von einander abstehen, und zwischen welchen man die Zwischenteile noch nicht entdecket hat. Sollte zwischen dem Saturn, dem äussersten unter den Wandelsternen, die wir kennen, und dem am wenigsten exzentrischen Kometen, der vielleicht vori einer 10 und mehrmal entlegenern Entfernung zu uns herabsteigt, kein Planet mehr sein, dessen Bewegung der kometischen näher als jener käme ? und sollten nicht noch andere mehr durch eine Annäherung ihrer Bestimmungen, vermittelst einer Reihe von Zwischengliedern, die Planeten nach und nach in Kometen verwandeln, und [[A 18>> die letztere Gattung mit der erstern zusammenhängen ?
Das Gesetz, nach welchem die Exzentrizität der Planetenkreise sich in Gegenhaltung ihres Abstandes von der Sonne verhält, unterstützt diese Vermutung. Die Exzentrizität in den Bewegungen der Planeten nimmt mit derselben Abstande von der Sonne zu, und die entfemten Planeten kommen dadurch der Bestimmung der Kometen näher. Es ist also zu vermuten, dass es noch andere Planeten über dem Saturn geben wird, welche noch exzentrischer, und dadurch also jenen noch näher verwandt, vermittelst einer beständigen Leiter die Planeten endlich zu Kometen machen. Die Exzentrizität ist bei der Venus 1/126 von der halben Achse ihres elliptischen Kreises; bei der Erde 1/58, beim Jupiter 1/20, und beim Saturn 1/17 derselben; sie nimmt also augenscheinlich mit den Entfernungen zu. Es ist wahr, Merkur und Mars nehmen sich durchihre viel grössere Exzentrizität, als das Mass ihres Abstandes von der Sonne es erlaubet, von diesem Gesetze aus; aber wir werden im Folgenden belehret werden, dass eben dieselbe Ursachen1, weswegen emigen Planeten bei ihrer Bildung eine kleinere Masse zu Teil worden, auch die Ermangelung des zum Zirkellaufe erforderlichen Schwunges, folglich die Exzentrizität nach sich gezogen, folglich sie in beiden Stücken unvollständig gelassen hat.
[[A 19>> Ist es diesem zu folge nicht wahrscheinlich: dass die Abnahme der Exzentrizität2 der über dem Saturn zunächst befindlichen Himmelskörper ohngefähr eben so gemässigt, als in den untern sei, und dass die Planeten durch minder plötzliche Abfälle mit dem Geschlechte der Kometen verwandt sein; denn es ist gewiss, dass eben diese Exzentrizität den wesentlichen Unterschied zwischen den Kometen und Planeten macht, und die Schweife und Dunstkugeln derselben nur deren Folge sein; imgleichen, dass eben die Ursache, welche es auch immerhin sein mag, die den Himmelskörpern ihre Kreisbewegungen erteilet hat, bei grössern Entfernungen nicht allein schwächer gewesen, den Drehungsschwung der Senkungskraft gleich zu machen, und dadurch die Bewegungen exzentrisch gelassen hat, sondern auch eben deswegen weniger vermögend gewesen, die Kreise dieser Kugeln auf eine gemeinschaftliche Fläche, auf welcher sich die untern bewegen, zu bringen, und dadurch die Ausschweifung der Kometen nach allen Gegenden veranlasset hat.
Man würde nach dieser Vermutung noch vielleicht die Entdeckung neuer Planeten über den Saturn zu hoffen haben, die exzentrischer als dieser, und also der kometischen Eigenschaft näher sein würden; aber eben daher würde man sie nur eine kurze Zeit, nämlich in der Zeit ihrer Sonnennähe, erblicken können, welcher Umstand zusamt dem geringen Masse der Annäherung und [[A 20>> der Schwäche des Lichts die Entdeckung desselben1 bisher verhindert haben, und auch aufs künftige schwer machen müssen. Der letzte Planet und erste Komet würde, wenn es so beliebte, derjenige können genannt werden, dessen Exzentrizität so gross wäre, dass er in seiner Sonnennähe den Kreis des ihm nächsten Planeten, vielleicht also des Saturns, durchschnitte.
[[A 21>> A L L G E M E I N E N A T U R G E S C H I C H T E
U N D T H E O R I E D E S H I M M E L S
Z W E I T E R T E I L
VON DEM ERSTEN ZUSTANDE DER NATUR, DER BILDUNG
DER HIMMELSKÖRPER, DEN URSACHEN IHRER BEWEGUNG,
UND DER SYSTEMATISCHEN BEZIEHUNG DERSELBEN,
SOWOHL IN DEM PLANETENGEBÄUDE INSONDERHEIT,
ALS AUCH IN ANSEHUNG DER GANZEN SCHÖPFUNG
Schau sich die b i l d e n d e N a t u r zu ihrem grossen Zweck bewegen,
Ein jedes S o n n e n s t ä u b c h e n sich zu einem andern S t ä u b c h e n regen,
Ein jedes, das g e z o g e n w i r d, das andere wieder a n s i c h z i e h n,
Das nächste wieder zu umfassen, es zu f o r m i e r e n sich bemühn.
Beschaue die M a t e r i e auf tausend Art und Weise sich
Zum a l l g e m e i n e n C e n t r o d r ä n g e n.
P o p e.
[[A 23>> ALLGEMEINE NATURGESCHICHTE
UND THEORIE DES HIMMELS
ZWEITER TEIL,
ERSTES HAUPTSTÜCK,
VON DEM URSPRUNGE DES PLANETISCHEN WELTBAUES
ÜBERHAUPT, UND DEN URSACHEN IHRER
BEWEGUNGEN
Die Betrachtung des Weltbaues zeiget in Ansehung der gewechselten Beziehungen, die seine Teile unter einander haben, und wodurch sie die Ursache bezeichnen, von der sie herstammen, zwo Seiten, welche beide gleich wahrscheinlich und annehmungswürdig sein. Wenn man eines Teils [[A 24>> erwäget: dass 6 Planeten mit 91 Begleitern, die um die Sonne, als ihren Mittelpunkt, Kreise beschreiben, alle nach einer Seite sich bewegen, und zwar nach derjenigen, nach welcher sich die Sonne selber drehet, welche ihrer alle Umläufe durch die Kraft der Anziehung regieret, dass ihre Kreise nicht weit von einer gemeinen Fläche abweichen, nämlich von der verlängerten Äquatorsfläche der Sonnen, dass bei den entferntesten der zur Sonnenwelt gehörigen Himmelskörper, wo die gemeine Ursache der Bewegung dem Vermuten nach nicht so kräftig gewesen, als in der Naheit zum Mittelpunkte, Abweichungen von der Genauheit dieser Bestimmungen Statt gefunden, die mit dem Mangel der eingedruckten Bewegung ein genugsames Verhältnis haben, wenn man, sage ich, allen diesen Zusammenhang erwäget: so wird man bewogen, zu glauben, dass eine Ursache, welche es auch sei, einen durchgängigen Einfluss in dem ganzen Raume des Systems gehabt hat, und dass die Einträchtigkeit in der Richtung und Stellung der planetischen Kreise eine Folge der Übereinstimmung sei, die sie alle mit derjenigen materialischen Ursache gehabt haben müssen, dadurch sie in Bewegung gesetzet worden.
Wenn wir andern Teils den Raum erwägen, in dem die Planeten unsers Systems herum laufen, so ist er vollkommen leer* und aller Mate[[A 25>>rie beraubt, die eine Gemeinschaft des Einflusses auf diese Himmelskörper verursachen, und die Übereinstimmung unter ihren Bewegungen nach sich ziehen könnte. Dieser Umstand ist mit vollkommener Gewissheit ausgemacht, und übertrifft noch, wo möglich, die vorige Wahrscheinlichkeit. Newton, durch diesen Grund bewogen, konnte keine materialische Ursache verstatten, die durch ihre Erstreckung in dem Raume des Planetengebäudes die Gemeinschaft der Bewegungen unterhalten sollte. Er behauptete, die unmittelbare Hand Gottes habe diese Anordnung ohne die Anwendung der Kräfte der Natur ausgerichtet.
Man siehet bei unparteiischer Erwägung: dass die Gründe hier von beiden Seiten gleich stark und beide einer völligen Gewissheit gleich zu schätzen sein. Es ist aber eben so klar, dass ein Begriff sein müsse, in welchem diese dem Scheine nach wider einander streitende Gründe vereiniget werden können und sollen, und dass in diesem Begriffe das wahre System zu suchen sei. Wir wollen ihn mit kurzen Worten anzeigen. In der jetzigen Verfassung des Raumes, darin die Kugeln der ganzen Planetenwelt umlaufen, ist keine materialische Ur[[A 26>>sache vorhanden, die ihre Bewegungen eindrücken oder richten könnte. Dieser Raum ist vollkommen leer, oder wenigstens so gut als leer; also muss er ehemals anders beschaffen und mit genugsam vermögender Materie erfüllet gewesen sein, die Bewegung auf alle darin befindliche Himmelskörper zu übertragen, und sie mit der ihrigen, folglich alle unter einander einstimmig zu machen, und nachdem die Anziehung besagte Räume gereinigt und alle ausgebreitete Materie in besondere Klumpen versammlet: so müssen die Planeten nunmehro mit der einmal eingedrückten Bewegung ihre Umläufe in einem nicht widerstehenden Raume frei und unverändert fortsetzen. Die Gründe der zuerst angeführten Wahrscheinlichkeit erfordern durchaus diesen Begriff, und weil zwischen beiden Fällen kein dritter möglich ist: so kann dieser mit einer vorzüglichen Art des Beifalles, welcher ihn über die Scheinbarkeit einer Hypothese erhebet, angesehen werden. Man könnte, wenn man weitläuftig sein wollte, durch eine Reihe aus einander gefolgerter Schlüsse, nach der Art einer mathematischen Methode, mit allem Gepränge, den1 diese mit sich führet, und noch mit grösserm Schein, als ihr Aufzug in physischen Materien gemeinhin zu sein pfleget, endlich auf den Entwurf selber kommen, den ich von dem Ursprunge des Weltgebäudes darlegen werde; allein ich will meine Meinungen lieber in der Gestalt einer Hypothese vortragen, und der Einsicht des Lesers es überlassen, ihre Würdigkeit zu prüfen, als durch den Schein einer erschliche[[A 27>>nen Überführung ihre Gültigkeit verdächtig machen, und, indem ich die Unwissenden einnehme, den Beifall der Kenner verlieren.
Ich nehme an: dass alle Materien, daraus die Kugeln, die zu unserer Sonnenwelt gehören, alle Planeten und Kometen bestehen, im Anfange aller Dinge in ihren elementarischen Grundstoff aufgelöset, den ganzen Raum des Weltgebäudes erfüllet haben, darin jetzo diese gebildete Körper herumlaufen. Dieser Zustand der Natur, wenn man ihn, auch ohne Absicht auf ein System, an und vor sich selbst betrachtet, scheinet nur der einfachste zu sein, der auf das Nichts folgen kann. Damals hatte sich noch nichts gebildet. Die Zusammensetzung von einander abstehender Himmelskörper, ihre nach den Anziehungen gemässigte Entfernung; ihre Gestalt, die aus dem Gleichgewichte der versammleten Materie entspringet: sind ein späterer Zustand. Die Natur, die unmittelbar mit der Schöpfung grenzete, war so roh, so ungebildet als möglich. Allein auch in den wesentlichen Eigenschaften der Elemente, die das Chaos ausmachen, ist das Merkmal derjenigen Vollkommenheit zu spüren, die sie von ihrem Ursprunge her haben, indem ihr Wesen aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes eine Folge ist. Die einfachsten, die allgemeinsten Eigenschaften, die ohne Absicht scheinen entworfen zu sein; die Materie, die bloss leidend und der Formen und Anstalten bedürftig zu sein scheinet: hat in ihrem einfachsten [[A 28>> Zustande eine Bestrebung, sich durch eine natürliche Entwickelung zu einer vollkommenern Verfassung zu bilden. Allein die V e r s c h i e d e n h e i t i n d e n G a t t u n g e n d e r E l e m e n t e träget zu der Regung1 der Natur und zur Bildung des Chaos das Vornehmste bei, als wodurch die Ruhe, die bei einer allgemeinen Gleichheit unter den zerstreuten Elementen herrschen würde, gehoben, und2 das Chaos in den Punkten der stärker anziehenden Partikeln sich zu bilden anfängt. Die Gattungen dieses Grundstoffes sind ohne Zweifel, nach der Unermesslichkeit, die die Natur an allen Seiten zeigt, unendlich verschieden. Die von grösster spezifischen Dichtigkeit und Anziehungskraft, welche an und vor sich weniger Raum einnehmen und auch seltener sein, werden daher bei der gleichen Austeilung in dem Raume der Welt zerstreuter, als die leichtern Arten sein. Elemente von 1000mal grösserer spezifischen Schwere sind tausend, vielleicht auch millionenmal zerstreuter, als die in diesem Masse leichtern. Und da diese Abfälle so unendlich als möglich müssen gedacht werden, so wird, gleichwie es körperliche Bestandteile von einer Gattung geben kann, die eine andere in dem Masse an Dichtigkeit übertrifft, als eine Kugel, die mit dem Radius des Planetengebäudes beschrieben worden, eine andere, die den tausendsten Teil einer Linie im Durchmesser hat, also auch jene Art von zerstreuten Elementen um einen so viel grössern Abstand von einander entfernet sein, als diese.
[[A 29>> Bei einem auf solche Weise erfüllten Raume dauert die allgemeine Ruhe nur einen Augenblick. Die Elemente haben wesentliche Kräfte, einander in Bewegung zu setzen, und sind sich selber eine Quelle des Lebens. Die Materie ist sofort in Bestrebung, sich zu bilden. Die zerstreuten Elemente dichterer Art sammlen, vermittelst der Anziehung, aus einer Sphäre rund um sich alle Materie von minder spezifischer Schwere; sie selber aber, zusamt der Materie, die sie mit sich vereinigt haben, sammlen sich in den Punkten, da die Teilchen von noch dichterer Gattung befindlich sein, diese gleichergestalt zu noch dichteren und so fortan. Indem man also dieser sich bildenden Natur in Gedanken durch den ganzen Raum des Chaos nachgehet, so wird man leichtlich inne: dass alle Folgen dieser Wirkung zuletzt in der Zusammerisetzung verschiedener Klumpen bestehen würde1, die nach Verrichtung ihrer Bildungen durch die Gleichheit der Anziehung ruhig und auf immer unbewegt sein würden.
Allein die Natur hat noch andere Kräfte im Vorrat, welche sich vornehmlich äussern, wenn die Materie in feine Teilchen aufgelöset ist, als wodurch selbige einander zurück stossen und durch ihren Streit mit der Anziehung diejenige Bewegung hervor bringen2, die gleichsam ein dauerhaftes Leben der Natur ist. Durch diese Zurückstossungskraft, die sich in der Elastizität der Dünste, dem Ausflusse starkriechender Körper und der Ausbreitung aller geistigen Materien offenbaret, vnd die ein unstrei[[A 30>>tiges Phaenomenon der Natur ist, werden die zu ihren Anziehungspunkten sinkende Elemente durcheinander3 von der geradlinichten Bewegung seitwärts gelenket, und der senkrechte Fall schlägt in4 Kreisbewegungen aus, die den Mittelpunkt der Senkung umfassen. Wir wollen, um die Bildung des Weltbaues deutlich zu begreifen, unsere Betrachtung von dem unendlichen Inbegriffe der Natur auf ein besonderes System einschränken, so wie dieses zu unserer Sonne gehörige ist. Nachdem wir die Erzeugung desselben erwogen haben, so werden wir auf eine ähnliche Weise zu dem Ursprunge der höhern Weltordnungen fortschreiten, und die Unendlichkeit der ganzen Schöpfung in einem Lehrbegriffe zusammen fassen können.
Wenn demnach ein Punkt in einem sehr grossen Raume befindlich ist, wo die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente stärker als allenthalben um sich wirket: so wird der in dem ganzen Umfange ausgebreitete Grundstoff elementarischer Partikeln sich zu diesem hinsenken. Die erste Wirkung dieser allgemeinen Senkung ist die Bildung eines Körpers in diesem Mittelpunkte der Attraktion, welcher so zu sagen von einem unendlich kleinen Keime, in schnellen Graden fortwächset1, aber in eben der Masse, als diese Masse sich vermehret, auch mit stärkerer Kraft die umgebenden Teile zu seiner Vereinigung beweget. Wenn die Masse dieses Zentralkörpers so weit angewachsen ist, dass die Geschwindigkeit, womit er die Teilchen von gros[[A 31>>sen Entfernungen zu sich zieht, durch die schwachen Grade der Zurückstossung, womit selbige einander hindern, seitwärts gebeuget in Seitenbewegungen ausschläget, die den Zentralkörper, vermittelst der Zenterfliehkraft, in einem Kreise zu umfassen im Stande sein: so erzeugen sich grosse Wirbel von Teilchen, deren jedes vor sich krumme Linien durch die Zusammensetzung der anziehenden und der seitwärts gelenkten Umwendungskraft beschreibet; welche Arten von Kreisen alle einander durchschneiden, wozu ihnen ihre grosse Zerstreuung in diesem Raume Platz lässt. Indessen sind diese auf mancherlei Art unter einander streitende Bewegungen natürlicher Weise bestrebt, einander zur Gleichheit zu bringen, das ist, in einen Zustand, da eine Bewegung der andern so wenig als möglich hinderlich ist. Dieses geschiehet erstlich, indem die Teilchen eines des andern Bewegung so lange einschränken, bis alle nach einer Richtung fortgehen; zweitens, dass die Partikeln ihre Vertikalbewegung, vermittelst der sie sich dem Centro der Attraktion nähern, so lange einschränken, bis sie alle, horizontal2, d. i. in parallel laufenden Zirkeln um die Sonne als ihren Mittelpunkt beweget, einander nicht mehr durchkreuzen, und durch die Gleichheit der Schwungskraft mit der senkenden sich in freien Zirkelläufen in der Höhe, da sie schweben, immer erhalten; so dass endlich nur diejenige Teilchen in dem Umfange des Raumes schweben bleiben, die durch ihr Fallen eine Geschwindigkeit, und durch die Widerstehung der andern eine Richtung bekom[[A 32>>men haben, dadurch sie eine f r e i e Z i r k e l b e w e g u n g fortsetzen können. In diesem Zustande, da alle Teilchen nach einer Richtung und in parallellaufenden Kreisen, nämlich in freien Zirkelbewegungen durch die erlangte Schwungskräfte um den Zentralkörper laufen, ist der Streit und der Zusammenlauf der Elemente gehoben, und alles ist in dem Zustande der kleinsten Wechselwirkung. Dieses ist die natürliche Folge, darein sich allemal eine Materie, die in streitenden Bewegungen begriffen ist, versetzet. Es ist also klar, dass von der zerstreuten Menge der Partikeln eine grosse Menge durch den Widerstand, dadurch sie einander auf diesen Zustand zu bringen suchen, zu solcher Genauheit der Bestimmungen gelangen muss; obgleich eine noch viel grössere Menge dazu nicht gelanget, und nur dazu dienet, den Klumpen des Zentralkörpers zu vermehren, in welchen sie sinken, indem sie sich nicht in der Höhe, darin sie schweben, frei erhalten können, sondern die Kreise der untern durchkreuzen und endlich durch deren Widerstand alle Bewegung verlieren. Dieser Körper in dem Mittelpunkte der Attraktion, der diesem zufolge das Hauptstück des planetischen Gebäudes durch die Menge seiner versammleten Materie worden ist, ist die Sonne, ob sie gleich diejenige flammende Glut alsdenn noch nicht hat, die nach völlig vollendeter Bildung auf ihrer Oberfläche hervor bricht.
Noch ist zu bemerken: dass, indem also alle Elemente der sich bildenden Natur, wie erwiesen, [[A 33>> nach einer Richtung um den Mittelpunkt der Sonne sich bewegen, bei solchen nach einer einzigen Gegend gerichteten Umläufen, die gleichsam auf einer gemeinschaftlichen Achse geschehen, die Drehung der feinen Materie in dieser Art nicht bestehen kann; weil nach den Gesetzen der Zentralbewegung alle Umläufe mit dem Plan ihrer Kreise den Mittelpunkt der Attraktion durchschneiden müssen; unter allen diesen aber um eine gemeinschaftliche Achse nach einer Richtung laufenden Zirkeln nur ein einziger ist, der den Mittelpunkt der Sonne durchschneidet, daher alle Materie von beiden Seiten dieser in Gedanken gezogenen Achse nach demjenigen Zirkel hineilet, der durch die Achse der Drehung gerade in dem Mittelpunkte der gemeinschaftlichen Senkung gehet. Welcher Zirkel der Plan der Beziehung aller herumschwebenden Elemente ist, um welchen sie sich so sehr als möglich häufen, und dagegen die von dieser Fläche entferneten Gegenden leer lassen; denn diejenigen, welche dieser Fläche, zu welcher sich alles dränget, nicht so nahe kommen können, werden sich in den Örtern, wo sie schweben, nicht immer erhalten können, sondern, indem sie an die herumschwebenden Elemente stossen, ihren endlichen Fall zu der Sonne veranlassen.
Wenn man also diesen herumschwebenden Grundstoff der Weltmaterie in solchem Zustande, darin er sich selbst durch die Anziehung und durch einen mechanischen Erfolg der allgemeinen Gesetze des Widerstandes versetzet, erwäget: so sehen wir [[A 34>> einen Raum, der zwischen zwei nicht weit von einander abstehenden Flächen, in dessen Mitte der allgemeine Plan der Beziehung sich befindet, begriffen ist, von dem Mittelpunkte der Sonne an, in unbekannte Weiten ausgebreitet, in welchem alle begriffene Teilchen, jegliche nach Massgebung ihrer Höhe und der Attraktion, die daselbst herrschet, abgemessene Zirkelbewegungen in freien Umläufen verrichten, und daher, indem sie bei solcher Verfassung einander so wenig als möglich mehr hindern, darin immer verbleiben würden, wenn die Anziehung dieser Teilchen des Grundstoffes unter einander nicht alsdenn anfinge, seine Wirkung1 zu tun und neue Bildungen, die der Same zu Planeten, welche entstehen sollen, sein, dadurch veranlassete. Denn, indem die um die Sonne in parallelen Zirkeln bewegte Elemente, in nicht gar zu grossem Unterschiede des Abstandes von der Sonne genommen, durch die Gleichheit der parallelen Bewegung, beinahe in respektiver Ruhe gegen einander sein: so tut die Anziehung der daselbst befindlichen Elemente von übertreffender spezifischer Attraktion sogleich hier eine beträchtliche Wirkung,* die Samm[[A 35>>lung der nächsten Partikeln zur Bildung eines Körpers anzufangen, der, nach dem Masse des Anwuchses seines Klumpens, seine Anziehung weiter ausbreitet, und die Elemente aus weitem Umfange zu seiner Zusammensetzung bewegt.
Die Bildung der Planeten, in diesem System, hat vor einem jeden möglichen Lehrbegriffe dieses voraus: dass der Ursprung der Massen zugleich den Ursprung der Bewegungen und die Stellung der Kreise in eben demselben Zeitpunkte darstellet; ja, dass sogar die Abweichungen von der grössesten Genauheit in diesen Bestimmungen eben sowohl, als die Übereinstimmungen selber, in einem Anblicke erhellen. Die Planeten bilden sich aus den Teilchen, welche in der Höhe, da sie schweben, genaue Bewegungen zu Zirkelkreisen haben: a l s o w e r d e n d i e a u s i h n e n z u s a m m e n g e s e t z t e M a s s e n e b e n d i e s e l b e B e w e g u n g e n, i n e b e n d e m G r a d e, n a c h e b e n d e r s e l b e n R i c h t u n g f o r t s e t z e n. Dieses ist genug, um einzusehen, woher die Bewegung der Planeten ohngefähr zirkelförmig, und ihre Kreise auf einer Fläche sein. Sie würden auch ganz genaue Zirkel sein,* wenn die [[A 36>> Weite, daraus sie die Elemente zu ihrer Bildung versammlen, sehr klein, und also der Unterschied ihrer Bewegungen sehr gering wäre. Da aber dazu ein weiter Umfang gehöret, aus dem feinen Grundstoffe, der in dem Himmelsraum so sehr zerstreuet ist, einen dichten Klumpen eines Planeten zu bilden: so ist der Unterschied der Entfernungen, die diese Elemente von der Sonne haben, und mithin auch der Unterschied ihrer Geschwindigkeiten nicht mehr geringschätzig, folglich würde nötig sein, dass, um bei diesem Unterschiede der Bewegungen dem Planeten die Gleichheit der Zentralkräfte und die Zirkelgeschwindigkeit zu erhalten, die Teilchen, die aus verschiedenen Höhen mit verschiedenen Bewegungen auf ihm zusammen kommen, eine den Mangel der andern genau ersetzten, welches, ob es gleich in der Tat ziemlich genau geschiehet,* dennoch, da an dieser vollkommenen [[A 37>> Ersetzung etwas fehlet, den Abgang an der Zirkelbewegung und die Exzentrizität nach sich ziehet. Eben so leicht erhellet, dass, obgleich die Kreise aller Planeten billig auf einer Fläche sein sollten, dennoch auch in diesem Stücke eine kleine Abweichung anzutreffen ist, weil, wie schon erwähnet, die elementarischen Teilchen, da sie sich dem allgemeinen Bestehungsplane1 ihrer Bewegungen so nahe als möglich befinden, dennoch einigen Raum von beiden Seiten desselben einschliessen; da es denn ein gar zu glückliches Ohngefähr sein würde, wenn gerade alle Planeten ganz genau in der Mitte zwischen diesen zwei Seiten, in der Fläche der Beziehung, selber sich zu bilden anfangen sollten, welches denn schon einige Neigung ihrer Kreise gegen einander veranlasset, obschon die Bestrebung der Partikeln, von beiden Seiten diese Ausweichung so sehr als möglich einzuschränken, ihr nur enge Grenzen zulässet. Man darf sich also nicht wundern, auch hier die grösseste Genauheit der Bestimmungen so wenig, wie bei allen Dingen der Natur, anzutreffen, weil überhaupt die Vielheit der Umstände, die an jeglicher Naturbeschaffenheit Anteil nehmen, eine abgemessene Regelmässigkeit nicht verstattet.
[[A 38>> ZWEITES HAUPTSTÜCK,
VON DER VERSCHIEDENEN DICHTIGKEIT DER PLANETEN
UND DEM VERHÄLTNISSE IHRER MASSEN
Wir haben gezeiget, dass die Teilchen des elementarischen Grundstoffes, da sie an und vor sich in dem Weltraume gleich ausgeteilet waren, durch ihr Niedersinken zur Sonne, in den Orten schweben geblieben, wo ihre im Fallen erlangte Geschwindigkeit gerade die Gleichheit gegen die Anziehung leistete, und ihre Richtung so, wie sie bei der Zirkelbewegung sein soll, senkrecht gegen den Zirkelstrahl ghbeuget worden. Wenn wir nun aber Partikeln von unterschiedlicher spezifischer Dichtigkeit in gleichem Abstande von der Sonne gedenken, so dringen die von grösserer spezifischen Schwere tiefer, durch den Widerstand der andern zur Sonne hindurch, und werden nicht so bald von ihrem Wege abgebeuget, als die leichteren; daher ihre Bewegung nur in einer grösseren Annäherung zur Sonne zirkelförmicht wird. Dagegen werden die Elemente leichterer Art, eher von dem geradlinichten Falle abgebeuget, in Zirkelbewegungen ausschlagen, ehe sie so tief zu dem Centro hindurchgedrungen sein, und also in grösseren Entfernungen schweben bleiben, auch durch den erfüllten Raum der Elemente nicht so tief hindurch dringen können, ohne [[A 39>> dass ihre Bewegung durch dieser ihren Widerstand geschwächet wird, und sie die grossen Grade der Geschwindigkeit, die zur Umwendung näher beim Mittelpunkte erfordert werden, nicht erlangen können; also werden, nach erlangter Gleichheit der Bewegungen, die1 spezifisch leichtern Partikeln in weitern Entfernungen von der Sonne umlaufen, die schwereren aber in den näheren anzutreffen sein, und die Planeten, die sich aus ihnen bilden, werden daher dichterer Art sein, welche sich näher zur Sonne, als die sich weiter von ihr aus dem Zusammenlaufe dieser Atomen formieren.
Es ist also eine Art eines statischen Gesetzes, welches den Materien des Weltraumes ihre Höhen, nach dem verkehrten Verhältnisse der Dichtigkeit, bestimmet. Gleichwohl ist es eben so leicht zu begreifen: dass nicht eben eine jegliche Höhe nur Partikeln von gleicher spezifischen Dichtigkeit einnehmen müsse. Von denen Teilchen von gewisser spezifischen Gattung bleiben diejenigen in grössern Weiten von der Sonne schweben, und erlangen die zur beständigen Zirkelbewegung erforderliche Mässigung ihres Falles in weiterm Abstande, welche von grössern Entfernungen zu ihr herab gesunken; dagegen die, deren ursprünglicher Ort, bei der allgemeinen Austeilung der Materien im Chaos, der Sonne näher war, ungeachtet ihrer nicht grössern Dichtigkeit, näher zu dieser ihrem1 Zirkel des Umlaufs kommen werden. Und da also die Örter der Materien, in Ansehung des Mittelpunkts ihrer [[A 40>> Senkung, nicht allein durch die spezifische Schwere derselben, sondern auch durch ihre ursprünglichen Plätze, bei der ersten Ruhe der Natur bestimmet werden: so ist leicht zu erachten, dass ihrer sehr verschiedene Gattungen, in jedem Abstande von der Sonne, zusammen kommen werden, um daselbst hängen zu bleiben2, dass überhaupt aber die dichtern Materien häufiger zu dem Mittelpunkte hin, als weiter von ihm ab, werden angetroffen werden; und dass also, ungeachtet die Planeten eine Mischung sehr verschiedentlicher Materien sein werden, dennoch überhaupt ihre Massen dichter sein müssen, nach dem Masse, als sie der Sonne näher sein, und minderer Dichtigkeit, nachdem ihr Abstand grösser ist.
Unser System zeiget, in Ansehung dieses unter den Planeten herrschenden Gesetzes ihrer Dichtigkeiten, eine vorzügliche Vollkommenheit vor allen denjenigen Begriffen, die man sich von ihrer Ursache gemacht hat, oder noch machen könnte. N e w t o n, der die Dichtigkeit einiger Planeten durch Rechnung bestimmet hatte, glaubte, die Ursache ihres nach dem Abstande eingerichteten Verhältnisses in der Anständigkeit der Wahl Gottes und in den Bewegungsgründen seines Endzwecks zu finden; weil die der Sonne näheren Planeten mehr Hitze von ihr aushalten müssen, und die entferntern mit wenigern Graden der Wärme sich behelfen sollen; welches nicht möglich zu sein scheinet, wenn die der Sonne nahen Planeten nicht dichterer Art, [[A 41>> und die entferneteren von leichterer Materie zusammengesetzt wären. Allein die Unzulänglichkeit einer solchen Erklärung einzusehen, erfordert nicht eben viel Nachsinnen. Ein Planet, z. E. unsere Erde, ist aus sehr weit von einander unterschiedenen Gattungen Materie zusammen gesetzt; unter diesen war es nun nötig, dass die leichteren, die durch die gleiche Wirkung der Sonne mehr durchdrungen und bewegt werden, deren Zusammensatz ein Verhältnis zu der Wärme hat, womit ihre Strahlen wirken, auf der Qberfläche ausgebreitet sein mussten; allein dass die Mischung der übrigen Materien, im Ganzen des Klumpens, diese Beziehung haben müssen, erhellet hieraus gar nicht; weil die Sonne auf das Innere der Planeten gar keine Wirkung tut. N e w t o n befürchtete, wenn die Erde bis zu der Nähe des Merkurs in den Strahlen der Sonne versenket würde, so dürfte sie wie ein Komet brennen, und ihre Materie nicht genugsame Feuerbeständigkeit haben, um durch diese Hitze nicht zerstreuet zu werden. Allein, um wie vielmehr müsste der Sonnen eigene Materie selber, welche doch 4mal leichter, als die ist, daraus die Erde besteht, von dieser Glut zerstöret werden; oder warum ist der Mond zweimal dichter, als die Erde, da er doch mit dieser in eben demselben Abstande von der Sonne schwebet ? Man kann also die proportionierten Dichtigkeiten nicht der Verhältnis zu der Sonnenwärme zuschreiben, ohne sich in die grösseste Widersprüche zu verwickeln. Man siehet vielmehr, eine Ursache, die die Örter der Planeten [[A 42>> nach der Dichtigkeit ihres Klumpens austeilet, müsse auf das Innere ihrer Materie, und nicht auf ihre Oberfläche eine Beziehung gehabt haben; sie müsse, ohnerachtet dieser Folge, die sie bestimmete, doch eine Verschiedenheit der Materie in eben demselben Himmelskörper verstatten, und nur im Ganzen des Zusammensatzes dieses Verhältnis der Dichtigkeit fest setzen; welchem allen, ob irgend ein anderes statisches Gesetze, als wie das, so in unserer Lehrverfassung vorgetragen wird, ein Gnüge leisten könne, überlasse ich der Einsicht des Lesers, zu urteilen.
Das Verhältnis unter den Dichtigkeiten der Planeten führet noch einen Umstand mit sich, dor, durch eine völlige Übereinstimmung mit der vorher entworfenen Erklärung, die Richtigkeit unseres Lehrbegriffes bewähret. Der Himmelskörper, der in dem Mittelpunkte anderer um ihn laufenden Kugeln stehet, ist gemeiniglich leichterer Art, als der Körper, der am nächsten um ihn herum läuft. Die Erde in Ansehung des Mondes, und die Sonne in Ansehung der Erde, zeigen ein solches Verhältnis ihrer Dichtigkeiten. Nach dem Entwurfe, den wir dargelegt haben, ist eine solche Beschaffenheit notwendig. Denn, da die untern Planeten vornehmlich von dem Ausschusse der elementarischen Materie1 gebildet worden, welche, durch den Vorzug ihrer Dichtigkeit, bis zu solcher Nähe zum Mittelpunkte, mit dem erforderlichen Grade der Geschwindigkeit haben dringen können; dagegen der [[A 43>> Körper in dem Mittelpunkte selber, ohne Unterscheid aus denen Materien aller vorhandenen Gattungen, die ihre gesetzmässige Bewegungen nicht erlanget haben, zusammen gehäufet worden, unter welchen, da die leichteren Materien den grössesten Teil ausmachen, es leicht einzusehen ist, dass, weil der nächste oder die nächsten zu dem Mittelpunkt umlaufenden Himmelskörper gleichsam eine Aussonderung dichterer Sorten, der Zentralkörper aber eine Mischung von allen ohne Unterschied in sich fasset, jenes seine Substanz dichterer Art, als dieser2 sein werde. In der Tat ist auch der Mond 2mal dichter als die Erde, und diese 4mal dichter als die Sonne, welche allem Vermuten nach von den noch tieferen, der Venus und dem Merkur, in noch höheren Graden an Dichtigkeit wird übertroffen werden.
Anjetzo wendet sich unser Augenmerk auf das Verhältnis, welches die Massen der Himmelskörper nach unserem Lehrbegriff, in Vergleichung ihrer Entfernungen, haben sollen, um das Resultat unseres Systems an den untrieglichen Rechnungen des N e w t o n zu prüfen. Es bedarf nicht viel Worte, um begreiflich zu machen: dass der Zentralkörper jederzeit das Hauptstück seines Systems, folglich die Sonne auf eine vorzügliche Art an Masse grösser, als die gesamten Planeten, sein müsse; wie denn dieses auch vom Jupiter, in Ansehung seiner Nebenplaneten, und vom Saturn, in Betrachtung der seinigen, gelten wird. Der Zentralkörper [[A 44>> bildet sich aus dem Niedersatze aller Partikeln aus dem ganzen Umfange seiner Anziehungssphäre, welche die genaueste Bestimmung der Zirkelbewegung, und die nahe Beziehung auf die gemeinschaftliche Fläche, nicht haben bekommen können, und deren ohne Zweifel eine ungemein grössere Menge, als der letzteren, sein muss. Um an der Sonne vornehmlich diese Betrachtung anzuwenden: wenn man die Breite des Raumes, um den die in Zirkeln umlaufende Partikeln, welche den Planeten zum Grundstoffe gedienet haben, am weitesten von der gemeinschaftlichen Fläche abgewichen sind, schätzen will: so kann man sie ohngefähr etwas grösser, als die Breite der grössesten Abweichung der Planetenkreise von einander annehmen. Nun macht aber, indem sie von der gemeinschaftlichen Fläche nach beiden Seiten ausschweifen, ihre grösste Neigung gegen einander kaum 7½ Grade aus. Also kann man alle Materie, daraus die Planeten sich gebildet haben, sich als in denjenigen Raum ausgebreitet gewesen vorstellen, der zwischen zwei Flächen, von dem Mittelpunkte der Sonne aus, begriffen war, die einen Winkel von 7½ Grade einschlossen. Nun ist aber eine nach der Richtung des grössten Zirkels gehende Zone von 7½ Grad Breite etwas mehr als der 17te Teil der Kugelfläche, also der körperliche Raum zwischen den zwo Flächen, die den sphärischen Raum in der Breite obgedachten Winkels ausschneiden, etwas mehr, als der 17te Teil des körperlichen Inhalts der ganzen Sphäre. Also würde dieser Hypothese gemäss alle Mate[[A 45>>rie, die zur Bildung der Planeten angewandt worden, ohngefähr den siebenzehnten Teil derjenigen Materie ausmachen, die die Sonne aus eben der Weite, als der äusserste Planet stehet, von beiden Seiten zu ihrer Zusammensetzung gesammlet hat. Allein dieser Zentralkörper hat einen Vorzug des Klumpens vor dem gesamten Inhalte aller Planeten, der nicht zu diesem wie 17: 1, sondern wie 650 zu 1 ist, wie die Ausrechnung des Newton es bestimmet; aber es ist auch leicht einzusehen, dass in den obern Räumen über dem Saturn, wo die planetischen Bildungen entweder aufhören, oder doch selten sein1, wo nur einige wenige kometische Körper sich gebildet haben, und wo vornehmlich die Bewegungen des Grundstoffes, indem sie daselbst nicht geschickt sein, zu der gesetzmässigen Gleichheit der Zentralkräfte zu gelangen, als in der nahen Gegend zum Centro, nur in eine fast allgemeine Senkung zum Mittelpunkte ausschlagen2, und die Sanne mit aller Materie aus so weit ausgedehnten Räumen vermehren, dass, sage ich, aus diesen Ursachen der Sonnenklumpen die so vorzügliche Grösse der Masse erlangen müsse.
Um aber die Planeten in Ansehung ihrer Massen unter einander zu vergleichen: so bemerken wir erstlich, dass nach der angezeigten Bildungsart die Quantität der Materie, die in den Zusammensatz eines Planeten kommt, auf die Weite seiner Entfernung von der Sonne vornehmlich ankomme: 1) darum, weil die Sonne durch ihre Anziehung [[A 46>> die Sphäre der Attraktion eines Planeten einschränkt, aber bei gleichen Umständen der entfernteren ihre nicht so enge einschränkt, als der nahen; 2) weil die Zirkel, aus denen alle Teilchen zusammen gekommen sein, einen Planeten3 auszumachen, mit grösserem Radius beschrieben werden, also mehr Grundstoff, als die kleinern Zirkel in sich fassen; 3) weil aus eben dem letzten Grunde die Breite zwischen den zwei Flächen der grössesten Abweichung, bei gleicher Anzahl Grade, in grossen Höhen grösser, als in kleinen ist. Dagegen wird dieser Vorzug der entfernteren Planeten, vor den niedrigern, zwar dadurch eingeschränkt, dass die Partikeln näher zur Sonne dichterer Art, und allem Ansehen nach auch weniger zerstreuet, als in grösserem Abstande sein werden; allein man kann leieht ermessen, dass die ersteren Vorteile, zu Bildung grosser Massen, die letztern Einschränkungen dennoch weit übertreffen, und überhaupt die Planeten, die sich in weitem Abstande von der Sonne bilden, grössere Massen, als die nahen bekommen müssen. Dieses geschiehet also, in so ferne man sich die Bildung eines Planeten nur als in Gegenwart der Sonne vorstellet; allein, wenn man mehrere Planeten, in unterschiedlichem Abstande, sich bilden lässt: so wird einer den Umfang der Attraktion des andern durch seine Anziehungssphäre einschränken, und dieses bringt eine Ausnahme von dem vorigen Gesetze zuwege. Denn derjenige Planet, welcher einem audern von ausnehmender Masse nahe ist, wird sehr viel von der Sphäre seiner Bildung verlieren, und dadurch un[[A 47>>gleich kleiner werden, als das Verhältnis seines Abstandes von der Sonne allein es erheischet. Obgleich also im Ganzen die Planeten von grösserer Masse sein, nachdem sie weiter von der Sonne entfernt sind, wie denn überhaupt Saturn und Jupiter, als die zwei Hauptstücke unseres Systems, darum die grössesten sein, weil sie von der Sonne am weitesten entfernet sind: so finden sich dennoch Abweichungen von dieser Analogie, in denen aber jederzeit das Merkmal der allgemeinen Bildung hervorleuchtet, die wir von den Himmelsk÷rpern behaupten: dass nämlich ein Planet von ausnehmender Grösse die nächsten von beiden Seiten der ihnen wegen ihrer Sonnenweite gebührenden Masse beraubet, indem er einen Teil der Materien sich zueignet, die zu jener ihrer Bildung kommen sollten. In der Tat hat Mars, der vermöge seines Ortes grösser als die Erde sein sollte, durch die Anziehungskraft des ihm nahen so grossen Jupiters an seiner Masse eingebüsset; und Saturn selber, ob er gleich durch seine Höhe einen Vorzug über den Mars hat, ist dennoch nicht gänzlich befreiet gewesen, durch Jupiters Anziehung eine beträchtliche Einbusse zu erleiden, und mich dünkt, Merkur habe die ausnehmende Kleinigkeit seiner Masse nicht allein der Anziehung der ihm so nahen mächtigen Sonne, sondern auch der Nachbarschaft der Venus zu verdanken, welche, wenn man ihre mutmassliche Dichtigkeit mit ihrer Grösse vergleicht, ein Planet von beträchtlicher Masse sein muss.
[[A 48>> Indem nun alles so vortrefflich, als man es nur wünschen mag, zusammenstimmet, die Zulänglichkeit einer mechanischen Lehrverfassung, bei dem Ursprunge des Weltbaues und der Himmelskörper, zu bestätigen: so wollen wir, indem wir den Raum schätzen, darin der Grundstoff der Planeten vor ihrer Bildung ausgebreitet gewesen, erwägen, in welchem Grade der Dünnigkeit dieser Mittelraum damals erfüllet gewesen, und mit was vor Freiheit, oder wie wenigen Hindernissen die herumschwebenden Partikeln ihre gesetzmässige Bewegungen darin haben anstellen können. Wenn der Raum, der alle Materie der Planeten in sich begriff, in demjenigen Teile der Saturnischen Sphäre enthalten war, der, von dem Mittelpunkte der Sonne aus, zwischen zwei, um 7 Grade weit, in allen Höhen von einander abstehenden Flächen begriffen, und daher der siebenzehnte Teil der ganzen Sphäre war, die man mit dem Radius der Höhe des Saturns beschreiben kann: so wollen wir, um die Veränderung des planetischen Grundstoffs, da er diesen Raum erfüllete, auszurechnen, nur die Höhe des Saturns 100000 Erddiameter ansetzen: so wird die ganze Sphäre des Saturnischen Kreises den Raumesinhalt der Erdkugel 1000 bimillionenmal1 übertreffen; davon, wenn wir, an statt des siebenzehnten Teils, auch nur den zwanzigsten nehmen, der Raum, darin der elementarische Grundstoff schwebete, den Raumesinhalt der Erdkugel dennoch 50 bimillionenmal1 übertreffen muss. [[A 49>> Wenn man nun die Masse aller Planeten mit ihren Begleitern 1/650 des Sonnenklumpens nach dem Newton ansetzet: so wird die Erde, die nur 1/169282 derselben ist, sich zu der gesamten Masse aller planetischen Materie wie 1 zu 276½ verhalten; und wenn man daher alle diese Materie zu gleicher spezifischen Dichtigkeit mit der Erde brächte, würde daraus ein Körper entstehen, der 277½, mal grössern Raum als die Erde einnähme. Wenn wir daher die Dichtigkeit der Erde in ihrem ganzen Klumpen nicht viel grösser, als die Dichtigkeit der festen Materie, die man unter der obersten Fläche derselben antrifft, annehmen, wie es denn die Eigenschaften der Figur der Erde nicht anders erfordern, und diese obere Materien ohngefähr 4 oder 5mal dichter als das Wasser, das Wasser aber 1000mal schwerer als die Luft ansetzen: so würde die Materie aller Planeten, wenn sie zu der Dünnigkeit der Luft ausgedehnet würden, einen fast 14mal hunderttausendmal grössern Raum als die Erdkugel einnehmen. Dieser Raum, mit dem Raume, in welchem nach unserer Voraussetzung alle Materie der Planeten ausgebreitet war, verglichen, ist dreissig millionenmal kleiner als derselbe: also macht auch die Zerstreuung der planetischen Materie in diesem Raume eine eben so vielmal grössere Verdünnung aus, als die die Teilchen unserer Atmosphäre haben. In der Tat, diese Grösse der Zerstreuung, so unglaublick sie auch scheinen mag, war dennoch weder unnötig, noch unnatürlich. Sie musste so gross als möglich sein, [[A 50>> um den schwebenden Partikeln alle Freiheit der Bewegung, fast so, als in einem leeren Raume, zu verstatten, und den Widerstand unendlich zu verringern, den sie einander leisten könnten; sie konnten aber auch von selber einen solchen Zustand der Verdünnung annehmen, woran man nicht zweifeln darf, wenn man ein wenig die Ausbreitung kennet, die die Materie leidet, wenn sie in Dünste verwandelt ist; oder wenn man, um bei dem Himmel zu bleiben, die Verdünnung der Materie in den Schweifen der Kometen erwäget, die bei einer so unerhörten Dicke ihres Durchschnittes, der den Durchmesser der Erde wohl hundertmal übertrifft, dennoch so durchscheinend sind, dass die kleinen Sterne dadurch können gesehen werden; welches unsere Luft, wenn sie von der Sonne erleuchtet wird, in einer Höhe, die viel tausendmal kleiner ist, nicht verstattet.
Ich beschliesse dieses Hauptstück, indem ich eine Analogie hinzufüge, die an und vor sich allein gegenwärtige Theorie von der mechanischen Bildung der Himmelskörper, über die Wahrscheinlichkeit der Hypothese, zu einer förmlichen Gewissheit erheben kann. Wenn die Sonne aus den Partikeln desselben Grundstoffes, daraus die Planeten sich gebildet haben, zusammengesetzt ist; und wenn nur darin allein der Unterschied bestehet, dass in der ersteren die Materien aller Gattungen ohne Unterschied gehäufet, bei diesen aber in verschiedenen Entfernungen, nach Beschaffenheit der Dichtig[[A 51>>keit ihrer Sorten, verteilet worden1: so wird, wenn man die Materie aller Planeten zusammen vereinigt betrachtet, in ihrer ganzen Vermischung eine Dichtigkeit herauskommen müssen, die der Dichtigkeit des Sonnenkörpers beinahe gleich ist. Nun findet diese nötige Folgerung unseres Systems eine glückliche Bestätigung in der Vergleichung, die der Herr v o n B u f f o n, dieser so würdigberühmte Philosoph, zwischen den Dichtigkeiten der gesamten planetischen Materie und der Sonnen ihre2, angestellet hat; er fand eine Ähnlichkeit zwischen beiden, wie zwischen 640 und 650. Wenn ungekünstelte und notwendige Folgerungen aus einer Lehrverfassung in den wirklichen Verhältnissen der Natur so glückliche Bestätigungen antreffen: kann man denn wohl glauben, dass ein blosses Ungefähr diese Übereinstimmung zwisehen der Theorie und der Beobachtung veranlasse ?
DRITTES HAUPTSTÜCK,
VON DER EXZENTRIZITÄT DER PLANETENKREISE,
UND DEM URSPRUNGE DER KOMETEN
Man kann aus den Kometen nicht eine besondere Gattung von Himmelskörpern machen, die sich von dem Geschlechte der Planeten gänzlich un[[A 52>>terschiede. Die Natur wirket hier, wie anderwärts, durch unmerkliche Abfälle, und, indem sie alle Stufen der Veränderungen durchgehet, hänget sie, vermittelst einer Kette von Zwischengliedern, die entferneten Eigenschaften mit den nahen zusammen. Die Exzentrizität ist bei den Planeten eine Folge des Mangelhaften inderjenigen Bestrebung, dadurch die Natur trachtet, die planetischen Bewegungen gerade zirkelgleich zu machen, welches sie aber, wegen Dazwischenkunft von mancherlei Umständen, niemals völlig erlangen kann, aber doch in grösseren Weiten mehr, als in nahen, davon abweichet. Diese Bestimmung führet, durch eine beständige Leiter, vermittelst aller möglichen Stufen der Exzentrizität, von den Planeten endlich bis zu den Kometen, und ob zwar dieser Zusammenhang bei dem Saturn, durch eine grosse Kluft, scheinet abgeschnitten zu sein, die das kometische Geschlecht von den Planeten völlig absondert: so haben wir doch in dem ersten Teile angemerket, dass es, vermutlich über dem Saturn, noch andere Planeten geben mag, die, durch eine grössere Abweichung von der Zirkelrundung der Kreise, dem Laufe der Kometen näher treten, und dass es nur an dem Mangel der Beobachtung, oder auch an der Schwierigkeit derselben, liegt, dass diese Verwandtschaft dem Auge nicht eben so sichtbar, als dem Verstande, vorlängst dargestellet worden.
[[A 53>> Wir haben schon eine Ursache in dem ersten Hauptstücke dieses Teils angeführet, welche die Laufbahn eines Himmelskörpers exzentrisch machen kann, der sich aus dem herumschwebenden Grundstoffe bildet, wenn man gleich annimmt, dass dieser in allen seinen Örtern gerade zur Zirkelbewegung abgewogene Kräfte besitze. Denn, weil der Planet sie aus weit von einander abstehenden Höhen sammlet, wo die Geschwindigkeiten der Zirkelläufe unterschieden sein: so kommen sie mit verschiedenen ihnen beiwohnenden Graden der Umlaufsbewegung auf ihm zusammen, welche von dem Masse der Geschwindigkeit, die dem Abstande des Planeten gebühret, abweichen, und diesem dadurch in so ferne eine Exzentrizität zuziehen, als diese verschiedentliche Eindrücke der Partikeln ermangeln, eine der andern Abweichung völlig zu ersetzen.
Wenn die Exzentrizität keine andere Ursache hätte, so würde sie allenthalben gemässigt sein: sie würde auch bei denen kleinen und weit von der Sonne entferneten Planeten geringer, als bei den nahen und grossen sein: wenn man nämlich voraussetzte, dass die Partikeln des Grundstoffes wirklich vorher genaue Zirkelbewegurigen gehabt hätten. Da nun diese Bestimmungen mit der Beobachtung nicht übereinstimmen, indem, wie schon angemerkt, die Exzentrizität mit der Sonnenweite zunimmt, und die Kleinigkeit der Massen vielmehr eine Ausnahme, zu Vermehrung der Ex[[A 54>>zentrizität, zu machen scheinet, wie wir am Mars sehen: so sind wir genötiget, die Hypothese von der genauen Zirkelbewegung der Partikeln des Grundstoffes dahin einzuschränken, dass, wie sie1 in den der Sonne nahen Gegenden zwar dieser Genauheit der Bestimmung sehr nahe beikommen, aber sie doch desto weiter davon abweichen lassen, je entfernter diese elementarische Teilchen von der Sonne geschwebet haben. Eine solche Mässigung des Grundsatzes von der freien zirkelgleichen Bewegung des Grundstoffes ist der Natur gemässer. Denn, ungeachtet der Dünnigkeit des Raumes, die ihnen Freiheit zu lassen scheinet, sich einander auf den Punkt der völlig abgewogenen Gleichheit der Zentralkräfte einzuschränken: so sind die Ursachen dennoch nicht minder beträchtlich, diesen Zweck der Natur an seiner Vollführung zu verhindern. Je weiter die ausgebreiteten Teile des Urstoffs von der Sonne entfernet sind, desto schwächer ist die Kraft, die sie zum Sinken bringt: der Widerstand der untern Teile, die ihren2 Fall seitwärts beugen, und ihn nötigen soll, seine Richtung senkrecht von dem Zirkelstrahl anzustellen, vermindert sich nach dem Masse, als diese unter ihm wegsinken, um entweder der Sonne sich einzuverleiben, oder in nĺheren Gegenden Umläufe anzustellen. Die spezifisch vorzügliche Leichtigkeit dieser höheren Materie verstattet ihnen nicht, die sinkende Bewegung, die der Grund von allem ist, mit dem Nachdrucke, welcher erfordert wird, um die widerstehende Partikeln zum Weichen zu bringen, [[A 55>> anzustellen; und vielleicht, dass diese entfernete Partikeln einander noch einschränken, um nach einer langen Periode diese Gleichförmigkeit endlich zu überkommen: so haben sich unter ihnen schon kleine Massen gebildet, als Anfänge zu so viel Himmelskörpern, welche, indem sie sich aus schwach bewegtem Stoffe sammlen, eine nur exzentrische Bewegung haben, womit sie zur Sonne sinken, und unter Wegens mehr und mehr, durch die Einverleibung schneller bewegten Teile3 vom senkrechten Falle abgebeugt werden, endlich aber doch Kometen bleiben, wenn jene Räume, in denen sie sich gebildet haben, durch Niedersinken zur Sonne, oder durch Versammlung in besondern Klumpen, gereiniget und leer geworden. Dieses ist die Ursache der mit den Entfernungen von der Sonne zunehmenden Exzentrizitäten der Planeten und derjenigen Himmelskörper, die um deswillen Kometen genannt werden, weil sie in dieser Eigenschaft die erstere vorzüglich übertreffen. Es sind zwar noch zwei Ausnahmen, die das Gesetz von der mit dem Abstande von der Sonne zunehmenden Exzentrizität unterbrechen, die man an den beiden kleinesten Planeten unseres Systems, am Mars und Merkur, wahrnimmt; allein an dem ersteren ist vermutlich die Nachbarschaft des so grossen Jupiters Ursache, der, indem er durch seine Anziehung auf seiner Seite den Mars der Partikeln zur Bildung beraubet, ihm vornehmlich nur Platz lässet, gegen die Sonne sich auszubreiten, dadurch eine Überwucht der Zentralkraft und Exzentrizität zuziehet. Was [[A 56>> aber den Merkur, den untersten aber auch am meisten exzentrischen unter den Planeten betrifft: so ist leicht zu erachten, dass, weil die Sonne in ihrer Achsendrehung der Geschwindigkeit des Merkurs noch lange nicht gleich kommt, der Widerstand, den sie der Materie des sie umgebenden Raumes tut, nicht allein die nächsten Teilchen ihrer Zentralbewegung berauben werde; sondern auch leichtlich diese Widerstrebung bis zum Merkur ausbreiten könne, und dessen Umschwungsgeschwindigkeit dadurch beträchtlich werde vermindert haben.
Die Exzentrizität ist das vornehmste Unterscheidungszeichen der Kometen. Ihre Atmosphären und Schweife, welche, bei ihrer grossen Annäherung zur Sonne, durch die Hitze sich verbreiten, sind nur Folgen von dem erstern, ob sie gleich zu den Zeiten der Unwissenheit gedienet haben, als ungewohnte Schreckbilder, dem Pöbel eingebildete Schicksale zu verkündigen. Die Astronomen, welche mehr Aufmerksamkeit auf die Bewegungsgesetze, als auf die Seltsamkeit der Gestalt, bezeigen, bemerken eine zweite Eigenschaft, die das Geschlecht der Kometen von den Planeten unterscheidet, nämlich dass sie sich nicht, wie diese, an die Zone des Tierkreises binden, sondern frei in allen Gegenden des Himmels ihre Umläufe anstellen. Diese Besonderheit hat einerlei Ursache mit der Exzentrizität. Wenn die Planeten darum ihre Kreise in dem engen Bezirke des Zodiakus eingeschlossen haben, weil die elementarische Materie nahe um die [[A 57>> Sonne Zirkelbewegungen bekommet, dio bei jedem Umschwunge den Plan der Beziehung zu durchkreuzen bemühet sein, und den einmal gebildeten Körper von dieser Fläche, dahin sich alle Materie von beiden Seiten dränget, nicht abweichen lassen: so muss der Grundstoff der weit von dem Mittelpunkte entlegenen Raume, welcher, durch die Attraktion schwach bewegt, zu dem freien Zirkelumschwunge nicht gelangen kann, eben aus dieser Ursache, die die Exzentrizität hervorbringt, nicht vermögend sein, sich in dieser Höhe zu dem Plane der Beziehung aller planetischen Bewegungen zu häufen, um die daselbst gebildete Körper, vornehmlich in diesem Gleise, zu erhalten: vielmehr wird der zerstreuete Grundstoff, da er keine Einschränkung auf eine besondere Gegend, so wie bei den untern Planeten, hat, sich gleich leicht auf einer Seite sowohl, als auf der andern, und weit von dem Beziehungsplane eben so häufig, als nahe bei demselben, zu Himmelskörpern bilden. Daher werden die Kometen mit aller Ungebundenheit aus allen Gegenden zu, uns herabkommen; aber doch diejenige, deren erster Bildungsplatz nicht weit über der Planeten Kreise erhaben ist, werden weniger Abweichung von den Schranken ihrer Laufbahne eben sowohl, als weniger Exzentrizität beweisen. Mit den Entfernungen von dem Mittelpunkte des Systems nimmt diese gesetzlose Freiheit der Kometen, in Ansehung ihrer Abweichungen, zu, und verlieret sich in der Tiefe des.Himmels in einen gänzlichen Mangel der Umwendung, der die äusseren sich [[A 58>> bildenden Körper ihrem Falle zur Sonne frei überlässt, und der systematischen Verfassung die letzten Grenzen setzet.
Ich setze, bei diepem Entwurfe der kometischen Bewegungen, voraus: dass, in Ansehung ihrer Richtung, sie selbige grössesten Teils mit der Planeten ihrer gemein haben werden. Bei denen nahen Kometen scheinet mir dieses ungezweifelt zu sein, und diese Gleichförmigkeit kann sich auch nicht eher in der Tiefe des Himmels verlieren, als da, wo der elementarische Grundstoff, in der grössten Mattigkeit der Bewegung, die etwa durch das Niedersinken entstehende Drehung nach allerlei Gegenden anstellet, weil die Zeit, die erfordert wird, durch die Gemeinschaft der untern Bewegungen, sie in der Richtung einstimmig zu machen, wegen der Weite der Entfernung, zu lang ist, als dass sie indessen, dass die Bildung der Natur in der niederen Gegend verrichtet wird, sich bis dahin erstrecken könne. Es werden also vielleicht Kometen sein, die ihren Umlauf nach der entgegen gesetzten Seite, nämlich von Morgen gegen Abend, anstellen werden; ob ich gleich aus Ursachen, die ich allhier anzuführen Bedenken trage, mich beinahe überreden möchte, dass von den 19 Kometen, an denen man diese Besonderheit bemerket hat, bei einigen vielleicht ein optischer Schein Anlass dazu gegeben haben möchte.
Ich muss von den Wssen der Kometen, und von der Dichtigkeit ihres Stoffes, noch etwas an[[A 59>>merken. Von Rechtswegen sollten in den obern Gegenden der Bildung dieser Himmelskörper, aus denen im vorigen Hauptstücke angeführten Gründen, sich immer nach dem Masse, als die Entfernung zunimmt, desto grössere Massen bilden. Und es ist auch zu glauben, dass einige Kometen grösser sein, als Saturn und Jupiter; allein es ist eben nicht zu glauben, dass diese Grösse der Massen so immer zunimmt. Die Zerstreuung des Grundstoffes, die spezifische Leichtigkeit ihrer Partikeln, machen die Bildung in der abgelegensten Gegend des Weltraums langsam; die unbestimmte Verbreitung desselben, in dem ganzen unermesslichen Umfange dieser Weite, ohne eine Bestimmung, sich gegen eine gewisse Fläche zu häufen, verstatten1, an statt einer einzigen beträchtlichen Bildung viele kleinere, und der Mangel der Zentralkraft ziehet den grössten Teil der Partikeln zu der Sonne herab, ohne sich in Massen versammlet zu haben. Die spezifische Dichtigkeit des Stoffes, woraus die Kometen entstehen, ist von mehrerer Merkwürdigkeit, als die Grösse ihrer Massen. Vermutlich, da sie in der obersten Gegend des Weltgebäudes sich bilden, sind die Teilchen ihres Zusammensatzes von der leichtesten Gattung; und man darf nicht zweifeln, dass dieses die vornehmste Ursache der Dunstkugeln und der Schweife sein1, womit sie sich vor andern Himmelskörpern kenntlich machen, Man kann der Wirkung der Sonnenhitze diese Zerstreubng der kometischen Materie in einen [[A 60>> Dunst nicht hauptsächlich beimessen; einige Kometen erreichen in ihrer Sonnennähe kaum die Tiefe des Erdzirkels; viele bleiben zwischen dem Kreise der Erde und der Venus, und kehren sodann zurück. Wenn ein so gemässigter Grad Hitze die Materien auf der Oberfläche dieser Körper dermassen auflöset und verdünnet: so müssen sie nicht aus2 dem leichtesten Stoffe bestehen, der durch die Wärme mehr Verdünnung, als irgend eine Materie in der ganzen Natur leidet.
Man kann auch diese von dem Kometen so häufig aufsteigende Dünste der Hitze nicht beimessen, die sein Körper von der etwa ehemaligen Sonnennähe übrig behalten hat: denn es ist zwar zu vermuten, dass ein Komet, zur Zeit seiner Bildung, etliche Umlaufe mit grösserer Exzentrizität zurück geleget hat, und diese nur nach und nach vermindert worden; allein die andern Planeten, von denen man eben dasselbe vermuten könnte, zeigen dieses Phaenomenon nicht. Indessen würden sie es an sich zeigen, wenn die Sorten der leichtesten Materie, die in dem Zusammensatze des Planeten begriffen sein, eben so häufig, als bei den Kometen, vorhanden wären.
Die Erde hat etwas an sich, was man mit der Ausbreitung der kometischen Dünste und ihren Schweifen vergleichen kann.* Die feinsten Partikeln, die die Sonnenwirkung aus ihrer Ober[[A 61>>fläche ziehet, häufen sich um einen von denen Polen, wenn die Sonne den halben Zirkel ihres Laufes auf der entgegen gesetzten Halbkugel verrichtet. Die feinsten und würksamsten Teilchen, die in dem brennenden Erdgürtel aufsteigen, nachdem sie eine gewisse Höhe der Atmosphäre erreichet haben, werden durch die Wirkung der Sonnenstrahlen genötiget, in diejenige Gegenden zu weichen und sich zu häufen, die alsdenn von der Sonne abgewandt, und in einer langen Nacht begraben sind, und vergüten den Bewohnern der Eiszone die Abwesenheit des grossen Lichtes, welches ihnen auch in dieser Entfernung die Würkungen ihrer Wärme1 zuschicket. Eben dieselbe Kraft der Sonnenstrahlen, welche die Nordlichter macht, würde einen Dunstkreis mit einem Schweife hervor bringen, wenn die feinsten und flüchtigen Partikeln auf der Erde eben so häufig, als auf dem Kometen2, anzutreffen wären.
VIERTES HAUPTSTÜCK,
VON DEM URSPRUNGE DER MONDE,
UND DEN BEWEGUNGEN DER PLANETEN
UM IHRE ACHSE
Die Bestrebung eines Planeten, aus dem Umfange der elementarischen Materie sich zu bilden, ist zugleich die Ursache seiner Achsendrehung, [[A 62>> und erzeuget die Monde, die um ihn laufen sollen. Was die Sonne mit ihren Planeten im Grossen ist, das stellet ein Planet, der eine weit ausgedehnte Anziehungssphäre hat, im Kleinern vor, nämlich das Hauptstück eines Systems, dessen Teile durch die Attraktion des Zentralkörpers in Bewegung gesetzet worden. Der sich bildende Planet, indem er die Partikeln des Grundstoffs aus dem ganzen Umfange zu seiner Bildung bewegt, wird aus allen diesen sinkenden Bewegungen, vermittelst ihrer Wechselwirkung, Kreisbewegungen, und zwar endlich solche erzeugen, die in eine gemeinschaftliche Richtung ausschlagen, und deren ein Teil die gehörige Mässigung des freien Zirkellaufes bekommen, und in dieser Einschränkung sich einer gemeinschaftlichen Fläche nahe befinden werden. In diesem Raume werden, so wie um die Sonne die Hauptplaneten, also auch um diese sich die Monde bilden, wenn die Weite der Attraktion solcher Himmelskörper günstige Umstände zu ihrer Erzeugung darreichet. Was übrigens in Ansehung des Ursprunges des Sonnensystems gesagt worden, dasselbe lässt sich auf das System des Jupiters und des Saturns mit genugsamer Gleichheit anwenden. Die Monde werden alle nach einer Seite, und beinahe auf einer Fläche, die Kreise ihres Umschwunges gerichtet haben, und dieses zwar aus den gleichen Ursachen, die diese Analogie im Grossen bestimmen. Aber warum bewegen sich diese Begleiter in ihrer gemeinschaftlichen Richtung vielmehr nach der Seite, nach der die Planeten laufen, als nach [[A 63>> einer jeden andern ? Ihre Umläufe werden ja durch die Kreisbewegungen nicht erzeuget: sie erkennen lediglich die Attraktion des Hauptplaneten zur Ursache, und in Ansehung dieser sind alle Richtungen gleichgültig; ein blosses Ungefähr wird diejenige unter allen möglichen entscheiden, nach der die sinkende Bewegung des Stoffes in Kreise ausschlägt. In der Tat tut der Zirkellauf des Hauptplaneten nichts dazu, dem Stoffe, aus dem sich um ihn die Monde bilden sollen, Umwälzungen um diesen einzudrücken; alle Partikeln um den Planeten bewegen sich in gleicher Bewegung mit ihm um die Sonne, und sind also in respektiver Ruhe gegen denselben. Die Attraktion des Planeten tut alles allein. Allein die Kreisbewegung, die aus ihr entstehen soll, weil sie in Ansehung aller Richtungen an und vor sich gleichgültig ist, bedarf nur einer kleinen äusserlichen Bestimmung, um nach einer Seite vielmehr, als nach der andern, auszuschlagen: und diesen kleinen Grad der Lenkung bekommt sie von der Vorrückung der elementarischen Partikeln, welche zugleich mit um die Sonne, aber mit mehr Geschwindigkeit, laufen, und in die Sphäre der Attraktion des Planeten kommen. Denn diese nötiget die zur Sonne nähere Teilchen, die mit schnellerem Schwunge umlaufen, schon von weitem, die Richtung ihres Gleises zu verlassen, und in einer ablangen Ausschweifung sich über den Planeten zu erheben. Diese, weil sie einen grössern Grad der Geschwindigkeit, als der Planet selber, haben, wenn sie durch dessen [[A 64>> Anziehung zum Sinken gebracht werden, geben ihrem geradlinichten Falle, und auch dem Falle der übrigen, eine Abbeugung von Abend gegen Morgen, und es bedarf nur dieser geringen Lenkung, um zu verursachen, dass die Kreisbewegung, dahin der Fall, den die Attraktion erregt, ausschlägt, vielmehr diese, als eine jede andere Richtung nehme. Aus diesem Grunde werden alle Monde in ihrer Richtung mit der Richtung des Umlaufs der Hauptplaneten übereinstimmen. Aber auch die Fläche ihrer Bahn kann nicht weit von dem Plane der Planetenkreise abweichen, weil die Materie, daraus sie sich bilden, aus eben dem Grunde, den wir von der Richtung überhaupt angeführet haben, auch auf diese genaueste Bestimmung derselben, nämlich die Übereintreffung mit der Fläche der Hauptkreise, gelenket wird.
Man siehet aus allem diesen klärlich, welches die Umstände sein, unter welchen ein Planet Trabanten bekommen könne. Die Anziehungskraft desselben muss gross, und folglich die Weite seiner Wirkungssphäre weit ausgedehnt sein, damit sowohl die Teilchen, durch einen hohen Fall zum Planeten bewegt, ohnerachtet dessen, was der Widerstand aufhebet, dennoch hinlängliche Geschwindigkeit zum freien Umschwunge erlangen können, als auch genugsamer Stoff zu Bildung der Monde in diesem Bezirke vorhanden sei, welches bei einer geringen Attraktion nicht geschehen kann. Daher sind nur die Planeten von grossen Massen und [[A 65>> weiter Entfernung mit Begleitern begabt. Jupiter und Saturn, die 2 grössten und auch entfernetesten unter den Planeten, haben die meisten Monde. Der Erde, die viel kleiner als jene ist, ist nur einer zu Teil worden; und Mars, welchem wegen seines Abstandes auch einiger Anteil an diesem Vorzuge gebührete, gehet leer aus, weil seine Masse so gering ist.
Man nimmt mit Vergnügen wahr, wie dieselbe Anziehung des Planeten, die den Stoff zur Bildung der Monde herbeischaffte, und zugleich derselben Bewegung bestimmete, sich bis auf seinen eigenen Körper erstreckt, und dieser sich selber durch eben dieselbe Handlung, durch welche er sich bildet, eine Drehung um die Achse, nach der allgemeinen Richtung von Abend gegen Morgen, erteilet. Die Partikeln des niedersinkenden Grundstoffes, welche, wie gesagt, eine allgemeine drehende Bewegung von Abend gegen Morgen hin bekommen, fallen grössten Teils auf die Fläche des Planeten, und vermischen sich mit seinem Klumpen, weil sie die abgemessene Grade nicht haben, sich frei schwebend in Zirkelbewegungen zu erhalten. Indem sie nun in den Zusammensatz des Planeten kommen, so müssen sie, als Teile desselben, eben dieselbe Umwendung, nach eben derselben Richtung fortsetzen, die sie hatten, ehe sie mit ihm vereiniget worden. Und weil überhaupt aus dem vorigen zu ersehen, dass die Menge der Teilchen, welche der Mangel an der erforderlichen Bewegung auf den [[A 66>> Zentralkörper niederstürzet, sehr weit die Anzahl der andern übertreffen müsse, welche die gehörige Grade der Geschwindigkeit haben erlangen können: so begreifet man auch leicht, woher dieser in seiner Achsendrehung zwar bei weitem die Geschwindigkeit nicht haben werde, der Schwere auf seiner Oberfläche mit der fliehenden Kraft das Gleichgewicht zu leisten, aber dennoch bei Planeten von grosser Masse und weitem Abstande weit schneller, als bei nahen und kleinen, sein werde. In der Tat hat Jupiter die schnelleste Achsendrehung, die wir kennen, und ich weiss nicht, nach welchem System man dieses mit einem Körper, dessen Klumpen alle andern übertrifft, zusammen reimen könnte, wenn man nicht seine Bewegungen selber als die Wirkung derjenigen Anziehung ansehen könnte, die dieser Himmelskörper, nach dem Masse eben dieses Klumpens, ausübet. Wenn die Achsendrehung eine Wirkung einer äusserlichen Ursache wäre, so müsste Mars eine schnellere, als Jupiter, haben; denn eben dieselbe bewegende Kraft bewegt einen kleinern Körper mehr, als einen grössern, und überdieses würde man sich mit Recht wundern, wie, da alle Bewegungen weiter von dem Mittelpunkte hin abnehmen, die Geschwindigkeiten der Umwälzungen mit denselben Entfernungen zunehmen, und beim Jupiter sogar drittehalbmal schneller, als seine jährliche Bewegung selber, sein könne.
Indem man also genötiget ist, in den täglichen Umwendungen der Planeten eben dieselbe Ursa[[A 67>>che, welche überhaupt die allgemeine Bewegungsquelle der Natur ist, nämlich die Anziehung zu erkennen: so wird diese Erklärungsart durch das natürliche Vorrecht seines Grundbegriffes1, und durch eine ungezwungene Folge aus demselben, ihre Rechtmässigkeit bewähren.
Allein, wenn die Bildung eines Körpers selber die Achsendrehung hervorbringt, so müssen sie billig alle Kugeln des Weltbaues haben; aber warum hat sie der Mond nicht ? welcher, wiewohl fälschlich, diejenige Art einer Umwendung, dadurch er der Erde immer dieselbe Seite zuwendet, einigen vielmehr von einer Art einer Überwucht der einen Halbkugel, als von einem wirklichen Schwunge der Revolution, herzuhaben scheinet. Sollte derselbe sich wohl ehedem schneller um seine Achse gewälzet haben, und durch ich weiss nicht was vor Ursachen, die diese Bewegung nach und nach verminderten, bis zu diesem geringen und abgemessenen Überrest gebracht worden sein ? Man darf diese Frage nur in Ansehung eines von den Planeten auflösen, so ergibt sich daraus die Anwendung auf alle von selber. Ich verspare diese Auflösung zu einer andern Gelegenheit, weil sie eine notwendige Verbindung mit derjenigen Aufgabe hat, die die königliche Akademie der Wissenschaften zu Berlin, auf das 1754ste Jahr, zum Preise aufgestellet hatte.
Die Theorie, welche den Ursprung der Achsendrehungen erklären soll, muss auch die Stellung ihrer Achsen, gegen den Plan ihrer Kreise, aus eben [[A 68>> denselben Ursachen herleiten können. Man hat Ursache, sich zu verwundern, woher der Äquator der täglichen Umwälzung mit der Fläche der Mondenkreise, die um denselben Planeten laufen, nicht in demselben Plane ist; denn dieselbe Bewegung, die den Umlauf eines Trabanten gerichtet, hat, durch ihre Erstreckung bis zum Körper des Planeten, dessen Drehung um die Achse hervorgebracht, und dieser eben dieselbe Bestimmung in der Richtung und Lage erteilen sollen. Himmelskörper, die keine um sich laufende Nebenplaneten haben, setzten sich dennoch durch eben dieselbe Bewegung der Partikeln, die zu ihrem Stoffe dieneten, und durch dasselbe Gesetze, welches jene auf die Fläche ihrer periodischen Laufbahn einschränkte, in eine Achsendrehung, welche aus den gleichen Gründen mit ihrer Umlaufsfläche in der Richtung übereintreffen musste. Diesen Ursachen zu Folge müssten billig die Achsen aller Himmelskörper, gegen die allgemeine Beziehungsfläche des planetischen Systems, welche nicht weit von der Ekliptik abweicht, senkrecht stehen. Allein sie sind nur bei den zwei wichtigsten Stücken dieses Weltbaues senkrecht: beim Jupiter und bei der Sonne; die andern, deren Umdrehung man kennet, neigen ihre Achsen gegen den Plan ihrer Kreise; der Saturn mehr als die andern, die Erde aber mehr, als Mars, dessen Achse auch beinahe senkrecht gegen die Ekliptik gerichtet ist. Der Äquator des Saturns (wofern man denselben durch die Richtung seines Ringes bezeichnet halten kann) neiget sich mit einem Winkel von 31 Graden zur Fläche [[A 69>> seiner Bahn; der Erden ihrer aber nur mit 22½1. Man kann die Ursache dieser Abweichungen vielleicht der Ungleichheit in den Bewegungen des Stoffes beimessen, die den Planeten zu bilden zusammen gekommen sind. In der Richtung der Fläche seines Laufkreises war die vornehmste Bewegung der Partikeln um den Mittelpunkt desselben, und daselbst war der Plan der Beziehung, um welchen die elementarische Teilchen sich häuften, um daselbst die Bewegung, wo möglich, zirkelgleich zu machen, und zur Bildung der Nebenplaneten Materie zu häufen, welche um deswillen niemals von der Umlaufsbahn weit abweichen. Wenn der Planet sich grösstenteils nur aus diesen Teilchen bildete, so würde seine Achsendrehung so wenig, wie die Nebenplaneten, die um ihn laufen, bei seiner ersten Bildung davon abgewichen sein; aber er bildete sich, wie die Theorie es dargetan hat, mehr aus den Partikeln, die auf beiden Seiten niedersunken, und deren Menge oder Geschwindigkeit nicht so völlig abgewogen gewesen zu sein scheinet, dass die eine Halbkugel nicht eine kleine Überwucht der Bewegung über die andere, und daher einige Abweichung der Achse hätte bekommen können.
Dieser Gründe ungeachtet trage ich diese Erklärung nur als eine Mutmassung vor, die ich mir nicht auszumachen getraue. Meine wahre Meinung gehet dahin: dass die Umdrehung der Planeten um die Achse in dem ursprünglichen Zustande der ersten Bildung mit der Fläche ihrer jährlichen [[A 70>> Bahn ziemlich genau übereingetroffen habe, und dass Ursachen vorhanden gewesen, diese Achse aus ihrer ersten Stellung zu verschieben. Ein Himmelskörper, welcher aus seinem ersten flüssigen Zustande in den Stand der Festigkeit übergehet, erleidet, wenn er sich auf solche Art völlig ausbildet, eine grosse Veränderung in der Regelmässigkeit seiner Oberfläche. Dieselbe wird feste und gehärtet, indessen, dass die tiefern Materien sich noch nicht, nach Massgebung ihrer spezifischen Schwere, genugsam gesenket haben; die leichteren Sorten, die mit in ihrem Klumpen untermengt waren, begeben sich endlich, nachdem sie sich von den andern geschieden, unter die oberste fest gewordene Rinde, und erzeugen die grossen Höhlen, deren, aus Ursachen, welche allhier anzuführen zu weitläuftig ist, die grösseste und weiteste unter oder nahe zu dem Äquator befindlich sind, in welche die gedachte Rinde endlich hineinsinkt, mannigfaltige Ungleichheiten, Berge und Höhlen, erzeuget. Wenn nun auf solche Art, wie es mit der Erde, dem Monde, der Venus augenscheinlich vorgegangen sein muss, die Oberfläche uneben geworden: so hat sie nicht das Gleichgewicht des Umschwunges in ihrer Achsendrehung mehr auf allen Seiten leisten können. Einige hervorragende Teile von beträchtlicher Masse, welche auf der entgegengesetzten Seite keine andere fanden, die ihnen die Gegenwirkung des Schwunges leisten konnten, mussten alsbald die Achse der Umdrehung verrücken, und sie in solchen Stand zu setzen suchen, um welchen die Materien sich im [[A 71>> Gleichgewichte aufhielten. Eben dieselbe Ursache also, die bei der völligen Ausbildung eines Himmelskörpers seine Oberfläche aus dem waagerechten Zustande in abgebrochene Ungleichheiten versetzte: diese allgemeine Ursache, die bei allen Himmelskörpern, welche das Fernglas deutlich genug entdecken kann, wahrgenommen wird, hat sie in die Notwendigkeit versetzet, die ursprüngliche Stellung ihrer Achse etwas zu verändern. Allein diese Veränderung hat ihre Grenzen, um nicht gar zu weit auszuschweifen. Die Ungleichheiten erzeugen sich, wie schon erwähnt, mehr neben dem Äquator einer umdrehenden Himmelskugel, als weit von demselben; zu den Polen hin verlieren sie sich fast gar, wovon die Ursachen anzuführen ich andere Gelegenheit vorbehalte. Daher werden die am meisten über die gleiche Fläche hervorragende Massen nahe bei dem Äquinoktialzirkel anzutreffen sein, und indem dieselbe, durch den Vorzug des Schwunges, diesem sich zu nähern streben, werden sie höchstens nur um einige Grade die Achse des Himmelskörpers, aus der senkrechten Stellung von der Fläche seiner Bahn, erheben können. Diesem zu Folge wird ein Himmelskörper, der sich noch nicht völlig ausgebildet hat, diese rechtwinklichte Lage der Achse zu seinem Laufkreise noch an sich haben, die er vielleicht nur in der Folge langer Jahrhunderte ändern wird. Jupiter scheinet noch in diesem Zustande zu sein. Der Vorzug seiner Masse und Grösse, die Leichtigkeit seines Stoffes haben ihn genötiget, den festen Ruhestand seiner Materien einige Jahrhunder[[A 72>>te später, als andere Himmelskörper, zu überkommen. Vielleicht ist das Innere seines Klumpens noch in der Bewegung, die Teile seines Zusammensatzes zu dem Mittelpunkte, nach Beschaffenheit ihrer Schwere, zu senken, und, durch die Scheidung der dünnern Gattungen von den schweren, den Stand der Festigkeit zu überkommen. Bei solcher Bewandtnis kann es auf seiner Oberfläche noch nicht ruhig aussehen. Die Umstürzungen und Ruine herrschen auf derselben. Selbst das Fernglas hat uns davon versichert. Die Gestalt dieses Planeten ändert sich beständig, da indessen der Mond, die Venus, die Erde dieselbe unverändert erhalten. Man kann auch wohl mit Recht die Vollendung der Periode der Ausbildung bei einem Himmelskörper einige Jahrhundeite später gedenken, der unsere Erde an Grösse mehr wie zwanzigtausendmal übertrifft, und an Dichtigkeit 4mal nachstehet. Wenn seine Oberfläche eine ruhige Beschaffenheit wird erreichet haben: so werden ohne Zweifel weit grössere Ungleichheiten, als die, so die Erdfläche bedecken, mit der Schnelligkeit seines Schwunges verbunden, seiner Umwendung in nicht gar langem Zeitlaufe diejenige beständige Stellung erteilen, die das Gleichgewicht der Kräfte auf ihm erheischen wird.
Saturn, der gmal kleiner, als Jupiter ist, kann vielleicht durch seinen weitern Abstand einen Vorzug einer geschwinderen Ausbildung vor diesem erhalten haben: zum wenigsten macht die viel schnel[[A 73>>lere Achsendrehung desselben, und das grosse Verhältnis seiner Zenterfliehkraft zu der Schwere auf seiner Oberfläche (welches in dem folgenden Hauptstücke soll dargetan werden), dass die vermutlich auf derselben dadurch erzeugte Ungleichheiten gar bald den Ausschlag auf die Seite der Überwucht, durch eine Verrückung der Achse, gegeben haben. Ich gestehe freimütig, dass dieser Teil meines Systems, welcher die Stellung der planetischen Achsen betrifft, noch unvollkommen und ziemlich weit entfernt sei, der geometrischen Rechnpng unterworfen zu werden. Ich habe dieses lieber aufrichtig entdecken wollen, als, dureh allerhand erborgte Scheingründe der Tüchtigkeit, der übrigen Lehrverfassung Abbruch zu tun, und ihr eine schwache Seite zu geben. Nachfolgendes Hauptstück kann eine Bestätigung von der Glaubwürdigkeit der ganzen Hypothese abgeben, wodurch wir die Bewegungen des Weltbaues haben erklären wollen.
[[A 74>> FÜNFTES HAUPTSTÜCK,
VON DEM URSPRUNGE DES RINGES DES SATURNS,
UND BERECHNUNG DER TÄGLICHEN UMDREHUNG
DIESES PLANETEN AUS DEN VERHÄLTNISSEN
Vermöge der systematischen Verfassung im Weltgebäude hängen die Teile derselben durch eine stufenartige Abänderung ihrer Eigenschaften zusammen, und man kann vermuten, dass ein in der entlegensten Gegend der Welt befindlicher Planet ohngefähr solche Bestimmungen haben werde, als der nächste Komet überkommen möchte, wenn er durch die Verminderung der Exzentrizität in das planetische Geschlecht erhoben würde. Wir wollen demnach den Saturn so ansehen, als wenn er auf eine der kometischen Bewegung ähnliche Art etliche Umläufe mit grösserer Exzentrizität zurück geleget habe, und nach und nach zu einem dem Zirkel ähnlichern Gleise gebracht worden.* Die Hitze, die sich ihm in seiner Sonnennähe einverleibete, erhob den leichten Stoff von seiner Oberfläche, der, [[A 75>> wie wir aus den vorigen Hauptstücken wissen, bei denen obersten Himmelskörpern von überschwenglicher Dünnigkeit ist, sich von geringen Graden Wärme ausbreiten zu lassen. Indessen, nachdem der Planet in etlichen Umschwüngen zu dem Abstande, da er jetzt schwebet, gebracht worden: verlor er in einem so gemässigten Klima nach und nach die empfangene Wärme, und die Dünste, welche von seiner Oberfläche sich noch immer um ihn verbreiteten, liessen nach und nach ab, sich bis in Schweifen zu erheben. Es stiegen auch nicht mehr neue so häufig auf, um die alten zu vermehren: kurz, die schon ihn umgebenden Dünste blieben durch Ursachen, welche wir gleich anführen wollen, um ihn schweben, und erhielten ihm das Merkmal seiner ehemaligen kometenähnlichen Natur in einem beständigen Ringe, indessen, dass sein Körper die Hitze verhauchte, und zuletzt ein ruhiger und gereinigter Planet wurde. Nun wollen wir das Geheimnis anzeigen, das dem Himmelskörper seine aufgestiegene Dünste frei schwebend hat erhalten können, ja, sie aus einer rund um ihn ausgebreiteten Atmosphäre, in die Form eines allenthalben abstehenden Ringes, verändert hat. Ich nehme an: Saturn habe eine Umdrehung um die Achse gehabt; und nichts mehr, als dieses, ist nötig, um das ganze Geheimnis aufzudecken. Kein anderes Triebwerk, als dieses einzige, hat, durch einen unmittelbaren mechanischen Erfolg, gedachtes Phaenomenon dem Planeten zuwege gebracht; und ich getraue mir, es zu behaupten, dass in der ganzen [[A 76>> Natur nur wenig Dinge auf einen so begreiflichen Ursprung können gebracht werden, als diese Besonderheit des Himmels, aus dem rohen Zustande der ersten Bildung sich entwickeln lässt.
Die von dem Saturn aufsteigende Dünste hatten die Bewegung an sich, und setzten sie in der Höhe, dahin sie aufgestiegen waren, frei fort, die sie, als dessen Teile bei seiner Umdrehung um die Achse, gehabt hatten. Die Teilchen, die nahe beim Äquator des Planeten aufstiegen, müssen die schnellste, und weiter davon ab zu den Polen um so viel schwächere Bewegungen gehabt haben, je grösser die Breite des Orts war, von dem sie aufstiegen. Das Verhältnis der spezifischen Schwere ordnete den Partikeln die verschiedentliche Höhen, zu denen sie aufstiegen; aber nur diejenige Partikeln konnten die Örter ihres Abstandes in einem beständig freien Zirkelumschwunge behaupten, deren Entfernungen, in die sie versetzt waren, eine solche Zentralkraft erheischeten, als diese mit der Geschwindigkeit, welche ihnen von der Achsendrehung eigen war, leisten konnten; die übrigen, wofern sie durch die Wechselwirkung der andern nicht zu dieser Genauheit gebracht werden können, müssen entweder mit dem Übermasse der Bewegung aus der Sphäre des Planeten sich entfernen, oder durch den Mangel derselben, auf ihn zurück zu sinken, genötiget werden. Die durch den ganzen Umfang der Dunstkugel zerstreute Teilchen werden, vermöge eben derselben Zentralgesetze, in der Bewegung [[A 77>> ihres Umschwunges, die fortgesetzte Äquatorsfläche des Planeten von beiden Seiten zu durchschneiden trachten, und, indem sie einander in diesem Plane von beiden Hemisphärien einander1 aufhalten, werden sie sich daselbst häufen; und, weil ich setze, dass gedachte Dünste diejenige sind, die der Planet zu seiner Verkühlung zuletzt herauf schickt, wird alle zerstreuete Dunstmaterie sich neben diesem Plane in einem nicht gar breiten Raume sammlen, und die Räume zu beiden Seiten leer lassen. In dieser neuen und veränderten Richtung aber werden sie dennoch eben dieselbe Bewegung fortsetzen, welche sie, in freien konzentrischen Zirkelumläufen, schwebend erhält. Auf solche Weise nun ändert der Dunstkreis seine Gestalt, welche eine erfüllte Sphäre war, in eine Form einer ausgebreiteten Fläche, welche gerade mit dem Äquator des Saturns zusammen trifft; aber auch diese Fläche muss aus eben denselben mechanischen Gründen zuletzt die Form eines Ringes annehmen, dessen äusserer Rand durch die Wirkung der Sonnenstrahlen bestimmet wird, welche diejenige Teilchen, die sich bis zu gewisser Weite von dem Mittelpunkte des Planeten entfernet haben, durch ihre Kraft zerstreuet und entfernet, so wie sie es bei den Kometen tut, und dadurch die auswendige Grenze ihres Dunstkreises abzeichnet. Der inwendige Rand dieses entspringenden Ringes wird durch die Verhältnis der Geschwindigkeit des Planeten unter seinem Äquator bestimmt. Denn in demjenigen Abstande von seinem Mittelpunkte, da diese Geschwindig[[A 78>>keit mit der Attraktion des Orts das Gleichgewichte leistet, da ist die grösste Nähe, in welcher die von seinem Körper aufgestiegene Teilchen, durch die von der Achsendrehung eigene Bewegung, Zirkelkreise beschreiben können. Die nähern Teilchen, weil sie einer grössern Geschwindigkeit zu solchem Umlaufe bedürfen, die sie doch nicht haben können, weil selbst auf dem Äquator des Planeten die Bewegung nicht schneller ist, werden dadurch exzentrische Läufe erhalten, die einander durchkreuzen, eine der andern1 Bewegung schwächen, und endlich insgesamt auf den Planeten niederstürzen, von dem sie sich erhoben hatten. Da sehen wir nun das wunderseltsame Phaenomenon, dessen Anblick seit seiner Entdeckung die Astronomen jederzeit in Bewunderung gesetzet hat, und, dessen Ursache zu entdecken, man niemals, auch nur eine wahrscheinliche, Hoffnung hat fassen können, auf eine leichte, von aller Hypothese befreiete mechanische Art entstehen. Was dem Saturn widerfahren ist, das würde, wie hieraus leicht ersehen werden kann, einem jeden Kometen, der genugsame Achsendrehung hätte, wenn er in eine beständige Höhe versetzt würde, in der sein Körper nach und nach verkühlen könnte, eben so regelmässig widerfahren. Die Natur ist an vortrefflichen Auswickelungen, in dem sich selbst gelassenen Zustande ihrer Kräfte, sogar im Chaos fruchtbar, und die darauf folgende Ausbildung bringet so herrliche Beziehungen und Übereinstimmungen zum gemeinsamen Nutzen der Kreatur mit sich, dass sie sogar, in den ewigen und un[[A 79>>wandelbaren Gesetzen ihrer wesentlichen Eigenschaften, dasjenige grosse Wesen mit einstimmiger Gewissheit zu erkennen geben, in welchem sie, vermittelst ihrer gemeinschaftlichen Abhängigkeit, sich zu einer gesamten Harmonie vereinbaren. Saturn hat von seinem Ringe grosse Vorteile; er vermehret seinen Tag, und erleuchtet unter so viel Monden dessen Nacht dermassen, dass man daselbst leichtlich die Abwesenheit der Sonne vergisst. Aber, muss man denn deswegen leugnen, dass die allgemeine Entwickelung der Materie durch mechanische Gesetze, ohne andere, als ihre allgemeine Bestimmungen zu bedürfen, habe Beziehungen hervorbringen können, die der vernünftigen Kreatur Nutzen schaffen ? Alle Wesen hängen aus einer Ursache zusammen, welche der Verstand Gottes ist; sie können dahero keine andere Folgen nach sich ziehen, als solche, die eine Vorstellung der Vollkommenheit in eben derselben göttlichen Idee mit sich führen.
Wir wollen nunmehro die Zeit der Achsendrehung dieses Himmelskörpers aus den Verhältnissen seines Ringes, nach der angeführten Hypothese seiner Erzeugung, berechnen. Weil alle Bewegung der Teilchen des Ringes eine einverleibte Bewegung von der Achsendrehung des Saturns ist, auf dessen Oberfläche sie sich befanden: so trifft die schnelleste Bewegung unter denen, die diese Teilchen haben, mit der schnellesten Umwendung, die auf der Oberfläche des Saturns angetroffen wird, [[A 80>> überein, das ist: die Geschwindigkeit, womit die Partikeln des Ringes in seinem inwendigen Rande umlaufen, ist derjenigen, die der Planet auf seinem Äquator hat, gleich. Man kann aber jene leicht finden, indem man sie aus der Geschwindigkeit eines von den Saturnustrabanten suchet, dadurch, dass man selbige, in dem Verhältnisse der Quadratwurzel der Entfernungen von dem Mittelpunkte des Planeten, nimmt. Aus der gefundenen Geschwindigkeit ergibt sich unmittelbar die Zeit der Umdrehung des Saturns um seine Achse; s i e i s t v o n s e c h s S t u n d e n, d r e i u n d z w a n z i g M i n u t e n, u n d d r e i u n d f u n f z i g S e k u n d e n.1 Diese mathematische Berechnung einer unbekannten Bewegung eines Himmelskörpers, die vielleicht die einzige Vorherverkündigung ihrer Art in der eigentlichen Naturlehre ist, erwartet von den Beobachtungen künftiger Zeiten die Bestätigung. Die noch zur Zeit bekannte Ferngläser vergrössern den Saturn nicht so sehr, dass man die Flecken, die man auf seiner Oberfläche vermuten kann, dadurch entdecken könnte, um durch deren Verrückung seine Umwendung um die Achse iu ersehen. Allein die Sehröhre haben vielleicht noch nicht alle diejenige Vollkommenheit erlanget, die man von ihnen hoffen kann, und welche der Fleiss und die Geschicklichkeit der Künstler uns zu versprechen scheinet. Wenn man dereinst dahin gelangete, unsern Mutmassungen den Ausschlag durch den Augenschein zu geben, welche Gewissheit würde die Theorie des Saturns, und was vor eine vorzügliche [[A 81>> Glaubwürdigkeit würde das ganze System dadurch nicht erlangen, das auf den gleichen Gründen errichtet ist. Die Zeit der täglichen Umdrehung des Saturns führet auch die Verhältnis der den Mittelpunkt fliehenden Kraft seines Äquators zur Schwere auf seiner Oberfläche mit sich; sie ist zu dieser, wie 20: 32. Die Schwere ist also nur um 3/5 grösser, als die Zenterfliehkraft. Dieses so grosse Verhältnis verursachet notwendig einen sehr beträchtlichen Unterscheid der Durchmesser dieses Planeten, und man könnte besorgen, dass er so gross entspringen müsste, dass die Beobachtung bei diesem, ob zwar wenig, durch das Fernglas vergrösserten Planeten dennoch gar zu deutlich in die Augen fallen müsste, welches wirklich nicht geschiehet, und die Theorie dadurch einen nachteiligen Anstoss erleiden kännte. Eine gründliche Prüfung hebet diese Schwierigkeit völlig. Nach der Huygenianischen Hypothese, welche annimmt, dass die Schwere in dem Innern eines Planeten durch und durch gleich sei, ist der Unterscheid der Durchmesser in einer zweifach kleinern Verhältnis zu dem Durchmesser des Äquators, als die Zenterfliehkraft zur Schwere unter den Polen hat. Z. E. da bei der Erde die den Mittelpunkt fliehende Kraft des Äquators 1/289 der Schwere unter den Polen ist: so muss in der Huygenianischen Hypothese der Durchmesser der Äquatorsfläche 1/578 grösser, als die Erdachse sein. Die Ursache ist diese: weil, da die Schwere der Voraussetzung gemäss, in dem Innern des Erdklumpens, in allen Nähen zum Mit[[A 82>>telpunkte so gross, wie auf der Oberfläche ist, die Zentrifugalkraft aber mit den Annäherungen zum Mittelpunkte abnimmt, selbige nicht allenthalben 1/289 der Schwere ist, sondern vielmehr die ganze Verminderung des Gewichtes der flüssigen Säule in der Äquatorsfläche aus diesem Grunde nicht 1/289 sondern die Hälfte davon, d. i. 1/578 desselben beträgt. Dagegen hat in der Hypothese des Newton die Zenterfliehkraft, welche die Achsendrehung erreget, in der ganzen Fläche des Äquators, bis zum Mittelpunkte, eine gleiche Verhältnis zur Schwere des Orts: weil diese in dem Innern des Planeten (wenn er durch und durch von gleichförmiger Dichtigkeit angenommen wird) mit dem Abstande vom Mittelpunkte in derselben Proportion, als die Zenterfliehkraft, abnimmt, mithin diese jederzeit 1/289 der erstern ist. Dieses verursachet eine Erleichterung der flüssigen Säule in der Äquatorsfläche, und auch die Erhebung derselben um 1/289, welcher Unterschied der Durchmesser in diesem Lehrbegriffe noch dadurch vermehret wird, dass die Verkürzung der Achse eine Annäherung der Teile zum Mittelpunkte, mithin eine Vermehrung der Schwere, die, Verlängerung des Äquatordurchmessers aber eine Entfernung der Teile von eben demselben Mittelpunkte, und daher eine Verringerung ihrer Gravität mit sich führet, und aus diesem Grunde die Abplattung des Newtonischen Sphäroids so vermehret, dass der Unterscheid der Durchmesser von 1/289 bis zu 1/230 erhoben wird.
[[A 83>> Nach diesen Gründen müssten die Durchmesser des Saturns noch in grösserem Verhältnisse, als das von 20 zu 32 ist, gegen einander sein; sie müssten der Proportion von 1 zu 2 beinahe gleich kommen. Ein Unterscheid, der so gross ist, dass die geringste Aufmerksamkeit ihn nicht fehlen würde, so klein auch Saturn durch die Ferngläser erscheinen mag. Allein hieraus ist nur zu ersehen, dass die Voraussetzung der gleichförmigen Dichtigkeit, welche bei dem Erdkörper ziemlich richtig angebracht zu sein scheinet, beim Saturn gar zu weit von der Wahrheit abweiche; welches schon an sich selber bei einem Planeten wahrscheinlich ist, dessen Klumpen dem grossesten Teile seines Inhaltes nach aus den leichtesten Materien bestehet, und denen von schwererer Art in seinem Zusammensatze, bevor er den Zustand der Festigkeit bekommt, die Niedersinkung zum Mittelpunkte, nach Beschaffenheit ihrer Schwere, weit freier verstattet, als diejenige Himmelskörper, deren viel dichterer Stoff den Niedersatz der Materien verzögert, und sie, ehe diese Niedersinkung geschehen kann, fest werden lässt. Indem wir also beim Saturn voraussetzen, dass die Dichtigkeit seiner Materien, in seinem Innern, mit der Annäherung zum Mittelpunkte zunehme, so nimmt die Schwere nicht mehr in diesem Verhältnisse ab; sondern die wachsende Dichtigkeit ersetzt den Mangel der Teile, die über die Höhe des in dem Planeten befindlichen Punkts gesetzt sein, und durch ihre Anziehung zu [[A 84>> dessen Gravität nichts beitragen.* Wenn diese vorzügliche Dichtigkeit der tiefsten Materien sehr gross ist: so verwandelt sie, vermöge der Gesetze der Anziehung, die zum Mittelpunkte hin in dem Innern abnehmende Schwere in eine fast gleichförmige, und setzet das Verhältnis der Durchmesser dem Huygenischen nahe, welches immer die Hälfte von dem Verhältnis zwischen der Zentrifugalkraft und der Schwere ist; folglich, da diese gegen einander wie 2:3 waren: so wird der Unterscheid der Durchmesser dieses Planeten nicht 1/3, sondern 1/6 des Äquatordurchschnitts1 sein: welcher Unterscheid schlüsslich noch dadurch verborgen wird, weil Saturn, dessen Achse mit der Fläche seiner Bahn jederzeit einen Winkel von 31 Graden macht, die Stellung desselben gegen seinen Äquator niemals, wie beim Jupiter, gerade zu darbietet, welches den vorigen Unterscheid fast um den dritten Teil, dem Scheine nach, vermindert. Man kann bei solchen Umständen, und vornehmlich bei der so grossen Weite dieses Planeten leicht erachten: dass die [[A 85>> abgeplattete Gestalt seines Körpers nicht so leicht, als man wohl denken sollte, in die Augen fallen werde; dennoch wird die Sternwissenschaft, deren Aufnehmen vornehmlich auf die Vollkommenheit der Werkzeuge ankommt, die Entdeckung einer so merkwürdigen Eigenschaft, wo ich mir nicht zu sehr schmeichle, durch derselben Hülfe vielleicht zu erreichen in den Stand gesetzet werden.
Was ich von der Figur des Saturns sage, kann gewissermassen der Naturlehre des Himmels zu einer allgemeinen Bemerkung dienen. Jupiter, der, nach einer genauen Ausrechnung, eine Verhältnis der Schwere zur Zentrifugalkraft auf seinem Äquator wenigstens wie 9 1/4: 1 hat, sollte, wenn sein Klumpen durch und durch von gleichförmiger Dichtigkeit wäre, nach den Lehrsätzen des Newton, einen noch grössern Unterscheid, als 1/9, zwischen seiner Achse und dem Äquatorsdurchmesser, an sich zeigen. Allein Cassini hat ihn nur 1/16 Pound 1/12, bisweilen 1/14 befunden; wenigstens stimmen alle diese verschiedene Beobachtungen, welche durch ihren Unterscheid die Schwierigkeit dieser Abmessung bestätigen, darin überein, sie viel kleiner zu setzen, als sie es nach dem System des Newton, oder vielmehr nach seiner Hypothese von der gleichförmigen Dichtigkeit sein sollte. Und wenn man daher die Voraussetzung der gleichförmigen Dichtigkeit, welche die so grosse Abweichung der Theorie von der Beobachtung veranlasset, in die viel wahrscheinlichere verändert, da die Dichtigkeit des [[A 86>> planetischen Klumpens zu seinem Mittelpunkte hin zunehmend gesetzet wird: so wird man nicht allein an dem Jupiter die Beobachtung rechtfertigen, sondern auch bei dem Saturn, einem viel schwerer abzumessenden Planeten, die Ursache einer minderen Abplattung seines sphäroidischen Körpers deutlich einsehen können.
Wir haben aus der Erzeugung des Saturnischen Ringes Anlass genommen, den kühnen Schritt zu wagen, die Zeit der Achsendrehung, welche die Ferngläser zu entdecken nicht vermögen, ihm durch Rechnung zu bestimmen. Lasset uns diese Probe einer physischen Vorhersagung noch mit einer andern an eben diesem Planeten vermehren, welche von vollkommeneren Werkzeugen künftiger Zeiten das Zeugnis ihrer Richtigkeit zu erwarten hat.
Der Voraussetzung gemäss: dass der Ring des Saturns eine Häufung der Teilchen sei, die, nachdem sie von der Oberfläche dieses Himmelkörpers als Dünste aufgestiegen, sich vermöge des Schwunges, den sie von der Achsendrehung desselben an sich haben und fortsetzen, in der Höhe ihres Abstandes frei in Zirkeln laufend erhalten, haben dieselbe nicht in allen ihren Entfernungen vom Mittelpunkte gleiche periodische Umlaufszeiten; sondern diese verhalten sich vielmehr wie die Quadratwurzeln aus den Würfeln ihres Abstandes, wenn sie sich durch die Gesetze der Zentralkräfte schwebend erhalten sollen. Nun ist die Zeit, darin, nach dieser Hypothese, die Teilchen des inwendigen Randes [[A 87>> ihren Umlauf verrichten, ohngefähr von 10 Stunden, und die Zeit des Zirkellaufs der Partikeln im auswendigen Rande ist, nach gehöriger Ausrechnung, 15 Stunden; also, wenn die niedrigsten Teile des Ringes ihren Umlauf 3 mal verrichtet haben, haben es die entfernetesten nur 2 mal getan. Es ist aber wahrscheinlich, man mag die Hindernis, die die Partikeln bei ihrer grossen Zerstreuung in der Ebene des Ringes einander leisten, so gering schätzen, als man will, dass das Nachbleiben der entferntern Teilchen, bei jeglichem ihrer Umläufe, die schneller bewegte niedrige Teile nach und nach verzögern und aufhalten1, dagegen diese denen obern einen Teil ihrer Bewegung, zu einer geschwindern Umwendung, eindrücken müssen, welches, wenn diese Wechselwirkung nicht endlich unterbrochen würde, so lange dauren würde, bis die Teilchen des Ringes alle dahin gebracht wären, sowohl die niedrigen, als die weitern, in gleicher Zeit sich herumzuwenden, als in welchem Zustande sie in respektiver Ruhe gegen einander sein, und durch die Wegrückung keine Wirkung in einander tun würden. Nun würde aber ein solcher Zustand, wenn die Bewegung des Ringes dahin ausschlüge, denselben gänzlich zerstören, weil, wenn man die Mitte von der Ebene des Ringes nimmt, und setzet, dass daselbst die Bewegung in dem Zustande verbleibe, darin sie vorher war und sein muss, um einen freien Zirkellauf leisten zu können, die untern Teilchen, weil sie sehr zurück gehalten worden, sich nicht in ihrer Höhe schwebend erhalten, sondern [[A 88>> in schiefen und exzentrischen Bewegungen einander durchkreuzen, die entferntern aber durch den Eindruck einer grössern Bewegung, als sie vor die Zentralkraft ihres Abstandes sein soll, weiter von der Sonne2 abgewandt, als die Sonnenwirkung3 die äussere Grenze des Ringes bestimmt, durch dieselbe hinter dem Planeten zerstreuet und fortgeführet werden müssten.
Allein, man darf alle diese Unordnung nicht befürchten. Der Mechanismus der erzeugenden Bewegung des Ringes führet auf eine Bestimmung, die denselben, vermittelst eben der Ursachen, die ihn zerstören sollen, in einen sichern Zustand versetzet, dadurch, dass er in etliche konzentrische Zirkelstreifen geteilet wird, welche wegen der Zwischenräume, die sie absondern, keine Gemeinschaft mehr unter einander haben. Denn indem die Partikeln, die in dem inwendigen Rande des Ringes umlaufen, die obere durch ihre schnellere Bewegung etwas fortführen, und ihren Umlauf beschleunigen: so verursachen die vermehrten Grade der Geschwindigkeit in diesen ein Übermass der Zentrifugalkraft, und eine Entfernung von dem Orte, da sie schwebeten. Wenn man aber voraussetzet, dass, indem dieselbe sich von den niedrigen zu trennen bestreben, sie einen gewissen Zusammenhang zu überwinden haben, der, ob es zwar zerstreuete Dünste sein, dennoch bei diesen nicht ganz nichts bedeutend zu sein scheinet: so wird dieser vermehrte Grad des Schwunges gedachten Zusammenhang zu überwin[[A 89>>den trachten: aber selbigen nicht überwinden, so lange der Überschuss der Zenterfliehkraft, die er in gleicher Umlaufszeit mit den niedrigsten anwendet, über die Zentralkraft ihres Orts, dieses Anhängen nicht übertrifft. Und aus diesem Grunde muss in einer gewissen Breite eines Streifens von diesem Ringe, obgleich, weil dessen Teile in gleicher Zeit ihren Umlauf verrichten, die obere eine Bestrebung anwenden, sich von den untern abzureissen, dennoch der Zusammenhang bestehen, aber nicht in grösserer Breite, weil, indem1 die Geschwindigkeit dieser in gleichen Zeiten unbewegten2 Teilchen, mit den Entfernungen, also mehr, als sie es nach den Zentralgesetzen tun sollte, zunimmt, wenn sie den Grad überschritten hat, den der Zusammenhang der Dunstteilchen leisten kann, von diesen sich abreissen und einen Abstand annehmen müssen, welcher dem Überschusse der Umwendungskraft über die Zentralkraft des Orts gemäss ist. Auf diese Weise wird der Zwischenraum bestimmet, der den ersten Streifen des Ringes von den übrigen absondert: und auf gleiche Weise macht die beschleunigte Bewegung der obern Teilchen, durch den schnellen Umlauf der untern, und der Zusammenhang derselben, welcher die Trennung zu hindern trachtet, den zweiten konzentrischen Ring, von welchem der dritte um eine mässige Zwischenweite abstehet. Man könnte die Zahl dieser Zirkelstreifen, und die Breite ihrer Zwischenräume, ausrechnen, wenn der Grad des Zusammenhanges bekannt wäre, welcher die Teilchen an einander hängt; allein wir können [[A 90>> uns begnügen, überhaupt die Zusammensetzung des Saturnischen Ringes, die dessen Zerstörung vorbeugt, und ihn durch freie Bewegungen schwebend erhält, mit gutem Grunde der Wahrscheinlichkeit erraten zu haben.
Diese Mutmassung vergnüget mich nicht wenig, vermittelst der Hoffnung, selbige noch wohl dereinst durch wirkliche Beobachtungen bestätiget zu sehen. Vor einigen Jahren verlautete aus London, dass, indem man mit einem neuen, vom Herrn Bradley verbesserten Newtonischen Sehrohre den Saturn beobachtete, es geschienen habe, sein Ring sei eigentlich eine Zusammensetzung von vielen konzentrischen Ringen, welche durch Zwischenräume abgesondert wären. Diese Nachricht ist seitdem nicht forgesetzet worden.* Die [[A 91>> Werkzeuge des Gesichts haben die Kenntnisse der äussersten Gegenden des Weltgebäudes dem Verstande eröffnet. Wenn es nun vornehmlich auf sie ankommt, neue Schritte darin zu tun: so kann man von der Aufmerksamkeit des Jahrhunderts auf alle dasjenige, was die Einsichten der Menschen erweitern kann, wohl mit Wahrscheinlichkeit hoffen, dass sie sich vornehmlich auf eine Seite wenden werde, welche ihr die grösste Hoffnung zu wichtigen Entdeckungen darbietet. Wenn aber Saturn so glücklich gewesen, sich einen Ring zu verschaffen, warum ist denn kein anderer Planet mehr dieses Vorteils teilhaftig worden ? die Ursache ist deutlich. Weil ein Ring aus den Ausdünstungen eines Planeten, der sie bei sei[[A 92>>nem rohen Zustande adshauchet, entstehen soll, und die Achsendrehung dieser den1 Schwung geben muss, den sie nur fortzusetzen haben, wenn sie in die Höhe gelanget sein, da sie mit dieser eingepflanzten Bewegung der Gravitation gegen den Planeten gerade das Gleichgewicht leisten können: so kann man leicht durch Rechnung bestimmen, zu welcher Höhe die Dünste von einem Planeten aufsteigen müssen, wenn sie durch die Bewegungen, die sie unter dem Äquator desselben hatten, sich in freier Zirkelbewegung erhalten sollen, wenn man den Durchmesser des Planeten, die Zeit seiner Umdrehung, und die Schwere auf seiner Oberfläche kennet. Nach dem Gesetze der Zentralbewegung wird die Entfernung eines Körpers, der um einen Planeten mit einer dessen Achsendrehung gleichen Geschwindigkeit frei im Zirkel laufen kann, in eben solchem Verhältnisse zum halben Durchmesser des Planeten sein, als die den Mittelpunkt fliehende Kraft, unter dem Äquator desselben, zur Schwere ist. Aus diesen Gründen war die Entfernung des innern Randes des Saturnringes wie 8, wenn der halbe Diameter desselben wie 5 angenommen wird, welche zwei Zahlen in demselben Verhĺltnisse wie 32: 20 ist2, die, so wie wir vorher bemerket haben, die Proportion zwischen der Schwere und der Zenterfliehkraft unter dem Äquator ausdrückt3. Aus den gleichen Gründen, wenn man setzte, dass Jupiter einen auf diese Art erzeugten Ring haben sollte, würde dessen kleinster halber Durchmesser die halbe Dicke des Jupiter romal übertreffen, welches gerade [[A 93>> dahin treffen würde, wo sein äusserster Trabante um ihn läuft, und daher sowohl aus diesen Gründen, als auch, weil die Ausdünstung eines Planeten sich so weit von ihm nicht ausbreiten kann, unmöglich ist. Wenn man verlangte zu wissen, warum die Erde keinen Ring bekommen hat: so wird man die Beantwortung in der Grösse des halben Durchmessers finden, den nur sein innerer Rand hätte haben müssen, welcher 289 halbe Erddiameter müsste gross geworden sein. Bei den langsamer bewegten Planeten entfernet sich die Erzeugung eines Ringes noch weiter von der Möglichkeit; also bleibt kein Fall übrig, da ein Planet auf die Weise, wie wir es erkläret haben, einen Ring hätte bekommen können, als derjenige, darin der Planet ist, welcher ihn würklich hat, welches eine nicht geringe Bestärkung der Glaubwhrdigkeit unserer Erklärungsart ist.
Was mich aber fast versichert macht, dass der Ring, welcher den Saturn umgibet, ihm nicht auf diejenige allgemeine Art entstanden, und durch die allgemeine Bildungsgesetze erzeugt worden, die durch das ganze System der Planeten geherrschet, und dem Saturn auch seine Trabanten verschaffet hat, dass, sage ich, diese äusserliche Materie nicht ihren Stoff dazu hergegeben, sondern er ein Geschöpf des Planeten selber sei, der seine flüchtigsten Teile durch die Wärme erhoben, und ihnen durch seine eigene Achsendrehung den Schwung zur Umwendung erteilet hat, ist dieses, dass der [[A 94>> Ring nicht so wie die andern Trabanten desselben, und wie überhaupt alle umlaufende Körper, die in der Begleitung der Hauptplaneten befindlich sein, in der allgemeinen Beziehungsfläche der planetischen Bewegungen gerichtet ist, sondern von ihr sehr abweicht: welches ein sicherer Beweis ist, dass er nicht aus dem allgemeinen Grundstoffe gebildet, und seine Bewegung aus dessen Herabsinken bekommen, sondern von dem Planeten, nach längst vollendeter Bildung aufgestiegen, und durch dessen eingepflanzte Umschwungskräfte, als sein abgeschiedener Teil, eine sich auf desselben Achsendrehung beziehende Bewegung und Richtung bekommen habe.1
Das Vergnügen, eine von den selteristen Besonderheiten des Himmels, in dem ganzen Umfange ihres Wesens und Erzeugung, begriffen zu haben, hat uns in eine so weitläuftige Abhandlung verwickelt. Lasset uns mit der Vergünstigung unserer gefälligen Leser dieselbe, wo es beliebig, bis zur Ausschweifung treiben, um, nachdem wir uns auf eine angenehme Art willkürlichen Meinungen, mit einer Art von Ungebundenheit, überlassen haben, mit desto mehrerer Behutsamkeit und Sorgfalt wiederum zu der Wahrheit zurück zu kehren.
Könnte man sich nicht einbilden, dass die Erde eben sowohl, wie Saturn, ehemals einen Ring gehabt habe ? Er möchte nun von seiner Oberfläche1 eben so, wie Saturns seiner, aufgestiegen sein, und habe sich lange Zeit erhalten, indessen dass die Erde von einer viel schnelleren Umdrehung, [[A 95>> als die gegenwärtige ist, durch wer weiss was vor Ursachen, bis zu gegenwärtigem Grade aufgehalten worden, oder dass man dem abwärts sinkenden allgemeinen Grundstoffe es zutrauet, denselben nach den Regeln, die wir oben erkläret, gebildet zu haben, welches man so genau nicht nehmen muss, wenn man seine Neigung zum Sonderbaren vergnügen will. Allein, was vor ein Vorrat2 von schönen Erläuterungen und Folgen bietet uns eine solche Idee dar. Ein Ring um die Erde! Welche Schönheit eines Anblicks vor diejenige, die erschaffen waren, die Erde als ein Paradies zu bewohnen; wie viel Bequemlichkeit vor diese, welche die Natur von allen Seiten anlachen sollte! Allein dieses ist noch nichts gegen die Bestätigung, die eine solche Hypothese aus der Urkunde der Schöpfungsgeschichte entlehnen kann, und die vor diejenige keine geringe Empfehlung zum Beifalle ist, welche die Ehre der Offenbarung nicht zu entweihen, sondern zu bestätigen glauben, wenn sie sich ihrer bedienen, den Ausschweifungen ihres Witzes dadurch ein Ansehen zu geben. Das Wasser der Feste, deren die Mosaische Beschreibung erwähnet, hat den Auslegern schon nicht wenig Mühe verursachet. Könnte man sich dieses Ringes nicht bedienen, sich aus dieser Schwierigkeit heraus zu helfen ? Dieser Ring bestand ohne Zweifel aus wässrichten Dünsten; und man hat ausser dem Vorteile, den er den ersten Bewohnern der Erde verschaffen konnte, noch diesen, ihn im benötigten Falle zerbrechen zu lassen, um die Welt, die solcher [[A 96>> Schönheit sich unwürdig gemacht hatte, mit Überschwemmungen zu züchtigen. Entweder ein Komet, dessen Anziehung die regelmässige Bewegungen seiner Teile in Verwirrung brachte, oder die Verkühlung der Gegend seines Aufenthalts vereinigte dessen zerstreuete Dunstteile, und stürzte sie, in einem der allergrausamsten Wolkenbrüche, auf den Erdboden nieder. Man weiss leichtlich, was die Folge hievon war. Alle Welt ging im Wasser unter, und sog noch über dieses, in denen fremden und flüchtigen Dünsten dieses unnatürlichen Regens, denjenigen langsamen Gift ein, der alle Geschöpfe dem Tode und der Zerstörung näher brachte. Nunmehro war die Figur eines blassen und lichten Bogens von dem Horizonte verschwunden, und die neue Welt, welche sich dieses Anblicks niemals erinnern konnte, ohne ein Schrecken vor dieses fürchterliche Werkzeug der göttlichen Rache zu empfinden, sahe vielleicht mit nicht geringer Bestürzung in dem ersten Regen denjenigen farbichten Bogen, der, seiner Figur nach, den erstern abzubilden schien, aber durch die Versicherung des versöhnten Himmels ein Gnadenzeichen und Denkmal einer fortwährenden Erhaltung des nunmehro veränderten Erdbodens sein sollte. Die Ähnlichkeit der Gestalt dieses Erinnerungszeichens mit der bezeichneten Begebenheit könnte eine solche Hypothese denenjenigen anpreisen, die der herrschenden Neigung ergeben sind, die Wunder der Offenbarung mit den ordentlichen Naturgesetzen in ein System zu bringen. Ich finde es vor ratsamer, den [[A 97>> flüchtigen Beifall, den solche Übereinstimmungen erwecken können, dem wahren Vergnügen völlig aufzuopfern, welches aus der Wahrnehmung des regelmässigen Zusammenhanges entspringet, wenn physische Analogien einander zur Bezeichnung physischer Wahrheiten unterstützen.
SECHSTES HAUPTSTÜCK,
VON DEM ZODIAKALLICHTE
Die Sonne ist mit einem subtilen und dunstigen Wesen umgeben, welches in der Fläche ihres Äquators, mit einer nur geringen Ausbreitung auf beiden Seiten, bis zu einer grossen Höhe sie umgibet, wovon man nicht versichert sein kann, ob es, wie H e r r v o n M a i r a n es abbildet, in der Figur eines erhaben geschliffenen Glases (figura lenticulari), mit der Oberfläche der Sonne zusammen stösst, oder wie der Ring des Saturns allenthalben von ihm abstehet. Es sei nun das eine oder das andere: so bleibet Ähnlichkeit genug übrig, um dieses Phaenomenon mit dem Ringe des Saturns in Vergleichung zu stellen, und es aus einem übereinkommenden Ursprunge herzuleiten. Wenn diese ausgebreitete Materie ein Ausfluss aus der Sonne ist, wie es denn am wahrscheinlichsten ist, [[A 98>> sie davor zu halten: so wird man die Ursache nicht verfehlen können, die sie auf die dem Sonnenäquator gemeine Fläche gebracht hat. Der leichteste und flüchtigste Stoff, den das Sonnenfeuer von dessen Oberfläche erhebet, und schon lange erhoben hat, wird durch derselben Wirkung weit über sie fortgetrieben, und bleibet, nach Massgebung seiner Leichtigkeit, in einer Entfernung schweben, wo die forttreibende Wirkung der Strahlen der Schwere dieser Dunstteilchen das Gleichgewicht leistet, oder sie werden von dem Zuflusse neuer Partikeln unterstützet, welche beständig zu ihnen hinzu kommen. Nun, weil die Sonne, indem sie sich um die Achse drehet, diesen von ihrer Oberfläche abgerissenen Dünsten ihre Bewegung gleichmässig eindrückt: so behalten dieselbe einen gewissen Schwung zum Umlaufe, wodurch sie von beiden Seiten, den Zentralgesetzen gemäss, in dem Zirkel ihrer Bewegung die fortgesetzte Äquatorsfläche der Sonne zu durchschneiden bestrebt sein; und daher, weil sie in gleicher Quantität von beiden Hemisphärien sich zu derselben hindringen, daselbst sich mit gleichen Kräften häufen, und eine ausgebreitete Ebene, in diesem auf den Sonnenäquator beziehenden Plan, fonnieren.
Allein, ohnerachtet dieser Ähnlichkeit mit dem Saturnusringe, bleibt ein wesentlicher Unterschied übrig, welcher das Phaenomenon des Zodiakallichtes von jenem sehr abweichend macht. Die Partikeln des erstern erhalten sich durch die eingepflanz[[A 99>>te Umdrehungsbewegung in frei schwebendem Zirkellaufe; allein die Teilchen des letztern werden durch die Kraft der Sonnenstrahlen in ihrer Höhe erhalten, ohne welcher1 die ihnen von der Sonnenumwendung beiwohnende Bewegung gar weit fehlen würde, sie im freien Umschwunge vom Falle abzuhalten. Denn, da die den Mittelpunkt fliehende Kraft der Achsendrehung auf der Oberfläche der Sonne noch nicht 1/40000 der Attraktion ist: so würden diese aufgestiegene Dünste 40000 halbe Sonnendiameter von ihr entfernet werden müssen, um in solcher Weite allererst eine Gravitation anzutreffen, der ihrer1 mitgeteilten2 Bewegung das Gleichgewicht leisten könnte. Man ist also sicher, dieses Phaenomenon der Sonne ihr nicht auf die dem Saturnusringe gleiche Art zuzumessen.
Gleichwohl bleibet eine nicht geringe Wahrscheinlichkeit übrig, dass dieser Halsschmuck der Sonne vielleicht denselben Ursprung erkenne, den die gesamte Natur erkennet, nämlich die Bildung aus dem allgemeinen Grundstoff, dessen Teile, da sie in den höchsten Gegenden der Sonnenwelt herum geschwebet, nur allererst nach völlig vollendeter Bildung des ganzen Systems zu der Sonne, in einem späten Falle mit geschwächter, aber doch von Abend gegen Morgen gekrümmter Bewegung, herab gesunken, und, vermittelst dieser Art des Kreislaufes, die fortgesetzte Äquatorsfläche derselben durchschnitten, daselbst durch ihre Häufung von beiden Seiten, indem sie sich aufhielten, eine [[A 100>> in dieser Stellung ausgebreitete Ebene eingenommen haben, worin sie sich zum Teil durch der Sonnenstrahlen Zurücktreibung, zum Teil durch ihre wirklich erlangte Kreisbewegung, jetzo in beständig gleicher Höhe erhalten. Die gegenwärtige Erklärung hat keine andere Würdigkeit, als diejenige, welche Mutmassungen zukommt, und keinen Anspruch, als nur auf einen willkürlichen Beifall; das Urteil des Lesers mag sich auf diejenige Seite wenden, welche ihm die annehmungswürdigste zu sein dünket.
SIEBENTES HAUPTSTÜCK,
VON DER SCHÖPFUNG IM GANZEN UMFANGE IHRER
UNENDLICHKEIT, SOWOHL DEM RAUME,
ALS DER ZEIT NACH
Das Weltgebäude setzet durch seine unermessliche Grösse, und durch die unendliche Mannigfaltigkeit und Schönheit welche aus ihr1 von allen Seiten hervorleuchtet, in ein stilles Erstaunen. Wenn die Vorstellung aller dieser Vollkommenheit nun die Einbildungskraft rühret: so nimmt den Verstand anderer Seits eine andere Art der Entzückung ein, wenn er betrachtet, wie so viel Pracht, so viel Grösse aus einer einzigen allgemeinen Re[[A 101>>gel, mit einer ewigen und richtigen Ordnung, abfliesset. Der planetische Weltbau, indem2 die Sonne aus dem Mittelpunkte aller Kreise, mit ihrer mächtigen Anziehung, die bewohnte Kugeln ihres Systems in ewigen Kreisen umlaufend macht, ist gänzlich, wie wir gesehen haben, aus dem ursprünglich ausgebreiteten Grundstoff aller Weltmaterie gebildet worden. Alle Fixsterne, die das Auge an der hohlen Tiefe des Himmels entdecket, und die eine Art von Verschwendung anzuzeigen scheinen, sind Sonnen und Mittelpunkte von ähnlichen Systemen. Die Analogie erlaubt es also hier nicht, zu zweifeln, dass diese auf die gleiche Art, wie das, darin wir uns befinden, aus denen kleinsten Teilen der elementarischen Materie, die den leeren Raum, diesen unendlichen Umfang der göttlichen Gegenwart, erfüllete, gebildet und erzeuget worden.
Wenn nun alle Welten und Weltordnungen dieselbe Art ihres Ursprungs erkennen; wenn die Anziehung unbeschränkt und allgemein, die Zurückstossung der Elemente aber ebenfalls durchgehends wirksam, wenn bei dem Unendlichen das Grosse und Kleine beiderseits klein ist: sollten nicht alle die Weltgebäude gleichermassen eine beziehende Verfassung und systematische Verbindung unter einander angenommen haben, als die Himmelskörper unserer Sonnenwelt im Kleinen, wie Saturn, Jupiter und die Erde, die vor sich insonderheit Systeme sein, und dennoch unter einander als Glieder in ei[[A 102>>nem noch grössern zusammen hängen ? Wenn man in dem unermesslichen Raume, darin alle Sonnen der Milchstrasse sich gebildet haben, einen Punkt annimmt, um welchen durch ich weiss nicht was vor eine Ursache die erste Bildung der Natur aus dem Chaos angefangen hat: so wird daselbst die grösste Masse, und ein Körper von der ungemeinsten Attraktion, entstanden sein, der dadurch fähig geworden, in einer ungeheuren Sphäre um sich alle in der Bildung begriffene Systeme zu nötigen, sich gegen ihn, als ihren Mittelpunkt, zu senken, und um ihn ein gleiches System im Ganzen zu errichten, als derselbe elementarische Grundstoff, der die Planeten bildete, um die Sonne im Kleinen gemacht hat. Die Beobachtung macht diese Mutmassung beinahe ungezweifelt. Das Heer der Gestirne macht, durch seine beziehende Stellung gegen einen gemeinschaftlichen Plan, eben sowohl ein System aus, als die Planeten unseres Sonnenbaues um die Sonne. Die Milchstrasse ist der Zodiakus dieser höheren Weltordnungen, die von seiner Zone so wenig als möglich abweichen, und deren Streif immer von ihrem Lichte erleuchtet ist, so wie der Tierkreis der Planeten von dem Scheine dieser Kugeln, obzwar nur in sehr wenig Punkten, hin und wieder schimmert. Eine jede dieser Sonnen macht mit ihren umlaufenden Planeten vor sich ein besonderes System aus; allein dieses hindert nicht, Teile eines noch grösseren Systems zu sein, so wie Jupiter oder Saturn, ungeachtet ihrer eigenen Begleitung, in der systema[[A 103>>tischen Verfassung eine, noch grösseren Weltbaues beschränkt sein. Kann man, an einer so genauen Übereinstimmung in der Verfassung nicht die gleiche Ursache und Art der Erzeugung erkennen ?
Wenn nun die Fixsterne ein System ausmachen, dessen Umfang durch die Anziehungssphäre desjenigen Körpers, der im Mittelpunkte befindlich ist, bestimmet wird, werden nicht mehr Sonnensystemata, und, so zu reden, mehr Milchstrassen entstanden sein, die in dem grenzenlosen Felde des Weltraums erzeuget worden ? Wir haben mit Erstaunen Figuren am Himmel erblickt, welche nichts anders, als solche auf einen gemeinschaftlichen Plan beschränkte Fixsternensystemata, solche Milchstrassen, wenn ich mich so ausdrücken darf, sein, die in verschiedenen Stellungen gegen das Auge, mit einem ihrem unendlichen Abstande gemäss geschwächten Schimmer, elliptische Gestalten darstellen; es sind Systemata von, so zu sagen, unendliche mal unendlich grösserm Durchmesser, als der Diameter unseres Sonnenbaues ist; aber ohne Zweifel auf gleiche Art entstanden, aus gleichen Ursachen geordnet und eingerichtet, und erhalten sich durch ein gleiches Triebwerk, als dieses, in ihrer Verfassung.
Wenn man diese Sternensystemata wiederum als Glieder an der grossen Kette der gesamten Natur ansiehet: so hat man eben so viel Ursache, wie vorher, sie in einer gegenseitigen Beziehung zu gedenken, und in Verbindungen, welche, kraft [[A 104>> des durch die ganze Natur herrschenden Gesetzes der ersten Bildung, ein neues noch grösseres System ausmachen, das durch die Anziehung eines Körpers von ungleich mächtigerer Attraktion, als alle die vorige waren, aus dem Mittelpunkte ihrer regelmässigen Stellungen regieret wird. Die Anziehung, welche die Ursache der systematischen Verfassung unter den Fixsternen der Milchstrasse ist, wirket auch noch in der Entfernung eben dieser Weltordnungen, um sie aus ihren Stellungen zu bringen, und die Welt in einem unvermeidlich bevorstehenden Chaos zu begraben, wenn nicht regelmässig ausgeteilte Schwungskräfte der Attraktion das Gegengewicht leisten, und beiderseits in Verbindung diejenige Beziehung hervorbringen, die der Grund der systematischen Verfassung ist. Die Anziehung ist ohne Zweifel eine eben so weit ausgedehnte Eigenschaft der Materie, als die Koexistenz, welche den Raum macht, indem sie die Substanzen durch gegenseitige Abhängigkeiten verbindet, oder, eigentlicher zu reden, die Anziehung ist eben diese allgemeine Beziehung, welche die Teile der Natur in einem Raume vereinigt: sie erstrecket sich also auf die ganze Ausdehnung desselben, bis in alle Weiten ihrer Unendlichkeit. Wenn das Licht von diesen entfernten Systemen zu uns gelanget, das Licht, welches nur eine eingedrückte Bewegung ist, muss nicht vielmehr die Anziehung, diese ursprüngliche Bewegungsquelle, welche eher, wie alle Bewegung ist, die keiner fremden Ursachen bedarf, auch durch keine Hindernis kann aufgehalten werden, [[A 105>> weil sie in das Innerste der Materie, ohne einigen Stoss, selbst bei der allgemeinen Ruhe der Natur wirket, muss, sage ich, die Anziehung nicht diese Fixsternen-Systemata, ihrer unermesslichen Entfernungen ungeachtet, bei der ungebildeten Zerstreuung ihres Stoffes, im Anfange der Regung der Natur, in Bewegungen1 versetzet haben, die eben so, wie wir im Kleinen gesehen haben, die Quelle der systematischen Verbindung, und der dauerhaften Beständigkeit ihrer Glieder ist, die sie vor den Verfall sichert ?
Aber, welches wird denn endlich das Ende der systematischen Einrichtungen sein ? wo wird die Schöpfung selber aufhören ? Man merket wohl, da8, um sie in einem Verhältnisse mit der Macht des unendlichen Wesens zu gedenken, sie gar keine Grenzen haben müsse. Man kommt der Unendlichkeit der Schöpfungskraft Gottes nicht näher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer Sphäre, mit dem Radius der Milchstrasse beschrieben, einschliesset, als wenn man ihn in eine Kugel beschränken will, die einen Zoll im Durchmesser hat. Alles was endlich, was seine Schranken und ein bestimmtes Verhältnis zur Einheit hat, ist von dem Unendlichen gleich weit entfernet. Nun wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unendlich kleinen Teile ihres schöpferischen Vermögens in Wirksamkeit zu setzen, und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermesslichkeit von Naturen und Welten, untätig, und in einem ewigen [[A 106>> Mangel der Ausübung verschlossen zu gedenken. Ist es nicht vielmehr anständiger, oder, besser zu sagen, ist es nicht notwendig, den Inbegriff der Schöpfung also anzustellen, als er sein muss, um ein Zeugnis von derjenigen Macht zu sein, die durch keinen Massstab kann abgemessen werden ? Aus diesem Grunde ist das Feld der Offenbarung göttlicher Eigenschaften eben so unendlich, als diese selber sind.* Die Ewigkeit ist nicht hinläng[[A 107>>lich, die Zeugnisse des höchsten Wesens zu fassen, wo sie nicht mit der Unendlichkeit des Raumes verbunden wird. Es ist wahr, die Ausbildung, die Form, die Schönheit und Vollkommenheit sind Beziehungen der Grundstücke und der Substanzen, die den Stoff des Weltbaues ausmachen; und man bemerket es an den Anstalten, die die Weisheit Gottes noch zu aller Zeit trifft; es ist ihr auch am gemässesten, dass sie sich, aus dieser ihren eingepflanzten allgemeinen Gesetzen, durch eine ungezwungene Folge herauswickeln. Und daher kann man mit gutem Grunde setzen, dass die Anordnung und Einrichtung der Weltgebäude, aus dem Vorrate des erschaffenen Naturstoffes, in einer Folge der Zeit, nach und nach geschehe; allein, die Grundmaterie selber, deren Eigenschaften und Kräfte allen Veränderungen zum Grunde liegen, ist eine unmittelbare Folge des göttlichen Daseins: selbige muss also auf einmal so reich, so vollständig sein, dass die Entwickelung ihrer Zusammensetzungen in dem Abflusse der Ewigkeit sich über einen Plan ausbreiten könne, der alles in sich schliesset, was sein kann, der kein Mass annimmt, kurz, der unendlich ist.
[[A 108>> Wenn nun also die Schöpfung, der Räume nach, unendlich ist, oder es wenigstens, der Materie nach, wirklich von Anbeginn her schon gewesen ist, der Form, oder der Ausbildung nach aber es bereit ist zu werden: so wird der Weltraum mit Welten ohne Zahl und ohne Ende belebet werden. Wird denn nun jene systematische Verbindung, die wir vorher bei allen Teilen insonderheit erwogen haben, auch aufs Ganze gehen, und das gesamte U n i v e r s u m, das All der Natur, in einem einigen System, durch die Verbindung der Anziehung und der fliehenden Kraft, zusammen fassen ? Ich sage ja; wenn nur lauter abgesonderte Weltgebäude, die unter einander keine vereinte Beziehung zu einem Ganzen hätten, vorhanden wären, so könnte man wohl, wenn man diese Kette von Gliedern als wirklich unendlich annähme, gedenken, dass eine genaue Gleichheit der Anziehung ihrer Teile von allen Seiten diese Systemata von dem1 Verfall, den ihnen die innere Wechselanziehung drohet, sicher halten könne. Allein hiezu gehöret eine so genaue abgemessene Bestimmung in denen nach der Attraktion abgewogenen Entfernungen, dass auch die geringste Verrückung dem U n i v e r s o den Untergang zuziehen, und sie in langen Perioden, die aber doch endlich zu Ende laufen müssen, dem Umsturze überliefern würde. Eine Weltverfassung, die sich ohne ein Wunder nicht erhielt, hat nicht den Charakter der Beständigkeit, die das Merkmal der Wahl Gottes ist; man trifft es also dieser weit anständiger, wenn man der2 gesamten Schöpfung [[A 109>> ein einziges System machet, welches alle Welten und Weltordnungen, die den ganzen unendlichen Raum ausfüllen, auf einen einigen Mittelpunkt beziehend macht. Ein zerstreuetes Gewimmel von Weltgebäuden, sie möchten auch durch noch so weite Entfernungen von einander getrennet sein, würde mit einem unverhinderten Hang zum Verderben und zur Zerstörung eilen, wenn nicht eine gewisse beziehende Einrichtung gegen einen allgemeinen Mittelpunkt, das Zentrum der Attraktion des U n i v e r s i und den Unterstützungspunkt der gesamten Natur, durch systematische Bewegungen getroffen wäre.
Um diesen allgemeinen Mittelpunkt der Senkung der ganzen Natur, sowohl der gebildeten, als der rohen, in welchem sich ohne Zweifel der Klumpen von der ausnehmendsten Attraktion befindet, der in seine Anziehungssphäre alle Welten und Ordnungen, die die Zeit hervorgebracht hat, und die Ewigkeit hervorbringen wird, begreifet, kann man mit Wahrscheinlichkeit annehmen, dass die Natur den Anfang ihrer Bildung gemacht, und daselbst auch die Systemen am dichtesten gehäufet seien; weiter von demselben aber in der Unendlichkeit des Raumes sich, mit immer grösseren Graden der Zerstreuung verlieren. Man könnte diese Regel aus der Analogie unseres Sonnenbaues abnehmen, und diese Verfassung kann ohnedem dazu dienen, dass in grossen Entfernungen nicht allein der allgemeine Zentralkörper, sondern auch alle um ihn zunächst [[A 110>> laufende Systemata ihre Anziehung zusammen vereinigen, und sie gleichsam aus einem Klumpen gegen die Systemata des noch weiteren Abstandes ausüben. Dieses wird alsdenn mit dazu behülflich sein, die ganze Natur in der ganzen Unendlichkeit ihrer Erstreckung, in einem einzigen Systema, zu begreifen.
Um nun der Errichtung dieses allgemeinen Systems der Natur, aus den mechanischen Gesetzen der zur Bildung strebenden Materie, nachzuspüren: so muss in dem unendlichen Raume des ausgebreiteten elementarischen Grundstoffes, an irgend einem Orte, dieser Grundstoff die dichteste Häufung gehabt haben, um, durch die daselbst geschehende vorzügliche Bildung, dem gesamten U n i v e r s o eine Masse verschaffet zu haben, die ihm zum Unterstützungspunkte dienete. Es ist zwar an dem, dass in einem unendlichen Raume kein Punkt eigentlich das Vorrecht haben kann, der Mittelpunkt zu heissen; aber, vermittelst einer gewissen Verhältnis, die sich auf die wesentliche Grade der Dichtigkeit des Urstoffes gründet, nach welcher diese zugleich mit ihrer Schöpfung1 an einem gewissen Orte vorzüglich dichter gehäufet, und mit den Weiten von demselben in der Zerstreuung zunimmt, kann ein solcher Punkt das Vorrecht haben, der Mittelpunkt zu heissen, und er wird es auch wirklich, durch die Bildung der Zentralmasse von der kräftigsten Anziehung in demselben, zu dem sich alle übrige, in Partikularbildungen begriffene elementarische Materie sen[[A 111>>ket, und dadurch, so weit sich auch die Auswickelung der Natur erstrecken mag, in der unendlichen Sphäre der Schöpfung, aus dem ganzen All nur ein einziges System macht.
Das ist aber was Wichtiges, und welches, woferne es Beifall erlanget, der grössesten Aufmerksamkeit würdig ist, dass, der Ordnung der Natur in diesem unserm System zu Folge, die Schöpfung, oder vielmehr die Ausbildung der Natur, bei diesem Mittelpunkte zuerst anfängt, und mit stetiger Fortschreitung nach und nach in alle fernere Weiten ausgebreitet wird, um den unendlichen Raum in dem Fortgange der Ewigkeit mit Welten und Ordnungen zu erfüllen. Lasset uns dieser Vorstellung einen Augenblick mit stillem Vergnügen nachhängen. Ich finde nichts, das den Geist des Menschen zu einem edleren Erstaunen erheben kann, indem es ihm eine Aussicht in das unendliche Feld der Allmacht eröffnet, als diesen Teil der Theorie, der die sukzessive Vollendung der Schöpfung betrifft. Wenn man mir zugibt, dass die Materie, die der Stoff zu Bildung aller Welten ist, in dem ganzen unendlichen Raume der göttlichen Gegenwart nicht gleichförmig, sondern nach einem gewissen Gesetze ausgebreitet gewesen, das sich vielleicht auf die Dichtigkeit der Partikeln bezog, und nach welchem von einem gewissen Punkte, als dem Orte der dichtesten Häufung, mit den Weiten von diesem Mittelpunkte die Zerstreuung des Urstoffes zu[[A 112>>nahm: so wird, in der ursprünglichen Regung der Natur, die Bildung zunächst diesem Centro angefangen, und denn, in fortschreitender Zeitfolge, der weitere Raum nach und nach Welten und Weltordnungen, mit einer gegen diesen1 sich beziehenden systematischen Verfassung, gebildet haben. Ein jeder endlicher Periodus, dessen Länge zu der Grösse des zu vollbringenden Werks ein Verhältnis hat, wird immer nur eine endliche Sphäre, von diesem Mittelpunkte an, zur Ausbildung bringen; der übrige unendliche Teil wird indessen noch mit der Verwirrung und dem Chaos streiten, und um so viel weiter von dem Zustande der vollendeten Bildung entfernet sein, je weiter dessen Abstand von der Sphäre der schon ausgebildeten Natur entfernet ist. Diesem zu Folge, ob wir gleich von dem Orte unseres Aufenthalts in dem U n i v e r s o eine Aufsicht1 in eine, wie es scheinet, völlig vollendete Welt, und, so zu reden, in ein unendliches Heer von Weltordnungen, die systematisch verbunden sind, haben: so befinden wir uns doch eigentlich nur in einer Naheit zum Mittelpunkte der ganzen Natur, wo diese sich schon aus dem Chaos ausgewickelt, und ihre gehörige Vollkommenheit erlanget hat. Wenn wir eine gewisse Sphäre überschreiten könnten: würden wir daselbst das Chaos und die Zerstreuung der Elemente erblicken, die nach dem Masse, als sie sich diesem Mittelpunkte näher befinden, den rohen Zustand zum Teil verlassen, und der Vollkommenheit der Ausübung2 näher sind, mit den Graden der Entfernung [[A 113>> aber sich nach und nach in einer völligen Zerstreuung verlieren. Wer würde sehen3, wie der unendliche Raum der göttlichen Gegenwart, darin der Vorrat zu allen möglichen Naturbildungen anzutreffen ist, in einer stillen Nacht begraben, voll4 von Materie, den künftig zu erzeugenden Welten zum Stoffe zu dienen, und von Triebfedern, sie in Bewegung zu bringen, die, mit einer schwachen Regung, diejenige Bewegungen anfangen, womit die Unermesslichkeit dieser öden Räume dereinst noch soll belebet werden. Es ist vielleicht eine Reihe von Millionen Jahren und Jahrhunderten verflossen, ehe die Sphäre der gebildeten Natur, darin wir uns befinden, zu der Vollkommenheit gediehen ist, die ihr jetzt beiwohnet; und es wird vielleicht ein eben so langer Periodus vergehen, bis die Natur einen eben so weiten Schritt in dem Chaos tut: allein die Sphäre der ausgebildeten Natur ist unaufhörlich beschäftiget, sich auszubreiten. Die Schöpfung ist nicht das Werk von einem Augenblicke. Nachdem sie mit der Hervorbringung einer Unendlichkeit von Substanzen und Materie den Anfang gemachet hat: so ist sie mit immer zunehmenden Graden der Fruchtbarkeit, die ganze Folge der Ewigkeit hindurch, wirksam. Es werden Millionen, und ganze Gebürge von Millionen Jahrhunderten verfliessen, binnen welchen immer neue Welten und Weltordnungen nach einander, in denen entfernten Weiten von dem Mittelpunkte der Natur, sich bilden, und zur Vollkommenheit gelangen werden; sie werden, ohnerachtet der systema ftischen Verfassung, die unter ihren Teilen ist, eine allgemeine Beziehung auf den Mittelpunkt erlangen, welcher der erste Bildungspunkt, und das Zentrum der Schöpfung durch das Anziehungsvermögen seiner vorzüglichen Masse worden ist. Die Unendlichkeit der künftigen Zeitfolge, womit die Ewigkeit unerschöpflich ist, wird alle Räume der Gegenwart Gottes ganz und gar beleben, und in die Regelmässigkeit, die der Trefflichkeit seines Entwurfes gemäss ist, nach und nach versetzen, und wenn man mit einer kühnen Vorstellung die ganze Ewigkeit, so zu sagen, in einem Begriffe zusammen fassen könnte: so würde man auch den ganzen unendlichen Raum mit Weltordnungen angefüllet, und die Schöpfung vollendet ansehen können. Weil aber in der Tat von der Zeitfolge der Ewigkeit der rückständige Teil allemal unendlich, und der abgeflossene endlich ist: so ist die Sphäre der ausgebildeten Natur allemal nur ein unendlich kleiner Teil desjenigen Inbegriffs, der den Samen zukünftiger Welten in sich hat, und sich aus dem rohen Zustande des Chaos, in längern oder kürzern Perioden, auszuwickeln trachtet. Die Schöpfung ist niemals vollendet. Sie hat zwar einmal angefangen, aber sie wird niemals aufhören. Sie ist immer geschäftig, mehr Auftritte der Natur, neue Dinge und neue Welten hervor zu bringen. Das Werk, welches sie zu Stande bringet, hat ein Verhältnis zu der Zeit, die sie darauf anwendet. Sie braucht nichts weniger, als eine Ewigkeit, um die ganze grenzenlose Weite [[A 115>> der unendlichen Räume, mit Welten ohne Zahl und ohne Ende, zu beleben. Man kann von ihr dasjenige sagen, was der erhabenste unter den deutschen Dichtern von der Ewigkeit schreibet:
Unendlichkeit ! wer misset dich ?
Vor dir sind Welten Tag, und Menschen Augenblicke;
Vielleicht die tausendste der Sonnen wälzt jetzt sich,
Und tausend bleiben noch zurücke.
Wie eine Uhr, beseelt durch ein Gewicht,
Eilt eine Sonn’, aus Gottes Kraft bewegt:
Ihr Trieb läuft ab, und eine andre schlägt,
Du aber bleibst, und zählst sie nicht.
- H a l l e r.
Es ist ein nicht geringes Vergnügen, mit seiner Einbildungskraft über die Grenze der vollendeten Schöpfung, in den Raum des Chaos, auszuschweifen, und die halb rohe Natur, in der Naheit zur Sphäre der ausgebildeten Welt, sich nach und nach durch alle Stufen und Schattierungen der Unvollkommenheit, in dem ganzen ungebildeten Raume, verlieren zu sehen. Aber ist es nicht eine tadelnswürdige Kühnheit, wird man sagen, eine Hypothese aufzuwerfen, und sie, als einen Vorwurf der Ergötzung des Verstandes, anzupreisen, welche vielleicht nur gar zu willkürlich ist, wenn man behauptet, dass die Natur nur einem unendlich kleinen Teile nach ausgebildet sei, und unendliche Räume noch mit dem Chaos streiten, um [[A 116>> in der Folge künftiger Zeiten ganze Heere von Welten und Weltordnungen, in aller gehörigen Ordnung und Schönheit, darzustellen ? Ich bin den Folgen, die meine Theorie darbietet, nicht so sehr ergeben, dass ich nicht erkennen sollte, wie die Mutmassung von der sukzessiven Ausbreitung der Schöpfung durch die unendliche Räume, die den Stoff dazu in sich fassen, den Einwurf der Unerweislichkeit nicht völlig ablehnen könne. Indessen verspreche ich mir doch von denenjenigen, welche die Grade der Wahrscheinlichkeit zu schätzen im Stande sind, dass eine solche Karte der Unendlichkeit, ob sie gleich einen Vorwurf begreifet, der bestimmt zu sein scheinet, dem menschlichen Verstande auf ewig verborgen zu sein, nicht um deswillen sofort als ein Hirngespinste werde angesehen werden, vornehmlich, wenn man die Analogie zu Hülfe nimmt, welche uns allemal, in solchen Fällen, leiten muss, wo dem Verstande der Faden der untrüglichen Beweise mangelt.
Man kann aber auch die Analogie noch durch annehmungswürdige Gründe unterstützen, und die Einsicht des Lesers, wofern ich mich solches Beifalls schmeicheln darf, wird sie vielleicht mit noch wichtigern vermehren können. Denn wenn man erwäget, dass die Schöpfung den Charakter der Bestĺndigkeit nicht mit sich führet, wofern sie der allgemeinen Bestrebung der Anziehung, die durch alle ihre Teile wirket, nicht eine eben so durchgängige Bestimmung entgegen setzet, die dem Hange [[A 1176>> der ersten zum Verderben und zur Unordnung gnugsam widerstehen kann, wenn sie nicht Schwungskräfte ausgeteilet hat, die in der Verbindung mit der Zentralneigung eine allgemeine systematische Verfassung festsetzen: so wird man genötiget, einen allgemeinen Mittelpunkt des ganzen Welt-Alls anzunehmen, die alle1 Teile desselben in verbundener Beziehung zusammen hält, und aus dem ganzen Inbegriff der Natur nur ein System machet. Wenn man hiezu den Begriff von der Bildung der Weltkörper aus der zerstreueten elementarischen Materie füget, wie wir ihn in den2 vorhergehenden entworfen haben, jedoch ihn allhier nicht auf ein absonderliches System einschränkt, sondern über die ganze Natur ausdehnet: so wird man genötiget, eine solche Austeilung des Grundstoffes, in dem Raume des ursprünglichen Chaos, zu gedenken, die natürlicher Weise einen Mittelpunkt der ganzen Schöpfung mit sich bringet, damit in diesen die wirksame Masse, die in ihrer Sphäre die gesamte Natur begreift, zusammengebracht, und die durchgängige Beziehung bewirket werden könne, wodurch alle Welten nur ein einziges Gebäude ausmachen. Es kann aber in dem unendlichen Raume kaum eine Art der Austeilung des ursprünglichen Grundstoffes gedacht werden, die einen wahren Mittel- und Senkungspunkt der gesamten Natur setzen sollte, als wenn sie nach einem Gesetze der zunehmenden Zerstreuung, von diesem Punkte an, in alle ferne Weiten eingerichtet ist. Dieses Gesetze aber setzet zugleich einen Unterscheid in der Zeit, die [[A 118>> ein System in den verschiedenen Gegenden des unendlichen Raumes gebrauchet, zur Reife seiner Ausbildung zu kommen, so, dass diese Periode desto kürzer ist, je näher der Bildungsplatz eines Weltbaues sich dem Centro der Schöpfung befindet, weil daselbst die Elemente des Stoffes dichter gehäufet sind, und dagegen um desto länger Zeit erfordert, je weiter der Abstand ist, weil die Partikeln daselbst zerstreueter sind, und später zur Bildung zusammen kommen.
Wenn man die ganze Hypothese, die ich entwerfe, in dem ganzen Umfange sowohl dessen, was ich gesagt habe, als was ich noch eigentlich darlegen werde, erwäget: so wird man die Kühnheit ihrer Forderungen wenigstens nicht vor unfähig halten, eine Entschuldigung anzunehmen. Man kann den unvermeidlichen Hang, den ein jegliches zur Vollkommenheit gebrachtes Weltgebäude nach und nach zu seinem Untergange hat, unter die Gründe rechnen, die es bewähren können, dass das U n i v e r s u m dagegen in andern Gegenden an Welten fruchtbar sein werde, um den Mangel zu ersetzen, den es an einem Orte erlitten hat. Das ganze Stück der Natur, das wir kennen, ob es gleich nur ein Atomus in Ansehung dessen ist, was über oder unter unserem Gesichtskreise verborgen bleibt,bestätiget doch diese Fruchtbarkeit der Natur, die ohne Schranken ist, weil sie nicht anders1, als die Ausübung der göttlichen Allmacht selber ist. Unzählige Tiere und Pflanzen werden täglich zer[[A 119>>störet, und sind ein Opfer der Vergänglichkeit; aber nicht weniger bringet die Natur, durch ein unerschöpftes Zeugungsvermögen, an andern Orten wiederum hervor, und füllet das Leere aus. Beträchtliche Stücke des Erdbodens, den wir bewohnen, werden wiederum in dem Meere begraben, aus dern sie ein günstiger Periodus hervorgezogen hatte; aber an anderen Orten ergänzet die Natur den Mangel, und bringet andere Gegenden hervor, die in der Tiefe des Wesens2 verborgen waren, um neue Reichtümer ihrer Fruchtbarkeit über dieselbe auszubreiten. Auf die gleiche Art vergehen Welten und Weltordnungen, und werden von dem Abgrunde der Ewigkeiten verschlungen; dagegen ist die Schöpfung immerfort geschäftig, in andern Himmelsgegenden neue Bildungen zu verrichten, und den Abgang mit Vorteile zu ergänzen.
Man darf nicht erstaunen, selbst in dem Grossen der Werke Gottes, eine Vergänglichkeit zu verstatten. Alles, was endlich ist, was einen Anfang und Ursprung hat, hat das Merkmal seiner eingeschränkten Natur in sich; es muss vergehen, und ein Ende haben. Die Dauer eines Weltbaues hat, durch die Vortrefflichkeit ihrer Errichtung, eine Beständigkeit in sich, die, unsern Begriffen nach, einer unendlichen Dauer nahe kommt. Vielleicht werden tausend, vielleicht Millionen Jahrhunderte sie nicht vernichten; allein, weil die Eitelkeit, die an denen endlichen Naturen haftet, beständig an ihrer Zerstörung arbeitet: so wird die [[A 120>> Ewigkeit alle mögliche Perioden in sich halten, um durch einen allmählichen Verfall den Zeitpunkt ihres Unterganges doch endlich herbei zu führen. N e w t o n, dieser grosse Bewunderer der Eigenschaften Gottes aus der Vollkommenheit seiner Werke, der mit der tiefsten Einsicht in die Trefflichkeit der Natur die grösste Ehrfurcht gegen die Offenbarung der göttlichen Allmacht verband, sahe sich genötiget, der Natur ihren Verfall durch den natürlichen Hang, den die Mechanik der Bewegungen dazu hat, vorher zu verkündigen. Wenn eine systematische Verfassung, durch die wesentliche Folge der Hinfälligkeit, in grossen Zeitläuften auch den allerkleinsten Teil, den man sich nur gedenken mag, dem Zustande ihrer Verwirrung nähert: so muss in dem unendlichen Ablaufe der Ewigkeit doch ein Zeitpunkt sein, da diese allmähliche Verminderung alle Bewegung erschöpfet hat.
Wir dürfen aber den Untergang eines Weltgebäudes nicht als einen wahren Verlust der Natur bedauren. Sie beweiset ihren Reichtum in einer Art von Verschwendung, welche, indem einige Teile der Vergänglichkeit den Tribut bezahlen, sich durch unzählige neue Zeugungen in dem ganzen Umfange ihrer Vollkommenheit unbeschadet erhält. Welch eine unzählige Menge Blumen und Insekten zerstöret ein einziger kalter Tag; aber wie wenig vermisset man sie, ohnerachtet es herrliche Kunstwerke der Natur und Beweistümer der göttlichen Allmacht sein; an einem andern Orte wird dieser Abgang mit Überfluss wiederum ersetzet. Der [[A 121>> Mensch, der das Meisterstück der Schöpfung zu sein scheinet, ist selbst von diesem Gesetze nicht ausgenommen. Die Natur beweiset, dass sie eben so reich, eben so unerschöpfet, in Hervorbringung des Trefflichsten unter den Kreaturen, als des Geringschätzigsten, ist, und dass selbst deren Untergang eine notwendige Schattierung in der Mannigfaltigkeit ihrer Sonnen ist, weil die Erzeugung derselben ihr nichts kostet. Die schädlichen Wirkungen der angesteckten Luft, die Erdbeben, die Überschwemmungen vertilgen ganze Völker von dem Erdboden; allein es scheinet nicht, dass die Natur dadurch einigen Nachteil erlitten habe. Auf gleiche Weise verlassen ganze Welten und Systemen den Schauplatz, nachdem sie ihre Rolle ausgespielet haben. Die Unendlichkeit der Schöpfung ist gross genug, um eine Welt, oder eine Milchstrasse von Welten, gegen sie anzusehen, wie man eine Blume, oder ein Insekt, in Vergleichung gegen die Erde, ansiehet. Indessen, dass die Natur mit veränderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret, bleibt Gott in einer unaufhörlichen Schöpfung geschäftig, den Zeug zur Bildung noch grösserer Welten zu formen.
Der stets mit einem gleichen Auge, weil er der Schöpfer ja von allen,
Sieht einen Helden untergehn, und einen kleinen Sperling fallen,
Sieht eine Wasserblase springen, und eine ganze Welt vergehn.
P o p e,
nach B r o c k e s’ Übersetzung.
[[A 122>> Lasst uns also unser Auge an diese erschreckliche Umstürzungen als an die gewöhnlichen Wege der Vorsehung gewöhnen, und sie sogar mit einer Art von Wohlgefallen ansehen. Und in der Tat ist dem Reichtume der Natur nichts anständiger als dieses. Denn wenn ein Weltsystem in der langen Folge seiner Dauer alle Mannigfaltigkeit erschöpfet, die seine Einrichtung fassen kann, wenn es nun ein überflüssiges Glied in dei Kette der Wesen geworden: so ist nichts geziemender, als dass es in dem Schauspiele der ablaufenden Veränderungen des U n i v e r s i die letzte Rolle spielet, die jedem endlichen Dinge gebühret, nämlich der Vergänglichkeit ihr Gebühr abtrage. Die Natur zeiget, wie gedacht, schon in dem kleinen Teile ihres Inbegriffes, diese Regel ihres Verfahrens, die das ewige Schicksal ihr im Ganzen vorgeschrieben hat, und ich sage es nochmals, die Grösse desjenigen, was untergehen soll, ist hierin nicht im geringsten hinderlich; denn alles, was gross ist, wird klein, ja es wird gleichsam nur ein Punkt, wenn man es mit dem Unendlichen vergleicht, welches die Schöpfung in dem unbeschränkten Raume, die Folge der Ewigkeit hindurch, darstellen wird.
Es scheinet, dass dieses denen Welten so wie allen Naturdingen verhängte Ende einen gewissen Gesetze unterworfen sei, dessen Erwägung der Theorie einen neuen Zug der Anständigkeit gibet. Nachdemselben hebt es bei denen Weltkörpern an, die sich dem Mittelpunkte des Welt-Alls am näch[[A 123>>sten befinden, so wie die Erzeugung und Bildung neben diesem Centro zuerst angefangen: von da breitet sich das Verderben und die Zerstörung nach und nach in die weiteren Entfernungen aus, um alle Welt, welche ihre Periode zurück geleget hat, durch einen allmählichen Verfall der Bewegungen, zuletzt in einem einzigen Chaos zu begraben. Andererseits ist die Natur, auf der entgegengesetzten Grenze der ausgebildeten Welt, unablässig beschäftiget, aus dem rohen Zeuge der zerstreueten Elemente Welten zu bilden, und, indem sie an der einen Seite neben dem Mittelpunkte veraltet, so ist sie auf der andern jung und an neuen Zeugungen fruchtbar. Die ausgebildete Welt befindet sich diesemnach zwischen den Ruinen der zerstörten, und zwischen dem Chaos der ungebildeten Natur mitten inne beschränket, und wenn man, wie es wahrscheinlich ist, sich vorstellet, dass eine schon zur Vollkommenheit gediehene Welt eine längere Zeit dauren könne, als sie bedurft hat, gebildet zu werden: so wird ungeachtet aller der Verheerungen, die die Vergänglichkeit unaufhörlich anrichtet, der Umfang des U n i v e r s i dennoch überhaupt zunehmen.
Will man aber noch zuletzt einer Idee Platz lassen, die eben so wahrscheinlich, als der Verfassung der göttlichen Werke wohlanständig ist: so wird die Zufriedenheit, welche eine solche Abschilderung der Veränderungen der Natur erreget, bis zum höchsten Grade des Wohlgefallens erhoben. [[A 124>> Kann man nicht glauhen, die Natur, welche vermögend war, sich aus dem Chaos in eine regelmässige Ordnung und in ein geschicktes System zu setzen, sei ebenfalls im Stande, aus dem neuen Chaos, darin sie die Verminderung ihrer Bewegungen versenket hat, sich wiederum eben so leicht herzustellen, und die erste Verbindung zu erneuren ? Können die Federn, welche den Stoff der zerstreuten Materie in Bewegung und Ordnung brachten, nachdem sie der Stillstand der Maschine zur Ruhe gebracht hat, durch erweiterte Kräfte nicht wiederum in Wirksamkeit gesetzt werden, und sich nach eben denselben allgemeinen Regeln zur Übereinstimmung einschränken, wodurch die ursprüngliche Bildung zuwege gebracht worden ist ? Man wird nicht lange Bedenken tragen, dieses zuzugeben, wenn man erwäget, dass, nachdem die endliche Mattigkeit der Umlaufs-Bewegungen in dem Weltgebäude die Planeten und Kometen insgesamt auf die Sonne niedergestürzt hat, dieser ihre Glut einen unermesslichen Zuwachs durch die Vermischung so vieler und grosser Klumpen bekommen muss, vornehmlich da die entfernete Kugeln des Sonnensystems, unserer vorher erwiesenen Theorie zufolge, den leichtesten und im Feuer wirksamsten Stoff der ganzen Natur in sich enthalten. Dieses durch neue Nahrung und die flüchtigste Materie in die grösste Heftigkeit versetzte Feuer wird ohne Zweifel nicht allein alles wiederum in die kleinsten Elemente auflösen, sondern auch dieselbe in dieser Art, mit einer der Hitze gemässen Ausdeh[[A 125>>nungskraft, und mit einer Schnelligkeit, welche durch keinen Widerstand des Mittelraums geschwächet wird, in dieselben weiten Räume wiederum ausbreiten und zerstreuen, welche sie vor der ersten Bildung der Natur eingenommen hatten, um, nachdem die Heftigkeit des Zentralfeuers durch eine beinahe gänzliche Zerstreuung ihrer Masse gedämpfet werden1, durch Verbindung der Attraktions- und Zurückstossungskräfte, die alten Zeugungen und systematisch beziehende Bewegungen, mit nicht minderer Regelmässigkeit zu wiederholen und ein neues Weltgebäude darzustellen. Wenn denn ein besonderes Planetensystem auf diese Weise in Verfall geraten und durch wesentliche Kräfte sich daraus wiederum hergestellet hat, wenn es wohl gar dieses Spiel mehr wie einmal wiederholet: so wird endlich die Periode herannahen, die auf gleiche Weise das grosse System, darin die Fixsterne Glieder sein, durch den Verfall ihrer Bewegungen, in einem Chaos versammlen wird. Man wird hier noch weniger zweifeln, dass die Vereinigurrg einer so unendlichen Menge Feuerschätze, als diese brennenden Sonnen sind, zusamt dem Gefolge ihrer Planeten den Stoff ihrer Massen, durch die unnennbare Glut aufgelöset, in den alten Raum ihrer Bildungssphäre zerstreuen und daselbst die Materialien zu neuen Bildungen durch dieselbe mechanische Gesetze hergeben werden, woraus wiederum der öde Raum mit Welten und Systemen kann belebet werden. Wenn wir denn diesen Phönix der Natur, der sich nur darum verbrennet, um aus seiner Asche [[A 126>> wiederum verjüngt aufzuleben, durch alle Unendlichkeit der Zeiten und Räume hindurch folgen; wenn man siehet, wie sie sogar in der Gegend, da sie verfällt und veraltet, an neuen Auftritten unerschlöpft und auf der anderen Grenze der Schöpfung in dem Raum der ungebildeten rohen Materie mit stetigen Schritten zur Ausdehnung des Plans der göttlichen Offenbarung fortschreitet, um die Ewigkeit sowohl, als alle Räume mit ihren Wundern zu füllen: so versenket sich der Geist, der alles dieses überdenket, in ein tiefes Erstaunen; aber annoch mit diesem so grossen Gegenstande unzufrieden, dessen Vergänglichkeit die Seele nicht gnugsam zufrieden stellen kann, wünschet er dasjenige Wesen von nahem kennen zu lernen, dessen Verstand, dessen Grösse die Quelle desjenigen Lichtes ist, das sich über die gesamte Natur, gleichsam als aus einem Mittelpunkte, ausbreitet. Mit welcher Art der Ehrfurcht muss nicht die Seele so gar ihr eigen Wesen ansehen, wenn sie betrachtet, dass sie noch alle diese Veränderungen überleben soll, sie kann zu sich selber sagen, was der philosophische Dichter von der Ewigkeit saget:
Wenn denn ein zweites Nichts wird diese Welt begraben;
Wenn von dem Alles selbst nichts bleibet als die Stelle;
Wenn mancher Himmel noch, von andern Sternen helle,
Wird seinen Lauf vollendet haben:
[[A 127>> Wirst du so jung als jetzt, von deinem Tod gleich weit,
Gleich ewig künftig sein, wie heut.
- H a l l e r.
O glücklich, wenn sie unter dem Tumult der Elemente und den Träumen1 der Natur jederzeit auf eine Höhe gesetzet ist, von da sie die Verheerungen, die die Hinfälligkeit den Dingen der Welt verursacht, gleichsam unter ihren Füssen kann vorbei rauschen sehen. Eine Glückseligkeit, welche die Vernunft nicht einmal zu erwünschen sich erkühnen darf, lehret uns die Offenbarung mit Überzeugung hoffen. Wenn denn die Fesseln, welche uns an die Eitelkeit der Kreaturen geknüpft halten, in dem Augenblicke, welcher zu der Verwandelung unsers Wesens bestimmt worden, abgefallen sein, so wird der unsterbliche Geist, von der Abhängigkeit der endlichen Dinge befreiet, in der Gemeinschaft mit dem unendlichen Wesen, den Genuss der wahren Glückseligkeit finden. Die ganze Natur, welche eine allgemeine harmonische Beziehung zu dem Wohlgefallen der Gottheit hat, kann diejenige vernünftige Kreatur nicht anders als mit immerwĺhrender Zufriedenheit erfüllen, die sich mit dieser Urquelle aller Vollkommenheit vereint befindet, Die Natur, von diesem Mittelpunkte aus gesehen, wird von allen Seiten lauter Sicherheit, lauter Wohlanständigkgit zeigen. Die veränderlichen Szenen der Natur vermögen nicht, den Ruhestand der Glückseligkeit eines Geistes zu verrücken, der einmal zu solcher [[A 128>> Höhe erhoben ist. Indem er diesen Zustand, mit einer süssen Hoffnung, schon zum voraus kostet: kann er seinen Mund in denjenigen Lobgesängen üben, davon dereinst alle Ewigkeiten erschallen sollen.
Wenn dereinst der Bau der Welt in sein Nichts zurück geeilet
Und sich deiner Hände Werk nicht durch Tag und Nacht mehr teilet:
Denn soll mein gerührt Gemüte sich durch dich gestärkt bemühn,
In Verehrung deiner Allmacht, stets vor deinen Thron zu ziehn;
Mein von Dank erfüllter Mund soll durch alle Ewigkeiten
Dir und deiner Majestät ein unendlich Lob bereiten;
Ist dabei gleich kein vollkommnes, denn o Herr! so gross bist du,
Dich nach Würdigkeit zu loben, reicht die Ewigkeit nicht zu.
A d d i s o n
Nach Gottscheds Übersetzung
[[A 129>> ZUGABE
ZUM SIEBENTEN HAUPTSTÜCKE
ALLGEMEINE THEORIE
UND GESCHICHTE DER SONNE
ÜBERHAUPT
Es ist noch eine Hauptfrage, deren Auflösung in der Naturlehre des Himmels, und in einer vollständigen Kosmogonie unentbehrlich ist. Woher wird nämlich der Mittelpunkt eines jeden Systems von einem flammenden Körper eingenommen ? Unser planetische Weltbau hat die Sonne zum Zentralkörper, und die Fixsterne, die wir sehen, sind allem Ansehen nach Mittelpunkte ähnlicher Systematum. Um zu begreifen, woher, in der Bildung eines Weltgebäudes, der Körper, der zum Mittelpunkte der Attraktion dienet, ein feuriger Körper hat werden müssen, indessen dass die übrige Kugeln seiner Anziehungssphäre dunkele und kalte Weltkörper blieben, darf man nur die Art der Erzeugung eines Weltbaues sich zurück erinnern, die wir in dem Vorhergehenden umständlich entworfen haben. In dem weit ausgedehnten Raume, darin der ausgebreitete elementarische Grundstoff sich zu Bildungen und systematischen Bewegungen anschickt, bilden sich die Planeten und Kometen nur allein aus demjenigen Teile des zum Mittelpunkte der Attraktion sinkendgn elementarischen Grundstoffes, welcher durch den Fall und die Wechselwirkung, den [[A 130>> gesamten1 Partikeln zu der genauen Einschränkung der Richtung und Geschwindigkeit, die zum Umschwunge erfordert wird, bestimmt worden. Dieser Teil ist, wie oben dargetan worden, der mindeste von der ganzen Menge der abwärts sinkenden Materie, und zwar nur der Ausschuss dichterer Sorten, welche durch den Widerstand der andern zu diesem Grade der Genauheit haben gelangen können. Es befinden sich in diesem Gemenge heranschwebende Sorten vorzüglicher Leichtigkeit, die, durch die Widerstrebung des Raumes gehindert, durch ihren Fall zu der gehörigen Schnelligkeit der periodischen Umwendungen nicht durchdringen, und die folglich in der Mattigkeit ihres Schwunges insgesamt zum Zentralkörper hinabgestürzet werden. Weil nun eben diese leichteren und flüchtigen Teile auch die wirksamsten sein, das Feuer zu unterhalten: so sehen wir, dass durch ihren Zusatz der Körper und Mittelpunkt des Systems den Vorzug erhält, eine flammende Kugel, mit einem Worte eine Sonne zu werden. Dagegen wird der schwerere und unkräftige Stoff, und der Mangel dieser feuernährenden Teilchen, aus den P1aneten nur kalte und tote Klumpen machen, die solcher Eigenschaft beraubt sein.
Dieser Zusatz so leichter Materien ist es auch, wodurch die Sonne die spezifisch mindere Dichtigkeit überkommen hat, dadurch sie auch so gar unserer Erde, dem dritten Planeten in dem Abstande von ihr, 4mal an Dichtigkeit nachstehet; ob[[A 131>>gleich es natürlich ist, zu glauben, dass sie in1 diesem Mittelpunkte des Weltbaues, als in dessen niedrigsten Orte, die schweresten und dichtesten Gattungen der Materie sich befinden sollten, wodurch sie, ohne den Zusatz einer so grossen Menge des leichtesten Stoffes, die Dichtigkeit aller Planeten übertreffen würde.
Die Vermengung dichterer und schwerer Sorten der Elementen, zu diesen leichtesten und flüchtigsten, dienet gleichfalls dem2 Zentralkörper zu der heftigsten Glut, die auf seiner Oberfläche brennen und unterhalten werden soll, geschickt zu machen. Denn wir wissen, dass das Feuer, in dessen nährenden Stoffe dichte Materien unter den flüchtigen sich vermengt befinden, einen grossen Vorzug der Heftigkeit vor denenjenigen Flammen hat, die nur von den leichten Gattungen unterhalten wird1. Diese Untermischung aber einiger schweren Sorten unter die leichteren ist eine notwendige Folge unsers Lehrbegriffes von der Bildung der Weltkörper, und hat noch diesen Nutzen, dass die Gewalt der Glut die brennbare Materie der Oberfläche nicht plötzlich zerstreue, und dass selbige, durch den Zufluss der Nahrung aus dem Innern, allmählich und beständig genähret wird.
Nachdem die Frage nun aufgelöset ist, woher der Zentralkörper eines grossen Sternsystems eine flammende Kugel, d. i. eine Sonne sei: so scheinet es nicht überflüssig zu sein, sich mit diesem Vorwurfe noch einige Zeit zu beschäftigen, und [[A 132>> den Zustand eines solchen Himmelskörpers mit einer sorgfältigen Prüfung zu erforschen; vornehmlich, da die Mutmassungen allhier aus tüchtigeren Gründen sich herleiten lassen, als sie es gemeiniglich, bei den Untersuchungen der Beschaffenheit entferneter Himmelskörper, zu sein pflegen.
Zuvörderst setze ich fest, dass man nicht zweifeln könne, die Sonne sei wirklich ein flammender Körper, und nicht eine bis zum höchsten Grade erhitzte Masse geschmolzener und glühender Materie, wie einige aus gewissen Schwierigkeiten, welche sie bei der ersteren Meinung zu finden vermeinet, haben schliessen wollen. Denn wenn man erwäget, dass ein Rammendes Feuer, vor einer jeden andern Art der Hitze, diesen wesentlichen Vorzug hat, dass es, so zu sagen, aus sich selbst wirksam, anstatt sich durch die Mitteilung zu verringern, oder zu erschöpfen, vielmehr eben dadurch mehr Stärke und Heftigkeit überkommt, und also nur Stoff und Nahrung zum Unterhalte erfordert, um immer fort zu währen; dahingegen die Glut einer auf den höchsten Grad erhitzten Masse ein bloss leidender Zustand ist, der sich durch die Gemeinschaft der berührenden Materie unaufhörlich vermindert, und keine eigene Kräfte hat, sich aus einem kleinen Anfange auszubreiten, oder bei der Verminderung wiederum aufzuleben, wenn man, sage ich, dieses erwäget, so wird man, ich geschweige der anderen Gründe, schon hieraus sattsam ersehen können, dass der Sonne, der Quelle des Lichtes und der Wärme in [[A 133>> jeglichem Weltbau, jene Eigenschaft wahrscheinlicher Weise müsse beigeleget werden.
Wenn die Sonne nun, oder die Sonnen überhaupt flammende Kugeln sein: so ist die erste Beschaffenheit ihrer Oberfläche, die sich hieraus abnehmen lässt, dass auf ihnen Luft befindlich sein müsse, weil ohne Luft kein Feuer brennet. Dieser Umstand gibt Anlass zu merkwürdigen Folgerungen. Denn wenn man erstlich die Atmosphäre der Sonne und ihr Gewicht in Verhältnis des Sonnenklumpens setzet: in welchen Stande der Zusammendrückung wird diese Luft nicht sein, und wie vermögend wird sie nicht eben dadurch werden, die heftigsten Grade des Feuers durch ihre Federkraft zu unterhalten ? In dieser Atmosphäre erheben sich, allem Vermuten nach, auch die Rauchwolken von denen durch die Flamme aufgelöseten Materien, die, wie man nicht zweifeln darf, eine Mischung von groben und leichteren Teilchen in sich haben, welche, nachdem sie sich zu einer Höhe, die vor sie eine kühlere Luft heget, erhoben haben, in schweren Pech- und Schwefelregen hinabstürzen und der Flamme neue Nahrung zuführen. Eben diese Atmosphäre ist auch, aus den gleichen Ursachen wie auf unserer Erde, von denen Bewegungen der Winde nicht befreiet, welche aber, dem Ansehen nach, alles, was die Einbildungskraft nur sich vorzustellen vermag, an Heftigkeit weit übertreffen müssen. Wenn irgend eine Gegend auf der Oberfläche der Sonne, entweder durch die erstickende Gewalt der ausbrechenden Dämpfe, oder durch den sparsamen Zufluss brennba[[A 134>>rer Materien, in dem Ausbruche der Flamme nachlässt: so erkühlet die darüber befindliche Luft einiger massen, und, indem sie sich zusammenziehet, gibt sie der daneben befindlichen Platz, mit einer dem Überschusse ihrer Ausspannung gemässen Gewalt, in ihren Raum zu dringen, um die erloschene Flamme anzufachen.
Gleichwohl verschlinget alle Flamme immer viele Luft, und es ist kein Zweifel, dass die Federkraft des flüssigen Luftelements, das die Sonne umgibet, dadurch in einiger Zeit nicht geringen Nachteil erleiden müsse. Wenn man dasjenige, was Herr H a l e s hievon, bei der Wirkung der Flamme in unserer Atmosphäre, durch sorgfältige Versuche bewähret hat, hier in Grossen anwendet: so kann man die immerwährende Bestrebung der aus der Flamme gehenden Rauchteilchen, die Elastizität der Sonnen-Atmosphäre zu zernichten, als einen Hauptknoten ansehen, dessen Auflösung mit Schwierigkeiten verbunden ist. Denn dadurch, dass die Flamme, die über der ganzen Fläche der Soane brennet, sich selber die Luft benimmt, die ihr zum Brennen unentbehrlich ist, so ist die Sonne in Gefahr, gar zu verlöschen, wenn der grösste Teil ihrer Atmosphäre verschlungen worden. Es ist wahr, das Feuer erzeuget auch, durch Auflösung gewisser Materien, Luft; aber die Versuche beweisen, dass allezeit mehr verschlungen, als erzeuget wird. Zwar, wenn ein Teil des Sonnenfeuers, unter erstickenden Dämpfen, der Luft, die zu ihrer Erhaltung1 dienet, [[A 135>> beraubet wird: so werden, wie wir schon angemerket haben, heftige Stürme sie zerstreuen und wegzuführen bemühet sein. Allein im ganzen wird man die Ersetzung dieses nötigen Elements auf folgende Art sich begreiflich machen können, wenn man in Betrachtung ziehet, dass, da, bei einem flammenden Feuer, die Hitze fast nur über sich, und nur wenig unter sich würket, wenn sie durch die angeführte Ursache ersticket worden, ihre2 Heftigkeit gegen das Innere des Sonnenkörpers kehret, und dessen tiefe Schlünde nötiget, die in ihren Höhlen verschlossene Luft hervorbrechen zu lassen, und das Feuer aufs neue anzufachen; wenn man in diesem ihrem Eingeweide durch eine Freiheit, die bei einem so unbekannten Gegenstande nicht verboten ist, vornehmlich Materien setzet, die, wie der Salpeter, an elastischer Luft unerschöpflich ergiebig sein: so wird das Sonnenfeuer überaus lange Perioden hindurch an dem Zuflusse immer erneueter Luft nicht leichtlich Mangel leiden können.
Gleichwohl siehet man die deutlichen Merkmale der Vergänglichkeit auch an diesem unschätzbaren Feuer, das die Natur zur Fackel der Welt aufgestecket. Es kommt eine Zeit, darin sie wird erloschen sein. Die Entziehung der flüchtigsten und feinsten Materien, die, durch die Heftigkeit der Hitze zerstreuet, niemals wieder zurück kehren, und den Stoff des Zodiakallichts vermehren, die Häufung unverbrennlicher und ausgebrannter Materien, z. E. der Asche auf der Oberfläche, endlich auch [[A 136>> der Mangel der Luft, werden der Sonne ein Ziel setzen, da ihre Flamme dereinst erlöschen, und ihren Ort, der anjetzo der Mittelpunkt des Lichtes und des Lebens dem ganzen Weltgebäude ist, ewige Finsternisse einnehmen werden. Die abwechselnde Bestrebung ihres Feuers, durch die Eröffnung neuer Grüfte, wiederum aufzuleben, wodurch sie sich vielleicht vor ihrem Untergange etlichemal herstellet, könnte eine Erklärung des Verschwindens und der Wiedererscheinung einiger Fixsterne abgeben. Es würden Sonnen sein, welche ihrem Erlöschen nahe sind, und die noch etlichemal aus ihrem Schutte aufzuleben trachten. Es mag diese Erklärung Beifall verdienen, oder nicht, so wird man sich doch gewiss diese Betrachtung dazu dienen lassen, einzusehen, dass, da der Vollkommenheit aller Weltordnungen, es sei auf die eine oder andere Art, ein unvermeidlicher Verfall drohet, man keine Schwierigkeit in dem oben angeführten Gesetze ihres Unterganges, durch den Hang der mechanischen Einrichtung, finden werde, welche dadurch aber vornehmlich annehmungswürdig wird, weil sie den Samen der Wiedererneurung, selbst in der Vermengung mit dem Chaos, bei sich führet.
Zuletzt lasset uns der Einbildungskraft ein so wunderseltsames Objekt, als eine brennende Sonne ist, gleichsam von nahen vorstellen. Man siehet in einem Anblicke weite Feuerseen, die ihre Flammen gen Himmel erheben, rasende Stürme, deren Wut die Heftigkeit der ersten verdoppelt, wel[[A 137>>che, indem sie selbige über ihre Ufer aufschwellend machen, bald die erhabene Gegenden dieses Weltkörpers bedecken, bald sie in ihre Grenzen zurücksinken lassen; ausgebrannte Felsen, die aus den flammenden Schlünden ihre fürchterliche Spitzen herausstrecken, und deren Überschwemmung oder Entblössung von dem wallenden Feuerelemente das abwechselnde Erscheinen und Verschwinden der Sonnenflecken verursachet; dicke Dämpfe, die das Feuer ersticken, und die, durch die Gewalt der Winde erhoben, finstre Wolken ausmachen, welche in feurigen Regengüssen wiederum herabstürzen, und als brennende Ströme von den Höhen des festen Sonnenlandes* sich in die flammende Täler [[A 138>> ergiessen, das Krachen der Elemente, den Schutt ausgebrannter Materien, und die mit der Zerstörung ringende Natur, welche, selbst mit dem abscheulichsten Zustande ihrer Zerrüttungen die Schönheit der Welt und den Nutzen der Kreaturen bewirket.
Wenn denn die Mittelpunkte aller grossen Weltsystemen flammende Körper sein: so ist dieses am meisten von dem Zentralkörper desjenigen unermesslichen Systems zu vermuten, welches die Fixsterne ausmachen. Wird nun aber dieser Körper, dessen Masse zu der Grösse seines Systems ein Verhältnis haben muss, wenn er ein selbstleuchtender Körper oder eine Sonne wäre, nicht mit vorzüglichem Glanze und Grösse in die Augen fallen ? Gleichwohl sehen wir keinen dergleichen sich ausnehmend unterscheidenden Fixstern unter dem Himmelsheere hervorschimmern. In der Tat, man darf es sich nicht befremden lassen, wenn dieses nicht geschicht. Wenn er gleich 10000mal unsere Sonne an Grösse überträfe, so könnte er doch, wenn man seine Entfernung 100mal grösser, als des Sirius seine annimmt, nicht grösser und heller, als dieser, erscheinen. Vielleicht aber ist es den künftigen Zeiten aufgehoben, wenigstens noch dereinst die Gegend zu [[A 139>> entdecken, wo der Mittelpunkt* des Fixsternensystems, darein unsere Sonne gehöret, befindlich [[A 140>> ist, oder vielleicht wohl gar zu bestimmen, wohin man den Zentralkörper des U n i v e r s i, nach welchem alle Teile desselben mit einstimmiger Senkung zielen, setzen müsse. Von was vor einer Beschaffenheit dieses Fundamentalstücke der ganzen Schöpfung sei, und was auf ihm befindlich, wollen wir dem Herrn W r i g h t v o n D u r l i a m zu bestimmen überlassen, der, mit einer fanatischen Begeisterung, ein kräftiges Wesen von der Götterart mit geistlichen Anziehungs- und Zurückstossungskräften, das, in einer unendlichen Sphäre um sich wirksam, alle Tugend an sich zöge, die Laster aber zurücktriebe, in diesem glücklichen Orte, gleichsam auf einen Thron der gesamten Natur, erhöhete. Wir wollen die Kühnheit1 unserer Mutmassungen, welchen wir vielleicht nur gar zu viel erlaubt haben, nicht [[A 141>> bis zu willkürlichen Erdichtungen den Zügel schiessen lassen. Die Gottheit ist in der Unendlichkeit des ganzen Weltraumes allenthalben gleich gegenwärtig; allenthalben wo Naturen sein, welche fähig sein, sich über die Abhängigkeit der Geschöpfe, zu der Gemeinschaft des höchsten Wesens, empor zu schwingen, befindet es sich gleich nahe. Die ganze Schöpfung ist von ihren Kräften durchdrungen, aber nur derjenige, der sich von dem Geschöpfe zu befreien weiss, welcher so edel ist, einzusehen, dass in dem Genusse dieser Urquelle der Vollkommenheit die höchste Staffel der Glückseligkeit einzig und allein zu suchen, der allein ist fähig, diesem wahren Beziehungspunkte aller Trefflichkeit sich näher, als irgend etwas anders in der ganzen Natur, zu befinden. Indessen wenn ich, ohne an der enthusiastischen Vorstellung des Engelländers Teil zu nehmen, von den verschiedenen Graden der Geisterwelt aus der physischen Beziehung ihrer Wohnplätze gegen den Mittelpunkt der Schöpfung, mutmassen soll, so wollte mit2 mehrer Wahrscheinlichkeit die vollkommensten Klassen vernünftiger Wesen weiter von diesem Mittelpunkte, als nahe bei demselben, suchen. Die Vollkommenheit mit Vernunft begabter Geschöpfe, in so weit sie von der Beschaffenheit der Materie abhänget, in deren Verbindung sie beschränket sein, kommt gar sehr auf die Feinigkeit des Stoffes an, dessen Einfluss dieselbe iur Vorstellung der Welt. und zur Gegenwirkung in diese1be bestimmt. Die Trägheit und der Widerstand der Materie schränket die Freiheit des gei[[A 142>>stigen Wesens zum Wirken und die Deutlichkeit ihrer Empfindung von äussern Dingen gar zu sehr ein, sie macht ihre Fähigkeiten stumpf, indem sie deren Bewegungen nicht mit gehöriger Leichtigkeit gehorchet. Daher wenn man, wie es wahrscheinlich ist, nahe zum Mittelpunkte der Natur die dichtesten und schwersten Sorten der Materie, und dagegen in der grösseren Entfernung die zunehmenden Grade der Feinigkeit und Leichtigkeit derselben, der Analogie gemäss, die in unsern Weltbau herrschet, annimmt: so ist die Folge begreiflich. Die vernünftigen Wesen, deren Erzeugungsplatz und Aufenthalt näher zu dem Mittelpunkte der Schlöpfung sich befindet, sind in eine steife und unbewegliche Materie versenket, die ihre Kräfte in einer unüberwindlichen Trägheit verschlossen enthält, und auch eben so unfähig ist, die Eindrücke des U n i v e r s i, mit der nötigen Deutlichkeit und Leichtigkeit, zu übertragen und mitzuteilen. Man wird diese denkende Wesen also in die niedrige Klasse zu zählen haben; dagegen wird, mit den Entfernungen vom allgemeinen Centro, diese Vollkommenheit der Geisterwelt, welche auf der gewechselten Abhängigkeit derselben von der Materie beruhet, wie eine beständige Leiter wachsen. In der tiefsten Erniedrigung zu diesem Senkungspunkte hat man diesem zufolge die schlechtesten und unvollkommensten Gattungen denkender Naturen zu setzen, und hiewärtshin ist, wo diese Trefflichkeit der Wesen sich, mit allen Schattierungen der Verminderung, endlich in den gänzlichen Mangel der Überlegung und des Den[[A 143>>kens verlieret. In der Tat, wenn man erwäget, dass der Mittelpunkt der Natur zugleich der Anfang1 ihrer Bildung aus dem rohen Zeuge, und ihre Grenze mit dem Chaos, ausmacht; wenn man dazu setzet, dass die Vollkommenheit geistiger Wesen, welche wohl2 eine äusserste Grenze ihres Anfanges hat, wo ihre Fähigkeiten mit der Unvernunft zusammenstossen, aber keine Grenzen der Fortsetzung, über welche sie nicht könnte erhoben werden, sondern, nach der Seite hin, eine völlige Unendlichkeit vor sich findet: so wird man, wenn ja ein Gesetze statt finden soll, nach welchem der vernünftigen Kreaturen Wohnplätze, nach der Ordnung ihrer Beziehung zum gemeinschaftlichen Mittelpunkte, verteilet sein, die niedrigste und unvollkommenste Gattung, die gleichsam den Anfang des Geschlechtes der Geisterwelt ausmacht, an demjenigen Orte zu setzen haben, der der Anfang des gesamten Universi zu nennen ist, um zugleich mit diesem in gleicher Fortschreitung alle Unendlichkeit der Zeit und der Räume, mit ins Unendliche wachsenden Graden der Vollkommenheit des Denkungsvermögens, zu erfüllen, und sich, gleichsam nach und nach, dem Ziele der höchsten Trefflichkeit, nämlich der Gottheit zu näheren, ohne es doch jemals erreichen zu können.
[[A 144>> ACHTES HAUPTSTÜCK,
ALLGEMEINER BEWEIS VON DER RICHTIGKEIT
EINER MECHANISCHEN LEHRVERFASSUNG
DER EINRICHTUNG DES WELTBAUES ÜBERHAUPT,
INSONDERHEIT VON DER GEWISSHEIT
DER GEGENWÄRTIGEN
Man kann das Weltgebäude nicht ansehen, ohne die trefflichste Anordnung in ihrer1 Einrichtung, und die sicheren Merkmale der Hand Gottes, in der Vollkommenheit ihrer1 Beziehungen, zu kennen. Die Vernunft, nachdem sie so viel Schönheit, so viel Trefflichkeit erwogen und bewundert hat, entrüstet sich mit Recht über die kühne Torheit, welche sich unterstehen darf, alles dieses dem Zufalle, und einem glücklichen Ohngefähr, zuzuschreiben. Es muss die höchste Weisheit den Entwurf gemacht, und eine unendliche Macht selbige2 ausgeführet haben, sonst wäre es unmöglich, so viele in einem Zweck zusammen kommende Absichten, in der Verfassung des Weltgebäudes, anzutreffen. Es kommt nur noch darauf an, zu entscheiden, ob der Entwurf der Einrichtung des U n i v e r s i von dem höchsten Verstande schon in die wesentliche Bestimmungen der ewigen Naturen gelegt, und in die allgemeine Bewegungsgesetze gepflanzet sei, um sich aus ihnen, auf eine der vollkommensten Ordnung anständige Art, ungezwungen zu entwickeln; oder ob die allgemeine Eigenschaften der Bestandteile der Welt die völlige Un[[A 145>>fähigkeit zur Übereinstimmung, und nicht die geringste Beziehung zur Verbindung, haben, und durchaus einer fremden Hand bedurft haben, um diejenige Einschränkung und Zusammenfügung zu überkommen, welche Vollkommenheit und Schönheit an sich blicken lässt. Ein fast allgemeines Vorurteil hat die meisten Weltweisen gegen die Fähigkeit der Natur, etwas Ordentliches durch ihre allgemeine Gesetze hervorzubringen, eingenommen, gleich als wenn es Gott die Regierung der Welt streitig machen hiesse, wenn man die ursprüngliche Bildungen in den Naturkräften suchet, und als wenn diese ein von der Gottheit unabhängiges Principium, und ein ewiges blindes Schicksal, wäre1.
Wenn man aber erwäget, dass die Natur und die ewigen Gesetze, welche den Substanzen zu ihrer Wechselwirkung vorgeschrieben sein, kein selbständiges, und ohne Gott notwendiges, Principium sei, dass eben dadurch, weil sie so viel Übereinstimmung und Ordnung in demjenigen zeiget, was sie durch allgemeine Gesetze hervorbringet, zu ersehen ist, dass die Wesen aller Dinge, in einem gewissen Grundwesen, ihren gemeinschaftlichen Ursprung haben müssen, und dass sie darum lauter gewechselte Beziehungen und lauter Harmonie zeigen, weil ihre Eigenschaften in einem einzigen höchsten Verstande ihre Quelle haben, dessen weise Idee sie in durchgängigen Beziehungen entworfen, und ihnen diejenige Fähigkeit eingepflanzet hat, dadurch sie lauter Schönheit, lauter Ordnung, in dem ih[[A 146>>nen selbst gelassenen Zustande ihrer Wirksamkeit, hervorbringen: wenn man, sage ich, dieses erwäget, so wird die Natur uns würdiger, als sie gemeiniglich angesehen wird, erscheinen, und man wird von ihren Auswickelungen nichts, als Übereinstimmung, nichts als Ordnung, erwarten. Wenn man hingegen einem ungegründeten Vorurteile Platz lässet, dass die allgemeine Naturgesetze, an und vor sich selber, nichts als Unordnung zuwege bringen, und aller Übereinstimmung2 zum Nutzen, welche bei der Verfassung der Natur hervor leuchtet, die unmittelbare Hand Gottes anzeiget: so wird man genötiget, die ganze Natur in Wunder zu verkehren. Man wird den schönen farbichten Bogen, der in den Regentropfen erscheinet, wenn dieselben die Farben des Sonnenlichts absondern, wegen seiner Schönheit, den Regen wegen seines Nutzens, die Winde wegen der unentbehrlichen Vorteile, die sie in unendlichen Arten der menschlichen Bedürfnisse leisten: kurz, alle Veränderungen der Welt, welche Wohlanständigkeit und Ordnung mit sich führen, nicht aus den eingepflanzten Kräften der Materie herleiten sollen. Das Beginnen der Naturforscher, die sich mit einer solchen Weltweisheit abgegeben haben, wird, vor dem Richterstuhle der Religion, eine feierliche Abbitte tun müssen. Es wird in der Tat alsdenn keine Natur mehr sein; es wird nur ein Gott in der Maschine die Veränderungen der Welt hervor bringen. Aber, was wird denn dieses seltsame Mittel, die Gewissheit des höchsten Wesens aus der wesentlichen Unfä[[A 147>>higkeit der Natur zu beweisen, vor eine Wirkung zur Überführung des Epikurers tun. Wenn die Naturen der Dinge, durch die ewigen Gesetze ihrer Wesen, nichts als Unordnung und Ungereimtheit zuwege bringen: so werden sie eben dadurch den Charakter ihrer Unabhängigkeit von Gott beweisen; und was vor einen Begriff wird man sich von einer Gottheit machen können, welcher die allgemeinen Naturgesetze nur durch eine Art von Zwange gehorchen, und an und vor sich dessen weisesten Entwürfen widerstreiten ? Wird der Feind der Vorsehung nicht eben so viel Siege über diese falschen Grundsätze davon tragen, als er Übereinstimmungen aufweisen kann, welche die allgemeinen Wirkungsgesetze der Natur, ohne alle besondere Einschränkungen, hervorbringen ? und wird es ihm wohl an solchen Beispielen fehlen können ? Dagegen lasset uns mit grösserer Anständigkeit und Richtigkeit also schliessen: Die Natur, ihren allgemeinen Eigenschaften überlassen, ist an lauter schönen und vollkommenen Früchten fruchtbar, welche nicht allein an sich Übereinstimmung und Trefflichkeit zeigen, sondern auch, mit dem ganzen Umfange ihrer Wesen, mit dem Nutzen der Menschen, und der Verherrlichung der göttlichen Eigenschaften, wohl harmonieren. Hieraus folget, dass ihre wesentlichen Eigenschaften keine unabhängige Notwendigkeit haben können; sondern, dass sie ihren Ursprung in einem einzigen Verstande, als dem Grunde und der Quelle aller Wesen, haben müssen, in welchem sie, unter gemeinschaftlichen Beziehungen, entworfen [[A 148>> sind. Alles, was sich auf einander, zu einer gewechselten Harmonie, beziehet, muss in einem einzigen Wesen, von welchem es insgesamt abhänget, unter einander verbunden werden. Also ist ein Wesen aller Wesen, ein unendlicher Verstand und selbständige Weisheit vorhanden, daraus die Natur, auch sogar ihrer Möglichkeit nach, in dem ganzen Inbegriffe der Bestimmungen, ihren Ursprung ziehet. Nunmehro darf man die Fähigkeit der Natur, als dem Dasein eines höchsten Wesens nachteilig, nicht bestreiten; je vollkommener sie in ihren Entwickelungen ist, je besser ihre allgemeinen Gesetze zur Ordnung und Übereinstimmung führen: ein desto sicherer1 Beweistum der Gottheit ist sie, von welcher sie diese Verhältnisse entlehnet. Ihre Hervorbringungen sind nicht mehr Wirkungen des Ohngefährs, und Folgen des Zufalls; es fliesset alles nach unwandelbaren Gesetzen von ihr ab, welche darum lauter Geschicktes darstellen müssen, weil sie lauter Züge aus dem allerweisesten Entwurfe sein, aus dem die Unordnung verbannet ist. Nicht der ohngefähre Zuammenlauf der Atomen des L u k r e z hat die Welt gebildet; eingepflanzte Kräfte und Gesetze, die den weisesten Verstand zur Quelle haben, sind ein unwandelbarer Ursprung derjenigen Ordnung gewesen, die aus ihnen nicht von ohngefĺhr, sondern notwendig abfliessen musste.
Wenn man sich also eines alten und ungegründeten Vorurteils, und der faulen Weltweisheit, entschlagen kann, die, unter einer andächtigen Miene, [[A 149>> eine träge Unwissenheit zu verbergen trachtet: so hoffe ich, auf unwidersprechliche Gründe, eine sichere Überzeugung zu gründen: d a s s d i e W e l t e i n e m e c h a n i s c h e E n t w i c k e l u n g, a u s d e n a l l g e m e i n e n N a t u r g e s e t z e n, z u m U r s p r u n g e i h r e r V e r f a s s u n g, e r k e n n e; u n d d a s s z w e i t e n s d i e A r t d e r m e c h a n i s c h e n E r z e u g u n g, d i e w i r v o r g e s t e l l e t h a b e n, d i e w a h r e s e i. Wenn man beurteilen will, ob die Natur genugsame Fähigkeiten habe, durch eine mechanische Folge ihrer Bewegungsgesetze, die Anordnung des Weltbaues zuwege zu bringen: so muss man vorhero erwägen, wie einfach die Bewegungen sein, welche die Weltkörper beobachten, und dass sie nichts an sich haben, was eine genauere Bestimmung erforderte, als es die allgemeinen Regeln der Naturkräfte mit sich führen. Die Umlaufsbewegungen bestehen aus der Verbindung der sinkenden Kraft, die eine gewisse Folge aus den Eigenschaften der Materie ist, und aus der schiessenden Bewegung, die, als die Wirkung der ersteren, als eine, durch das Herabsinken, erlangte Geschwindigkeit kann angesehen werden, in der nur eine gewisse Ursache nötig gewesen, den senkrechten Fall seitwärts abzubeugen. Nach einmal erlangter Bestimmung dieser Bewegungen ist nichts ferner nötig, sie auf immer zu erhalten. Sie bestehen in dem leeren Raume, durch die Verbindung der einmal eingedrückten schiessenden Kraft mit der aus den wesentlichen Naturkräften fliessenden Attraktion, und leiden weiterhin keine Veränderung. Allein die Analogien, [[A 150>> in der Übereinstimmung dieser Bewegungen, bezeigen die Wirklichkeit eines mechanischen Ursprunges so deutlich, dass man daran keinen Zweifel tragen kann. Denn
- Haben diese Bewegungen eine durchgehends übereinstimmende Richtung, dass von sechs Hauptplaneten, von 10 Trabanten, sowohl in ihrer fortrückenden Bewegung, als in ihren Umdrehungen um die Achse, nicht ein einziger ist, der nach einer andern Seite, als von Abend gegen Morgen, sich bewegete. Diese Richtungen sind überdem so genau zusammentreffend, dass sie nur wenig von einer gemeinschaftlichen Fläche abweichen, und diese Fläche, auf welche sich alles beziehet, ist die Äquatorsfläche des Körpers, der, in dem Mittelpunkte des ganzen Systems, sich nach eben derselben Gegend um die Achse drehet, und der, durch seine vorzügliche Attraktion, der Beziehungspunkt aller Bewegungen geworden, und folglich an denenselben so genau, als möglich, hat Teil nehmen müssen. Ein Beweis, dass die gesamte Bewegungen auf eine, den allgemeinen Naturgesetzen gemässe, mechanische Art entstanden und bestimmet worden, und dass die Ursache, welche entweder die Seitenbewegungen eindrückte, oder richtete, den ganzen Raum des Planetengebäudes beherrschet hat, und darin den Gesetzen gehorchet, welche die, in einem gemeinschaftlich bewegten Raume, befindliche Materie beobachtet, dass alle verschiedene Bewegungen zuletzt eine einzige Richtung annehmen, und sich ins[[A 151>>gesamt so genau, als möglich, auf eine einzige Fläche beziehend machen.
- Sind die Geschwindigkeiten so beschaffen, als sie es in einem Raume sein müssen, da die bewegende Kraft in dem Mittelpunkte ist, nämlich, sie nehmen in beständigen Graden mit den Entfernungen von diesem ab, und verlieren sich, in der grössesten Weite, in eine gänzliche Mattigkeit der Bewegung, welche den senkrechten Fall nur sehr wenig seitwärts beuget. Vom Merkur an, welcher die grösste Schwungskraft hat, siehet man diese stufenweise sich vermindern, und in dem äussersten Kometen so gering sein, als sie es sein kann, um nicht gerade in die Sonne zu fallen. Man kann nicht einwenden, dass die Regeln der Zentralbewegungen, in Zirkelkreisen, es so erheischen, dass, je näher zum Mittelpunkte der allgemeinen Senkung, desto grösser die Umschwungsgeschwindigkeit sein müsse; denn woher müssen eben die diesem Centro nahen Himmelskörper zirkelförmichte Kreise haben ? woher sind nicht die nächsten sehr exzentrisch, und die entfernteren in Zirkeln umlaufend ? oder vielmehr, da sie alle von dieser abgemessenen geometrischen Genauheit abweichen: warum nimmt diese Abweichung mit den Entfernungen zu ? Bezeichnen diese Verhältnisse nicht den Punkt, zu dem alle Bewegung ursprünglich sich gedränget, und, nach dem Masse der Naheit, auch grössere Grade erlanget hat, bevor andere Bestimmungen ihre Richtungen in die gegenwärtige verändert haben ?
[[A 152>> Will man nun aber die Verfassung des Weltbaues, und den Ursprung der Bewegungen, von den allgemeinen Naturgesetzen ausnehmen, um sie der mittelbaren Hand1 Gottes zuzuschreiben: so wird man alsbald inne, dass die angeführte Analogien einen solchen Begriff offenbar widerlegen. Denn was erstlich die durchgängige Übereinstimmung in der Richtung betrifft, so ist offenbar, dass hier kein Grund sei, woher die Weltkörper, gerade nach einer einzigen Gegend, ihre Umläufe anstellen müssten, wenn der Mechanismus ihrer Erzeugung sie nicht dahin bestimmet hätte. Denn der Raum, in dem sie laufen, ist unendlich wenig widerstehend, und schränket ihre Bewegungen so wenig nach der einen Seite, als nach der andern, ein; also würde die Wahl Gottes, ohne den geringsten Bewegungsgrund, sich nicht an eine einzige Bestimmung binden, sondern sich mit mehrerer Freiheit in allerlei Abwechselungen und Verschiedenheit zeigen. Noch mehr: warum sind die Kreise der Planeten so genau auf eine gemeinschaftliche Fläche beziehend, nämlich auf die Äquatorsfläche desjenigen grossen Körpers, der in dem Mittelpunkte aller Bewegung ihre Umläufe regieret ? Diese Analogie, an statt einen Bewegungsgrund der Wohlanständigkeit an sich zu zeigen, ist vielmehr die Ursache einer gewissen Verwirrung, welche durch eine freie Abweichung der Planetenkreise würde gehoben werden: denn die Anziehungen der Planeten stören anjetzo gewissermassen die Gleichförmigkeit ihrer Bewegungen, und würden einander gar nicht hinderlich sein, [[A 153>> wenn sie sich nicht so genau auf eine gemeinschaftliche Fläche bezögen.
Noch mehr, als alle diese Analogien, zeiget sich das deutlichste Merkmal von der Hand der Natur an dem Mangel der genauesten Bestimmung in denjenigen Verhältnissen, die sie zu erreichen bestrebt gewesen. Wenn es am besten wäre, dass die Planetenkreise beinahe auf eine gemeinschaftliche Fläche gestellet wären, warum sind sie es nicht ganz genau ? und warum ist ein Teil derjenigen Abweichung übrig geblieben, welche hat vermieden werden sollen ? Wenn darum die der Laufbahne der Sonne nahen Planeten die der Attraktion das Gleichgewicht haltende Grösse der Schwungskraft empfangen haben, warum fehlet noch etwas an dieser völligen Gleichheit ? und woher sind ihre Umläufe nicht vollkommen zirkelrund, wenn bloss die weiseste Absicht, durch das grösste Vermögen unterstützet, diese Bestimmung hervorzubringen getrachtet hat ? Ist es nicht klar einzusehen, dass diejenige Ursache, welche die Laufbahnen der Himmelskörper gestellet hat, indem sie selbige auf eine gemeinschaftliche Fläche zu bringen bestrebt gewesen, es nicht völlig hat ausrichten können; ingleichen, dass die Kraft, welche den Himmelsraum beherrschete, als alle Materie, die nunmehro in Kugeln gebildet ist, ihre Umschwungsgeschwindigkeiten erhielt, sie zwar nahe beim Mittelpunkte in ein Gleichgewicht mit der senkenden Gewalt zu bringen getrachtet hat, aber die völlige Genauheit nicht hat erreichen kön[[A 154>>nen ? Ist nicht das gewöhnliche Verfahren der Natur hieran zu erkennen, welches, durch die Dazwischenkunft der verschiedenen Mitwürkungen, allemal ven der ganz abgemessenen Bestimmung abweichend gemacht wird ? und wird man wohl lediglich in den Endzwecken des unmittelbar so gebietenden höchsten Willens die Gründe dieser Beschaffenheit finden ? Man kann, ohne eine Hartnäckigkeit zu bezeigen, nicht in Abrede sein, dass die gepriesene Erklärungsart von den Natureigenschaften, durch Anführung ihres Nutzens, Grund anzugeben, hier nicht die verhoffte Probe halte. Es war gewiss, in Ansehung des Nutzens, der Welt ganz gleichgültig, ob die Planetenkreise völlig zirkelrund, oder ob sie ein wenig exzentrisch wären; ob sie mit der Fläche ihrer allgemeinen Beziehung völlig zusammen treffen, oder noch etwas davon abweichen sollten; vielmehr, wenn es ja nötig1 war, in dieser Art von Übereinstimmungen beschränkt zu sein, so war es am besten, sie völlig an sich haben2. Wenn es wahr ist, was der Philosoph sagte: dass Gott beständig die Geometrie ausübet; wenn dieses auch in den Wegen der allgemeinen Naturgesetze hervor leuchtet: so würde gewiss diese Regel, bei den unmittelbaren Werken des allmächtigen Wortes3, vollkommen zu spüren sein, und diese würden alle Vollkommenheit der geometrischen Genauheit an sich zeigen. Die Kometen gehören mit unter diese Mängel der Natur. Man kann nicht leugnen, dass, in Ansehung ihres Laufes und der Veränderungen, die sie dadurch erleiden, sie als [[A 155>> unvollkommene Glieder der Schöpfung anzusehen sein, welche weder dienen können, vernünftigen Wesen bequeme Wohnplätze abzugeben, noch dem Besten des ganzen Systems dadurch nützlich zu werden, dass sie, wie man vermutet hat, der Sonne dereinst zur Nahrung dieneten; denn es ist gewiss, dass die meisten derselben diesen Zweck nicht eher, als bei dem Umsturze des ganzen planetischen Gebäudes, erreichen würden. In dem Lehrbegriffe von der unmittelbaren höchsten Anordnung der Welt, ohne eine natürliche Entwickelung aus allgemeinen Naturgesetzen, würde eine solche Anmerkung anstössig sein, ob sie gleich gewiss ist. Allein in einer mechanischen Erklärungsart verherrlichet sich dadurch die Schönheit der Welt, und die Offenbarung der Allmacht, nicht wenig. Die Natur, indem sie alle mögliche Stufen der Mannigfaltigkeit in sich fasset, erstrecket ihren Umfang über alle Gattungen von der Vollkommenheit bis zum Nichts, und die Mängel selber sind ein Zeichen des Überflusses, an welchem ihr Inbegriff unerschöpft ist.
Es ist zu glauben, dass die angeführten Analogien so viel über das Vorurteil vermögen würden, den mechanischen Ursprung des Weltgebäudes annehmungswürdig zu machen, wenn nicht noch gewisse Gründe, die aus der Natur der Sache selber hergenommen sind, dieser Lehrverfassung gänzlich zu widersprechen schienen. Der Himmelsraum ist, wie schon mehrmalen gedacht, leer, oder wenigstens mit unendlich dünner Materie angefüllet, [[A 156>> welche folglich kein Mittel hat abgeben können, denen Himmelskörpern gemeinschaftliche Bewegungen einzudrücken. Diese Schwierigkeit ist so bedeutend und gültig, dass N e w t o n, welcher Ursache hatte, den Einsichten seiner Weltweisheit so viel als irgend ein Sterblicher zu vertrauen, sich genötiget sahe, allhier die Hoffnung aufzugeben, die Eindrückung dei den Planeten beiwohnenden Schwungskräfte, ohnerachtet aller Übereinstimmung, welche auf einen mechanischen Ursprung zeigete, durch die Gesetze der Natur und die Kräfte der Materie; aufzulösen. Ob es gleich vor einen Philosophen eine betrübte Entschliessung ist, bei einer zusammengesetzten und noch weit von den einfachen Grundgesetzen entferneten Beschaffenheit die Bemühung der Untersuchung aufzugeben, und sich mit der Anführung des unmittelbaren Willens Gottes zu begnügen: so erkannte doch N e w t o n hier die Grenzscheidung, welche die Natur und den Finger Gottes, den Lauf der eingeführten Gesetze der ersteren, und den Wink des letzteren, von einander scheidet. Nach eines so grossen Weltweisen Verzweifelung scheinet es eine Vermessenheit zu sein, noch einen glücklichen Fortgang in einer Sache von solcher Schwierigkeit zu hoffen.
Allein eben dieselbe Schwierigkeit, welche dem N e w t o n die Hoffnung benahm, die denen Himmelskörpern erteilte Schwungskräfte, deren Richtung und Bestimmungen das Systematische des Weltbaues ausmachet, aus denen Kräften der Na [[A 157>>tur zu begreifen, ist die Quelle der Lehrverfassung gewesen, die wir in den vorigen Hauptstücken vorgetragen haben. Sie gründet einen mechanischen Lehrbegriff; aber einen solchen, der weit von demjenigen entfernet ist, welchen N e w t o n unzulänglich befand, und um dessen willen er alle Unterursachen verwarf, weil er (wenn ich es mir unterstehen darf, zu sagen) darin irrete, dass er ihn vor den einzigen, unter allen möglichen seiner Art, hielte. Es ist ganz leicht und natürlich, selbst vermittelst der Schwierigkeit des Newton, durch eine kurze und gründliche Schlussfolge auf die Gewissheit derjenigen mechanischen Erklärungsart zu kommen, die wir in dieser Abhandlung entworfen haben. Wenn man voraussetzt (wie man denn nicht umhin kann, es zu bekennen), dass die obigen Analogien es mit grössester Gewissheit festsetzen, dass die harmonierenden, und sich auf einander ordentlich beziehenden Bewegungen und Kreise der Himmelskörper eine natürliche Ursache, als ihren Ursprung, anzeigen: so kann diese doch nicht dieselbe Materie sein, welche anjetzt den Himmelsraum erfüllet. Also muss diejenige, welche ehedem diese Räume erfüllete, und deren Bewegung der Grund von den gegenwärtigen Umläufen der Himmelskörper gewesen ist, nachdem sie sich auf diese Kugeln versammlet, und dadurch die Räume gereiniget hat, die man anjetzt leer siehet, oder, welches unmittelbar hieraus herfliesset, die Materie1 selber, daraus die Planeten, die Kometen, ja die Sonne, bestehen, müssen anfänglich in dem Raume des planetischen Systems ausgebrei[[A 158>>tet gewesen sein, und in diesem Zustande sich in Bewegungen versetzet haben, welche sie behalten haben, als sie sich in besondere Klumpen vereinigten, und die Himmelskörper bildeten, welche alle den ehemals zerstreueten Stoff der Weltmaterie in sich fassen. Man ist hiebei nicht lange in Verlegenheit, das Triebwerk zu entdecken, welches diesen Stoff der sich bildenden Natur in Bewegung gesetzt haben möge. Der Antrieb selber, der die Vereinigung der Massen zuwege bfachte, die Kraft der Anziehung, welche der Materie wesentlich beiwohnet, und sich daher, bei der ersten Regung der Natur, zur ersten Ursache der Bewegung so wohl schicket, war die Quelle derselben. Die Richtung, welche bei dieser Kraft immer gerade zum Mittelpunkte hin zielet, macht allhier kein Bedenken; denn es ist gewiss, dass der feine Stoff zerstreueter Elemente in der senkrechten Bewegung, sowohl durch die Mannigfaltigkeit der Attraktionspunkte, als durch die Hindernis, die einander ihre durchkreuzende Richtungslinien leisten, hat in verschiedene Seitenbewegungen ausschlagen müssen, bei denen das gewisse Naturgesetz, welches macht, dass alle einander durch gewechselte Wirkung einschränkende Materie sich zuletzt auf einen solchen Zustand bringet, da eine der andern so wenig Veränderung, als möglich, mehr zuziehet, sowohl die Einförmigkeit der Richtung, als auch die gehörigen Grade der Geschwindigkeiten, hervorgebracht hat, die in jedem Abstande nach der Zentralkraft abgewogen sein, und durch deren Verbindung weder1 über noch [[A 159>> unter sich auszuschweifen trachten: da alle Elemente also nicht allein nach einer Seite, sondern auch bei nahe in parallelen und freien Zirkeln, um den gemeinschaftlichen Senkungspunkt, in dem dünnen Himmelsraume umlaufend gemacht worden. Diese Bewegungen der Teile mussten hernach fortdauren, als sich planetische Kugeln daraus gebildet hatten, und bestehen anjetzt, durch die Verbindung des einmal eingepflanzten Schwunges mit der Zentralkraft, in unbeschränkte künftige Zeiten. Auf diesem so unbegreiflichen Grunde2 beruhen die Einförmigkeit der Richtungen in den Planetenkreisen, die genaue Beziehung auf eine gemeinschaftliche Fläche, die Mässigung der Schwungskräfte nach der Attraktion des Ortes, die mit den Entfernungen abnehmende Genauheit dieser Analogien, und die freie Abweichung der äussersten Himmelskörper nach beiden Seiten sowohl, als nach entgegengesetzter Richtung. Wenn diese Zeichen der gewechselten Abhängigkeit in denen Bestimmungen der Erzeugung auf eine durch den ganzen Raum verbreitete ursprünglich bewegte Materie mit offenbarer Gewissheit zeigen: so beweiset der gänzliche Mangel aller Materien in diesem nunmehro leeren Himmelsraume, ausser derjenigen, woraus die Körper der Planeten, der Sonne und der Kometen zusammengesetzt sein, dass diese selber im Anfange in diesem Zustande der Ausbreitung müsse gewesen sein. Die Leichtigkeit und Richtigkeit, mit welcher, aus diesem angenommenen Grundsatze, alle Phaenomena des Weltbaues in den vorigen Haupt[[A 160>>stücken hergeleitet worden, ist eine Vollendung solcher Mutmassung, und gibt ihr einen Wert, der nicht mehr willkürlich ist.
Die Gewissheit einer mechanischen Lehrverfassung von dem Ursprunge des Weltgebäudes, vornehmlich des unsrigen, wird auf den höchsten Gipfel der Überzgugung erhoben, wenn man die Bildung der Himmelskörper selber, die Wichtigkeit und Grösse ihrer Massen nach den Verhältnissen erwäget, die sie, in Ansehung ihres Abstandes von dem Mittelpunkte der Gravitation, haben. Denn erstlich ist die Dichtigkeit ihres Stoffes, wenn man sie im Ganien ihres Klumpens erwäget, in beständigen Graden mit den Entfernungen von der Sonne abnehmend: eine Bestimmung, die so deutlich auf die mechanische Bestimmungen der ersten Bildung zielet, dass man nichts mehr verlangen kann. Sie sind aus solchen Materien zusammengesetzet, deren die von schwererer Art einen tiefern Ort zu dem gemeinschaftlichen Senkungspunkte, die von leichterer Art aber einen entferneteren Abstand bekommen haben: welche Bedingung, in aller Art der natürlichen Erzeugung, notwendig ist. Aber bei einer unmittelbar aus dem göttlichen Willen fliessenden Errichtung1 ist nicht der mindeste Grund zu gedachten Verhältnisse anzutreffen. Denn ob es gleich scheinen möchte, dass die entferneteren Kugeln aus leichterem Stoffe bestehen müssten, damit sie von der geringern Kraft der Sonnenstrahlen die nötige Wirkung verspü[[A 161>>ren könnten: so ist dieses doch nur ein Zweck, der auf die Beschaffenheit der auf der Oberfläche befindlichen Materien, und nicht auf die tieferen Sorten seines inwendigen1 Klumpens zielet, als in welche die Sonnenwärme niemals einige Wirkung tut, die auch nur dienen, die Attraktion des Planeten, welche die ihn umgebenden Körper zu ihm sinkend machen soll, zu bewirken, und daher nicht die mindeste Beziehung auf die Stärke oder Schwäche der Sonnenstrahlen haben darf2. Wenn man daher fraget, woher die aus den richtigen Rechnungen des Newton gezogene Dichtigkeiten der E r d e, des J u p i t e r s, des S a t u r n s sich gegeneinander wie 400 94 ½ und 64 verhalten: so wäre es ungereimt, die Ursache der Absicht Gottes, welcher sie nach den Graden der Sonnenwärme gemässiget hat, beizumessen; denn da kann unsere Erde uns zum Gegenbeweise dienen, bei der die Sonne nur in eine so geringe Tiefe unter der Oberfläche durch ihre Strahlen wirket, dass derjenige Teil ihres Klumpens, der dazu einige Beziehung haben muss, bei weitem nicht den millionsten Teil des Ganzen beträgt, wovon das übrige in Ansehung dieser Absicht völlig gleichgültig ist. Wenn also der Stoff, daraus die Himmelskörper bestehen, ein ordentliches mit den Entfernungen harmonierendes Verhältnis gegen einander hat, und die Planeten einander anjetzt nicht einschränken können, da sie nun in leerem Raume von einander abstehen: so muss ihre Materie vordem in einem Zustande gewesen sein, da sie in einander gemeinschafttiche Wirkung tun können, um sich in die ihrer spezi[[A 162>>fischen Schwere proportionierte Örter einzuschränken, welches nicht anders hat geschehen können, als dass ihre Teile vor der Bildung in dem ganzen Raume des Systems ausgebreitet gewesen, und, dem allgemeinen Gesetze der Bewegung gemäss, Örter gewonnen haben; welche ihrer Dichtigkeit gebühren.
Das Verhältnis unter der Grösse der planetischen Massen, welches mit den Entfernungen zunimmt, ist der zweite Grund, der die mechanische Bildung der Himmelskörper, und vornehmlich unsere Theorie von derselben, klärlich beweiset. Warum nehmen die Massen der Himmelskörper ohngefähr mit den Entfernungen zu ? Wenn man einer der Wahl Gottes alles zuschreibenden Lehrart nachgehet: so könnte keine andere Absicht gedacht werden, warum die entfernetern Planeten grössere Massen haben müssen, als damit sie die1 vorzügliche Stärke ihrer Anziehung in ihrer Sphäre einen oder etliche Monde begreifen könnten, welche dienen sollen, den Bewohnern, welche vor sie bestimmt sind, den Aufenthalt bequemlich zu machen. Allein dieser Zweck konnte eben sowohl durch eine vorzügliche Dichtigkeit in dem Inwendigen ihres Klumpens erhalten werden, und warum musste denn die aus besonderen Gründen fliessende Leichtigkeit des Stoffes, welche diesem Verhältnis entgegen ist, bleiben, und durch den Vorzug des Volumens so weit übertroffen werden, dass dennoch die Masse der obern wichtiger als der untern ihre würde ? Wenn man nicht auf die Art der natürlichen Erzeugung dieser [[A 163>> Körper Acht hat: so wird man schwerlich von diesem Verhältnisse Grund geben können; aber in Betrachtung derselben ist nichts leichter, als diese Bestimmung zu begreifen. Als der Stoff aller Weltkörper in den Raum des planetischen Systems noch ausgebreitet war: so bildete die Anziehung aus diesen Teilchen Kugeln, welche ohne Zweifel um desto grösser werden mussten, je weiter der Ort ihrer Bildungssphäre von demjenigen allgemeinen Zentralkörper entfernet war, der aus dem Mittelpunkte des ganzen Raumes, durch eine vorzüglich mächtige Attraktion diese Vereinigung, so viel an ihm ist, einschränkete und hinderte.
Man wird die Merkmale dieser Bildung der Himmelskörper aus dem im Anfange ausgebreitet gewesenen Grundstoffe mit Vergnügen an der Weite der Zwischenräume gewahr, die ihre Kreise von einander scheiden, und die nach diesem Begriffe als die leeren Fächer müssen angesehen werden, aus denen die Planeten die Materie zu ihrer Bildung hergenommen haben. Man siehet, wie diese Zwischenräume zwischen den Kreisen ein Verhältnis zu der Grösse der Massen haben, die daraus gebildet sein. Die Weite zwischen dem Kreise des J u p i t e r s und des M a r s ist so gross, dass der darin beschlossene Raum die Fläche aller unteren planetenkreise zusammengenommen übertrifft: allein er ist des grössesten unter allen Planeten würdig, desjenigen, der mehr Masse hat, als alle übrigen zusammen. Man kann diese Entfernung des Jupiters von dem Mars nicht der Absicht beimessen, dass ihre Attraktionen einander so wenig, als [[A 164>> möglich hindern sollten. Denn nach solchem Grunde würde sich der Planet zwischen zwei Kreisen allemal demjenigen am1 nächsten befinden, dessen mit der seinigen vereinigte Attraktion die beiderseitigen Umläufe um die Sonne am wenigsten stören kann: folglich demjenigen, der die kleinste Masse hat. Weil nun nach den richtigen Rechnungen Newtons die Gewalt, womit Jupiter in den Lauf des Mars wirken kann, zu2 derjenigen, die er in den Saturn durch die vereinigte Anziehung ausübet, wie 1/12512, zu 1/200 verhält: so kann man leicht die Rechnung machen, um wie viel Jupiter sich dem Kreise des Mars näher befinden müsste, als des Saturns seinem, wenn ihr Abstand durch die Absicht ihrer äusserlichen Beziehung, und nicht durch den Mechanismus ihrer Erzeugung bestimmt worden wäre. Da dieses sich nun aber ganz anders befindet; da ein planetischer Kreis in Ansehung der zwei Kreise, die über und unter ihm sein, sich oft von demjenigen abstehender befindet, in welchem ein kleinerer Planet läuft, als die Bahn3 dessen von grösserer Masse; die Weite des Raumes aber um den Kreis eines jeden Planeten allemal ein richtiges Verhältnis zu seiner Masse hat: so ist klar, dass die Art der Erzeugung diese Verhältnisse müsse bestimmt haben, und dass, weil diese Bestimmungen so, wie die Ursache und die Folgen derselben, scheinen verbunden zu sein, man es wohl am richtigsten treffen wird, wenn man die zwischen den Kreisen begriffene Räume als die Behältnisse desjenigen Stoffes ansiehet, daraus sich die [[A 165>> Planeten gebildet haben: woraus unmittelbar folget, dass deren Grösse dieser ihren Massen proportioniert sein muss, welches Verhältnis aber bei denen entfernetern Planeten durch die in dem ersten Zustande grössere Zerstreuung der elementarischen Materie in diesen Gegenden vermehret wird. Daher von zwei Planeten, die an Masse einander ziemlich gleich kommen, der entferntern1 einen grössern Bildungsraum, d. i. einen grössern Abstand von den beiden nächsten Kreisen haben muss, sowohl weil der Stoff daselbst an sich spezifisch leichterer Art, als auch, weil er zerstreuter war, als bei dem, so sich näher zu der Sonne bildete. Daher obgleich die Erde zusamt dem Monde der Venus noch nicht an körperlichen Inhalte gleich zu sein scheinet, so hat sie dennoch um sich einen grössern Bildungsraum erfordert: weil sie sich aus einem mehr zerstreuten Stoffe zu bilden hatten2, als dieser untere Planet. Vom Saturn ist aus diesen Gründen zu vermuten, dass seine Bildungssphäre sich auf der abgelegenen Seite viel weiter wird ausgebreitet haben, als auf der Seite gegen den Mittelpunkt hin (wie denn dieses fast von allen Planeten gilt); und daher wird der Zwischenraum zwischen den Saturnuskreise, und der Bahn des diesem Planeten zunächst obern Himmelskörpers, den man über ihn vermuten kann, viel weiter, als zwischen eben demselben ung dem Jupiter, sein.
Also gehet alles in dem planetischen Weltbaue stufenweise, mit richtigen Beziehungen zu der ersten erzeugenden Kraft, die neben dem Mittelpunkte wirksamer als in der Ferne gewesen, in alle un[[A 166>>beschränkte Weiten fort. Die Verminderung der eingedruckten schiessenden Kraft, die Abweichung von der genauesten Übereinstimmung in der Richtung und der Stellung der Kreise, die Dichtigkeiten der Himmelskörper, die Sparsamkeit der Natur in Absehen auf den Raum ihrer Bildung: alles vermindert sich stufenartig von dem Centro in die weiten Entfernungen: alles zeiget, dass die erste Ursache an die mechanischen Regeln der Bewegung gebunden gewesen, und nicht durch eine freie Wahl gehandelt hat.
Allein was so deutlich, als irgend sonsten etwas, die natürliche Bildung der Himmelskugeln aus dem ursprünglich in dem Raume des Himmels, der nunmehro leer ist, ausgebreitet gewesenen Grundstoffe anzeiget, ist diejenige Übereinstimmung, die ich von dem Herrn von B u f f o n entlehne, die aber in seiner Theorie bei weitem den Nutzen, als in der unsrigen, nicht hat. Denn nach seiner Bemerkung, wenn man die Planeten, deren Massen man durch Rechnung bestimmen kann, zusammen summieret: nämlich den Saturn, den Jupiter, die Erde und den Mond: so geben sie einen Klumpen, dessen Dichtigkeit der Dichtigkeit des Sonnenkörpers wie 640 zu 650 beikömmt, welche, da es die Hauptstücke in den planetischen System sind, gegen die übrigen1 Planeten Mars, Venus und Merkur kaum verdienen gerechnet zu werden; so wird man billig über die merkwürdige Gleichheit erstaunen, die zwischen der Materie des gesamten planetischen Gebäudes, wenn es als in einem Klumpen vereinigt betrachtet wird, und zwischen [[A 167>> der Masse der Sonnen herrschet. Es wäre ein unverantwortlicher Leichtsinn, diese Analogie einem Ungefähr zuzuschreiben, welche unter einer Mannigfaltigkeit so unendlich verschiedener Materien2, deren nur allein auf unserer Erde einige anzutreffen sind, die 15tausendmal an Dichtigkeit von einander übertroffen worden3, dennoch im Ganzen der Verhältnis von 1 bis 14 so nahe kommen: und man muss zugeben, dass, wenn man die Sonne als ein Mengsel von allen Sorten Materie, die in dem planetischen Gebäude von einander geschieden sein, betrachtet, alle insgesamt sich in einem Raume scheinen gebildet zu haben, der ursprünglich mit gleichförmig ausgebreiteten Stoffe erfüllet war, und auf dem Zentralkörper sich ohne Unterschied versammlet, zur Bildung der Planeten aber nach Massgebung der Höhen eingeteilet worden. Ich überlasse es denen, die die mechanische Erzeugung der Weltkörper nicht zugeben können, aus den Bewegungsgründen der Wahl Gottes diese so besondere Übereinstimmung, wo sie können, zu erklären. Ich will endlich aufhören, eine Sache von so überzeugender Deutlichkeit, als die Entwickelung des Weltgebäudes aus den Kräften der Natur ist, auf mehr Beweistümer zu gründen. Wenn man im Stande ist, bei so vieler Überführung unbeweglich zu bleiben: so muss man entweder gar zu tief in den Fesseln des Vorurteils liegen, oder gänzlich unfähig sein, sich über den Wust hergebrachter Meinungen, zu der Betrachtung der allerreinsten Wahrheit, empor zu schwingen. Indessen ist zu glauben, dass niemand als die Blödsinnigen, [[A 168>> auf deren Beifall man nicht rechnen darf, die Richtigkeit dieser Theorie verkennen könnte, wenn die Übereinstimmungen, die der Weltbau in allen seinen Verbindungen zu dem Nutzen der vernünftigen Kreatur hat, nicht etwas mehr, als blosse allgemeine Naturgesetze zum Grunde zu haben schienen. Man glaubt auch mit Recht, dass geschickte Anordnungen, welche auf einen würdigen Zweck abzielen, einen weisen Verstand zum Urheber haben müssen, und man wird völlig befriedigt werden, wenn man bedenkt, dass, da die Naturen der Dinge keine andere, als eben diese Urquelle erkennen, ihre wesentliche und allgemeine Beschaffenheiten eine natürliche Neigung zu anständigen und unter einander wohl übereinstimmenden Folgen haben müssen. Man wird sich also nicht befremden dörfen, wenn man zum gewechselten Vorteile der Kreaturen gereichende Einrichtungen der Weltverfassung gewahr wird, selbige einer natürlichen Folge aus den allgemeinen Gesetzen der Natur beizumessen, denn was aus diesem1 herfliesset, ist nicht die Wirkung des blinden Zufalles oder der unvernünftigen Notwendigkeit: es gründet sich zuletzt doch in der höchsten Weisheit, von der die allgemeinen Beschaffenheiten ihre Übereinstimmung entlehnen. Der eine Schluss ist ganz richtig: Wenn in der Verfassung der Welt Ordnung und Schönheit hervorleuchten: so ist ein Gott. Allein, der andere ist nicht weniger gegründet: Wenn diese Ordnung aus allgemeinen Naturgesetzen hat herfliessen können: so ist die ganze Natur notwendig eine Wirkung der höchsten Weisheit.
[[A 169>> Wenn man es sich aber durchaus belieben lässt, die unmittelbare Anwendung der göttlichen Weisheit an allen Anordnungen der Natur, die unter sich Harmonie und nützliche Zwecke begreifen, zu erkennen, indem man der Entwickelung aus allgemeinen Bewegungsgesetzen keine übereinstimmende Folgen zutrauet: so wollte ich raten, in der Beschauung des Weltbaues seine Augen nicht auf einen einzigen unter den Himmelskörpern, sondern auf das Ganze zu richten, um sich aus diesem Wahne auf einmal heraus zu reissen. Wenn die schiefe Lage der Erdachse gegen die Fläche ihres jährlichen Laufes, durch die beliebte Abwechselung der Jahreszeiten, ein Beweistum der unmittelbaren Hand Gottes sein soll, so darf man nur diese Beschaffenheit bei den andern Himmelskörpern dagegen halten; so wird man gewahr werden, dass sie bei jedem derselben abwechselt, und dass in dieser Verschiedenheit es auch einige gibt, die sie gar nicht haben: wie z. E. Jupiter, dessen Achse senkrecht zu dem Plane seines Kreises ist, und Mars, dessen seine es beinahe ist, welche beide keine Verschiedenheit der Jahreszeiten geniessen, und doch eben sowohl Werke der höchsten Weisheit, als die andern, sind. Die Begleitung der Monde beim Saturn, dem Jupiter und der Erde würden scheinen, besondere Anordnungen des Wesens1 zu sein, wenn die freie Abweichung von diesem Zwecke, durch das ganze System des Weltbaues, nicht anzeigte, dass die Natur, ohne durch einen ausserordentlichen Zwang in ihrem freien Betragen gestört zu sein, diese Bestimmungen hervorgebracht habe. Jupiter hat vier Monde, Saturn [[A 170>> fünf, die Erde einen, die übrigen Planeten gar keinen; ob es gleich scheinet, dass diese, wegen ihrer längeren Nächte, derselben bedürftiger wären, als jene. Wenn man die proportionierte Gleichheit der den Planeten eingedrückten Schwungskräfte mit den Zentralneigungen ihres Abstandes, als die Ursache, woher sie beinahe in Zirkeln um die Sonne laufen, und, durch die Gleichmässigkeit der von dieser erteilten Wärme, zu Wohnplätzen vernünftiger Kreaturen geschickt werden, bewundert, und sie als den unmittelbaren Finger der Allmacht ansiehet: so wird man auf einmal auf die allgemeinen Gesetze der Natur zurück geführet, wenn man erwäget, dass diese planetische Beschaffenheit sich nach und nach, mit allen Stufen der Verminderung, in der Tiefe des Himmels verlieret, und dass eben die höchste Weisheit, welche an der gemässigten Bewegung der Planeten ein Wohlgefallen gehabt hat, auch die Mängel nicht ausgeschlossen, mit welchen sich das System endiget, indem es in der völligen Unregelmässigkeit und Unordnung aufhöret. Die Natur, ohnerachtet sie eine wesentliche Bestimmung zur Vollkomrnenheit und Ordnung hat, fasset in dem Umfange ihrer Mannigfaltigkeit alle mögliche Abwechselungen, sogar bis auf die Mängel und Abweichungen, in sich. Eben dieselbe unbeschränkte Fruchtbarkeit derselben hat die bewohnten Himmelskugeln sowohl, als die Kometen, die nützlichen Berge und die schädlichen Klippen, die bewohnbaren Landschaften und öden Wüsteneien, die Tugenden und Laster, hervorgebracht.
[[A 171>> ALLGEMEINE NATURGESCHICHTE
UND THEORIE DES HIMMELS
DRITTER TEIL
WELCHER EINEN VERSUCH EINER AUF DIE ANALOGIEN
DER NATUR GEGRÜNDETEN VERGLEICHUNG
ZWISCHEN DEN EINWOHNERN VERSCHIEDENER PLANETEN
IN SICH ENTHÄLT
Wer das Verhältnis aller Welten von einem Teil zum andern weiss,
Wer aller Sonnen Menge kennet, und jeglichen Planetenkreis:
W e r d i e v e r s c h i e d e n e n B e w o h n e r v o n e i n e m j e d e n S t e r n
e r k e n n e t,
Dem ist allein, w a r u m d i e D i n g e s o s e i n, a l s w i e s i e s e i n,
vergönnet,
Zu fassen, und uns zu erklären.
P o p e.
[[A 173>> ALLGEMEINE NATURGESCHICHTE
UND THEORIE DES HIMMELS
DRITTER TEIL
ANHANG,
VON DEN BZWOHNERN DER GESTIRNE
Weil ich davor halte, dass es den Charakter der Weltweisheit entehren heisse, wenn man sich ihrer gebrauchet, mit einer Art von Leichtsinn freie Ausschweifungen des Witzes, mit einiger Scheinbarkeit, zu behaupten, wenn man sich gleich erklären wollte, dass es nur geschähe, um zu belu[[A 174>>stigen: so werde in1 gegenwärtigem Versuche keine anderen Sätze anführen, als solche, die zur Erweiterung unseres Erkenntnisses wirklich beitragen können, und deren Wahrscheinlichkeit zugleich so wohl gegründet ist, dass man sich kaum entbrechen kann, sie gelten zu lassen.
Obgleich es scheinen möchte, dass in dieser Art des Vorwurfes die Freiheit zu erdichten keine eigentliche Schranken habe, und dass man in dem Urteil von der Beschaffenheit der Einwohner entlegener Welten, mit weit grösserer Ungebundenheit, der Phantasei könne den Zügel schiessen lassen, als ein Maler in der Abbildung der Gewächse oder Tiere unentdeckter Länder, und dass dergleichen Gedanken weder recht erwiesen, noch widerleget werden könnten: so muss man doch gestehen, dass die Entfernungen der Himmelskörper von der Sonne gewisse Verhältnisse mit sich führen, welche einen wesentlichen Einfluss in die verschiedenen Eigenschaften der denkenden Naturen nach sich ziehen, die auf denenselben befindlich sind, als deren Art, zu wirken und zu leiden, an die Beschaffenheit der Materie, mit der sie verknüpfet sein, gebunden ist, und von dem Mass der Eindrücke abhänget, die die Welt, nach den Eigenschaften der Beziehung ihres Wohnplatzes zu dem Mittelpunkte der Attraktion und der Wärme, in ihnen erwecket.
Ich bin der Meinung, dass es eben nicht notwendig sei, zu behaupten, alle Planeten müssten bewohnt sein, ob es gleich eine Ungereimtheit wä[[A 175>>re, dieses, in Ansehung aller, oder auch nur der meisten, zu leugnen. Bei dem Reichtume der Natur, da Welten und Systeme, in Ansehung des Ganzen der Schöpfung, nur Sonnenstäubchen sein, könnte es auch wohl öde und unbewohnte Gegenden geben, die nicht auf das genaueste zu dem Zwecke der Natur, nämlich der Betrachtung vernünftiger Wesen, genutzet würden. Es wäre, als wenn man sich aus dem Grunde der Weisheit Gottes ein Bedenken machen wollte, zuzugeben, dass sandichte und unbewohnte Wüsteneien grosse Strecken des Erdbodens einnehmen, und dass es verlassene Inseln im Weltmeere gebe, darauf kein Mensch befindlich ist. Indessen ist ein Planet viel weniger in Ansehung des Ganzen der Schöpfung, als eine Wüste, oder Insel, in Ansehung des Erdbodens.
Vielleicht, dass sich noch nicht alle Himmelskörper völlig ausgebildet haben; es gehören Jahrhunderte, und vielleicht Tausende von Jahren dazu, bis ein groàer Himmelskörper einen festen Stand seiner Materien erlanget hat. Jupiter scheinet noch in diesem Streite zu sein. Die merkliche Abwechselung seiner Gestalt, zu verschiedenen Zeiten, hat die Astronomen schon vorlängst mutmassen lassen, dass er grosse Umstürzungen erleiden müsse, und bei weiten so ruhig auf seiner Oberfläche nicht sei, als es ein bewohnbarer Planet sein muss. Wenn er keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben sollte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der [[A 176>> Natur wäre dieses, in Ansehung der Unermesslichkeit der ganzen Schöpfung ? Und wäre es nicht vielmehr ein Zeichen der Armut, als des Überflusses derselben, wenn sie in jedem Punkte des Raumes so sorgfältig sein sollte, alle ihre Reichtümer aufzuzeigen ?
Allein, man kann noch mit mehr Befriedigung vermuten, dass, wenn er gleich jetzt unbewohnt ist, er dennoch es dereinst werden wird; wenn die Periode seiner Bildung wird vollendet sein. Vielleicht ist unsere Erde tausend oder mehr Jahre vorhanden gewesen, ehe sie sich in Verfassung befunden hat, Menschen, Tiere und Gewächse unterhalten zu können. Dass ein Planet nun einige tausend Jahre später zu dieser Vollkommenheit kommt, das tut dem Zwecke seines Daseins keinen Abbruch. Er wird eben um deswillen auch ins zukünftige länger in der Vollkommenheit seiner Verfassung, wenn er sie einmal erreichet hat, verbleiben; denn es ist einmal ein gewisses Naturgesetz: alles, was einen Anfang hat, nähert sich beständig seinem Untergange, und ist demselben um so viel näher, je mehr es sich von dem Punkte seines Anfanges entfernet hat.
Die satirische Vorstellung jenes witzigen Kopfes aus dem Haag, welcher, nach der Anführung der allgemeinen Nachrichten aus dem R. d. Wissenschaften1, die Einbildung von der notwendigen Bevölkerung aller Weltkörper auf der lächerlichen Seite vorzustellen wusste, kann nicht anders [[A 177>> alsgebilliget werden. „Diejenigen Kreaturen”, s p r i c h t e r, „welche die Wälder auf dem Kopfe eines Bettlers bewohnen, hatten schon lange ihren Aufenthalt vor eine unermessliche Kugel, und sich selber als das Meisterstück der Schöpfung angesehen, als einer unter ihnen, den der Himmel mit einer feinern Seele begabet hatte, ein kleiner F o n t e n e l l e seines Geschlechts, den Kopf eines Edelmanns unvermutet gewahr ward. Alsbald rief er alle witzige Köpfe seines Quartiers zusammen, und sagte ihnen mit Entzückung: wir sind nicht die einzigen belebten Wesen der ganzen Natur: sehet hier ein neues Land, h i e w o h n e n m e h r L ä u s e.” Wenn der Ausgang dieses Schlusses ein Lachen erwecket: so geschicht es nicht um deswillen, weil er von der Menschen Art, zu urteilen, weit abgehet; sondern, weil eben derselbe Irrtum, der bei dem Menschen eine gleiche Ursache zum Grunde hat, bei diesen mehr Entschuldigung zu verdienen scheinet.
Lasst uns ohne Vorurteil urteilen. Dieses Insekt, welches, sowohl seiner Art zu leben, als auch seiner Nichtswürdigkeit nach, die Beschaffenheit der meisten Menschen sehr wohl ausdrückt, kann mit gutem Fuge zu einer solchen Vergleichung gebraucht werden. Weil, seiner Einbildung nach, der Natur an seinem Dasein unendlich viel gelegen ist: so hält es die ganze übrige Schöpfung vor vergeblich, die nicht eine genaue Abzielung auf sein Geschlechte, als den Mittelpunkt ihrer Zwecke, mit sich führet. Der Mensch, welcher gleich unendlich [[A 178>> weit von der obersten Stufe der Wesen abstehet, ist so verwegen, von der Notwendigkeit seines Daseins sich mit gleicher Einbildung zu schmeicheln. Die Unendlichkeit der Schöpfung fasset alle Naturen, die ihr überschwenglicher Reichtum hervorbringt, mit gleicher Notwendigkeit in sich. Von der erhabensten Klasse, unter den denkenden Wesen, bis zu dem verachtetesten Insekt ist ihr kein Glied gleichgültig; und es kann keins fehlen, ohne dass die Schönheit des Ganzen, welche in dem Zusammenhange bestehet, dadurch unterbrochen würde. Indessen wird alles durch allgemeine Gesetze bestimmet, welche die Natur, durch die Verbindung ihrer ursprünglich eingepflanzten Kräfte, bewirket. Weil sie in ihrem Verfahren lauter Wohlanständigkeit und Ordnung hervorbringt: so darf keine einzelne Absicht ihre Folgen storen und unterbrechen. Bei ihrer ersten Bildung war die Erzeugung eines Planeten nur eine unendlich kleine Folge ihrer Fruchtbarkeit; und nun wäre es etwas Ungereimtes, dass ihre so wohlgegründete Gesetze den besondern Zwecken dieses Atomus nachgeben sollten. Wenn die Beschaffenheit eines Himmelskörpers der Bevölkerung natürliche Hindernisse entgegen setzet: so wird er unbewohnt sein, obgleich es an und vor sich schöner wäre, dass er Einwohner hätte. Die Trefflichkeit der Schöpfung verlieret dadurch nichts: denn das Unendliche ist unter allen Grössen diejenige, welche, durch Entziehung eines endlichen Teiles, nicht vermindert wird. Es wäre, als wenn man klagen wollte, dass der Raum zwischen dem [[A 179>> Jupiter und dem Mars so unnötig leer stehet, und dass es Kometen gibt, welche nicht bevölkert sind. In der Tat, jenes Insekt mag uns so nichtswürdig scheinen, als es wolle, es ist der Natur gewiss an der Erhaltung ihrer ganzen1 Klasse mehr gelegen, als an einer kleinen Zahl vortrefflicherer Geschöpfe, deren es dennoch unendlich viel gibt, wenn ihnen2 gleich eine Gegend, oder Ort, beraubet sein sollte. Weil sie in Hervorbringung beider unerschöpflich ist, so sieht man ja, gleich unbekümmert, beide, in ihrer Erhaltung und Zerstörung, den allgemeinen Gesetzen überlassen. Hat wohl jemals der Besitzer jener bewohnten Wälder, auf dem Kopfe des Bettlers, grössere Verheerungen unter dem Geschlechte dieser Kolonie gemacht, als der Sohn Philipps in dem Geschlechte seiner Mitbürger anrichtete, als es ihm sein böser Genius in den Kopf gesetzet hatte, dass die Welt nur um seinetwillen hervorgebracht sei ?
Indessen sind doch die meisten unter den Planeten gewiss hewohnt, und die es nicht sind, werden es dereinst werden. Was vor Verhältnisse werden nun, unter den verschiedenen Arten dieser Einwohner, durch die Beziehung ihres Ortes in dem Weltgebäude zu dem Mittelpunkte, daraus sich die Wärme verbreitet, die alles belebt, verursachet werden ? Denn es ist gewiss, dass diese, unter den Materien dieser Himmelskörper, nach Proportion ihres Abstandes, gewisse Verhältnisse in ihren Bestimmungen mit sich führet. Der Mensch, welcher [[A 180>> unter allen vernünftigen Wesen dasjenige ist, welches wir am deutlichsten kennen, ob uns gleich seine innere Beschaffenheit annoch ein unerforschtes Problema ist, muss in dieser Vergleichung zum Grunde und zum allgemeinen Beziehungspunkte dienen. Wir wollen ihn allhier nicht nach seinen moralischen Eigenschaften, auch nicht nach der physischen Einrichtung seines Baues betrachten: wir wollen nur untersuchen, was das Vermögen, vernünftig zu denken, und die Bewegung seines Leibes, die diesem gehorchet, durch die dem Abstande von der Sonne proportionierte Beschaffenheit der Materie, an die er geknüpfet ist, vor Einschränkungen leide. Des unendlichen Abstandes ungeachtet, welcher zwischen der Kraft, zu denken, und der Bewegung der Materie, zwischen dem vernünftigen Geiste, und dem Körper, anzutreffen ist, so ist es doch gewiss, dass der Mensch, der alle seine Begriffe und Vorstellungen von dem Eindrucke1 her hat, die das U n i v e r s u m, vermittelst des Körpers, in seiner Seele erreget, sowohl in Ansehung der Deutlichkeit derselben, als auch der Fertigkeit, dieselbe zu verbinden und zu vergleichen, welche man das Vermögen zu denken nennet, von der Beschaffenheit dieser Materie völlig abhängt, an die der Schöpfer ihn gebunden hat.
Der Mensch ist erschaffen, die Eindrücke und Rührungen, die die Welt in ihm erregen soll, durch denjenigen Körper anzunehmen, der der sichtbare Teil seines Wesens ist, und dessen Materie nicht allein dem unsichtbaren Geiste, welcher ihn bewoh[[A 181>>net, dienet, die ersten Begriffe der äussern Gegenstände einzudrücken; sondern auch in der innern Handlung diese zu wiederholen, zu verbinden: kurz, zu denken, unentbehrlich ist.* Nach dem Masse, als sein Körper sich ausbildet, bekommen die Fähigkeiten seiner denkenden Natur auch die gehörigen Grade der Vollkommenheit, und erlangen allererst ein gesetztes und männliches Vermögen, wenn die Fasern seiner Werkzeuge die Festigkeit und Dauerhaftigkeit überkommen haben, welche die Vollendung ihrer Ausbildung ist. Diejenigen Fähigkeiten entwickeln sich bei ihm früh genug, durch welche er der Notdurft, die die Abhängigkeit von den äusserlichen Dingen ihm zuziehet, genug tun kann. Bei einigen Menschen bleibt es bei diesem Grade der Auswickelung. Das Vermögen, abgezogene Begriffe zu verbinden, und, durch eine freie Anwendung der Einsichten, über den Hang der Leidenschaften zu herrschen, findet sich spät ein, bei einigen niemals in ihrem ganzen Leben; bei allen aber ist es schwach: es dienet den unteren Kräften, über die es doch herrschen sollte, und in deren Regierung der Vorzug seiner [[A 182>> Natur bestehet. Wenn man das Leben der meisten Menschen ansiehet: so scheinet diese Kreatur geschaffen zu sein, um wie eine Pflanze Saft in sich zu ziehen und zu wachsen, sein Geschlecht fortzusetzen, endlich alt zu werden, und zu sterben. Er erreichet unter allen Geschöpfen am wenigsten den Zweck seines Daseins, weil er seine vorzügliche Fähigkeiten zu solchen Absichten verbrauchet, die die übrigen Kreaturen mit weit minderen, und doch weit sicherer und anständiger, erreichen. Er würde auch das verachtungswürdigste unter allen, zum wenigsten in den Augen der wahren Weisheit, sein, wenn die Hoffnung des Künftigen ihn nicht erhübe, und denen in ihm verschlossenen Kräften nicht die Periode einer völligen Auswickelung bevorstünde.
Wenn man die Ursache der Hindernisse untersuchet, welche die menschliche Natur in einer so tiefen Erniedrigung erhalten: so findet sie sich in der Grobheit der Materie, darin sein geistiger Teil versenket ist, in der Unbiegsamkeit der Fasern, und der Trägheit und Unbeweglichkeit der Säfte, welche dessen Regungen gehorchen sollen. Die Nerven und Flüssigkeiten seines Gehirnes liefern ihm nur grobe und undeutliche Begriffe, und weil er der Reizung der sinnlichen Empfindungen, in dem Inwendigen seines Denkungsvermögens, nicht genugsam kräftige Vorstellungen zum Gleichgewichte entgegen stellen kann: so wird er von seinen Leidenschaften hingerissen, von dem Getümmel der Elemente, die seine Maschine unterhalten, übertäubet und gestöret. Die Bemühungen der Vernunft, sich dagegen zu er[[A 183>>heben, und diese Verwirrung durch das Licht der Urteilskraft zu vertreiben, sind wie die Sonnenblicke, wenn dicke Wolken ihre Heiterkeit unablässig unterbrechen und verdunkeln.
Diese Grobheit des Stoffes und des Gewebes in dem Baue der menschlichen Natur ist die Ursache derjenigen Trägheit, welche die Fähigkeiten der Seele in einer beständigen Mattigkeit und Kraftlosigkeit erhält. Die Handlung des Nachdenkens, und der durch die Vernunft aufgeklärten Vorstellungen ist ein mühsamer Zustand, darein die Seele sich nicht ohne Widerstand setzen kann, und aus welchem sie, durch einen natürlichen Hang der körperlichen Maschine, alsbald in den leidenden Zustand zurückfällt, da die sämtlichen Reizungen1 alle ihre Handlungen bestimmen und regieren.
Diese Trägheit seiner Denkungskraft, welche eine Folge der Abhängigkeit von einer groben und ungelenksamen Materie ist, ist nicht allein die Quelle des Lasters, sondern auch des Irrtums. Durch die Schwierigkeit, welche mit der Bemühung verbunden ist, den Nebel der verwirrten Begriffe zu zerstreuen, und das durch verglichene Ideen entspringende allgemeine Erkenntnis von den sinnlichen Eindrücken abzusondern, abgehalten, gibt sie lieber einem übereilten Beifalle Platz, und beruhigt sich in dem Besitze einer Einsicht, welche ihr die Trĺgheit ihrer Natur und der Widerstand der Materie kaum von der Seite erblicken lasssen.
In dieser Abhängigkeit schwinden die geistigen Fähigkeiten zugleich mit der Lebhaftigkeit des Leibes: wenn das hohe Alter durch den geschwächten Um[[A 184>>lauf der Säfte nur dicke Säfte in dem Körper kochet, wenn die Beugsamkeit der Fasern, und die Behendigkeit in allen Bewegungen abnimmt, so erstarren die Kräfte des Geistes in einer gleichen Ermattung. Die Hurtigkeit der Gedanken, die Klarheit der Vorstellung, die Lebhaftigkeit des Witzes und das Erinnerungsvermögen werden kraftlos und erkalten. Die durch lange Erfahrung eingepfropften Begriffe ersetzen noch einigermassen den Abgang dieser Kräfte und der Verstand würde sein Unvermögen noch deutlicher verraten, wenn die Heftigkeit der Leidenschaften, die dessen Zügel nötig haben, nicht zugleich, und noch eher als er, abnehmen möchten.
Es erhellet demnach hieraus deutlich, dass die Kräfte der menschlichen Seele von den Hindernissen einer groben Materie, an die sie innigst verbunden werden, eingeschränket und gehemmet werden; aber es ist etwas noch Merkwürdigers, dass diese spezifische Beschaffenheit des Stoffes eine wesentliche Beziehung zu dem Grade des Hinflusses hat, womit die Sonne nach dem Masse ihres Abstandes sie belebet, und zu den Verrichtungen der animalischen Ökonomie tüchtig macht. Diese notwendige Beziehung zu dem Feuer, welches sich aus dem Mittelpunkte des Weltsystems verbreitet, um die Materie in der nötigen Regung zu erhalten, ist der Grund einer Analogie, die eben hieraus, zwischen den verschiedenen Bewohnern der Planeten, fest gesetzet wird: und eine jede Klasse derselben ist vermöge dieser Verhältnis an den Ort durch die Not[[A 185>>wendigkeit ihrer Natur gebunden, der ihr in dem U n i v e r s o angewiesen worden.
Die Einwohner der Erde und der Venus können ohne ihr beiderseitiges Verderben ihre Wohnplätze gegeneinander nicht vertauschen. Der erstere, dessen Bildungsstoff vor den Grad der Wärme seines Abstandes proportioniert, und daher vor einen noch grössern zu leicht und flüchtig ist, würde in einer erhitzteren Sphäre gewaltsame Bewegungen und eine Zerrüttung seiner Natur erleiden, die von der Zerstreuung und Austrocknung der Säfte und einer gewaltsamen Spannung seiner elastischen Fasern entstehen würde; der letztere, dessen gröberer Bau und Trägheit der Elemente seiner Bildung eiries groŕen Einflusses der Sonne bedarf, würde in einer kühleren Himmelsgegend erstarren und m einer Leblosigkeit verderben. Eben so müssen es weit leichtere und flüchtigere Materie1 sein, daraus der Körper des Jupiters-Bewohners bestehet, damit die geringe Regung, womit die Sonne in diesem Abstande würken kann, diese Maschinen eben so kräftig bewegen könne, als sie es in den unteren Gegenden verrichtet, und damit alles in einem allgemeinen Begriffe zusammenfasse.2 D e r S t o f f, w o r a u s d i e E i n w o h n e r v e r s c h i e d e n e r P l a n e t e n, j a s o g a r d i e T i e r e u n d G e w ä c h s e a u f d e n s e l b e n, g e b i l d e t s e i n, m u s s ü b e r h a u p t u m d e s t o l e i c h t e r e r u n d f e i n e r e r A r t, u n d d i e E l a s t i z i t ä t d e r F a s e r n, s a m t d e r v o r t e i l h a f t e n A n l a g e i h r e s B a u e s, u m d e s t o v o l l k o m m e n e r s e i n, n a c h d e m M a s s e a l s s i e w e i t e r v o n d e r S o n n e a b s t e h e n.
[[A 186>> Dieses Verhältnis ist so natürlich und wohl gegründet, dass nicht allein die Bewegungsgründe des Endzwecks darauf führen, welche in der Naturlehre gemeiniglich nur als schwache Gründe angesehen werden, sondern zugleich die Proportion3 der spezifischen Beschaffenheit der Materien, woraus die Planeten bestehen, welche sowohl durch die Rechnungen des N e w t o n, als auch durch die Gründe der Kosmogonie ausgemacht sind, dieselbe4 bestĺtigen, nach welchen5 der Stoff, woraus die Himmelskörper gebildet sind, bei den entfernetern allemal leichterer Art, als bei den nahen ist, welches notwendig an denen Geschöpfen, die sich auf ihnen erzeugen und unterhalten, ein gleiches Verhältnis nach sich ziehen muss.
Wir haben eine Vergleichung zwischen der Beschaffenheit der M a t e r i e, damit die vernünftigen Geschöpfe auf den Planeten wesentlich vereinigt sein, ausgemacht: und es lässt sich auch nach der Einleitung dieser Betrachtung leichtlich erachten, dass diese Verhältnisse eine Folge, auch in Ansehung ihrer g e i s t i g e n Fähigkeit, nach sich ziehen werde1. Wenn demnach diese geistige Fähigkeiten eine notwendige Abhängigkeit von dem Stoffe der Maschine haben, welche sie bewohnen: so werden wir mit mehr als wahrscheinlicher Vermutung schliessen können: d a s s d i e T r e f f l i c h k e i t d e r d e n k e n d e n N a t u r e n, d i e H u r t i g k e i t i n i h r e n V o r s t e l l u n g e n, d i e D e u t l i c h k e i t u n d L e b h a f t i g k e i t d e r B e g r i f f e, d i e s i e d u r c h ä u s s e r l i c h e n E i n d r u c k b e k o m m e n, s a m t d e m V e r m ö g e n, s i e z u s a m m e n z u s e t z e n, e n d l i c h a u c h [[A 187>> d i e B e h e n d i g k e i t i n d e r w i r k l i c h e n A u s ü b u n g, k u r z, d e r g a n z e U m f a n g i h r e r V o l l k o m m e n h e i t u n t e r e i n e r g e w i s s e n R e g e l s t e h e n, n a c h w e l c h e r d i e s e l b e n, n a c h d e m V e r h ä l t n i s d e s A b s t a n d e s i h r e r W o h n p l ä t z e v o n d e r S o n n e, i m m e r t r e f f l i c h e r u n d v o l l k o m m e n e r w e r d e n.
Da dieses Verhältnis einen Grad der Glaubwürdigkeit hat, der nicht weit von einer ausgemachten Gewissheit entfernet ist, so finden wir ein offnes Feld zu angenehmen Mutmassungen, die aus der Vergleichung der Eigenschaften dieser verschiedenen Bewohner entspringen. Die menschliche Natur, welche in der Leiter der Wesen gleichsam die mittelste Sprosse inne hat, siehet sich zwischen den zwei äussersten Grenzen der Vollkommenheit mitten inne, von deren beiden Enden sie gleich weit entfernet ist. Wenn die Vorstellung der erhabensten Klassen vernünftiger Kreaturen, die den Jupiter oder den Saturn bewohnen, ihre Eifersucht reizet, und sie durch die Erkenntnis ihrer eigenen Niedrigkeit demütiget: so kann der Anblick der niedrigen Stufen sie wiederum zufrieden sprechen und beruhigen, die in den Planeten Venus und Merkur weit unter der Vollkommenheit der menschlichen Natur erniedrigt sein. Welch ein verwunderungswürdiger Anblick ! Von der einen Seite sahen wir denkende Geschöpfe, bei denen ein Grönländer oder Hottentotte ein Newton sein würde; und auf der andern Seite andere, die diesen als einen Affen bewundern.
[[A 188>> Da jüngst die obern Weisen1 sahn,
Was unlängst recht verwunderlich
Ein Sterblicher bei uns getan,
Und wie er der Natur Gesetz entfaltet: wunderten sie sich,
Dass durch ein irdisches Geschöpf dergleichen möglich zu geschehn,
U n d s a h e n u n s e r n N e w t o n a n, s o w i e w i r e i n e n A f f e n s e h n.
P o p e.
Zu welch einem Fortgange in der Erkenntnis wird die Einsicht jener glückseligen Wesen der obersten Himmelssphären nicht gelangen ! Welche schöne Folgen wird diese Erleuchtung der Einsichten nicht in ihre sittliche Beschaffenheit haben ! Die Einsichten des Verstandes, wenn sie die gehörigen Grade der Vollständigkeit und Deutlichkeit besitzen, haben weit lebhaftere Reizungen als die sinnlichen Anlockungen an sich, und sind vermögend, diese siegreich zu beherrschen, und unter den Fuss zu treten. Wie herrlich wird sich die Gottheit selbst, die sich in allen Geschöpfe2 malet, in diesen denkenden Naturen nicht malen, welche als ein von den Stürmen der Leidenschaften unbewegtes Meer ihr Bild ruhig aufnehmen, und zurückstrahlen ! Wir wollen diese Mutmassungen nicht über die einer physischen Abhandlung vorgezeichnete Grenzen erstrecken, wir bemerken nur nochmals die oben angeführte Analogie: d a s s d i e V o l l k o m m e n h e i t d e r G e i s t e r w e l t s o w o h l, a l s d e r m a t e r i a l i s c h e n i n d e n P l a n e t e n, v o n d e m M e r k u r a n b i s z u m S a t u r n, o d e r v i e l l e i c h t n o c h ü b e r i h m [[A 189>> (w o f e r n e n o c h a n d e r e P l a n e t e n s e i n ), i n e i n e r r i c h t i g e n G r a d e n f o l g e, n a c h d e r P r o p o r t i o n i h r e r E n t f e r n u n g e n v o n d e r S o n n e, w a c h s e u n d f o r t s c h r e i t e.
Indessen, dass dieses aus den Folgen der physischen Beziehung ihrer Wohnplätze zu dem Mittelpunkte der Welt zum Teil natürlich herfliesset, zum Teil geziemend veranlasset wird: so bestätigt anderer Seits der wirkliche Anblick der vortrefflichsten und sich vor die vorzügliche Vollkommenheit dieser Naturen in den obern Gegenden anschickende Anstalten diese Regel so deutlich, dass sie beinahe einen Anspruch auf eine völlige Überzeugung machen sollte. Die Hurtigkeit der Handlungen, die mit den Vorzügen einer erhabenen Natur verbunden ist, schicket sich besser zu den schnell abwechselnden Zeitperioden jener Sphären, als die Langsamkeit träger und unvollkommener Geschöpfe.
Die Sehröhre lehren uns, dass die Abwechselung des Tages und der Nacht im Jupiter in 10 Stunden geschehe. Was würde der Bewohner der Erde, wenn er in diesen Planeten gesetzt würde, bei dieser Einteilung wohl anfangen ? Die 10 Stunden würden kaum zu derjenigen Ruhe zureichen, die diese grobe Maschine zu ihrer Erholung durch den Schlaf gebrauchet. Was würden die Vorbereitung zu den Verrichtungen des Wachens, das Kleiden, die Zeit die zum Essen angewandt wird, nicht vor einen Anteil an der folgenden Zeit abfordern, und wie würde eine Kreatur, deren Handlungen mit solcher Langsamkeit geschehen, nicht zerstreuet, und zu etwas Tüchtigen [[A 190>> unvermögend gemacht werden, deren 5 Stunden Geschäfte plötzlich durch die Dazwischenkunft einer eben so langen Finsternis unterbrochen würden ? Dagegen wenn Jupiter von vollkommneren Kreaturen bewohnet ist, die mit einer feinern Bildung mehr elastische Kräfte, und eine grössere Behendigkeit in der Ausübung verbinden: so kann man glauben, dass diese 5 Stunden ihnen eben dasselbe und mehr sind, als was die 12 Stunden des Tages vor die niedrige Klasse der Menschen betragen. Wir wissen, dass das Bedürfnis der Zeit etwas Relatives ist, welches nicht anders, als aus der Grösse desjenigen, was verrichtet werden soll, mit der Geschwindigkeit der Ausübung verglichen, kann erkannt und verstanden werden. Daher eben dieselbe Zeit, die vor eine Art der Geschöpfe gleichsam nur ein Augenblick ist, vor eine andere eine lange Periode sein kann, in der sich eine grosse Folge der Veränderungen durch eine schnelle Wirksamkeit auswickelt. Saturn hat nach der wahrscheinlichen Berechnung seiner Umwälzung, die wir oben dargelegt haben, eine noch weit kürzere Abteilung des Tages und der Nacht, und lässet daher an der Natur seiner Bewohner noch vorzüglichere Fähigkeiten vermuten.
Endlich stimmet alles überein, das angeführte Gesetz zu bestätigen. Die Natur hat ihren Vorrat augenscheinlich auf der entlegenen Seite der Welt am reichlichsten ausgebreitet. Die Monde, die den geschäftigen Wesen dieser glückseligen Gegenden, durch eine hinlängliche Ersetzung die Entziehung des Tageslichts vergüten, sind in grössester [[A 191>> Menge daselbst angebracht, und die Natur scheinet sorgfältig gewesen zu sein, ihrer Wirksamkeit alle Beihülfe zu leisten, damit ihnen fast keine Zeit hinderlich sei, solche anzuwenden. Jupiter hat in Ansehung der Monde einen augenscheinlichen Vorzug vor allen unteren Planeten, und Saturn wiederum vor ihm, dessen Anstalten an dem schönen und nützlichen Ringe, der ihn umgibt, noch grössere Vorzüge von seiner Beschaffenheit wahrscheinlich machen; dahingegen die untern Planeten, bei denen dieser Vorrat unnützlich würde verschwendet sein, deren Klasse weit näher an die Unvernunft grenzet, solcher Vorteile entweder gar nicht, oder doch sehr wenig teilhaftig geworden sind.
Man kann aber (damit ich einem Einwurfe zuvor komme, der alle diese angeführte Übereinstimmung vereiteln könnte) den grösseren Abstand von der Sonne, dieser Quelle des Lichts und des Lebens, nicht als ein Übel ansehen, wogegen die Weitläuftigkeit solcher Anstalten bei den entfernetern Planeten nur vorgekehrt werden, um1 ihm einigermassen abzuhelfen, und dass2 in der Tat die obern Planeten eine weniger vorteilhafte Lage im Weltgebäude und eine Stellung hätten, die der Vollkommenheit ihrer Anstalten nachteilig wäre, weil sie von der Sonne einen schwächern Einfluss erhalten. Denn wir wissen, dass die Wirkung des Lichts und der Wärme nicht durch deren absolute Intensität, sondern durch die Fähigkeit der Materie, womit sie solche annimmt, und ihrem Antriebe weniger oder mehr widerstehet, bestimmt werde, [[A 192>> und dass daher eben derselbe Abstand, der vor eine Art grober Materie ein gemässigtes Klima kann genannt werden, subtilere Flüssigkeiten zerstreuen, und vor sie von schädlicher Heftigkeit sein würde; mithin nur ein feinerer und aus beweglichern Elementen bestehender Stoff dazu gehöret, um die Entfernungen des Jupiters oder Saturns von der Sonne beiden zu einer glücklichen Stellung zu machen.
Endlich scheinet noch die Trefflichkeit der Naturen in diesen oberen Himmelsgegenden durch einen physischen Zusammenhang mit einer Dauerhaftigkeit, deren sie würdig ist, verbunden zu sein. Das Verderben und der Tod können diesen trefflichen Geschöpfen nicht so viel, als uns niedrigen Naturen anhaben. Eben dieselbe Trägheit der Materie und Grobheit des Stoffes, die bei den unteren Stufen das spezifische Principium ihrer Erniedrigung ist, ist auch die Ursache desjenigen Hanges, den sie zum Verderben haben. Wenn die Säfte, die das Tier oder den Menschen nähren und wachsen machen, indem sie sich zwischen seine Fäserchen einverleiben und an seine Masse ansetzen, nicht mehr zugleich dessen Gefässe und Kanäle in der Raumesausdehnung vergrössern können, wenn das Wachstum schon vollendet ist: so müssen diese sich ansetzende Nahrungssäfte durch eben den mechanischen Trieb, der das Tier zu nähren angewandt wird, die Höhle seiner Gefässe verengen und verstopfen, und den Bau der ganzen Maschine, in einer nach und nach zunehmenden Erstarrung, zu Grunde richten. Es ist zu glauben, dass, obgleich die Vergänglichkeit auch an den vollkommensten Naturen naget, [[A 193>> dennoch der Vorzug in der Feinigkeit des Stoffes, in der Elastizität der Gefässe, und der Leichtigkeit und Wirksamkeit der Säfte, woraus jene vollkommnere Wesen, welche in den entferneten Planeten wohnen, gebildet sein, diese Hinfälligkeit, welche eine Folge aus der Trägheit einer groben Materie ist, weit länger aufhalten, und diesen Kreaturen eine Dauer, deren Länge ihrer Vollkommenheit proportioniert ist, verschaffen werde, so wie die Hinfälligkeit des Lebens der Menschen ein richtiges Verhältnis zu ihrer Nichtswürdigkeit hat.
Ich kann diese Betrachtung nicht verlassen, ohne einem Zweifel zuvor zu kommen, welcher natürlicher Weise aus der Vergleichung dieser Meinungen mit unseren vorigen Sätzen entspringen könnte. Wir haben in den Anstalten des Weltbaues an der Menge der Trabanten, welche die Planeten der entferntsten Kreise erleuchten, an der Schnelligkeit der Achsendrehungen, und dem gegen die Sonnenwirkung proportionierten Stoffe ihres Zusammensatzes die Weisheit Gottes erkannt, welche alles dem Vorteile der vernünftigen Wesen, die sie bewohnen, so zuträglich angeordnet hat. Aber wie wollte man anjetzt mit der Lehrverfassung der Absichten einen mechanischen Lehrbegriff zusammen reimen, so dass, was die höchste Weisheit selbst entwarf, der rohen Materie, und das Regiment der Vorsehung der sich selbst überlassenen Natur zur Ausführung aufgetragen worden ? Ist das erstere nicht vielmehr ein Geständnis, dass die Anordnung des Weltbaues nicht durch die allgemeinen Gesetze der letzteren entwickelt worden ?
[[A 194>> Man wird diese Zweifel bald zerstreuen, wenn man auf dasjenige nur zurück denkt, was in gleicher Absicht in dem vorigen angeführet worden. Muss nicht die Mechanik aller natürlichen Bewegungen einen wesentlichen Hang zu lauter solchen Folgen haben, die mit dem Projekt der höchsten Vernunft in dem ganzen Umfange der Verbindungen wohl zusammenstimmet1? Wie kann sie abirrende Bestrebungen, und eine ungebundene Zerstreuung in ihren Beginnen haben, da alle ihre Eigenschaften, aus welchen sich diese Folgen entwickeln, selbst ihre Bestimmung aus der ewigen Idee des göttlichen Verstandes haben, in welchem sich alles notwendig auf einander beziehen, und zusammenschicken muss ? Wenn man sich recht besinnet, wie kann man die Art zu urteilen rechtfertigen, dass man die Natur als ein widerwärtiges Subjekt ansiehet, welches nur durch eine Art von Zwange, der ihrem freien Betragen Schranken setzt, in dem Gleise der Ordnung und der gemeinschaftlichen Harmonie kann erhalten werden, woferne man nicht etwa davor hält, dass sie ein sich selbst genugsames Principium sei, dessen Eigenschaften keine Ursache erkennen, und welche Gott, so gut als es sich tun lässt, in den Plan seiner Absichten zu zwingen trachtet ? Je näher man die Natur wird kennen lernen, desto mehr wird man einsehen, dass die allgemeinen Beschaffenheiten der Dinge einander nicht fremd und getrennt sein. Man wird hinlänglich überführet werden, dass sie wesentliche Verwandtschaften haben, durch die sie sich von selber anschicken, einander in Errichtung vollkomme[[A 195>>ner Verfassungen zu unterstützen, die Wechselwirkung der Elemente zur Schönheit der materialischen und doch auch zugleich zu den Vorteilen der Geisterwelt, und dass überhaupt die einzelen Naturen der Dinge in dem Felde der ewigen Wahrh eiten schon untereinander, so zu sagen, ein System ausmachen, in welchem eine auf die andere beziehend ist; man wird auch alsbald inne werden, dass die Verwandtschaft ihnen von der Gemeinschaft des Ursprungs eigen ist, aus dem sie insgesamt ihre wesentlichen Bestimmungen geschöpft haben.
Und um daher diese wiederholte Betrachtung zu dem vorhabenden Zwecke anzuwenden: Eben dieselbe allgemeine Bewegungsgesetze, die den obersten Planeten einen entfernten Platz von dem Mittelpunkte der Anziehung und der Trägheit in dem Weltsystem angewiesen haben, haben sie dadurch zugleich in die vorteilhafteste Verfassung gesetzt, ihre Bildungen am weitesten von dem Beziehungspunkte der groben Materie, und zwar mit grösserer Freiheit anzustellen; sie haben sie aber auch zugleich in eine regelmässige Verhältnis zu dem Einflusse der Wärme versetzt, welche sich, nach gleichem Gesetze, aus eben dem Mittelpunkte ausbreitet. Da nun eben diese Bestimmungen es sind, welche die Bildung der Weltkörper in diesen entferneten Gegenden ungehinderter, die Erzeugung der davon abhängenden Bewegungen schneller und, kurz zu sagen, das System wohlanständiger gemacht haben, da endlich die geistigen Wesen eine notwendige Abhängigkeit von der Materie haben, an die sie persönlich verbunden sind: so ist kein Wunder, dass [[A 196>> die Vollkommenheit der Natur von beiderlei Orten1 in einem einzigen Zusammenhange der Ursachen, und aus gleichen Gründen bewirket,worden. Diese Übereinstimmung ist also bei genauer Erwägung nichts Plötzliches oder Unerwartetes, und weil die letzteren Wesen durch ein gleiches Principium in die allgemeine Verfassung der materialischen Natur eingeflochten worden: so wird die Geisterwelt aus eben den Ursachen in den entferneten Sphären vollkommener sein, weswegen es die körperliche ist.
So hänget denn alles in dem ganzen Umfange der Natur in einer ununterbrochenen Gradfolge zusammen, durch die ewige Harmonie, die alle Glieder auf einander beziehend macht. Die Vollkommenheiten Gottes haben sich in unsern Stufen deutlich offenbaret, und sind nicht weniger herrlich in den niedrigsten Klassen, als in den erhabnern.
Welch eine Kette, die von Gott den Anfang nimmt, was vor Naturen
Von himmlischen und irdischen, von Engeln, Menschen bis zum Vieh,
Vom Seraphim bis zum Gewürm. O Weite, die das Auge nie
Erreichen und betrachten kann!
Von dem Unendlichen zu dir, von dir zum Nichts!
P o p e.
Wir haben die bisherige Mutmassungen treulich an dem Leitfaden der physischen Verhältnisse fortgeführet, welcher sie auf dem Pfade einer vernünftigen Glaubwürdigkeit erhalten hat. Wollen wir uns noch eine Ausschweifung aus diesem [[A 197>> Gleise in das Feld der Phantasie erlauben ? Wer zeiget uns die Grenze, wo die gegründete Wahrscheinlichkeit aufhöret, und die willkürlichen Erdichtungen anheben ? Wer ist so kühn, eine Beantwortung der Frage zu wagen: ob die Sünde ihre Herrschaft auch in den andern Kugeln des Weltbaues ausübe, oder ob die Tugend allein ihr Regiment daselbst aufgeschlagen?
Die Sterne sind vielleicht ein Sitz verklärter Geister,
Wie hier das Laster herrscht, ist dort die Tugend Meister.
- H a l l e r.
Gehört nicht ein gewisser Mittelstand zwischen der Weisheit und Unvernunft zu der unglücklichen Fähigkeit, sündigen zu können ? Wer weiss, sind also die Bewohner jener entferneten Weltkörper nicht zu erhaben und zu weise, um sich bis zu der Torheit, die in der Sünde steckt, herabzulassen, diejenigen aber, die in den unteren Planeten wohnen, zu fest an die Materie geheftet und mit gar zu geringen Fähigkeiten des Geistes versehen, um die Verantwortung ihrer Handlungen vor dem Richterstuhle der Gerechtigkeit tragen zu dörfen ? Auf diese Weise wäre die Erde, und vielleicht noch der Mars (damit der elende Trost uns ja nicht genommen werde, Gefährten des Unglücks zu haben), allein in der gefährlichen Mittelstrasse, wo die Versuchung der sinnlichen Reizungen gegen die Oberherrschaft des Geistes ein starkes Vermögen zur Verleitung haben, dieser aber dennoch diejenige Fähigkeit nicht verleugnen kann, wodurch er [[A 198>> im Stande ist, ihnen Widerstand zu leisten, wenn es seiner Trägheit nicht vielmehr gefiele, sich durch dieselbe hinreissen zu lassen, wo also der gefährliche Zwischenpunkt zwischen der Schwachheit und dem Vermögen ist, da eben dieselbe Vorzüge, die ihn über die niederen Klassen erheben, ihn auf eine Höhe stellen, von welcher er wiederum unendlich tiefer unter diese herabsinken kann. In der Tat sind die beiden Planeten, die Erde und der Mars, die mittelsten Glieder des planetischen Systems, und es lässt sich von ihren Bewohnern vielleicht nicht mit Unwahrscheinlichkeit ein mittlerer Stand der physischen sowohl, als moralischen Beschaffenheit zwischen den zwei Endpunkten vermuten; allein ich will diese Betrachtung lieber denenjenigen überlassen, die mehr Beruhigung bei einem unerweislichen Erkenntnisse, und mehr Neigung, dessen Verantwortung zu übernehmen, bei sich finden.
BESCHLUSS
Es ist uns nicht einmal recht bekannt, was der Mensch anjetzo wirklich ist, ob uns gleich das Bewusstsein und die Sinne hievon belehren sollten; wie vielweniger werden wir erraten können, was er dereinst werden soll. Dennoch schnappet die Wissbegierde der menschlichen Seele sehr begierig nach diesem von ihr so entfernten Gegenstande, und strebet, in solchem dunkeln Erkenntnisse, einiges Licht zu bekommen.
Sollte die unsterbliche Seele wohl in der ganzen Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die das [[A 199>> Grab selber nicht unterbricht, sondern nur verändert, an diesen Punkt des Weltraumes, an unsere Erde jederzeit geheftet bleiben ? Sollte sie niemals von den übrigen Wundern der Schöpfung eines näheren Anschauens teilhaftig werden ? Wer weiss, ist es ihr nicht zugedacht, dass sie dereinst jene entfernte Kugeln des Weltgebäudes, und die Trefflichkeit ihrer Anstalten, die schon von weitem ihre Neugierde so reizen, von nahem soll kennen lernen ? Vielleicht bilden sich darum noch einige Kugeln des Planetensystems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit, die unserem Aufenthalte allhier vorgeschrieben ist, uns in andern Himmeln neue Wohnplätze zu bereiten. Wer weiss, laufen nicht jene Trabanten um den Jupiter, um uns dereinst zu leuchten ?
Es ist erlaubt, es ist anständig, sich mit dergleichen Vorstellungen zu belustigen; allein niemand wird die Hoffnung des Künftigen auf so unsichern Bildern der Einbildungskraft gründen. Nachdem die Eitelkeit ihren Anteil an der menschlichen Natur wird abgefordert haben: so wird der unsterbliche Geist, mit einem schnellen Schwunge, sich über alles, was endlich ist, empor schwingen, und in einem neuen Verhältnisse gegen die ganze Natur, welche aus einer näheren Verbindung mit dem höchsten Wesen entspringet, sein Dasein fortsetzen. Forthin wird diese erhöhete Natur, welche die Quelle der Glückseligkeit in sich selber hat, sich nicht mehr unter den äusseren Gegenständen zerstreuen, um eine Beruhigung bei ihnen zu suchen. Der gesamte Inbegriff der Geschöpfe, welcher eine notwendige Übereinstimmung zum Wohlgefallen des höchsten [[A 200>> Urwesens hat, muss auch sie auch zu dem seinigen haben, und wird sie nicht anders, als mit immerwährender Zufriedenheit, rühren.
In der Tat, wenn man mit solchen Betrachtungen, und mit den vorhergehenden, sein Gemüt erfüllet hat: so gibt der Anblick eines bestirnten Himmels, bei einer heitern Nacht, eine Art des Vergnügens, welches nur edle Seelen empfinden. Bei der allgemeinen Stille der Natur und der Ruhe der Sinne redet das verborgene Erkenntnisvermögen des unsterblichen Geistes eine unnennbare Sprache, und gibt unausgewickelte Begriffe, die sich wohl empfinden, aber nicht beschreiben lassen. Wenn es unter den denkenden Geschöpfen dieses Planeten niederträchtige Wesen gibt, die, ungeachtet aller Reizungen, womit ein so grosser Gegenstand sie anlocken kann, dennoch im Stande sind, sich fest an die Dienstbarkeit der Eitelkeit zu heften: wie unglücklich ist diese Kugel, dass sie so elende Geschöpfe hat erziehen können ? Wie glücklich aber ist sie anderer Seits, da ihr unter den allerannehmungswürdigsten Bedingungen ein Weg eröffnet ist, zu einer Glückseligkeit und Hoheit zu gelangen, welche unendlich weit über die Vorzüge erhaben ist, die die allervorteilhafteste Einrichtung der Natur in allen Weltkörpern erreichen kann.
ENDE
A N H A N G
S C H L U S S A N M E R K U N G E N A U S G E N S I C H E N S
A U S Z U G A U S K A N T S N A T U R G E S C H I C H T E
U N D T H E O R I E D E S H I M M E L S
Ich habe nun zum Schluss noch folgendes anzumerken:
- Herr Prof. Kant hatte seine Vorstellung der Milchstrasse, als eines unserm Planetensystem ähnlichen Systems bewegter Sonnen schon seit 6 Jahren geliefert, als L a m b e r t in seinen k o s m o l o g i s c h e n B r i e f e n ü b e r d i e E i n r i c h t u n g d e s W e l t b a u e s, die erst im Jahr 1761 herauskamen, eine ähnliche Idee bekannt machte. Es gebührt also dem ersten das Recht des ersten Besitznehmers einer Sache, die noch niemanden angehörte. Überdem scheint auch die Lambertische Vorstellung sich sehr, und, wie mich dünkt, zum Vorteil der letzteren zu unterscheiden, indem Lambert die Milchstrasse in unzäh[[A 202>>lige kleinere Teile teilte, und annahm, dass unser Planetensystem in einem solcher Teile, zu dem auch alle Sterne ausser der Milchstrasse gehören sollten, befindlich sei (S. 128, 137, 151, 158).
- L a m b e r t scheint ungewiss gewesen zu sein, wofür er die Nebelsterne halten sollte. Denn, ob man gleich aus einigen Stellen in seinen Briefen schliessen möchte, er habe sie für entfernte Milchstrassen angesehen (S. 129 147): so lässt sich doch wieder aus andern Stellen vermuten, dass er sie, wenigstens den Lichtschimmer im Orion, für das Licht angesehen habe, das seine von benachbarten Sonnen erleuchteten dunkeln Zentralkörper bis zu uns reflektierten (S. 254, 285, 302 n. 9, 310 n. 12). Gewiss scheint zu sein, dass L a m b e r t das Dasein mehrerer Milchstrassen vermutet (S. 129, 147, 158, 305), aber es scheint nicht, dass er die Nebelsterne für dergleichen entfernte Milchstrassen ansieht. Man kann also diese Vorstellung nicht eigentlich e i n e n v o n L a m b e r t g e w a g t e n G e d a n k e n nennen, wie E r x l e b e n in seiner Naturlehre 1772 S. 540 sagt, und wie es in den neuern durch H. Hofr. L i c h t e n b e r g vermehrten Ausgaben stehen geblieben ist; und da dieser Gedanke von K a n t schon im Jahr 1755 und zwar ganz bestimmt vorgetragen worden ist, so wird, auf welcher Seite die Priorität dieser Vorstellungsart sei, ferner nicht gezweifelt werden können.
[[A 203>> 3. Da sich die von Kant vor mehr als 30 Jahren berechnete Zeit der Achsendrehung des Saturns durch die Folgerungen, die Bugge aus der beobachteten Abplattung des Saturns in Ansehung dieser Achsendrehung zieht, imgleichen die Zeit, in welcher die Teile des innern Randes seines Ringes umlaufen, duich Herschels Beobachtungen, jetzt so schön zu bestätigen scheint: so erhält dadurch die K a n t i s c h e Theorie, von der Erzeugung des Ringes und der Erhaltung desselben nach blossen Gesetzen der Zentralkräfte, einen sehr grossen Grad der Glaubwürdigkeit.
- Die höchst wahrscheinliche Richtigkeit der Theorie der Erzeugung dieses Ringes aus dunstförmigem Stoffe, der sich nach Zentralgesetzen bewegte, wirft zugleich ein sehr vorteilhaftes Licht auf die Theorie von der Entstehung der grossen Weltkörper selbst, nach eben denselben Gesetzen, nur dass ihre Wurfskraft durch den von der allgemeinen Schwere verursachten Fall des zerstreuten Grundstoffs, nicht durch die Achsendrehung des Zentralkörpers, erzeugt worden; vornehmlich, wenn man (ich bediene mich hier eigener Worte des H. Prof. Kant) die durch H. Hofr. L i c h t e n b e r g s wichtigen Beifall gewürdigte spätere, als Supplement zur Theorie des Himmels hinzugekommene Meinung damit verbindet: dass nämlich jener dunstförmig im Weltraum verbrei[[A 204>>tete Urstoff, der alle Materien von unendlich verschiedener Art i m e l a s t i s c h e n Z u s t a n d e in sich enthielt, indem er die Weltkörper bildete, es nur dadurch tat, dass die Materien, welche von chemischer Affinität waren, wenn sie in ihrem Falle nach Gravitationsgesetzen auf einander trafen, wechselseitig ihre Elastizität vernichteten, dadurch aber dichte Massen, und in diesen diejenige Hitze hervorbrachten, welche in den grössten Weltkörpern (den Sonnen) äusserlich mit der leuchtenden Eigenschaft, an den kleinern aber (den Planeten) mit inwendiger Wärme verbunden ist.
P R I N C I P I O R U M
P R I M O R U M C O G N I T I O N I S M E T A P H Y S I C A E
N O V A D I L U C I D A T I O
T I T E L D E R O R I G I N A L A U S G A B E
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PRINCIPIORUM PRIMORUM COGNITIONIS METAPHYSICAE
NOVA DILUCIDATIO,
QUAM CONSENSU
AMPLISSIMAE FACULTATIS PHILOSOPHICAE
DISSERTATIONE PUBLICA
IN AUDITORIO PHIL. DIE 27. SEPTEMBR. HORIS VIII – XII
HABENDA PRO RECEPTIONE IN EANDEM
DEFENDET
- IMMANUEL KANT, REGIOM.
RESPONDENTE
CHRISTOPHORO ABRAHAMO BORCHARD, HEILIGENB. BOR.
- S. THEOL. CULTORE,
OPPONENTIBUS
IOHANNE GODOFREDO MÖLLER, REGIOM.
- S. THEOL. STUD.,
FRIDERICO HENRICO SAMUELE LYSIO, REGIOM.
- U. C.
ET
IOHANNE REINHOLDO GRUBE, REGIOM.
- C.
ANNO MDCCLV1.
PERILLUSTRI, GENEROSISSIMO
ATQUE EXCELLENTISSIMO DOMINO,
DOMINO
IOHANNI DE LEHWALD,
AUGUSTI BORUSSORUM REGIS
SUMMO CASTRORUM PRAEFECTO,
FORTALITIORUM PILLAVIAE RT MEMELAE
GUBERNATORI GRAVISSIMO,
ORDINIS ILLUSTRIS AQUILAE NIGRAE
EQUITI LONGE MERITISSIMO,
LEGIONIS PEDESTRIS TRIBUNO VIGILANTISSIMO,
HEROI INCOMPARABILI,
DOMINO SUO AC MAECENATI CLEMENTISSIMO,
PAGELLAS HAS IN GRATI AC OBSTRICTI ANIMI
TESSERAM
PRO CLEMENTIA
MULTIS SPECIMINIBUS EXHIBITA
DEVOTO AC SUBMISSO MENTIS AFFECTU
OFFERT CLIENS HUMILLIMUS
CHRISTOPH ABRAHAM BORCHARD.
RATIO INSTITUTI
Primis cognitionis nostrae principiis lucem, ut spero, aliquam allaturus, cum, quae super hac re meditatus fuerim, paucissimis quibus fieri potest pagellis exponere stet sententia, prolixis studiose supersedeo ambagibus, nonnisi nervos ac artus argumentorum exserens, lepore omni ac venustate sermonis velut veste detracta. In quo negotio sicubi a clarorum virorum sententia discedere eosque interdum etiam nominatim notare mearum partium duxero, ita mihi de aequa illorum iudicandi ratione bene persuasum est, ut honori, qui meritis eorum debetur, hoc nihil admodum detrahere, ab ipsisque neutiquam in malam partem accipi posse confidam. Quandoquidem in sententiarum divortio suo cuique sensu abundare licet, aliorumque etiam argumenta, dummodo acerbitas absit et litigandi pruritus, modesto examine perstringere vetitum non est, neque hoc officiis et urbanitatis et observantiae adversum iudicari ab aequis rerum arbitris, uspiam animadverto.
Primo itaque quae de principii contradictionis supremo et indubitato supra omnes veritates principatu confidentius vulgo quam verius perhibentur, ad trutinam curatioris indaginis exigere, deinde quid in hoc capite rectius sit statuendum, brevibus exponere conabor. Tum de lege rationis sufficientis, quaecunque ad emendatiorem eiusdem et sensum et demonstrationem pertinent, una cum iis, quae ipsam infestare videntur, difficultatibus allegabo et allegatis, quantum per ingenii mediocritatem licet, argumentorum robore occurram. Postremo pedem aliquanto ulterius promoturus, duo nova statuam non contemnendi, ut mihi quidem videtur, momenti cognitionis metaphysicae principia, non primitiva illa quidem et simplicissima, verum ideo usibus etiam accommodatiora, et, si quicquam aliud, latissime sane patentia. In quo quidem conatu cum haud calcatum tramitem ingredienti admodum proclive sit errore quodam labi, omnia aequa iudicandi ratione in meliorem partem accepturum lectorem benevolum, mihi persuadeo.
SECTIO I.
DE PRINCIPIO CONTRADICTIONIS
MONITUM
Cum in praesentibus brevitati potissimum mihi studendum sit, satius duco, quas pervulgata cognitione stabilitas et rectae rationi consonas habemus definitiones et axiomata. huc non denuo transscribere, neque eorum morem imitandc consectari, qui nescio qua methodi lege serviliter adstricti, nisi ab ovo usque ad mala omnia, quaecunque in scriniis philosophorum inveniunt, percensuerint, non sibi videntur via ac ratione processisse. Quod ne mihi consulto facienti vitio vertatur, lectorem antea monere aequum iudicavi.
PROP. I.
Veritatum omnium non datur principium UNICUM absolute primum, catholicon.
Principium primum et vere unicum propositio simplex sit necesse est; alias plures tacite complexa propositiones unici principii speciem tantummodo mentiretur. Si itaque est propositio vere simplex, necesse est, ut sit vel affirmativa vel negativa. Contendo autem, si sit alterutrum, non posse esse universale, omnes omnino veritates sub se complectens; nempe si dicas esse a f f i r m a t i v u m, non posse esse veritatum negantium principium absolute primum si n e g a t i v u m, non posse inter positivas agmen ducere.
Pone enim esse propositionem negativam; quia omnium veritatum e principiis suis consequentia est vel directa vel indirecta, primo d i r e c t a concludendi ratione e principio negativo non nisi negativa consectaria deduci posse quis est, qui non videat ? deinde si i n d i r e c t e propositiones affirmativas inde Ruere postules, hoc non nisi mediante propositione: c u i u s c u n q u e o p p o s i t u m e s t f a l s u m i l l u d e s t v e r u m, fieri posse confiteberis. Quae propositio, cum ipsa sit affirmativa, directa argumentandi ratione e principio negativo fluere non poterit, multo vero minus indirecte, quia sui ipsius suffragio egeret; hinc nulla prorsus ratione e principio negative enuntiato pendebit. Ideoque cum affirmantibus propositionibus e solo negativo principio et unico proficisci liberum non sit, hoc c a t h o l i c o n nominari non poterit. Similiter si principium tuum cardinale statuas propositionem affirmativam, negativae certe illinc directe non pendebunt; indirecte autem opus erit propositione: s i o p p o s i t u m a l i c u i u s e s t v e r u m, i p s u m e s t f a l s u m; hoc est: si oppositum alicuius affirmatur, ipsum negatur; quae cum sit propositio negativa, iterum nullo modo, nec directe, quod per se patet, nec indirecte, nisi per sui ipsius petitionem, e principio affirmativo deduci poterit. Utcunque igitur tecum statueris, non detrectabis quam in fronte propositionis postulavi propositionem: omnium omnino veritatum dari non posse principium unicum, ultimum, catholicon.
PROP. II.
Veritatum omnium bina sunt principia absolute prima, alterum veritatum affirmantium, nempe propositio: q u i c q u i d e s t, e s t, alterum veritatum negantium, nempe propositio: q u i c q u i d n o n e s t, n o n e s t. Quae amba simul vocantur communiter principium identitatis.
Iterum provoco ad bina veritates demonstrandi genera, directum nempe et indirectum. Prior concludendi ratio ex convenientia notionum subiecti et praedieati veritatem colligit, et semper hanc regulam fundamenti loco substernit: quandocunque subiectum, vel in se vel in nexu spectatum, ea ponit, quae notionem praedicati involvunt, vel ea excludit, quae per notionem praedicati excluduntur, hoc illi competere statuendum est; et idem paulo explicatius: quandocunque identitas subiecti inter ac praedicati notiones reperitur, propositio est vera; quod terminis generalissimis, ut principium primum decet, expressum ita audit: q u i c q u i d e s t, e s t, e t q u i c q u i d n o n e s t, n o n e s t. Directae ergo argumentationi omni certe praesidebit principium identitatis, q. e. primum.
Si de indirecta concludendi ratione quaeras, idem reperies ultimo substratum principium geminum. Etenim semper provocandum est in hasce binas propositiones: 1) cuiuscunque oppositum est falsum, illud est verum, hoc est, cuiuscunque oppositum negatur, illud affirmandum est; 2) cuiuscunque oppositum est verum, illud est falsum. Quarum prima propositiones affirmativas, altera negativas pro consectariis habet. Priorem propositionem si terminis simplicissimis efferas, ita habebis: q u i c q u i d n o n n o n e s t, i l l u d e s t, (quippe oppositum exprimitur per particulam n o n, remotio itidem per particulam non). Posteriorem sequenti ratione informabis: q u i c q u i d n o n e s t, n o n e s t, (nempe hic iterum vox oppositi effertur per particulam n o n, et vox falsitatis s. remotionis pariter per eandem particulam). Si nunc, lege characteristica ita exigente, vocum priore propositione contentarum vim exsequaris, quia una particula n o n indicat, alteram esse tollendam, utraque deleta tibi prodibit propositio: q u i c q u i d e s t, e s t. Altera autem cum audiat: q u i c q u i d n o n e s t, n o n e s t, patet et in indirecta demonstratione principium identitatis geminum primas obtinere, consequenter omnis omnino cognitionis ultimum esse fundamentum.
SCHOLION
En specimen, tenue illud quidem, at non plane contemnendum, in arte characteristica combinatoria; simplicissimi enim termini, quibus in principiis his enodandis utimur, a characteribus nihil propemodum differunt. Ut de hac arte, quam postquam Leibnizius inventam venditabat, eruditi omnes eodem cum tanto viro tumulo obrutam conquesti sunt, quid sentiam, hac occasione aperiam, fateor, me in hoc magni philosophi effato patris illius Aesopici testamentum animadvertere, qui cum animam iam iam efflaturus aperuisset liberis, se thesaurum alicubi in agro abscondidisse, cum, antequam locum indicasset, subito exstingueretur, filiis occasionem dedit agrum impigerrime subvertendi et fodiendo subigendi, donec spe frustrati, foecunditate agri haud dubie ditiores facti sunt. Quem certe fructum unicum sane a celebrati illius artificii indagine, si qui sunt, qui ipsi adhuc operam navare sustineant, exspectandum esse autumo. Sed si, quod res est, aperte fateri fas est, vereor, ne, quod acutissimus Boerhaavius in Chemia alicubi de alchymistarum praestantissimis artificibus suspicatur, eos nempe post multa et singularia arcana detecta, tandem nihil non in ipsorum potestate futurum putasse, dum primum manum applicuissent, et velocitate quadam praevidendi ea pro factis narrasse, quae fieri posse, immo quae fieri debere colligebant, simulac animum adverterent ad ea perficienda, idem quo- que viro incomparabili fato evenerit. Equidem, si ad principia absolute prima perventum est, non infitior aliquem artis characteristicae usum licere, cum notionibus atque adeo terminis etiam simplicissimis ceu signis utendi copia sit; verum ubi cognitio composita charaeterum ope exprimenda est, omnis ingenii perspicacia repente velut in scopulo haeret et inextricabili difficultate impeditur. Reperio etiam magni nominis philosophum ill. Daries principium contradictionis characterum ope explicatum reddere tentasse, affirmativam notionem signo + A, negativam signo – A exprimens, unde prodit aequatio + A – A = 0, h. e. idem affirmare et negare est impossibile s. nihil. In quo quidem conatu, quod pace tanti viri dixerim, petitionem principii haud dubie animadverto. Etenim si signo negativae notionis eam tribuis vim, ut affirmativam ipsi iunctam tollat, aperte principium contradictionis supponis, in quo statuitur, notiones oppositas semet invicem tollere. Nostra vero explanatio propositionis: c u i u s c u n q u e o p p o s i t u m e s t f a l s u m, i l l u d e s t v e r u m, ab hac labe immunis est. Simplicissimis enimterminis enuntiata cumitaaudiat: q u i c q u i d n o n n o n e s t, i l l u d e s t, particulas n o n tollendo nihil agimus, quam ut simplicem earum significatum exsequamur, et prodit, ut necesse erat, principium identitatis: q u i c q u i d e s t, e s t.
PROP. III.
Principii identitatis ad obtinendum in veritatum subordinatione principatum prae principio contradictionis praeferentiam ulterius stabilire.
Quae omnium veritatum absolute summi et generalissimi principii nomen sibi arrogat propositio, primo sit simplicissimis, deinde et generalissimis terminis enuntiata; quod in principio identitatis gemino haud dubie animadvertere mihi videor. Omnium enim terminorum affirmantium simplicissimus est vocula e s t, negantium vocula n o n e s t. Deinde notionibus simplicissimis nihil etiam magis universale concipi potest. Quippe magis compositae a simplicibus lucem mutuantur, et quia his sunt determinatiores, adeo generales esse non possunt.
Principium contradictionis, quod effertur propositione: i m p o s s i b i l e e s t, i d e m s i m u l e s s e a c n o n e s s e, re ipsa non est nisi definitio i m p o s s i b i l i s; quicquid enim sibi contradicit, s. quod simul esse ac non esse concipitur, vocatur impossibile. Quo vero pacto statui potest, omnes veritates ad hanc definitionem velut ad lapidem Lydium revocari oportere ? Neque enim necesse est, ut quamlibet veritatem ab oppositi impossibilitate vindices, neque, ut verum fatear, hoc per se sufficit; non enim datur ab oppositi impossibilitate transitus ad veritatis assertionem, nisi mediante dicto: c u i u s c u n q u e o p p o s i t u m e s t f a l s u m, i l l u d e s t v e r u m, quod itaque cum principio contradictionis divisum habet imperium, prouti ostensum in antecedentibus.
Postremo propositioni negativae potissimum in regione veritatum primas demandare et omnium caput ac firmamentum salutare, quis est, cui non duriusculum et aliquanto etiam peius quam paradoxon videatur, cum non pateat, cur negativa veritas prae affirmativa hoc iure potita sit ? Nos potius, cum sint bina veritatum genera, binis ipsis etiam statuimus principia prima, alterum affirmans, alterum negans.
SCHOLION
Poterat forte cuipiam haec disquisitio, sicuti subtilis et operosa, ita etiam supervacanea et ab omni utilitate derelicta videri. Et si corollariorum foecunditatem spectes, habes me assentientem. Mens enim, quanquam tale principium non edocta, non potest non ubivis sponte et naturae quadam necessitate eodem uti. Verum nonne ideo digna erit disquisitione materia, catenam veritatum ad summum usque articulum sequi ? Et certe hac ratione legem argumentationum mentis nostrae penitius introspicere non vilipendendum est. Quippe ut unicum tantummodo allegem, quia omnis nostra ratiocinatio in praedicati cum subiecto vel in se vel in nexu spectato identitatem detegendam resolvitur, ut ex regula veritatum ultima patet, hinc videre est: Deum non egere ratiocinatione, quippe, cum omnia obtutui ipsius liquidissime pateant, quae conveniant vel non conveniant, idem actus repraesentationis intellectui sistit, neque indiget analysi, quemadmodum, quae nostram intelligentiam obumbrat nox, necessario requirit.
SECTIO II.
DE PRINCIPIO RATIONIS DETERMINANTIS,
VULGO SUFFICIENTIS
DEFINITIO
PROP. IV.
D e t e r m i n a r e est ponere praedicatum cum exclusione oppositi. Quod determinat subiectum respectu praedicati cuiusdam, dicitur r a t i o. R a t i o distinguitur in antecedenter et in consequenter determinantem. A n t e c e d e n t e r determinans est, cuius notio praecedit determinatum h. e. qua non supposita determinatum non est intelligibile.* C o n s e q u e n t e r determinans est, quae non poneretur, nisi iam aliunde posita esset notio, quae ab ipso determinatur. Priorem rationem etiam rationem c u r s. rationem essendi vel fiendi vocare poteris, posteriorem rationem q u o d s. cognoscendi.
A d s t r u c t i o r e a l i t a t i s d e f i n i t i o n i s
Notio rationis secundum sensum communem subiectum inter ac praedicatum aliquod nexum efficit et colligationem. Ideo desiderat semper subiectum et, quod ipsi uniat, praedicatum. Si quaeras rationem circuli, plane non intelligo, ecquid sit quod quaeris, nisi addas praedicatum, e. g. quod sit omnium figurarum isoperimetrarum capacissima. Quaerimus v. c. rationem malorum in mundo. Habemus itaque propositionem: mundus continet plurima mala. Ratio q u o d seu cognoscendi non quaeritur, quia experientia ipsius vicem sustinet, sed ratio c u r s. fiendi indicanda, h. e. qua posita intelligibile est, mundum antecedenter respectu huius praedicati non esse indeterminatum, sed qua praedicatum malorum ponitur cum exclusione oppositi. Ratio igitur ex indeterminatis efficit determinata. Et quoniam omnis veritas determinatione praedicati in subiecto efficitur, ratio determinans veritatis non modo criterium, sed et fons est, a quo si discesseris, possibilia quidem quam plurima, nihil omnino veri reperiretur. Ideo indeterminatum nobis est, utrum planeta Mercurius circa axem revolvatur nec ne, siquidem ratione caremus, quae alterutrum ponat cum exclusione oppositi; utrumque tamdiu possibile manet, neutrum verum respectu cognitionis nostrae efficitur.
Ut discrimen rationum a n t e c e d e n t e r e t c o n s e q u e n t e r determinantium exemplo illustrem: eclipses satellitum Iovialium nuncupo, quas dico r a t i o n e m c o g n o s c e n d i suppeditare successivae et celeritate assignabili factae propagationis lucis. Verum haec ratio est consequenter tantum determinans hanc veritatem; si enim vel maxime nulli adforent Iovis satellites, nec eorum per vices facta occultatio, tamen lux perinde in tempore moveretur, quanquam cognitum forsitan nobis non esset, s. ut ad definitionem datam propius applicem, phaenomena satellitum Iovialium, successivum lucis motum probantia, supponunt hoc ipsum lucis ingenium, sine quo ita contingere non possent, ideoque consequenter tantum hanc veritatem determinant. Ratio autem fiendi, s. cur motus lucis cum assignabili temporis dispendio iunctus sit, (si sententiam Cartesii amplecteris,) in elasticitate globulorum aeris elasticorum ponitur, qui secundum leges elasticitatis ictui aliquantulum concedentes, quod in quovis globulo absorbent punctum tempusculi, per seriem immensam concatenatam summando, perceptibile tandem faciunt. Haec foret ratio antecedenter determinans, s. qua non posita determinato locus plane non esset. Si enim globuli aetheris perfecte duri forent, per distantias quantum libet immensas nullum emissionem inter et appulsum lucis perciperetur temporis intervallum.
Illustris Wolffii definitio, quippe insigni nota laborans, hic mihi emendatione egere visa est. Definit enim rationem per id, unde intelligi potest, cur aliquid potius sit, quam non sit. Ubi haud dubie definitum immiscuit definitioni. Etenim quantumvis vocula cur satis videatur communi intelligentiae accommodata, ut in definitione sumi posse censenda sit, tamen tacite implicat iterum notionem rationis. Si enim recte excusseris, reperies idem, quod q u a m o b r a t i o n e m, significare. Ideo substitutione rite facta, definitio Wolffiana audiet: ratio est id, ex quo intelligi potest, q u a m o b r a t i o n e m aliquid potius sit quam non sit.
Pariter enuntiationi r a t i o n i s s u f f i c i e n t i s vocem r a t i o n i s d e t e r m i n a n t i s surrogare satius duxi, et habeo ill. Crusium assentientem. Quippe ambigua vox est s u f f i c i e n t i s, ut idem abunde commonstrat, quia quantum sufficiat, non statim apparet; determinare autem cum sit ita ponere, ut omne oppositum excludatur, denotat id, quod certo sufficit ad rem ita, non aliter, concipiendam.
PROP. V.
Nihil est verum sine ratione determinante.
Omnis propositio vera indicat subiectum respectu praedicati esse determinatum, i. e. hoc poni cum exclusione oppositi: in omni itaque propositione vera oppositum praedicati competentis excludatur necesse est. Excluditur autem praedicatum, cui ab alia notione posita repugnatur, vi princip. contrad. Ergo exclusio locum non habet, ubi non adest notio, quae repugnat opposito excludendo. In omni itaque veritate est quiddam, quod excludendo praedicatum oppositum veritatem propositionis determinat. Quod cum nomine rationis determinantis veniat, nihil verum esse sine ratione determinante statuendum est.
I d e m a l i t e r
E notione rationis intelligi potest, quodnam praedicatorum oppositorum subiecto tribuendum sit, quodnam removendum. Pone quicquam verum esse sine ratione determinante, nihil afforet, ex quo appareret, utrum oppositorum tribuendum sit subiecto, utrum removendum; neutrum itaque excluditur, et subiectum est respectu utriusque praedicatorum indeterminatum; hinc non locus veritati, quae tamen cum fuisse sumpta sit, aperta patet repugnantia.
SCHOLION
Veritatis cognitionem rationis semper intuitu niti, communi omnium mortalium sensu stabilitum est. Verum nos saepenumero ratione consequenter determinante contenti sumus, cum de certitudine nobis tantum res est; sed dari semper rationem antecedenter determinantem s., si mavis, geneticam aut saltem identicam, e theoremate allegato et definitione iunctim spectatis facile apparet, siquidem ratio consequenter determinans veritatem non efficit, sed explanat. Sed pergamus ad rationes exsistentiam determinantes.
PROP. VI.
Exsistentiae suae rationem aliquid habere in se ipso, absonum est.
Quicquid enim rationem exsistentiae alicuius rei in se continet, huius causa est. Pone igitur aliquid esse, quod exsistentiae suae rationem haberet in se ipso, tum sui ipsius causa esset. Quoniam vero causae notio natura sit prior notione causati, et haec illa posterior: idem se ipso prius simulque posterius esset, quod est absurdum.
COROLLARIUM
Quicquid igitur absolute necessario exsistere perhibetur, id non propter rationem quandam exsistit, sed quia oppositum cogitabile plane non est. Haec oppositi impossibilitas est ratio cognoscendi exsistentiam, sed ratione antecedenter determinante plane caret. E x s i s t i t; hoc vero de eodem et dixisse et concepisse sufficit.
SCHOLION
Equidem invenio in recentiorum philosophorum placitis subinde recantari hanc sententiam: Deum rationem exsistentiae suae in se ipso habere positam; verum egomet assensum ipsi praebere nolim. Duriusculum enim bonis hisce viris quodammodo videtur, Deo ceu rationum et causarum ultimo et consummatissimo principio sui rationem denegare; ideoque, quia non extra se ullam agnoscere licet, in se ipso reconditam habere autumant, quo sane vix quicquam aliud magis a recta ratione remotum reperiri potest. Ubi enim in rationum catena ad principium perveneris, gradum sisti et quaestionem plane aboleri consummatione responsionis, per se patet. Novi quidem ad notionem ipsam Dei provocari, qua determinatam esse exsistentiam ipsius postulant, verum hoc idealiter fieri, non realiter, facile perspicitur. Notionem tibi formas entis cuiusdam, in quo est omnitudo realitatis; per hunc conceptum te ipsi et exsistentiam largiri oportere confitendum est. Igitur ita procedit argumentatio: si in ente quodam realitates omnes sine gradu unitae sunt, illud exsistet; si unitae tantum concipiuntur, exsistentia quoque ipsius in ideis tantum versatur. Ergo ita potius informanda erat sententia: notionem entis cuiusdam nobis formantes, quod Deum appellamus, eo modo illam determinavimus, ut exsistentia ipsi inclusa sit. Si vera igitur praeconcepta notio, verum quoque, illum exsistere. Et haec quidem in eorum gratiam dicta sint, qui argumento Cartesiano assensum praebent.
PROP. VII.
Datur ens, cuius exsistentia praevertit ipsam et ipsius et omnium rerum possibilitatem, quod ideo absolute necessario exsistere dicitur. Vocatur Deus.
Cum possibilitas nonnisi notionum quarundam iunctarum non repugnantia absolvatur adeoque possibilitatis notio collatione resultet; in omni vero collatione quae sint conferenda, suppetant necesse sit, neque ubi nihil omnino datur, collationi et, quae huic respondet, possibilitatis notioni locus sit: sequitur, quod nihil tanquam possibile concipi possit, nisi, quicquid est in omni possibili notione reale, exsistat, et quidem, (quoniam, si ab hoc discesseris, nihil omnino possibile, h. e. nonnisi impossibile foret), exsistet absolute necessario. Porro omnimoda haec realitas in ente unico adunata sit necesse est.
Pone enim haec realia, quae sunt possibilium omnium conceptuum velut materiale, in pluribus rebus exsistentibus reperiri distributa, quodlibet harum rerum haberet exsistentiam certa ratione limitatam, hoc est privationibus nonnullis iunctam; quibus cum absoluta neeessitas non perinde ac realitatibus competat, interim ad omnimodam rei determinationem, absque qua res exsistere nequit, pertineant, realitates hac ratione limitatae exsisterent contingenter. Ad absolutam itaque necessitatem requiritur, ut absque omni limitatione exsistant, hoc est, ens constituant infinitum. Cuius entis cum pluralitas, si quam fingas, sit aliquoties facta repetitio, hinc contingentia absolutae necessitati opposita, non nisi unicum absolute necessario exsistere statuendum est. Datur itaque Deus et unicus, absolute necessarium possibilitatis omnis principium.
SCHOLION
En demonstrationem exsistentiae divinae, quantum eius maxime fieri potest, essentialem et, quamvis geneticae locus proprie non sit, tamen documento maxime primitivo, ipsa nempe rerum possibilitate, comprobatam. Hinc patet, si Deum sustuleris, non exsistentiam omnem rerum solam sed et ipsam possibilitatem internam prorsus aboleri. Quanquam enim essentias, (quae consistunt in interna possibilitate,) vulgo absolute necessarias vocitent, tamen r e b u s a b s o l u t e n e c e s s a r i o c o m p e t e r e rectius dicerentur. Etenim essentia trianguli, quae consistit in trium laterum consertione, non est per se necessaria; quis enim sanae mentis contenderet, necessarium in se esse, ut tria semper latera coniuncta concipiantur; verum triangulo hoc necessarium esse concedo, h. e. si cogitas triangulum, cogitas necessario tria latera, quod idem est ac si dicis: si quid est, est. Quo autem pacto eveniat, ut cogitationi laterum, spatii comprehendendi, cet. notiones suppetant, hoc est, ut sit in ge- nere, quod cogitari possit, unde resultet postea combinando, limitando, determinando notio quaevis rei cogitabilis, id, nisi in Deo, omnis realitatis fonte, quicquid est in notione reale exsisteret, concipi plane non posset. Cartesium equidem novimus exsistentiae divinae argumentum ex ipsa sui interna notione depromptum dedisse, in quo vero quomodo eventu frustratus sit, in scholio paragraphi prioris videre est. Deus omnium entium unicum est, in quo exsistentia prior est vel, si mavis, identica cum possibilitate. Et huius nulla manet notio, simulatque ab exsistentia eius discesseris.
PROP. VIII.
Nihil contingenter exsistens potest carere ratione exsistentiam antecedenter deteaninante.
Pone carere. Nihil erit, quod ut exsistens determinet praeter ipsam rei exsistentiam. Quoniam igitur nihilo minus exsistentia determinata est, h. e. ponitur ita, ut quodlibet oppositum omnimodae suae determinationis plane exclusum sit; non alia erit oppositi exclusio, quam quae a positione exsistentiae proficiscitur. Quae vero exclusio cum sit identica, (quippe nihil aliud vetat rem non exsistere, quam quod non exsistentia remota sit,) oppositum exsistentiae per se ipsum exclusum h. e. absolute impossibile erit; h. e. res exsistet absolute necessario, quod repugnat hypothesi.
COROLLAMUM
E demonstratis itaque liquet, non nisi contingentium exsistentiam rationis determinantis firmamento egere, unicum absolute necessarium hac lege exemptum esse; hinc non adeo generali sensu principium admittendum esse, ut om- nium possibilium universitatem imperio suo complectatur.
SCHOLION
En demonstrationem principii rationis determinantis, tandem, quantum equidem mihi persuadeo, omni certitudinis luce collustratam. Perspicacissimos nostri aevi philosophos, inter quos ill. Crusium honoris causa nomino, semper de parum solida huius principii demonstratione, quam in omnibus huius materiae scriptis venalem reperimus, conquestos esse satis constat. De cuius mali medela usque adeo vir magnus desperavit, ut vel demonstratione plane incapacem esse hanc propositionem serio contenderet, si vel maxime vera esse concedatur. Verum cur non tam prompta et expedita mihi fuerit huius principii demonstratio, ut unico, sicut vulgo tentatum est, argumento totam absolverem, sed quodam anfractu plena demum certitudine potiri necesse fuerit, ratio mihi reddenda est.
Primo enim inter rationem veritatis et exsistentiae studiose mihi distinguendum erat; quanquam videri poterat, universalitatem principii rationis determinantis in regione veritatum eandem pariter supra exsistentiam extendere. Etenim si verum nihil est, h. e. si subiecto non competit praedicatum, sine ratione determinante, praedicatum exsistentiae absque hac nullum fore etiam consequitur. Verum ad veritatem firmandam non ratione antecedenter determinante opus esse, sed identitatem praedicatum inter atque subiectum intercedentem sufficere constat. In exsistentibus vero de ratione antecedenter determinante quaestio est, quae si nulla est, ens absolute necessario exsistit, si exsistentia est contingens, eam non posse non praecedere, evictum dedi. Hinc veriMs ex ipsis fontibus arcessita meo quidem iudicio purior emersit.
Celeberrimus quidem Crusius exsistentia quaedam per suam ipsorum actualitatem ita determinari putat, ut vanum autumet ultra quicquam requirere. Titius libera volitione agit; quaero: cur hoc potius egerit, quam non egerit ? respondet: quia voluit. Cur vero voluit ? Haec inepte interrogari autumat. Si quaeris; cur non potius aliud egit ? respondet: quia hoc iam agit. Ideo putat, liberam volitionem actu determinatam esse per exsistentiam suam, non antecedenter per rationes exsistentia sua priores; et sola positione actualitatis omnes oppositas determinationes excludi, hinc ratione determinante opus non esse contendit. Verum rem contingentem nunquam, si a ratione antecedenter determinante discesseris, sufficienter determinatam, hinc nec exsistentem esse posse, si libuerit, etiam alio argumento probabo. Actus liberae volitionis exsistit, haec exsistentia excludit oppositum huius determinationis; verum, cum olim non exstiterit et exsistentia per se non determinet, utrum olim fuerit vel non fuerit, per exsistentiam huius volitionis haec quaestio, utrum antea iam exstiterit, an non exstiterit, manet indeterminata; quia vero in determinatione omnimoda haec quoque una omnium est, utrum ens inceperit an minus, ens eatenus erit indeterminatum, neque determinari poterit, nisi praeter ea, quae exsistentiae internae competunt, arcessantur notiones, quae independenter ab exsistentia ipsius sunt cogitabiles. Cum vero id, quod entis exsistentis antecedentem non exsistentiam determinat, praecedat notionem exsistentiae, idem vero, quod determinat, ens exsistens antea non exstitisse, simul a non exsistentia ad exsistentiam determinaverit, (quia propositiones: quare, quod iam exsistit, olim non exstiterit, et quare, quod olim non exstiterit, iam exsistat, revera sunt identicae,) h. e. ratio sit exsistentiam antecedenter determinans, sine hac etiam omnimodae entis illius, quod ortum esse concipitur, determinationi, hinc nec exsistentiae locum esse posse, abunde patet. Haec si demonstratio propter profundiorem notionum analysin cuiquam subobscura esse videatur, praecedentibus contentus esse poterit.
Postremo, cur in demonstratione, ab ill. Wolffio et sectatoribus usurpata, acquiescere detrectaverim, brevius expediam. Illustris huius viri demonstratio, ut a perspicacissimo Baumgartenio enodatius exposita reperitur, ad haec, ut paucis multa complectar, redit. Si quid non haberet rationem, nihil esset eius ratio; ergo nihil aliquid, quod absurdum. Verum ita potius informanda erat aigumentandi ratio: si enti non est ratio, ratio ipsius nihil est i. e. non ens. Hoc vero ambabus manibus largior, quippe si ratio nulla est, conceptus ipsi respondens erit non entis; hinc si enti non poterit assignari ratio, nisi cui nullus plane conceptus respondet, ratione pIane carebit, quod redit ad supposita. Hinc non sequitur absurdum, quod inde fluere opinabantur. Exemplum expromam in sententiae meae testimonium. Demonstrare ausim secundum hanc concludendi rationem: primum hominem adhuc a patre quodam esse genitum. Pone enim, non esse genitum. Nihil foret, quod ipsum genuerit. Genitus igitur foret a nihilo; quod cum contradicat, eum a quodam genitum esse confitendum est. Haud difficile est captionem argumenti declinare. Si non geriitus est, nihil ipsum progenuit. Hoc est, qui ipsum genuisse putaretur, nihil est vel non ens, quod quidem eertum est quam quod certissimum: sed praepostere conversa propositio pessime detortum nanciscitur sensum.
PROP. IX.
Enumerare et diluere difficultates, quae principium rationis determinantis vulgo sufficientis premere videntur.
Inter impugnatores huius principii agmen ducere, et solus omnium vicem sustinere posse iure putandus est* S. R. et aeutissimus Crusius, quem inter Germaniae, non dicam philosophos, sed philosophiae promotores profiteor vix cuiquam secundum. Cuius mihi dubiorum si bene ceciderit discussio, (quod bonae causae patrocinium spondere videtur,) omnem difficultatem superasse mihi videbor. Primo formulae huius principii exprobrat ambiguitatem et instabilem sensum. Quippe rationem cognoscendi, rationem itidem moralem et alias ideales pro realibus et antecedenter determinantibus subinde usurpari recte notat, ita, ut utram subintelligi velis, saepenumero aegre intelligi queat. Quod telum quia nostra asserta non ferit, declinandum nobis non est. Qui haec qualiacunque nostra examinaverit, videbit me rationem veritatis a ratione actualitatis sollicite distinguere. In priori solum de ea praedicati positione agitur, quae efficitur per notionum, quae subiecto vel absolute vel in nexu spectato involvuntur, cum praedicato identitatem, et praedicatum, quod iam adhaeret subiecto, tantum detegitur. In posteriori circa ea, quae inesse ponuntur, examinatur non utrum, sed unde exsistentia ipsorum determinata sit; si nihil adest, quod excludat oppositum, praeter absolutam rei illius positionem, per se et absolute necessario exsistere statuenda est; si vero contingenter exsistere sumitur, adsint necesse est alia, quae ita, non aliter, determinando, exsistentiae oppositum iam antecedenter excludant. Et haec quidem de demonstratione nostra generatim.
Maius certe periculum defensoribus huius principii imminet ab obiectione illa clarissimi viri, qua immutabilis rerum omnium necessitatis et fati Stoici postliminio revocati, immo libertatis omnis atque moralitatis elevatae culpam diserte nobis et haud contemnendo argumentorum robore impingit. Argumentum ipsius, quanquam non omnino novum, explicatius tamen et validius ab ipso traditum, quantum eius fieri potest enucleate, illibato tamen ipsius robore allegabo.
Si, quicquid fit, non aliter fieri potest, nisi ut habeat rationem antecedenter determinantem, sequitur, ut q u i c q u i d n o n f i t, e t i a m f i e r i n o n p o s s i t, quia videlicet nulla adest ratio, sine qua tamen fieri omnino non potest. Quod quia de omnibus rationum rationibus retrogrado ordine est concedendum, sequitur: omnia naturali colligatione ita conserte contexteque fieri, ut, qui oppositum eventus cuiusdam vel etiam aetionis liberae optat, impossibilia voto concipiat, quandoquidem non adest, quae ad illud producendum requiritur ratio. Et ita resumendo eventuum indeclinabilem catenam, quae, ut ait Chrysippus, semel voluit et implicat per aeternos consequentiae ordines, tandem in primo mundi statu, qui immediate Deum auctorem arguit, omnis sistitur eventuum ultima et tot consectariorum ferax ratio, qua posita, alia ex aliis in secutura postmodum saecula stabili semper lege derivantur. Tritam illam inter necessitatem absolutam et hypotheticam distinctionem, qua veluti rima elabi arbitrantur adversarii, impugnat vir clar.; quae videlicet ad infringendam necessitatis vim et efficacitatem nullius plane momenti est. Quid enim attinet, utrum eventus, per antecedentes rationes praecise determinati, si per se spectetur, oppositum repraesentabile sit, cum nihilo secius hoc oppositum realiter fieri non possit, cum non adsint, quibus ipsi ad exsistendum opus est, rationes, immo adsint in contrarium ? Oppositum, ais, separatim sumpti eventus potest tamen cogitari, ideoque possibile est. Sed quid tum ? Non potest tamen fieri, quia, ne unquam actu fiat, per rationes iam exsistentes satis cautum est. Accipe exemplum. Caius imposturam fecit. Caio per determinationes suas primitivas, quatenus scilicet homo est, non repugnavit sinceritas; largior. Sed uti iam est determinatus, repugnat utique; quippe adsunt in ipso rationes, quae ponunt contrarium, et sinceritas tribui ipsi nequit, nisi turbato omni rationum implicatarum ordine usque ad primum mundi statum. Nunc audiamus, quae porro inde concludit vir illustris. Ratio determinans non efficit modo, ut haec potissimum actio eveniat, sed ut eius loco alia contingere non possit. Ergo quicquid in nobis accidit, eius consecutioni ita a Deo prospectum est, ut plane non possit aliud consequi. Ergo imputatio factorum nostrorum ad nos non pertinet; sed una omnium causa Deus est, qui eis nos legibus adstrinxit, ut sortem destinatam utcunque adimpleamus. Nonne sic efficitur, ut nullum peccatum Deo displicere possit ? quod ubi contingit, eo simul testatur, stabilitam a Deo rerum implicitarum seriem aliud non admittere. Quidnam igitur Deus peccatores increpat de actionibus, quas ut perpetrent, iam inde usque a mundi satu atque ortu cautum est ?
C o n f u t a t i o d u b i o r u m
Quando necessitatem hypotheticam, in specie moralem, distinguimus ab absoluta, non hic de vi atque efficacia necessitatis agitur, utrum nempe res alterutro casu magis vel minus sit necessaria, sed de principio necessitante quaestio est, unde nempe res sit necessaria. Equidem lubens concedo, hic nonnullos philosophiae Wolffianae sectatores quodammodo a veri sensu deflectere, ut, quod per rationum semet hypothetice determinantium catenam positum est, adhuc a necessitate completa remotum aliquantulum sibi persuadeant, quia absoluta caret necessitate. Ego vero in hisce illustri antagonistae assentior, decantatam omnium ore distinctionem vim necessitatis atque certitudinem determinationis parum elevare. Quemadmodum enim v e r o nihil v e r i u s e t c e r t o nihil certius, sicnec d e t e r m i n a t o quicguam determinatius concipi potest. Eventus mundani ita certo determinati sunt, ut praescientia divina falli nescia pari certitudine et eorum futuritionem et oppositi impossibilitatem nexu rationum conformiter perspiciat, ac si absoluto eorum conceptu oppositum excluderetur. Hicvero, non quantopere, sed unde necessaria sit contingentium futuritio, cardo est quaestionis. Aetum creationis mundi in Deo non ambiguum, sed ita certo determinatum esse, ut oppositum Deo indignum, h. e. competere plane non possit, quis est qui dubitet ? Nihilo tamen secius libera est actio, quia iis rationibus determinatur, quae motiva intelligentiae suae infinitae, quatenus voluntatem certo certius inclinant, includunt, non a caeca quadam naturae efficacia proficiscuntur. Ita etiam in actionibus hominum liberis, quatenus spectantur ut determinatae, oppositum excluditur quidem, sed non excluditur rationibus extra subiecti appetitum et spontaneas inclinationes positis, quasi homo vel invitus inevitabili quadam necessitate ad patrandas actiones adigeretur; sed in ipsa volitionum appetituumque propensione, quatenus allectamentis repraesentationum lubenter obtemperat, nexu, certissimo illo quidem, at voluntario, actiones stabili lege determinantur. Quod actiones physicas et libertate morali gaudentes intercedit discrimen, non nexus atque certitudinis differentia absolvitur, quasi hae solae ancipiti futuritione laborantes rationumque colligatione exemptae vaga et ambigua oriundi ratione fruerentur; hoc enim pacto parum commendabiles forent entium intelligentium praerogativis. Verum modus, quo certitudo earum rationibus suis determinatur, omnem paginam facit ad libertatis notam tuendam; nempe nonnisi per motiva intellectus voluntati applicata eliciuntur, cum contra ea in brutis s. physico-mechanicis actionibus omnia sollicitationibus et impulsibus externis conformiter, absque ulla arbitrii spontanea inclinatione, necessitentur. Potestatem quidem actionis patrandae ad utramvis partem indifferenter se habere, sola autem beneplaciti ad allectamenta repraesentationibus oblata inclinatione determinari, in confesso est. Quo huic legi certius alligata est hominis natura, eo libertate magis gaudet, neque vago nisu quaquaversum in obiecta ferri est libertate uti. Non aliam, ais, ob rationem agit, quam quia ita potissimum l u b u i t. Iam teneo te tua ipsius confessione constrictum. Quid enim est lubitus, nisi voluntatis pro allectamento objecti ad hanc potius, quam oppositam partem facta inclinatio; ergo tuum l i b e t s. volupe est actionem per internas rationes determinatam innuit. Lubitus enim ex tua sententia actionem determinat; est vero nonnisi voluntatis in obiecto pro ratione allectamenti, quo voluntatem invitat, acquiescentia. Ergo est determinatio respectiva, in qua si voluntas aequaliter ponitur allectari, alterum magis volupe esse, idem est, ac aequaliter simulque inaequaliter placere, quod implicat repugnantiam. Accidere autem potest casus, ubi, quae ad alterutram partem inclinent voluntatem rationes, conscientiam plane fugiant, nihilo minus tamen alterutrum deligatur; verum tum res a superiori mentis facultate ad inferiorem rediit, et per repraesentationis obscurae alterutram partem versus suprapondium (cuius in sequentibus uberiorem iniiciemus commemorationem,) aliquorsum mens dirigitur.
Brevi, si ita commodum fuerit, dialogo Caium inter, indifferentiae aequilibrii defensorem, et Titium, rationis determinantis patronum, controversiam pervulgatam illustrare liceat.
C a i u s. Vitae anteactae curriculum morsus mihi quidem conscientiae exagitat, sed hoc unicum superest solacii, si tuis placitis credere fas est, in me non cadere admissorum facinorum culpam, quippe rationum inde usque a mundi incunabulis se invicem determinantium nexu devinctus, quaecunque egi, non potui non agere, et quicunque nunc mihi exprobrat vitia aliudque vitae genus a me iniri debuisse nequicquam increpat, inepte agit, pariter ac si me temporis fluxum sistere oportuisse postulet. T i t i u s. Cedo! quaenam est illa rationum series, qua te adstrictum fuisse conquereris ? Nonne, quaecunque egisti, libenter egisti ? Nonne conscientiae tacita dehortatio et formido Dei perperam intus admonens obstrepuit peccaturo ? Nonne nihilo secius magis arrisit compotari, ludere, Veneri litare et quae sunt id genus alia ? An unquam invitus ad peccandum protractus es ? C a i u s. Haec vero minime infitias eo. Probe sentio, me non renitentem et allectamentis strenue obluctantem velut obtorto collo in transversum abreptum esse. Sciens et lubens me vitiis maneipavi. Verum haec voluntatis ad deteriorem partem facta inclinatio unde mihi obtigit ? Nonne antequam contigerit, cum quidem et divinae et humanae leges in partes suas invitarent haesitantem, iam determinatum erat rationum consummatione, ut inflecterer in malam potius, quam bonam partem ? Nonne, posita ratione iam omnibus numeris absoluta, rationatum impedire idem est, ac factum infectum reddere ? Quaelibet vero voluntatis meae inclinatio ex tua sententia antecedenti ratione perfecte determinata est, et haec porro priori, atque hunc in modum usque ad caput rerum omnium. T i t i u s. Iam vero scrupulum tibi eximam. Rationum implicatarum series in quolibet actionis patrandae articulo motiva utrinque prolectantia suppeditavit, eorum alterutri temet lubens dedidisti, propterea, quia volupe erat ita potius, quam aliter agere. At ais, iam determinatum erat rationum consummatione, ut inclinarer in partem destinatam. Sed velim cogites, numne ad rationem consummatam actionis requiratur tuae voluntatis secundum allectamenta objecti spontanea propensio. C a i u s. Cave spontaneam dixeris; non potuit non in hanc partem propendere. T i t i u s. Hoc quidem spontaneitatem tantum abest ut tollat, ut potius certissimam reddat, dummodo recto sensu sumatur. Etenim s p o n t a n e i t a s est actio a p r i n c i p i o i n t e r n o profecta. Quando haec repraesentationi optimi conformiter determinatur, dicitur l i b e r t a s. Quo certius huic legi obtemperare quisque dicitur, quo itaque positis omnibus ad volendum motivis est determinatior, eo homo est liberior. Ex tua argumentatione non fluit, libertatem infringi rationum antecedenter determinantium vi. Satis enim te redarguit confessio, quod non invitus, sed lubens egeris. Hinc non i n e v i t a b i l i s fuit actio tua, ut tu quidem subopinari videris, neque enim evitare studuisti, sed i n f a l l i b i l i s fuit secundum appetitus tui ad circumstantias ita informatas propensionem. Et hoc quidem maiorem tibi culpam impingit. Ita enim vehementer appetiisti, ut ab instituto dimoveri non passus sis. Sed tuo te telo iugulabo. Cedo! quanam ratione libertatis notionem commodius ex sententiatuaputas informari debere ? C a i u s. Ego quidem arbitror, si abigeres illud quicquid est rationum semet stabili eventu determinantium concatenationis, si concederes hominem in quavis libera actione versus utramque partem indifferenter se habere et, positis omnibus quodcunque1 finxeris rationibus aliquo determinantibus, tamen quidvis pro quovis eligere posse, tum tandem bene de libertate actum esse confiterer. T i t i u s. Deus meliora ! Si quod te numen hoc voto potiri pateretur, quam infelix esses omnium horarum homo. Fac te virtutis tramitem ingredi apud animum tuum statuisse. Fac mentem et religionis praeceptis, et quaecunque sunt alia ad firmandum consilium efficacia, probe iam esse communitam. Nunc agendi obtingit occasio. Protinus in deteriorem partem prolaberis, neque enim, quae te invitant, rationes determinant. Quantum te videor mihi audire adhuc plures querimonias iactantem ? Ah, quod me sinistrum fatum a salutari consilio subito depulit ! Quid opus est praeceptis virtutis navare operam; per sortem fiunt actiones, non determinantur rationibus ! Non equidem, inquis, accuso invitam fati cuiusdam me abripientis coactionem, sed illud, nescio quid, lapsum mihi in pessimam partem concilians abominor. Proh pudor ! unde mihi detestandus ille appetitus praecise in deterrimam partem, qui aeque facile in oppositam potuit inclinari ? C a i u s. Ergo de omni libertate perinde conclamatum est. T i t i u s. Vides quam in artum coegerim copias tuas. Noli spectra comminisci idearum; sentis enim te liberum, huius vero libertatis noli notionem confingere parum rectae rationi constantem. Libere agere est appetitui suo conformiter et quidem cum conscientia agere. Et hoc quidem rationis determinantis lege exclusum non est. C a i u s. Quanquam vix habeam, quod tibi regeram, tamen internus sensus sententiae tuae mihi videtur obloqui. Da enim casum non magni momenti, si mihi ipsi attentus sum, liberum mihi esse animadverto utroque inclinari, ita ut satis persuasus sim, actionis meae directionem antecedenti rationum serie determinatam non fuisse. T i t i u s. Aperiam tibi tacitam mentis imposturam, quae indifferentiae aequilibrii ludibrium tibi facit. Vis naturalis appetitiva, menti humanae insita, non in obiecta solum, verum etiam in repraesentationes varias intellectui sistendas fertur. Quatenus itaque repraesentationum, quae electionis in casu dato motiva continent, nos ipsos sentimus auctores esse, ita ut attentioni ipsis applicandae, suspendendae aut aliorsum vertendae egregie sufficiamus, consequenter non solum in obiecta appetitui nostro conformiter tendere, sed etiam ipsas rationes obiectivas varie pro lubitu permutare posse conscii sumus, eatenus vix possumus nobis temperare, quin voluntatis nostrae applicationem omni lege exemptam et determinatione stabili privatam arbitremur. Verum si recte sentire allaboramus, quod in casu dato haec, non alia, fiat attentionis in repraesentationum combinationem tendentia, quare, allicientibus ab aliqua parte rationibus, subinde ut libertatis saltem periculum faciamus, atten- tionem in oppositam partem convertendo, huic suprapondium conciliemus, quod adeoque appetitus s i c, n o n a l i t e r, d i r i g a t u r, rationes certe, quae determinant, adesse debere facile convincemur. C a i u s. Multis, fateor, difficultatibus me implicasti, sed te haud minoribus impediri certus sum. Quomodo putas determinatam malorum futuritionem, quorum Deus tandem ultima et determinans causa est, bonitati et sanctitati ipsius conciliari posse ? T i t i u s. Ne tempus vanis disceptationibus incassum teramus, quae te suspensum tenent dubitationes, eas paucis expromam nodosque solvam dubiorum. Cum eventuum omnium tam physicorum quam actionum liberarum determinata sit certitudo, consequentia in antecedentibus, antecedentia in ulterius praecedentibus et ita nexu concatenato in citerioribus semper rationibus, donec primus mundi status, qui immediate Deum auctorem arguit, sit veluti fons et scaturigo, ex quo omnia fallere nescia necessitate prono alveo derivantur: hinc putas Deum mali machinatorem haud obscure designari, neque, quam ipse telam orsus est, quaeque primo suo exemplari conformiter in futura sequentis aevi saecula pertexitur, odisse posse, peccataque operi intexta tanta, quanta per sanctitatem fas est, indignatione prosequi posse videtur, siquidem recidente tandem in ipsum primum molitorem malorum omnium culpa. Haec sunt, quae te premunt dubia; nunc eorum nebulas discutiam. Deus, universitatis rerum primordia capessendo, seriem inchoavit, quae stabili rationum conserte contexteque colligatarum nexu etiam mala moralia et, quae his respondent, physica includit. Verum inde non sequitur, actiones moraliter pravas Deum auctorem incusare posse. Si, quemadmodum fit in mechanicis, entia intellegentia passiva tantum ratione se ad ea haberent, quae ad determinationes et mutationes certas impellunt, non infitior omnium culpam ultimam in Deum machinae architectum devolvi posse. Verum, quae per entium intelligentium et semet ipsa sponte determinandi potestate praeditorum voluntatem confiunt, ex interno sane principio, e consciis appetitibus et electione alterutrius partis secundum arbitrii licentiam profecta sunt. Hinc, quantumvis rerum statu ante actus liberos aliqua ratione constituto, ens illud intelligens tali circumstantiarum implicitum sit nexu, ut mala moralia certo certius ab ipso futura esse constet et praevidere liceat, tamen haec futuritio determinatur talibus rationibus, in quibus voluntaria ipsorum ad pravam partem directio cardo est; et quae ideo peccantibus agere maxime volupe fuit, eorum causam ipsos dicere oportere, et illicitae voluptatis poenam dare aequitati quam perfectissime convenit. Quod autem ad adversationem attinet, qua Deum a peccatis abhorrere sanctitate ipsius procul dubio dignum est, sed parum videtur cum decreto mundi conditi stare posse, quod horum malorum futuritionem incluserit, etiam hic non insuperabilis est, quae quaestionem circumdat, difficultas. Sic enim habeto.
Bonitas Dei infinita in rerum creatarum maximam, quantaquanta in illas cadit, perfectionem mundique spiritualis felicitatem tendit. Eodem vero infinito se manifestandi conatu non perfectioribus tantum, quae postmodum propullularent rationum ordine, eventuum seriebus dedit operam, sed, ne quicquam etiam minoris gradus bonorum desit, ut rerum univeisitas immensitate sua a summo, qui in finita cadit, perfectionis gradu ad inferiores omnes et ad nihilum usque, ut ita dicam, omnia complecteretur, etiam ea delineationem suam irrepere passus est, quae admistis quam plurimis malis saltem quicquam boni, quod Dei sapientia inde eliceret, ad manifestationem divinae gloriae infinita varietate distinguendam suppeditarent. In hoc ambitu ne desideraretur historia generis humani, utut lugubris, tamen ad divinam bonitatem celebrandam etiam in ipsa malorum colluvione infinita testimonia secum gerens, et sapientiam et potentiam et bonitatem perbelle decuit. Neque vero ideo mala ipsa operi inchoato intexta intendisse et consulto elicuisse putandus est. Quippe bona ob oculos habuit, quae subductis rationibus nihilo minus remanere cognovit, quaeque una cum infelici lolio eradicare summa sapientia indignum fuit. Ceterum voluntario et ex intimo mentis affectu a mortalibus peccatum est, rationum antecedentium ordine non invitos urgente et abripiente, sed allectante, quorum irritamentis quanquam certo obsecundatum iri praecognitum fuerit, tamen, cum in interno semet determinandi principio resederit malorum origo, ipsis peccatoribus imputanda esse aperte patet. Neque ideo divinum numen minus a peccatis abhorrere reputandum est, quia iis, concedendo, quodammodo annuerit. Nam ea ipsa malorum, quorum licentia facta erat, strenua allaboratione in melius reducendorum compensatio, quam monendo, minitando, invitando, media suppeditando obtinere annititur, est proprie ille finis, quem ob oculos habuit divinus artifex, quibus itaque cum malorum fruticantes ramos amputet et, quantum salva libertate hominum fieri potest, reprimat, hoc ipso semet pravitatis omnis osorem, quanquam perfectionum, quae nihilo minus elici inde possunt, amatorem patefecit. Sed in viam redeo, ab instituti ratione longius aliquantulum, quam par erat, divagatus.
ADDITAMENTA PROBLEMATIS IX.
P r a e s c i e n t i a e d i v i n a e r e s p e c t u
a c t i o n u m l i b e r a r u m l o c u s n o n e s t,
n i s i d e t e r m i n a t a e o r u m r a t i o n i b u s
s u i s f u t u r i t i o a d m i t t a t u r
Qui principio nostro subscribunt, semper hoc argumentum valide contra impugnatores urserunt. Quare hac opera supersedens ad ea tantum, quae perspicacissimus Crusius in contrarium affert, respondere satago. Iis, qui ita sentiunt, obiicit indignam Deo sententiam, quasi eum ratiociniis uti sibi persuadeant. In qua quidem opinione, si qui sunt, qui secus autumant, lubens in ill. adversarii partes transeo. Etenim ratiociniorum anfractus divini intellectus immensitatem parum decere concedo. Neque enim abstractione notionum universalium earumque combinatione et ad eruendas consequentias facta collatione infinitae intelligentiae opus est. Verum hic asserimus, Deum praevidere ea non posse, quorum antecedenter determinata non est futuritio, non propter inopiam subsidiorum, quibus haud indigere concedimus, sed quoniam impossibilis per se est praecognitio futuritionis, quae plane nulla est, si exsistentia omnino et per se et antecedenter est indeterminata. Per se enim esse indeterminatam, ex contingentia concluditur; antecedenter esse pariter indeterminatam antagonistae contendunt; ergo plane determinationis h. e. futuritionis expers et in se est et a divino intellectu repraesentari necesse est.
Tandem ingenue fatetur laudatus adversarius, hic non nihil remanere incomprehensibile, quod vero, cum ad infinitum contemplatio rediit, cum obiecti eminentia probe consentit. Verum quantumvis fatear, adyta quaedam reconditioris intelligentiae remanere humano mtellectui nunquam reseranda, si in interiorem cognitionem descendere aveas, tamen hic non de modo agitur, sed utrum res ipsa locum habeat, cuius cum oppositae partis sententia repugnantiam inspicere, mortali cognitioni admodum sane proclive est.
I n s t a n t i a r u m c o n f u t a t i o,
q u a s i n d i f f e r e n t i a e a e q u i l i b r i i d e f e n s o r e s
i n s u b s i d i u m v o c a n t
Provocant adversae partis patroni, ut exemplis satisfaciamus, quae adeo aperte voluntatis humanae ad quasvis actiones liberas indifferentiam testari videntur, ut vix quicquam apertius esse posse videatur. Cum p a r i m p a r luditur et fabae manu reconditae coniectando lucrandae sunt, alterutrum proloquimur plane absque consilio et absque ulla deligendi ratione. Hisce gemina in casu principis nescio cuius proferunt, qui alicui pyxidum duarum, ponderis, figurae et speciei per omnia similium, liberam fecit electionem, quarum altera plumbum, altera aurum recondidit, ubi nonnisi citra rationem fieri potuit ad alterutram capessendam determinatio. Similia de pedis dextri aut sinistri indifferenti ad promovendum libertate dictitant. Omnibus uno verbo et quod quidem mihi videtur affatim respondebo. Quando in principio nostro de rationibus determinantibus sermo est, non hic unum vel aliud rationum genus intelligitur, e. g. in actionibus liberis rationes intellectui conscio obversantes, sed utcunque determinetur actio, tamen ratione quadam determinata sit necesse est, si eam fieri opus est. Rationes obiectivae in arbitrii determinatione plane deesse possunt, et motivorum cum conscientia repraesentatorum perfectum potest esse aequilibrium, nihilo tamen minus rationibus adhuc permultis locus superest, quae mentem determinare possunt. Hoc enim ancipiti tali dubitatione solum efficitur, ut res a superiori facultate ad inferiorem, a repraesentatione cum conscientia coniuncta ad obscuras redeat, in quibus ab utravis parte omnia perfecte identica esse vix statuendum est. Tendentia appetitus insiti in ulteriores perceptiones in eodem statu diu haerere mentem non patitur. Variato itaque statu internarum repraesentationum mentem ali- quorsum inclinari necesse est.
PROP. X.
Corollaria quaedam genuina principii rationis determinantis exponere.
1) N i h i l e s t i n r a t i o n a t o, q u o d n o n f u e r i t i n r a t i o n e. Nihil enim est sine ratione determinante, adeoque nihil in rationato, quod non arguat rationem sui determinantem.
Obiici posset, quod, cum rebus creatis adhaereant limites, inde consequeretur, Deo, qui ipsarum continet rationem, eos pariter adhaerere. Respondeo; qui rebus finitis adhaerent limites, pariter limitatam sui rationem in actione creationis divinae arguunt. Limitata enim est actio Dei cieatrix, pro ratione entis limitati producendi. Haec autem actio cum sit determinatio Dei respectiva, quam rebus producendis respondere necesse est, non interna et absolute in ipso intelligibilis, limitationes has Deo interne non competere patet.
2) R e r u m, q u a e n i h i l c o m m u n e h a b e n t, u n a n o n p o t e s t e s s e r a t i o a l t e r i u s. Ad propositionem praemissam redit.
3) N o n a m p l i u s e s t i n r a t i o n a t o, q u a m e s t i n r a t i o n e. Ex eadem liquet regula.
CONSECTARIUM
Quantitas realitatis absolutae in mundo n a t u r a l i t e r non mutatur, nec augescendo nec decrescendo.
DILUCIDATIO
Huius regulae in corporum mutationibus evidentia facillime elucescit. Si e. g. corpus A alterum B percutiendo propellat, vis quaedam, per consequens realitas*, huic accedit. Verum par motus quantitas corpori impingenti detracta est, igitur virium summa in effectu aequiparatur viribus causae. In incursu quidem corporis minoris elastici in maius lex allegata videtur erroris teneri. Sed nequaquam. Corpus enim elasticum m i n u s a m a i o r i, in quod incurrit, repercussum vim quandam in partes oppositas nanciscitur, quae si addatur illi, quam in maius transtulit, summam maiorem quidem efficit quantitate incurrentis, ut constat e mechanicis, at, quae hic dicitur vulgo absoluta, verius respectiva nominanda est. Vires enim hae tendunt in partes diversas; ideoque ex effectibus, quos machinae coniunctim applicatae adeoque et in universo summatim spectatae exserere possunt, aestumatae, summa virium cognoscitur, subtrahendo motus in partes contrarias, quippe eatenus semet utcunque tandem destructuros, et remanet motus centri gravitatis, qui, ut notum ex staticis, post conflictum idem est cum eo, qui fuit ante eundem. Quod omnem motus per resistentiam materiae destructionem attinet, haec regulam dictam tantum abest, ut elevet, ut potius stabiliat. Quae enim causarum consensu e quiete orta est vis, tantundem, quantum accepit, in impedimentorum renitentiam absumendo, ad quietem iterum reducitur, et res manet ut ante. Hinc et motus mechanici perpetuitas inexhausta impossibilis; quippe resistentiis semper aliquam vis suae partem impendens, ut nihilo secius ad semet restaurandum illibata permaneat potestas, regulae huic et sanae rationi pariter adversaretur.
Saepenumero vires ingentes oriri videmus ex infinite parvo causae principio. Scintilla pulveri pyrio iniecta quam immensam vim expansivam conciliat ? seu etiam alibi avido alimento recepta, quanta incendia, urbium ruinas, et ingentium silvarum diuturnas devastationes producit ? Quantam corporum compagem solvit itaque parvula scintillulae unius sollicitatio ! Sed hic quae intus in corporum compage recondita fovetur immensarum virium efficax causa, materia nempe elastica, vel aeris, ut in pulvere pyrio, (secundum Halesii experimenta), vel materiae igneae, ut in combustibili quovis corpore, manifestatur verius minuta sollicitatione, quam producitur. Elastra compressa intus conduntur, et tantillum sollicitata vires exserunt reciproco attractionis et repercussionis nisui proportionales.
Vires certe spirituum et earum ad ulteriores perfectiones perennatura progressio hac lege exemptae esse videntur. Sed, quod mihi quidem persuasum est, eidem adstrictae sunt. Procul dubio infinita, quae semper animae interne praesto est, quanquam obscura admodurn totius universi perceptio, quicquid cogitationibus postmodum maiore luce perfundendis inesse debet realitatis, iam in se continet, et mens attentionem tantummodo postmodum quibusdam advertendo, dum aliquibus parem detrahit gradum, illas intensiori lumine collustrans, maiori in dies potitur cognitione, non ambitum quidem realitatis absolutae extendens, (quippe materiale idearum omnium e nexu cum universo profectum manet idem), sed formale, quod consistit in notionum combinatione et earum vel diversitati vel convenientiae applicata attentione, varie certe permutatur. Quemadmodum paria in corporum vi insita animadvertimus. Motus enim, si recte excutiantur, cum sint non realitates, sed phaenomena, vis autem insita, corporis externi impactu modificata, cum tantundem ex interno efficaciae principio resistat incursui, quantum acquirit in directione impellentis virium, omne in phaenomeno motus virium reale aequipollet illi, quod corpori quiescenti iam insitum erat, quanquam, quae in quiete respectu directionis indeterminata erat interna potestas, impulsu externo tantum dirigatur.
Quae hactenus de impermutabili realitatis absolutae in universo quantitate allegata sunt, ita intelligi debent, quatenus secundum naturae ordinem omnia accidunt. Per Dei enim operam et mundi materialis perfectionem fatiscentem instaurari, intelligentiis coelitus purius, quam per naturam licet, lumen affundi, omniaque in altius perfectionis fastigium evehi posse, quis est, qui ambigere ausit ?
PROP. XI.
Corollaria quaedam adulterina, e principio rationis determinantis parum legitime deducta, allegare ac refellere.
- N i h i l e s s e s i n e r a t i o n a t o, s. quodcunque est, sui habere consequentiam. Vocatur principium consequentiae. Quod, quantum ego quidem scio, Baumgartenium metaphysicorum coryphaeum auctorem agnoscit. A quo quia eadem ratione, qua principium rationis demonstratum est, pari etiam cum illo ruina concidit. Huius principii, si de rationibus cognoscendi sermo tantum est, veritas est salva. Etenim entis cuiuslibet notio vel est generalis, vel individualis. Si prius, quae de generica notione statuuntur omnibus inferioribus sub eadem complexis competere, hinc illam harum rationem continere, concedendum est. Si posterius, quae in nexu quodam huic subiecto competunt praedicata, iisdem positis rationibus semper competere debere concludi potest, et ex casu dato determinat veritatem in similibus, hinc habet rationata cognoscendi. Verum si rationata exsistendi hic subintelligimus, entia hisce in infinitum feracia non esse, vel ex postrema huius commentationis sectione videre licebit, ubi permutationis omnis expertem substantiae cuiuslibet, quae nexu cum aliis exempta est, statum rationibus invictis adstruemus.
- R e r u m t o t i u s u n i v e r s i t a t i s n u l l a m a l i i p e r o m n i a e s s e s i m i l e m. Vocatur principium indiscernibilium, quod latissimo, ut fit, sensu sumptum a vero quam longissime discedit. Duplici potissimum ratione demonstratur. Prior argumentandi ratio admodum praeceps levi saltu obiectum transilit, et ideo vix in censum venire meretur. Hae sunt illae argutiae: quaecunque notis omnibus perfecte conveniunt, neque ullo discrimine dinoscuntur, pro uno eodemque ente liabenda videntur. Hinc omnia perfecte similia non esse nisi unum idemque ens, cui plura loca assignentur; quod cum sanae rationi adversetur, hanc sententiam secum ipsa pugnare contendunt. Sed quis est, qui fucum argutiarum non animadvertat ? Ad perfectam duarum rerum identitatem omnium notarum s. determinationum, tam internarum quam externarum, requiritur identitas. Ab hac omnimoda determinatione ecquisnam exceperit locum ? Ideoque non unum idemque ens sunt, quae, utcunque notis internis convenientia, loco saltem discernuntur. Sed quae principio rationis sufficientis falso accepta fertur demonstratio, hic nobis potissimum excutienda est.
Nihil subesse dictitant rationis, cur Deus duabus substantiis diversa assignaverit loca, si per omnia alia perfecte convenirent. Quales ineptiae ! Miror gravissimos viros hisce rationum crepundiis delectari. Substantiam unam voca A, alteram B. Fac A locum tou B occupare, tum, quia notis internis A plane non discrepat a B, etiam; locurg ipsius obtinens per omnia cum ipso erit identicum, et vocandum erit B, quod antea vocatum est A; cui vero prius nomen erat B, nunc in locum tou A translatum vocandum erit A. Haec enim characterum differentia diversitatem tantum locorum notat. Cedo igitur, utrum Deus aliud quicquam egerit, si secundum tuam sententiam loca determinaverit ? Utrumque perfecte est idem; ideoque permutatio a te conficta nulla est; sed nihili nullam esse rationem perbelle mea quidem sententia convenit.
Adulterina haec lex tota rerum universitate et sapientiae etiam divinae decoro egregie confutatur. Corpora enim, quae dicuntur similaria, aquam, argentum vivum, aurum, salia simplicissima, cet. homogeneis et internis notis perfecte congruere in partibus suis primitivis, et convenit identitati usus atque functionis, cui praestandae sunt destinata, et ex effectibus videndum est, quos semper similes ab iisdem absque ullo notabili discrimine proficisci deprehendimus. Neque hic decet reconditam quandam et sensus effugientem suspicari diversitatem, quasi ut Deus habeat, guo operis sui partes ipse dignoscat; hoc enim esset nodos in scripo quaerere.
Leibnizium, huius principii auctorem, in fabrica corporum organicorum vel in aliorum a simplicitate maxime remotorum textura notabilem semper diversitatem animadvertisse, et recte in omnibus eius generis praesumere posse, concedimus. Neque enim, ubi plura admodum ad componendum quiddam consentire necesse est, pares semper determinationes resultare posse patet. Indo foliorum eiusdem arboris vix par perfecte simile reperias. Sed hic universalitas principii huius metaphysica tantum repudiatur. Ceterum et in figuris corporum naturalium identitatem exemplaris saepenumero reperiri, vix infitiandum videtur. In crystallisationibus v. g. inter infinita diversa non unum atque alterum reperiri perfecta similitudine aliud exscribens, quis est, qui contendere ausit ?
SECTIO III.
BINA PRINCIPIA
COGNITIONIS METAPHYSICAE,
CONSECTARIORUM FERACISSIMA, APERIENS,
E PRINCIPIO RATIONIS DETERMINANTIS FLUENTIA
- PRINCIPIUM SUCCESSIONIS
PROP. XII.
Nulla substantýs accidere potest mutatio, nisi quatenus cum aliis connexae sunt, quarum dependentia reciproca mutuam status mutationem determinat.
Hinc substantia simplex omni nexu externo exempta, sibique adeo solitario relicta, per se plane est immutabilis.
Porro, nexu etiam cum aliis complexa, si haec relatio non mutatur, nulla etiam interni status in ipsa contingere potest permutatio. In mundo itaque motus omnis experte, (quippe motus est nexus permutati phaenomenon), nihil reperietur omnino successionis etiam in interno substantiarum statu.
Hinc nexu substantiarum plane abolito, successio et tem- pus pariter facessunt.
DEMONSTRATIO
Fac, substantiam aliquam simplicem nexu aliarum solutam solitario exsistere; dico nullam status interni permutationem ipsi contingere posse. Cum enim, quae iam competunt substantiae internae determinationes, rationibus internis ponantur cum exclusione oppositi, si aliam determinationem succedere vis, alia tibi ratio ponenda est, cuius cum oppositum sit in internis, et nulla externa ratio accedat, per supposita, illam enti induci non posse, aperte liquet.
I d e m a l i t e r. Quaecunque ratione determinante ponuntur, ea simul cum ipsa poni necesse est; posita enim ratione determinante non poni rationatum, absurdum est. Quaecunque itaque in statu aliquo substantiae simplicis sunt determinantia, cum iis omnia omnino determinata simul sint necesse est. Quia vero mutatio est determinationum successio, s. ubi determinatio quaedam oritur, quae antea non fuit, adeoque ens determinatur ad oppositum cuiusdam, quae ipsi competit, determinationis, haec per ea, quae in substantia intrinsecus reperiuntur, contingere nequit. Si igitur contingit, e nexu externo eam proficisci necesse est.
A d h u c q u o d a m m o d o a l i t e r. Fac, oriri nominatis sub condicionibus mutationem; quia exsistere incipit, cum antea non fuerit, h. e. cum substantia determinata esset ad oppositum, neque accedere sumantur praeter interna, quae aliunde substantiam determinent, ýsdem rationibus, quibus certo modo substantia determinata habetur, determinabitur ad oppositum, quod est absurdum.
DILUCIDATIO
Hanc veritatem, quanquam ab adeo facili et fallere nescia rationum pendeat catena, adeo non animadverterunt, qui philosophiae Wolffianae nomen dant, ut potius substantiam simplicem e principio activitatis interno continuis mutationibus fieri obnoxiam contendant. Equidem ipsorum argumenta probe novi, sed quam ficulnea sint, haud minus mihi persuasum est. Ubi enim arbitrariam definitionem vis ita informarunt, ut id, quod rationem continet m u t a t i o n u m, significet, cum potius rationem continere d e t e r m i n a t i o n u m statuenda sit, pronum certe ipsis erat in errorem prolabi.
Si quis porro scire averet, quonam tandem pacto mutationes, quarum in universo reperitur vicissitudo, oriantur, cum ex internis substantiae cuiuslibet solitario consideratae non fluant, is ad ea, quae per nexum rerum h. e. mutuam ipsarum in determinationibus dependentiam consequuntur, animum velim advertat. Ceterum quia haec fusius hic explicare aliquanto proIixius foret cancellis dissertationis nostrae, rem aliter certe se habere non posse, demonstratione nostra assertum esse sufficit.
USUS
- Realem corporum exsistentiam, quam contra idealistas non alia nisi probabilitatis via tueri hucusque sanior philosophia potuit, ex assertis nostri principii primo liquidissime consequi reperio. Anima nempe internis mutationibus est obnoxia (per sensum internum); quae cum e natura ipsius solitario et extra nexum cum aliis spectata oriri non possint, per demonstrata, plura extra animam adesse necesse est, quibus mutuo nexu complexa sit. Pariter etiam motui externo conformiter perceptionum vicissitudinem contingere ex iisdem apparet, et quia inde consequitur, nos corporis cuiusdam non habituros fore repraesentationem varie determinabilem, nisi adesset re vera, cuius cum anima commercium conformem sibi repraesentationem ipsi induceret, dari compositum, quod corpus nostrum vocamus, inde facile concludi potest.
- Harmoniam praestabilitam Leibnizianam funditus evertit, non, quod plerumque fit, per rationes finales, quae Deum dedecere putantur, quae instabile haud raro subsidium suppeditant, sed interna sui ipsius impossibilitate. Animam quippe humanam, reali rerum externarum nexu exemptam, mutationum interni status plane expertem fore, ex demonstratis immediate consequitur.
- Sententia corporis cuiusdam organici omnibus omnino spiritibus finitis tribuendi inde magnum sortitur certitudinis documentum.
- Dei immutabilitatem essentialem non e ratione cognoscendi, quae ab infinita ipsius natura deprompta est, sed e genuino sui principio deducit. Summum enim numen omnis omnino dependentiae exsors, cum, quae ipsi competunt determinationes, nullo plane externo respectu stabiliantur, status mutatione plane vacare, abunde ex assertis elucet.
SCHOLION
Poterat fortasse cuipiam principium adductum pravitatis suspectum videri, propter indissolubilem nexum, quo anima humana hoc pacto in functionibus internis cogitationum obeundis alligata materiae est, quod a matarialistarum perniciosa opinione non longe remotum videtur. Verum ideo statum repraesentationum animae non adimo, quanquam immutabilem et sibi iugiter simillimum profitear, si nexu externo soluta plane foret. Et quam mihi impingere fortasse quisquam conaretur litem, eam in recentiorum partes ablego, qui conspirante consensu necessariam animae cum corpore quodam organico colligationem uno veluti ore profitentur. Quorum ut unum testem appellem, ill. Crusium nomino, quem in sententiam meam ita penitus euntem animadverto, ut animam illi legi adstrictam aperte asserat, qua conatus in repraesentationes cum conatu substantiae suae in motum quendam externum semper coniunctus sit, adeoque hoc per impedimenta sufflato illum quoque impediri. Quanquam vero hanc legem non ita arbitratur necessariam, ut ea solvi Deo ita volente non possit, tamen quia naturam suam ipsi adstrictam esse concedit, etiam hanc transcreari oportere confitendum ipsi foret.
- PRINCIPIUM COEXSISTENTIAE
PROP. XIII.
Substantiae finitae per solam ipsarum exsistentiam nullis se relationibus respiciunt, nulloque plane commercio continentur, nisi quatenus a communi exsistentiae suae principio, divino nempe intellectu, mutuis respectibus conformatae sustinentur.
DEMONSTRATIO
Substantiae singulae, quarum neutra est causa exsistentiae alterius, exsistentiam habent separatam h. e. absque omnibus aliis prorsus intelligibilem. Posita igitur cuiuslibet exsistentia simpliciter, nihil ipsi inest, quod arguat exsistentiam aliarum a se diversarum. Quoniam vero relatio est determinatio respectiva, h. e. in ente absolute spectato haud intelligibilis, haec pariter ac ratio eius determinans per exsistentiam substantiae in se positam intelligi nequit. Si praeter hanc igitur nihil insuper accesserit, nulla inter omnes relatio nullumque plane commercium foret. Cum ergo, quatenus substantiarum singulae independentem ab aliis habent exsistentiam, nexui earum mutuo locus non sit, in finita vero utique non cadat, substantiarum aliarum causas esse, nihilo tamen minus omnia in universo mutuo nexu colligata reperiantur, relationem hanc a communione causae, nempe Deo, exsistentium generali principio, pendere confitendum est. Quoniam vero inde, quia Deus simpliciter ipsarum stabiliverit exsistentiam, mutuus inter easdem respectus etiam non consequitur, nisi idem, quod exsistentiam dat, intellectus divini schema, quatenus exsistentias ipsarum correlatas concepit, eorum respectus firmaverit, universale rerum omnium commercium huius divinae ideae conceptui soli acceptum ferri, liquidissime apparet.
DILUCIDATIO
Coexsistentiam substantiarum universi ad nexum inter eas stabiliendum non sufficere, sed communionem quandam originis et harmonicam ex hoc dependentiam insuper requiri, primus evidentissimis rationibus adstruxisse mihi videor. Etenim ut nervum demonstrationis aliquantulum resumam: si substantia A exsistit, et exsistit praeterea B, haec ideo in A nihil ponere censeri potest. Fac enim, in A aliquod determinare, hoc est, rationem continere determinationis C; quia haec est praedicatum quoddam relativum, non intelligibile, nisi praeter B adsit A, substantia B per ea, quae sunt ratio tou C, supponet exsistentiam substantiae A. Quoniam vero, si substantia B sola exsistat, per ipsius exsistentiam plane sit indeterminatum, utrum quoddam A exsistere debeat necne, ex exsistentia ipsius sola nan intelligi potest, quod ponat quicquam in aliis a se diversis, hinc nulla relatio nullumque plane commercium. Si igitur Deus praeter substantiam A alias, B, D, E, in infinitum creavit, tamen e data ipsarum exsistentia non protinus sequitur mutua ipsarum in determinationibus dependentia. Neque enim, quia praeter A exsistit etiam B, D, E, et sit A quomodocunque in se determinatum, inde sequitur, ut B, D, E huic conformes habeant exsistendi determinationes. Adeoque in modo communis a Deo dependentiae adsit necesse est ratio dependentiae etiam ipsarum mutuae. Et qua ratione id efficiatur, intellectu proclive est. Schema intellectus divini, exsistentiarum origo, est actus perdurabilis (conservationem appellitant), in quo si substantiae quaevis solitario et absque determinationum relatione a Deo conceptae sunt, nullus inter eas nexus nullusque respectus mutuus oriretur; si vero in ipsivs intelligentia respective concipiantur, huic ideae in continuatione exsistentiae conformiter postea determinationes semet semper respiciunt, h. e. agunt reaguntque, statusque quidam singularum externus est, qui, si ab hoc principio discesseris, per solam ipsarum exsisten- tiam nullus esse posset.
USUS
- Quoniam locus, situs, spatium sunt relationes substantiarum, quibus alias a se realiter distinctas determinationibus mutuis respiciunt, hacque ratione nexu externo continentur; quoniam porro per demonstrata innotuit, solam substantiarum exsistentiam per se nexum cum aliis non involvere: patet, si plures substantias exsistere ponas, inde non simul locum et situm et, quod hisce relationibus omnimodis conflatur, spatium determinari. Sed quia nexus substantiarum mutuus requirit intellectus divini in efficaci repraesentatione respective conceptam delineationem, haec vero repraesentatio Deo plane arbitraria est, adeoque admitti pro ipsius beneplacito pariter ac omitti potest: sequitur, substantias exsistere posse ea lege, u t n u l l o s i n t i n l o c o, nullaque plane, respectu rerum universitatis nostrae, relatione.
- Quoniam substantiae tales, universitatis nostrae nexu solutae, pro lubitu divino plures esse possunt, quae nihilo secius inter se determinationum quodam nexu colligatae sint, hinc locum, situm et spatium efficiant: mundum component illius, cuius partes nos sumus, ambitu exemptum, i. e. solitarium. Hacque ratione plures esse posse mundos etiam sensu metaphysico, si Deo ita volupe fuerit, haud absonum est.
- Cum itaque exsistentia substantiarum simpliciter ad commercium mutuum et determinationum respectus plane sit insufficiens, adeoque nexu externo arguat communem omnium causam, in qua respective informata sit earum ex- sistentia, neque sine hac principii communione nexus universalis concipi possit, evidentissimum inde depromitur summae rerum omnium causae, i. e. Dei, et quidem unius, testimonium, quod mea quidem sententia demonstrationem illam contingentiae longe antecellere videtur.
- Insana etiam Manichaeorum opinio, qui duo principia pariter prima atque a se haud dependentia mundi imperio praeficiebant, nostro principio funditus evellitur. Non enim potest substantia cum rebus universi quicquam habere commercii, nisi vel earum communis sit causa, vel ab eadem cum his causa profecta sit. Ideoque si horum principiorum alterutrum substantiarum omnium causam dictites, alterum nullo modo quicquam in ipsis determinare potest; si alterutrum aliquarum saltem causam, hae cum reliquis nihil habere possunt commercii. Aut tibi statuendum est, unum horum principiorum vel ab altero vel utrumque a
communi causa pendere, quod pariter contrariatur hypothesi.
- Porro, cum determinationes substantiarum se invicem respiciant, h. e. substantiae a se diversae mutuo agant (quippe una in altera nonnulla determinat), spatii notio implicatis substantiarum actionibus absolvitur, cum quibus reactionem semper iunctam esse necesse est. Cuius actionis et reactionis universalis per omnem spatii, in quo corpora se respiciunt, ambitum, si phaenomenon externum sit mutua ipsorum appropinquatio, dicitur a t t r a c t i o, quae cum per solam compraesentiam efficiatur, in distantias quaslibet pertingit, et est a t t r a c t i o N e w t o n i a n a s. universalis gravitas; quam adeoque eodem substantiarum nexu effici probabile est, quo spatium determinant, hinc maxime primitivam, cui materia adstricta est, naturae legem esse, quae nonnisi Deo immediato statore iugiter durat, secundum ipsam eorum sententiam, qui se Newtoni asseclas profitentur.
- Cum substantiarum omnium, quatenus spatio eodem continentur, sit mutuum commercium, hinc dependentia mutua in determinationibus, actio universalis spirituum in corpora corporumque in spiritus inde intelligi potest. Verum quia quaelibet substantia non per ea, quae ipsi interne competunt, potestatem habet alias a se diversas determinandi (per demonstrata), sed tantum vi nexus, quo in idea entis infiniti colligantur, quaecunque in quavis reperiuntur determinationes et mutationes, semper respiciunt quidem externa, sed influxus physicus proprie sic dictus excluditur, et est rerum h a r m o n i a universalis. Neque tamen p r a e s t a b i l i t a illa L e i b n i z i a n a, quae proprie c o n s e n s u m, non d e p e n d e n t i a m mutuam substantiis inducit, inde progignitur; nec enim artificiorum technis in rationum concinnatarum serie adaptatis ad conspirationem substantiarum efficiendam Deus utitur, neque porro specialis semper Dei influxus, i. e. commercium substantiarum per c a u s a s o c c a s i o n a l e s Malebranchii hic statuitur; eadem enim, quae substantias exsistentes reddit et conservat individua actio, mutuam ipsis universalemque dependentiam conciliat, ita ut divinae actioni non aliter atque aliter pro circumstantiis determinari opus sit; sed est realis substantiarum in se invicem facta actio, s. commercium per causas vere efficientes, quoniam idem, quod exsistentiam rerum stabilit, principium ipsas huic legi alligatas exhibet, hinc per eas, quae exsistentiae suae origini adhaerent, determinationes mutuum commercium sit stabilitum; quare eodem iure mutationes externae causis efficientibus produci hoc pacto dici possunt, quo, quae in internis accidunt, internae substantiae vi adscribuntur, quanquam huius naturalis efficacia non minus ac illud relationum externarum firmamentum divina nitatur sustentatione. Interim systema universalis substantiarum commercii ita informatum pervulgato illo i n f l u x u s p h y s i c i aliquanto certe est emendatius, originem scilicet ipsam aperiens mutui rerum nexus, extra substantiarum solitario consideratarum principium quaerendam, in quo tritum illud causarum efficientium systema potissimum a vero aberravit.
SCHOLION
En igitur, Lector benevole, principia duo cognitionis metaphysicae reconditioris, quorum ope in regione veritatum haud contemnenda dicione potiri licet. Qua quidem ratione si haec scientia solerter colatur, non adeo sterile deprehendetur ipsius solum, et quod ipsi intentatur a contemptoribus otiosae et umbraticae subtilitatis opprobrium, cognitionis nobilioris larga messe redarguetur. Sunt quidem, qui, depravatarum consequentiarum in scriptis acerrimi venatores, e sententiis aliorum semper quoddam virus elicere docti sunt. Hos vero fortasse etiam in his nostris nonnulla in peiorem sensum detorquere posse, quanquam non iverim infitias, eos tamen sensu suo abundare passus mearum partium esse reor, non quod cuipiam fortasse perperam iudicare libeat, curare, sed in recto indaginis atque doctrinae tramite pergere, in quo conamine ut faveant, quicunque de litteris ingenuis bene cupiunt, quanta decet observantia, rogo.
FINIS
N E U E E R H E L L U N G
D E R E R S T E N G R U N D S Ä T Z E M E T A P H Y S I S C H E R
E R K E N N T N I S
T I T E L D E R O R I G I N A L A U S G A B E
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NEUE ERHELLUNG
DER ERSTEN GRUNDSÄTZE METAPHYSISCHER ERKENNTNIS,
DIE MIT ZUSTIMMUNG
DER HOCHANSEHNLICHEN PHILOSOPHISCHEN FAKULTÄT
ZUR AUFNAHME IN DIESELBE
IN ÖFFENTLICH STATTFINDENDER ERÖRTERUNG
IM PHIL. HÖRSAAL, AM 27. SEPTEMBER VON 8 – 12 UHR,
VERTEIDIGEN WIRD
MAGISTER IMMANUEL KANT, AUS KÖNIGSBERG.
RESPONDENT:
CHRISTOPH ABBAHAM BORCHARD, AUS HEILIGENBEIL
IN PREUSSEN, DER HL. THEOLOGIE BEFLISSENER.
OPPONENTEN:
JOHANN GOTTFRIED MÖLLER, AUS KÖNIGSBERG,
STUDENT DER HL. THEOLOGIE,
FRIEDRICH HEINRICEI SAMUEL LYSIUS, AUS KÖNIGSBERG,
KANDIDAT BEIDER RECHTE,
UND
JOHANN REINHOLD GRUBE, AUS KÖNIGSBERG,
KANDIDAT BEIDER RECHTE.
IM JAHRE 1755.
DEM HOCHBERÜHMTEN, HOCHWOHLGEBORENEN
UND ALLERTREFFLICHSTEN HERRN,
HERRN
JOHANN VON LEHWALD,
FELDMARSCHALL
DES ERHABENEN KÖNIGS VON PREUSSEN,
DEM HOCHBEDEUTENDEN GOUVERNEUR
DER FESTUNGEN PILLAU UND MEMEL,
HÖCHSTVERDIENSTVOLLEN RITTER
DES BERÜHMTEN SCHWARZEN ADLERORDENS,
WACHSAMSTEN GENERAL DER INFANTRIE,
DEM UNVERGLEICHLICHEN HELDEN,
SEINEM HERRN UND GNÄDIGSTEN GÖNNER
WIDMET DIESE SEITEN ALS BEWEIS SEINER
DANKBARKEIT
UND ANHÄNGLICHKEIT
WEGEN DER IN VIELEN PROBEN ERWIESENEN GÜTE,
MIT DEM GEFÜHLE TIEFSTER ERGEBENHEIT
DER ALLERUNTERTÄNIGSTE DIENER
CHRISTOPH ABRAHAM BORCHARD.
PLAN DES VORHABENS
Ich habe vor, über die ersten Grundsätze unserer Erkenntnis ein Licht, wie ich hoffe, auszubreiten, und da ich meine Gedanken über diesen Gegenstand auf möglichst wenigen Seiten auseinandersetzen will, erspare ich mir geflissentlich weite Umschweife und zeige nur die Nerven und Gelenke der Beweisgründe, wobei ich auf alle Feinheit und Zierlichkeit des Ausdrucks wie auf ein abgelegtes Kleid verzichte. Wenn ich es bei diesem Unternehmen irgendwo für meine Pflicht gehalten habe, von der Meinung berühmter Männer abzuweichen und sie mitunter auch namentlich anzuführen, so bin ich doch von der Billigkeit ihrer Beurteilung so überzeugt, dass ich vertraue, dies werde der Hochachtung, die ihren Verdiensten gebührt, durchaus nicht Abbruch tun und von ihnen keineswegs übel aufgenommen werden können. Da nun einmal im Streit der Meinungen jeder von seiner eigenen Ansicht ganz erfüllt sein darf, und es auch nicht verboten ist, die Beweisgründe anderer nach besonnener Prüfung zu tadeln, wenn es nur ohne Schärfe und Streitlust geschieht, sehe ich auch nirgendwo, dass billige Schiedsrichter dies als den Pflichten der Höflichkeit und Ehrerbietung widersprechend erachteten.
Erstlich werde ich demnach versuchen, das, was gemeinhin von dem höchsten und unbezweifelten Rang des Satzes des Widerspruchs über allen Wahrheiten mehr gutgläubig als zutreffend gesagt wird, auf der Waage einer sorgfältigeren Erforschung zu prüfen und hierauf in Kürze auseinanderzusetzen, was zu diesem Thema richtiger aufzustellen sein dürfte. Dann werde ich alles vorbringen, was zur Verbesserung sowohl des Verständnisses als des Beweises des Satzes des zureichenden Grundes gehört, samt den Schwierigkeiten, die ihn zu erschüttern scheinen, und werde diesen mit starken Beweisgründen entgegentreten, soweit es die Mittelmässigkeit meiner Erkenntniskraft gestattet. Zuletzt werde ich einen bedeutenden Schritt weitergehen und zwei neue Grundsätze von, wie mir wenigstens scheint, nicht unbeachtlicher Bedeutung für die metaphysische Erkenntnis aufstellen, die zwar nicht ursprünglich und ganz einfach, aber deshalb auch dem Gebrauch angepasster und sicherlich von ebenso grosser Tragweite sind wie irgendein anderer. Wer bei einem solchen Versuch einen unbetretenen Pfad beschreitet, kann gar leicht in einen Irrtum verfallen, deshalb bin ich überzeugt, der geneigte Leser werde mit billiger Beurteilung alles von seiner besten Seite nehmen.
ERSTER ABSCHNITT
VOM SATZ DES WIDERSPRUCHS
VORERINNERUNG
Da ich mich in gegenwärtiger Abhandlung vornehmlich der Kürze befleissigen will, halte ich es für dienlicher, die Erklärungen und Grundsätze, die nach weitverbreiteter Erkenntnis als gesichert und mit der gesunden Vernunft übereinstimmend gelten, nicht nochmals hierher abzuschreiben und nicht die Sitte derer nachzuahmen, die, an ich weiss nicht welche methodische Vorschrift sklavisch gebunden, meinen, sie seien nicht methodisch vorgegangen, wenn sie nicht von A bis Z alles, was sie in den Schreinen der Philosophen finden, hergezählt haben. Damit mir dieses absichtliche Tun nicht als Schuld angerechnet werde, habe ich es für billig erachtet, den Leser zuvor daran zu erinnern.
ERSTER SATZ
Einen EINZIGEN, unbedingt ersten, allgemeinen Grundsatz für alle Wahrheiten gibt es nicht.
Ein erster und wahrhaft einziger Grundsatz muss ein einfacher Satz sein; wenn er mehrere andere Sätze unausgesprochen zusammenfasste, täuschte er den Schein eines einzigen Grundsatzes nur vor. Wenn demnach ein Satz wahrhaft einfach ist, muss er entweder bejahend oder verneinend sein. Ich behaupte aber, daŕ er, wenn er eines von beidem ist, nicht allgemein sein und alle Wahrheiten schlechthin unter sich zusammenfassen kann; denn sagt man, er sei b e j a h e n d, so kann er nicht der unbedingt erste Grundsatz für alle verneinenden Wahrheiten sein, oder er sei v e r n e i n e n d, so kann er nicht die bejahenden anführen.
Gesetzt nämlich, er sei ein verneinender Satz; wer sähe da nicht ein, dass, weil alle Wahrheiten aus ihren Gründen entweder direkt oder indirekt folgen, erstlich durch die d i r e k t e Schlussart aus einem verneinenden Grundsatz nur verneinende Folgesätze fliessen können ? Fordert man alsdann, die bejahenden sollten i n d i r e k t daraus fliessen, so wird man einräumen, dass dies nur vermittels des Satzes geschehen kann: a l l e s, d e s s e n G e g e n t e i l f a l s c h i s t, i s t w a h r. Da dieser Satz selber bejahend ist, kann er nicht durch direkte Art des Schliessens aus einem verneinenden Grundsatz fliessen, viel weniger aber indirekt, weil er dann seiner selbst zur Unterstützung bedürfte; daher wird er auf gar keine Art von einem verneinend ausgesagten Grundsatz abhängen. Und da deshalb bejahende Sätze aus einem einzigen bloss verneinenden Grundsatz nicht entstehen können, wird dieser nicht a l l g e m e i n genannt werden können. Ähnlich werden, wenn man als Hauptgrundsatz einen bejahenden Satz aufstellt, verneinende davon gewiss nicht direkt abhängen; indirekt aber wird der Satz nötig sein: w e n n d a s G e g e n t e i l v o n e t w a s w a h r i s t, i s t d i e s e s s e l b s t f a l s c h; das heisst: wenn das Gegenteil von etwas bejaht wird, wird es selbst verneint; da dieser Satz verneinend ist, wird er wiederum auf keine Weise aus einem bejahenden Grundsatz abgeleitet werden können, weder direkt, wie aus sich selbst erhellt, noch indirekt, es sei denn, er würde dabei selbst vorausgesetzt. Wie man es mithin auch bei sich bestimmen mag, man wird den Satz, den ich im Anfang dieses Satzes gefordert habe, nicht ablehnen können: dass es einen einzigen, letzten, allgemeinen Grundsatz für schlechthin alle Wahrheiten nicht geben kann.
ZWEITER SATZ
Es gibt zwei unbedingt erste Grundsätze für alle Wahrheiten, den einen für die bejahenden Wahrheiten, nämlich den Satz: a l l e s, w a s i s t, i s t, den anderen für die verneinenden Wahrheiten, nämlich den Satz: a l l e s, w a s n i c h t i s t, i s t n i c h t. Beide zusammen werden allgemein der Satz der Identität genannt.
Wiederum berufe ich mich auf die zwei Arten des Beweisens, nämlich die direkte und die indirekte. Die erste Schlussart gewinnt die Wahrheit aus der Übereinstimmung der Begriffe des Subjekts und des Prädikats und beruht stets auf der Grundlage dieser Regel: wann immer das Subjekt, sei es an sich oder in Verknüpfung betrachtet, dasjenige setzt, was den Begriff des Prädikats einschliesst, oder dasjenige ausschliesst, was durch den Begriff des Prädikats ausgeschlossen wird, muss man feststellen, dass dieses jenem zukommt; und dasselbe ein wenig deutlicher: wann immer Identität zwischen den Begriffen des Subjekts und des Prädikats angetroffen wird, ist der Satz wahr; was in den allgemeinsten Ausdrücken abgefasst, wie es einem ersten Grundsatz zukommt, so lautet: a l l e s, w a s i s t, i s t, u n d a l l e s, w a s n i c h t i s t, i s t n i c h t. Jede direkte Beweisführung wird also vom Satz der Identität beherrscht werden; was das erste war.
Fragt man nach der indirekten Schlussart, so wird man zuletzt denselben zweifachen Grundsatz zugrundegelegt finden. Denn immer muss man sich auf diese zwei Sätze berufen: 1) alles, dessen Gegenteil falsch ist, das ist wahr, das heisst, alles, dessen Gegenteil verneint wird, das muss bejaht werden; 2) alles, dessen Gegenteil wahr ist, das ist falsch. Der erste dieser Sätze hat die bejahenden Sätze, der zweite die verneinenden zu Folgesätzen. Fasst man den ersteren Satz in den einfachsten Ausdrücken ab, so wird er lauten: a l l e s, w a s n i c h t n i c h t i s t, d a s i s t (denn das Gegenteil wird durch das Wörtchen n i c h t ausgedrückt und die Aufhebung desselben ebenfalls durch das Wörtchen n i c h t). Den letzteren wird man auf folgende Art bilden: a l l e s, w a s n i c h t i s t, i s t n i c h t (denn hier wird wiederum der Ausdruck des Gegenteils durch das Wörtchen nicht und der Ausdruck der Falschheit oder der Aufhebung gleichfalls durch dasselbe Wörtchen bezeichnet). Geht man nun, wie es das charakteristische Gesetz verlangt, dem Sinn der im ersteren Satz enthaltenen Ausdrücke nach, so wird, weil das eine Wörtchen nicht anzeigt, dass das andere aufzuheben sei, nach Tilgung beider der Satz herauskommen: a l l e s, w a s i s t, i s t. Da aber der zweite lautet: a l l e s, w a s n i c h t i s t, i s t n i c h t, so erhellt, dass auch beim indirekten Beweis der zweifache Satz der Identität die Hauptrolle spielt, folglich die letzte Grundlage aller Erkenntnis schlechthin ist.
ERLÄUTERUNG
Hier ist eine zwar kleine, aber nicht ganz unbeachtliche Probe aus der charakteristischen Kombinationskunst; denn die ganz einfachen Ausdrücke, deren wir uns zur Entwicklung dieser Grundsätze bedienen, unterscheiden sich fast in nichts von den Charakteren.1 Um bei dieser Gelegenheit offen zu sagen, was ich von dieser Kunst halte, die Leibniz als seine Entdeckung anpries, und von der dann alle Gelehrten beklagt haben, dass sie mit diesem grossen Mann zugleich begraben sei, so gestehe ich, in diesem Ausspruch des grossen Philosophen das Testament jenes Vaters bei Äsop zu sehen, der sterbend seinen Kindern eröffnet hatte, er habe einen Schatz irgendwo im Acker verborgen, jedoch, bevor er die Stelle angegeben hatte, plötzlich starb, wodurch er den Söhnen Gelegenheit gab, den Acker eifrig zu durchwühlen und umzugraben, bis sie zwar in ihrer Hoffnung getäuscht, doch zweifellos durch die Fruchtbarkeit des Ackers reicher geworden sind. Das dürfte, glaube ich, sicher auch die einzige Frucht sein, die bei der Erforschung dieser gepriesenen Kunst zu erwarten ist, falls jemand es übernehmen wollte, sich ihr zu widmen. Aber wenn ich offen gestehen darf, wie sich die Sache verhält, so fürchte ich, auch dem unvergleichlichen Mann möchte dasselbe widerfahren sein, was der scharfsinnige Boerhaave irgendwo in seiner Chemie von den hervorragendsten Kunststücken der Alchimisten vermutet, dass sie nämlich nach Entdeckung vieler und einzigartiger Geheimnisse schliesslich geglaubt hätten, alles werde in ihrer Macht sein, wenn sie nur erst Hand daran legten, und bei der Schnelligkeit des Voraussehens das als schon geschehen ausgegeben hätten, wovon sie schlossen, dass es geschehen könne, ja geschehen müsse, sobald sie nur ihre Aufmerksamkeit auf seine Ausführung richteten. Allerdings will ich nicht leugnen, dass sich, wenn man zu den unbedingt ersten Grundsätzen gelangt ist, von der charakteristischen Kunst einiger Gebrauch machen lässt, weil man da Gelegenheit hat, die Begriffe und folglich auch die einfachsten Ausdrücke wie Zeichen zu gebrauchen; allein, wo eine zusammengesetzte Erkenntnis mit Hilfe der Charaktere ausgedrückt werden soll, hängt aller Scharfsinn des Geistes plötzlich wie an einer Klippe fest und wird durch die unlösbare Schwierigkeit behindert. Ich finde, dass auch ein namhafter Philosoph wie der berühmte Darjes versucht hat, den Satz des Widerspruchs mit Hilfe von Charakteren wiederzugeben, indem er den bejahenden Begriff durch das Zeichen + A, den verneinenden durch das Zeichen – A ausdrückte, woraus die Gleichung + A – A = 0 hervorgeht, d. h. dasselbe zu bejahen und zu verneinen ist unmöglich oder nichts. Ohne dem grossen Mann zu nahe treten zu wollen, sehe ich, indessen in diesem Versuch zweifellos eine petitio principii. Denn legt man dem Zeichen des verneinenden Begriffs die Kraft bei, den ihm verbundenen bejahenden aufzuheben, so setzt man offensichtlich den Satz des Widerspruchs voraus, in dem festgestellt wird, dass entgegengesetzte Begriffe einander aufheben. Unsere Darstellung des Satzes jedoch: a l l e s, d e s s e n G e g e n t e i l f a l s c h i s t, d a s i s t w a h r, ist von diesem Fehler frei. Denn da er in den einfachsten Ausdrücken abgefasst so lautet: a l l e s, w a s n i c h t n i c h t i s t, d a s i s t, so tun wir, wenn wir die Wörtchen n i c h t aufheben, nichts anderes als ihrer einfachen Bedeutung nachgehen, und es ergibt sich, wie es sein musste, der Satz der Identität: a l l e s, w a s i s t, i s t.
DRITTER SATZ
Der Vorzug des Satzes der Identität, bei der Unterordnung der Wahrheiten den Rang vor dem Satz des Widerspruchs einzunehmen, soll weiter befestigt werden.
Ein Satz, der den Namen eines unbedingt höchsten und allgemeinsten Grundsatzes aller Wahrheiten für sich in Anspruch nimmt, muss erstlich in den einfachsten, alsdann auch in den allgemeinsten Ausdrücken abgefasst sein; dies glaube ich in dem zweifachen Satz der Identität zweifellos zu erkennen. Denn der einfachste aller bejahenden Ausdrücke ist das Wörtchen i s t, der der verneinenden das Wörtchen ist n i c h t. Alsdann kann auch nichts allgemeineres gedacht werden als die einfachen Begriffe. Denn die zusammengesetzteren entlehnen ihr Licht von den einfachen, und weil sie bestimmter als diese sind, können sie nicht so allgemein sein.
Der Satz des Widerspruchs, der in dem Satz ausgedrückt wird: e s i s t u n m ö g l i c h, d a s s d a s s e l b e z u g l e i c h i s t u n d n i c h t i s t, ist der Sache nach nur die Erklärung des U n m ö g l i c h e n; denn alles, was sich widerspricht, oder was als zugleich seiend und nicht-seiend vorgestellt wird, wird unmoglich genannt. Aber auf welche Weise kann man feststellen, dass alle Wahrheiten auf diese Erklärung wie auf einen Probierstein bezogen werden müssen ? Denn es ist weder nötig, jede Wahrheit gegen die Unmöglichkeit des Gegenteils sicher zu stellen, noch ist das, um die Wahrheit zu gestehen, an sich zureichend; denn einen Überschritt von der Unmöglichkeit des Gegenteils zur Behauptung der Wahrheit gibt es nur vermittels des Satzes: a l l e s, d e s s e n G e g e n t e i l f a l s c h i s t, d a s i s t w a h r, der sich also, wie im vorausgehenden gezeigt wurde, mit dem Satz des Widerspruchs in die Herrschaft teilt.
Wem erschiene es schliesslich nicht etwas hart und noch viel schlimmer als ein Paradoxon, gerade einem verneinenden Satz den ersten Platz im Felde der Wahrheiten zu überlassen und ihn als Hauptstütze aller zu begrüssen, da nicht einzusehen ist, warum die verneinende Wahrheit vor der bejahenden dieses Vorrecht geniessen sollte. Wir stellen vielmehr, da es zwei Arten von Wahrheiten gibt, für diese zwei auch einen bejahenden und einen verneinenden ersten Grundsatz auf.
ERLÄUTERUNG
Manchem mag vielleicht diese Untersuchung ebenso spitzfindig und mühsam, wie auch überflüssig und ohne jeden Nutzen erschienen sein. Und wenn man auf die Fruchtbarkeit an Folgerungen schaut, so stimme ich ihm bei. Denn auch wenn die Erkenntniskraft über diesen Grundsatz nicht unterrichtet ist, kann sie gar nicht anders, als ihn allenthalben von selbst und mit einer gewissen Naturnotwendigkeit gebrauchen. Allein, ist es deshalb kein der Untersuchung würdiger Gegenstand, die Kette der Wahrheiten bis zum letzten Gliede zu verfolgen ? Auch darf man es gewiss nicht geringschätzen, auf diese Art einen tieferen Einblick in das Gesetz der Beweisführungen unserer Erkenntniskraft zu gewinnen. Denn daraus, um lediglich dies eine anzuführen, dass all unser Schlussfolgern in der Aufdeckung der Identität zwischen einem Prädikat und einem an sich oder in Verknüpfung betrachteten Subjekt aufgehoben wird, wie aus der letzten Regel der Wahrheiten erhellt, kann man ersehen, dass Gott ein Schlussfolgern nicht nötig hat, denn da seinem Blick alles in klarster Weise offensteht, stellt ein und derselbe Akt der Vorstellung das, was übereinstimmt oder nicht übereinstimmt, vor seinen Verstand hin, und er bedarf auch keiner Zergliederung, wie sie die Nacht, die unser Verstehen verdunkelt, notwendig erfordert.
ZWEITER ABSCHNITT
VOM SATZ DES BESTIMMENDEN, GEMEINHIN
ZUREICHEND GENANNTEN GRUNDES
ERKLÄRUNG
VIERTER SATZ
B e s t i m m e n heisst ein Prädikat mit Ausschluss seines Gegenteils setzen. Was ein Subjekt in Beziehung auf ein Prädikat bestimmt, nennt man den G r u n d. Man unterscheidet einen vorgängig und einen nachträglich bestimmenden G r u n d. V o r g ä n g i g bestimmend ist der, dessen Begriff dem Bestimmten vorhergeht, d. h. ohne dessen Voraussetzung das Bestimmte nicht verstehbar wäre.* N a c h t r ä g l i c h bestimmend ist das, was nicht gesetzt würde, wenn der von ihm bestimmte Begriff nicht schon von anderswoher gesetzt wäre. Den ersteren Grund könnte man auch den Grund w a r u m oder den Grund des Seins oder Entstehens nennen, den letzteren den Grund dass oder des Erkennens.
B e w e i s f ü h r u n g z u r R e a l i t ä t d e r E r k l ä r u n g
Der Begriff des Grundes bewirkt nach allgemeiner Ansicht eine Verknüpfung und Verbindung zwischen Subjekt und Prädikat. Er verlangt deshalb immer ein Subjekt und ein Prädikat, das er mit diesem vereinen kann. Wenn man den Grund des Kreises sucht, so verstehe ich gar nicht, was das sei, wonach man sucht, wenn man nicht ein Prädikat hinzufügt, z. B. er sei von allen Gestalten gleichen Umfanges diejenige, die den grössten Raum beschliesst. Wir suchen z. B. nach dem Grund der Übel in der Welt. Demnach haben wir den Satz: die Welt befasst viele Übel. Es wird nicht der Grund dass oder des Erkennens gesucht, weil die Erfahrung seine Stelle vertritt, sondern es soll der Grund w a r u m oder des Entstehens angezeigt werden, d. h. der gesetzt sein muss, damit zu verstehen ist, dass die Welt vorgängig in Beziehung auf dieses Prädikat nicht unbestimmt ist, sondern durch den das Prädikat der Übel mit Ausschluss seines Gegenteils gesetzt ist. Der Grund also bringt aus Unbestimmtem Bestimmtes zustande. Und da ja alle Wahrheit aus der Bestimmung eines Subjekts durch ein Prädikat zustandekommt, ist der bestimmende Grund nicht nur das Kennzeichen, sondern auch die Quelle der Wahrheit; wollte man sich von dieser entfernen, so wäre zwar sehr viel Mögliches, aber überhaupt nichts Wahres anzutreffen. Deshalb bleibt es für uns unbestimmt, ob der Planet Merkur sich um seine Achse dreht oder nicht, sofern uns der Grund mangelt, der eines von beidem mit Ausschluss des Gegenteils setzte; so lange bleibt beides möglich, denn keines wird in Beziehung auf unsere Erkenntnis als wahr erwiesen.
Um den Unterschied der v o r g ä n g i g und der n a c h t r ä g l i c h bestimmenden Gründe an einem Beispiel zu erläutern, nenne ich die Verfinsterungen der Jupitertrabanten, von denen ich sage, dass sie einen E r k e n n t n i s g r u n d für die allmähliche und in anzeigbarer Geschwindigkeit erfolgte Verbreitung des Lichtes an die Hand geben. Allein, dieser Grund bestimmt diese Wahrheit nur nachträglich, denn wenn auch gar keine Jupitertrabanten vorhanden wären, und es die durch ihre Phasen bewirkte Verdunkelung nicht gäbe, würde sich das Licht doch ebenso in der Zeit bewegen, obwohl uns dies vielleicht nicht bekannt wäre, oder, um mich mehr an die gegebene Erklärung anzulehnen, die Erscheinungen der Jupitertrabanten, die die allmähliche Bewegung des Lichtes beweisen, setzen gerade diese Beschaffenheit des Lichtes voraus, ohne die sie nicht so vorkommen könnten, und deshalb bestimmen sie diese Wahrheit nur nachträglich. Den Entstehungsgrund aber, oder warum die Bewegung des Lichtes mit einem anzeigbaren Zeitaufwand verbunden ist, verlegt man (wenn man der Meinung Descartes’ folgen will) in die Elastizität der elastischen Luftkügelchen1, die nach den Gesetzen der Elastizität einem Stoss ein klein wenig nachgeben, und das durch jedes Kügelchen verbrauchte Zeitteilchen mit einer ungeheuren verketteten Reihe zusammengenommen endlich wahrnehmbar machen. Dies wäre der vorgängig bestimmende Grund oder der, ohne dessen Setzung das Bestimmte gar nicht stattfinden würde. Denn wären die Ätherkügelchen vollkommen hart, so würde man über noch so ungeheure Abstände hin keinen Zeitunterschied zwischen Ausstrahlung und Einwirkung wahrnehmen.
Die Erklärung des berühmten Wolff schien mir hier, da sie an einem auffallenden Fehler leidet, eine Verbesserung nötig zu haben. Er erklärt nämlich den Grund durch dasjenige, von woher man verstehen kann, warum etwas eher sei als nicht sei. Dabei hat er zweifellos das Erklärte mit in die Erklärung gemischt. Denn mag das Wörtchen w a r u m dem gemeinen Verstand auch noch so hinreichend angepasst scheinen, dass man es als in der Erklärung verwendbar ansehen könnte, so schliesst es dennoch den Begriff des Grundes stillschweigend wieder ein. Denn hat man es gehörig geprüft, so wird man finden, dass es dasselbe bedeutet wie a u s w e l c h e m G r u n d e. Deshalb lautet die Wolffsche Erklärung, wenn man dies, wie es sich gehört, an die Stelle des anderen setzt: Grund ist das, woraus man verstehen kann, a u s w e l c h e m G r u n d e etwas eher ist als nicht ist.
Ebenso habe ich es für besser gehalten, anstelle des Ausdrucks z u r e i c h e n d e r G r u n d das Wort b e s t i m m e n d e r G r u n d zu wählen, wobei ich die Zustimmung des berühmten Crusius habe. Denn das Wort z u r e i c h e n d ist, wie derselbe vollauf deutlich macht, zweideutig, weil nicht sofort ersichtlich ist, wie weit er zureicht; bestimmen aber heisst, so zu setzen, dass jedes Gegenteil ausgeschlossen ist, und bedeutet daher das, was mit Gewissheit ausreicht, eine Sache so und nicht anders zu begreifen.
FÜNFTER SATZ
Nichts ist wahr ohnw bestimmenden Grund.
Jeder wahre Satz zeigt an, dass das Subjekt in Beziehung auf das Prädikat bestimmt ist, d. h. dass dieses mit Ausschluss seines Gegenteils gesetzt wird: demnach muss in jedem wahren Satz das Gegenteil des zugehörigen Prädikats ausgeschlossen sein. Ausgeschlossen aber wird ein Prädikat, dem ein anderer gesetzter Begriff widerstreitet, und zwar kraft des Satzes des Widerspruchs. Also findet keine Ausschliessung statt, wo kein Begriff da ist, der dem auszuschliessenden Gegenteil widerstreitet. Demnach ist in jeder Wahrheit etwas, das durch Ausschliessung des gegenteiligen Prädikats die Wahrheit des Satzes bestimmt. Da dies als bestimmender Grund vorkommt, muŕ man feststellen, dass nichts wahr ist ohne bestimmenden Grund.
D a s s e l b e a u f e i n e a n d e r e A r t
Man kann aus dem Begriff des Grundes ersehen, welches von entgegengesetzten Prädikaten denn einem Subjekt zuzuerteilen und von welchem abzusehen ist. Gesetzt, es wäre etwas wahr ohne bestimmenden Grund, so wäre nichts da, aus dem deutlich würde, welches von zwei entgegengesetzten Prädikaten dem Subjekt zuzuerteilen und von welchem abzusehen ist; keines von beiden wird demnach ausgesehlossen, und das Subjekt ist in Beziehung auf beide unbestimmt; für die Wahrheit wäre daher kein Platz, was sich, da man sie doch als vorhanden angenommen hat, als offenbarer Widerstreit zeigt.
ERLÄUTERUNG
Dass die Erkenntnis der Wahrheit immer auf der Anschauung eines Grundes beruht, steht für die allgemeine Ansicht aller Sterblichen fest. Allein, wir sind häufig mit einem nachträglich bestimmenden Grund zufrieden, wenn es uns nur um die Gewissheit geht; aber aus dem angeführten Lehrsatz und der Erklärung zusammen betrachtet wird leicht deutlich, dass es immer einen vorgängig bestimmenden oder, wenn man lieber will, einen hervorbringenden oder wenigstens identischen Grund gibt, sofern ja der nachträglich bestimmende Grund die Wahrheit nicht bewirkt, sondern darstellt. Indessen wollen wir zu den Gründen fortschreiten, die das D a s e i n bestimmen.
SECHSTER SATZ
Dass etwas den Grund seines Daseins in sich selbst habe, ist ungereimt.
Alles nämlich, was den Grund des Daseins einer Sache in sich befasst, ist dessen Ursache. Setzt man mithin, es sei etwas, das den Grund seines Daseins in sich selbst hätte, dann wäre es die Ursache seiner selbst. Da nun aber der Begriff der Ursache von Natur früher ist als der Begriff des Verursachten und dieser spĺter als jener: so wäre dasselbe zugleich früher und spĺter als es selbst, was widersinnig ist.
FOLGERUNG
Mithin ist alles, von dem man sagt, es sei unbedingt notwendig da, nicht wegen eines Grundes da, sondern weil das Gegenteil gar nicht denkbar ist. Diese Unmöglichkeit des Gegenteils ist der Erkenntnisgrund für das Dasein, aber ein vorgängig bestimmender Grund fehlt völlig. E s i s t d a; dies wirklich von ihm gesagt und begriffen zu haben ist genug.
ERLÄUTERUNG
Ich finde freilich, dass in den Lehren neuerer Philosophen sehr oft die Meinung wiederholt wird: dass bei Gott der Grund seines Daseins in ihm selbst gelegen sei; ich aber will ihr meine Zustimmung nicht geben. Diesen guten Männern scheint es nämlich gewissermassen etwas hart, Gott oder dem letzten und vollendetsten Grund der Gründe und Ursachen seinen Grund zu verweigern; und deshalb behaupten sie, weil man ausserhalb seiner keinen anerkennen darf, er liege in ihm selbst beschlossen; aber man kann wohl kaum etwas finden, das von der gesunden Vernunft weiter entfernt wäre als dies. Denn sobald man in der Kette der Gründe zum ersten Grund gelangt ist, erhellt von selbst, dass man Halt macht und die Frage durch die Vollendung der Antwort völlig aufgehoben wird. Ich weiss zwar, dass man sich auf den Begriff selber von Gott beruft, durch den man sein Dasein bestimmt sein lässt, doch ist leicht einzusehen, dass dies in der Vorstellung, nicht in Wirklichkeit geschieht. Man bildet sich den Begriff eines Seienden, in dem die Allheit der Realität ist; dass man ihm bei einem solchen Begriff auch das Dasein zugestehen müsse, ist einzuräumen. Mithin geht die Beweisführung so weiter: wenn in einem Seienden alle Realitäten ohne Grad vereinigt sind, so hat es Dasein; wenn sie nur vereinigt vorgestellt werden, so ist sein Dasein auch nur in der Vorstellung. Also war diese Meinung eher so auszudrücken: wenn wir uns den Begriff eines Seienden bilden, das wir Gott nennen, so haben wir jenen in der Weise bestimmt, dass er auch das Dasein einschliesst. Ist mithin der vorgefasste Begriff wahr, so ist es auch wahr, dass jener da ist; Dies sei für diejenigen gesagt, die der Kartesianischen Beweisführung beistimmen.
SIEBENTER SATZ
Es gibt ein Seiendes, dessen Dasein selbst seiner eigenen und aller Dinge Möglichkeit vorangeht, das demnach als unbedingt notwendig daseiend bezeichnet werden kann. Es wird Gott genannt.
Da es Möglichkeit nur gibt, wenn verbundene Begriffe sich nicht widerstreiten, und so der Begriff der Möglichkeit aus einer Vergleichung hervorgeht; in jeder Vergleichung aber dasjenige, was verglichen werden soll, vorhanden sein muss, und da, wo überhaupt nichts gegeben ist, eine Vergleichung und der ihr entsprechende Begriff der Möglichkeit nicht statthat: so folgt, dass nichts als möglich vorgestellt werden kann, wenn nicht das da wäre, was in jedem möglichen Begriff real ist, und zwar wird es (da, wenn man davon abgeht, es überhaupt nichts Mögliches, d. h. nur Unmögliches gäbe) unbedingt notwendig da sein. Ferner muss diese Realität durchgängig in einem einzigen Seienden vereinigt sein.
Denn gesetzt, diese Realitäten, die gleichsam der Stoff für alle möglichen Begriffe sind, seien auf mehrere daseiende Dinge verteilt anzutreffen, so hätte jedes dieser Dinge ein Dasein das in bestimmter Art eingeschrĺnkt, das heisst mit einigen Beraubungen verbunden wäre; da diesen die unbedingte Notwendigkeit nicht ebenso wie den Realitäten zukommt, sie jedoch zur durchgängigen Bestimmung eines Dinges, ohne die es nicht da sein kann, gehören, würden die auf diese Art eingeschränkten Realitäten zufällig da sein. Zur unbedingten Notwendigkeit wird demnach erfordert, dass sie ohne jede Einschränkung da seien, das heisst, ein unendliches Seiendes ausmachen. Da eine Vielheit dieses Seienden wollte man eine solche erdichten, eine mehrmalige Wiederholung bedeutete und daher eine der unbedingten Notwendigkeit entgegengesetzte Zufälligkeit, muss man feststellen dass nur ein einziges unbedingt notwendig da ist. Demnach gibt es einen Gott und zwar einen einzigen, als den unbedingt notwendigen Grund aller Möglichkeit.
ERLÄUTERUNG
Hier ist der Beweis des göttlichen Daseins, so wesentlich er dafür nur sein kann, und, obschon ein genetischer1 eigentlich nicht stattfindet, doch durch den ursprünglichsten Beleg, nämlich die Möglichkeit selber der Dinge, bewiesen. Hieraus erhellt, dass man, wollte man Gott aufheben, nicht allein das ganze Dasein der Dinge, sondern auch die innere Möglichkeit selber ganz und gar vernichtete. Denn obgleich die Wesenheiten (die in der inneren Möglichkeit bestehen) gemeinhin unbedingt notwendig genannt werden, wäre es doch richtiger zu sagen, dass s i e d e n D i n g e n u n b e d i n g t n o t w e n d i g z u k o m m e n. Denn das Wesen des Dreiecks, das in der Zusammenfügung dreier Seiten besteht, ist nicht an sich notwendig; denn welcher vernünftig denkende Menseh wollte behaupten, dass es an sich notwendig sei, drei Seiten immer als verbunden vorzustellen; aber ich gebe zu, dass dies für ein Dreieck notwendig ist, d. h. wenn man ein Dreieck denkt, denkt man notwendig drei Seiten, was dasselbe ist, als ob man sagt: wenn etwas ist, ist es. Wie es aber kommt, dass dem Denken die Begriffe der Seiten, des zu umgreifenden Raumes usw. zu Gebote stehen, das heisst, dass überhaupt etwas ist, was gedacht werden kann, und von woher dann durch Vereinigen, Einschränken und Bestimmen der Begriff jedes denklichen Dinges entspringt, das könnte man gar nicht begreifen, wenn nicht alles das, was im Begriff real ist, in Gott, dem Quell aller Realität, da wäre. Ich weiss freilich, dass Descartes den Beweis für das göttliche Dasein aus seinem inneren Begriff selbst entlehnt hat, aber wie er sich in dieser Sache getäuscht hat, ist aus der Erläuterung zum vorigen Paragraphen zu ersehen. Gott ist das einzige von allen Seienden, in dem das Dasein das erste oder, wenn man lieber will, mit der Möglichkeit identisch ist. Und sobald man von seinem Dasein abgeht, bleibt von dieser gar kein Begriff.
ACHTER SATZ
Nichts, was zufällig da ist, kann eines Grundes entbehren, der sein Dasein vorgängig bestimmt.
Gesetzt, es entbehrte eines solchen. So wird es ausser seinem Dasein selber nichts geben, was das Ding zum Dasein bestimmte. Da mithin das Dasein nichtsdestoweniger bestimmt ist, d. h. so gesetzt ist, dass jedes Gegenteil seiner durchgängigen Bestimmung völlig ausgeschlossen ist: so wird es keine andere Ausschliessung geben als die, die aus der Setzung des Daseins hervorgeht. Da diese Ausschliessung jedoch identisch ist (denn dass ein Ding nicht da sei, wird nur durch die Aufhebung des Nicht-Daseins verhindert), wird das Gegenteil des Daseins durch sich selber ausgeschlossen, d. h. es wird unbedingt unmöglich sein; d. h. das Ding wird unbedingt notwendig da sein, was der Voraussetzung widerstreitet.
FOLGERUNG
Aus dem Bewiesenen folgt demnach, dass nur das Dasein des Zufälligen der Stütze eines bestimmenden Grundes bedarf, das einzige unbedingt Notwendige indessen von diesem Gesetz ausgenommen ist, und daher der Grundsatz nicht in so allgemeiner Bedeutung zugelassen werden darf, dass er die Gesamtheit alles Möglichen unter seiner Herrschaft zusammenfasste.
ERLÄUTERUNG
Hier ist der Beweis für den Satz des bestimmenden Grundes nun endlich, wenigstens meiner Überzeugung nach, mit allem Licht der Gewissheit erhellt. Es ist hinlänglich bekannt, dass die scharfsichtigsten Philosophen unserer Zeit, unter denen ich ehrenhalber den berühmten Crusius nenne, immer darüber geklagt haben, der Beweis, den man für diesen Grundsatz in allen Schriften über diesen Stoff feilgeboten findet, sei nicht zuverlässig genug. An der Heilung dieses Übels ist der grosse Mann so sehr verzweifelt, dass er ernstlich behauptete, dieser Satz sei eines Beweises gar nicht fähig, wenn man auch einräumen müsse, dass er unstreitig ganz wahr sei. Allein, warum für mich der Beweis dieses Grundsatzes nicht so leicht und bequem war, dass ich ihn mit einem einzigen Beweisgrund ganz hätte vollenden können, wie das gemeinhin versucht wurde, sondern warum es nötig war, durch einigen Umschweif schliesslich die volle Gewissheit zu erlangen, darüber habe ich Rechenschaft abzulegen.
Erstlich nämlich musste ich zwischen dem Grund der Wahrheit und dem des Daseins sorgfältig unterscheiden; obgleich es scheinen konnte, dass die Allgemeinheit des Satzes des bestimmenden Grundes im Felde der Wahrheiten sich gleichfalls über das Dasein erstrecke. Denn wenn nichts wahr ist, d. h. wenn dem Subjekt kein Prädikat ohne bestimmenden Grund zukommt, so folgt auch, dass das Prädikat des Daseins nicht ohne diesen sein wird. Allein, es steht fest, dass zur Befestigung der Wahrheit kein vorgängig bestimmender Grund nötig ist, sondern die zwischen Prädikat und Subjekt bestehende Identität ausreicht. Beim Daseienden jedoch wird nach dem vorgängig bestimmenden Grund gefragt, bei dessen Fehlen das Seiende unbedingt notwendig da ist; wenn aber das Dasein zufällig ist, muss er in jedem Fall vorausgehen, wie ich unumstösslich dargetan habe. Daher ist die Wahrheit, indem sie unmittelbar aus den Quellen geschöpft wurde, wenigstens meinem Urteil nach, reiner zum Vorschein gekommen.
Der berühmte Crusius glaubt allerdings, manches Dasein werde durch seine eigene Wirklichkeit so bestimmt, dass er es für eitel hält, etwas darüber hinaus zu fordern. Titius handelt aus freiem Wollen; ich frage: warum er dies lieber getan als nicht getan habe; er antwortet: weil er gewollt hat. Warum aber hat er gewollt ? Dies zu fragen, behauptet er, sei ungereimt. Wenn man fragt: warum hat er nicht lieber etwas anderes getan ? antwortet er: weil er dies schon tut. Deshalb glaubt er, das freie Wollen sei in Wirklichkeit durch sein Dasein bestimmt, nicht vorgängig durch Gründe, die früher als sein Dasein sind; und er versichert, dass durch die blosse Setzung der Wirklichkeit alle entgegengesetzten Bestimmungen ausgeschlossen seien, folglich ein bestimmender Grund nicht nötig sei. Allein, dass ein zufälliges Ding niemals zureichend bestimmt ist, wenn man den vorgängig bestimmenden Grund verlässt, und daher auch kein Dasein haben kann, werde ich, wenn es erlaubt ist, noch durch einen anderen Beweis zeigen. Der Akt des freien Wollens hat Dasein, dieses Disein schliesst das Gegenteil dieser Bestimmung aus; allein, da er einmal nicht da gewesen ist und sein Dasein an sich nicht bestimmt, ob er einmal gewesen oder nicht gewesen ist, bleibt die Frage, ob er vorher schon da gewesen oder nicht da gewesen ist, durch das Dasein dieses Wollens unentschieden; weil jedoch bei einer durchgängigen Bestimmung diejenige, ob das Seiende angefangen habe oder nicht, auch eine von allen ist, wird das Seiende so lange unbestimmt sein und auch nicht bestimmt werden können, als nicht ausser dem, was dem inneren Dasein zukommt, noch Begriffe beigebracht werden, die unabhängig von seinem Dasein denkbar sind. Da aber dasjenige, was das vorausgehende Nicht-Dasein des daseienden Dinges bestimmt, dem Begriff des Daseins vorhergeht, dasselbe aber, was bestimmt, dass das Daseiende vorher nicht da gewesen sei, es zugleich vom Nicht-Dasein zum Dasein bestimmt (weil die Sätze: warum dasjenige, was jetzt da ist, einmal nicht da gewesen ist, und warum dasjenige, was einmal nicht da gewesen ist, jetzt da ist, in Wirklichkeit identisch sind), d. h. der Grund ist, der das Dasein vorgängig bestimmt, so ist vollauf klar, dass ohne diesen auch eine durchgängige Bestimmung jenes Seienden, das als entstanden vorgestellt wird, und daher auch sein Dasein nicht statthaben kann. Sollte jemandem dieser Beweis wegen der tieferen Zergliederung der Begriffe etwas dunkel zu sein scheinen, so wird er mit dem Vorausgegangenen zufrieden sein können.
Schliesslich will ich kurz darlegen, warum ich glaubte ablehnen zu müssen, mich bei dem vom berühmten Wolff und seinen Nachfolgern ausgeführten Beweis zu beruhigen. Der Beweis dieses berühmten Mannes, wie man ihn von dem scharfsichtigen Baumgarten deutlicher dargelegt findet, läuft, um vieles kurz zusammenzufassen, auf folgendes hinaus. Wenn etwas keinen Grund hätte, so wäre nichts sein Grund; also wäre nichts etwas, was widersinnig ist. Aber der Beweis war eher so darzustellen: wenn das Seiende keinen Grund hat, ist sein Grund nichts, d. h. ein Nicht-Seiendes. Darauf aber verzichte ich mit Freuden, denn wenn es keinen Grund gibt, wäre der ihm entsprechende Begriff der eines Nicht-Seienden; wenn für das Seiende daher nur ein Grund angezeigt werden kann, dem gar kein Begriff entspricht, so wird es eines Grundes völlig entbehren, was auf die Voraussetzung hinauskommt. Daraus folgt nicht das Widersinnige, wovon man glaubte, dass es daraus fliesse. Ich will zum Zeugnis für meine Meinung ein Beispiel geben. Nach dieser Schlussart hätte ich es wagen können zu beweisen: dass der erste Mensch noch von einem Vater gezeugt sei. Denn gesetzt, er sei nicht gezeugt. So wäre nichts, was ihn gezeugt hätte. Mithin wäre er von nichts gezeugt; da sich das widerspricht, muss man einräumen, dass er von jemand gezeugt sei. Es ist nicht schwer, der Falle des Beweises auszuweichen. Wenn er nicht gezeugt ist, hat ihn nichts hervorgebracht. Das heisst, derjenige, der als sein Eneuger gelten sollte, ist nichts oder ein Nicht-Seiendes, was allerdings so gewiss wie nur etwas ist; aber wenn der Satz falschherum gekehrt wird, entsteht eine ganz verdrehte Ansicht.
NEUNTER SATZ
Es sollen die Schwierigkeiten aufgezählt und aufgelöst werden, die den Satz des bestimmenden oder gemeinhin zureichend genannten Grundes zu beschweren scheinen.
Man darf mit Recht annehmen, dass der sehr ehrenwerte und scharfsinnige Crusius, von dem ich bekenne, dass er unter den deutschen, ich will nicht sagen Philosophen, aber doch Förderern der Philosophie kaum einem nachsteht, den Zug der Gegner dieses Satzes anführen und allein die Rolle aller auf sich nehmen kann.* Wenn die Untersuchung seiner Einwände für mich günstig ausfällt (was die Verteidigung einer guten Sache zu versprechen scheint), darf ich wohl glauben, alle Schwierigkeiten überwunden zu haben. Erstlich wirft er der Fassung dieses Grundsatzes Zweideutigkeit und schwankenden Sinn vor. Denn er bemerkt riehtig, dass der Erkenntnisgrund, ebenso der moralische Grund und andere vorgestellte Gründe wiederholt anstelle realer und vorgängig bestimmender gebraucht werden, so dass er häufig schwer verstehen könne, welcher von beiden gemeint sei. Diesen Pfeil brauchen wir nicht abzuwehren, weil er unsere Behauptungen nicht trifft. Wer alle unsere verschiedenen Behauptungen prüft, wird sehen, dass ich den Grund der Wahrhat vom Grund des Wirklichseins sorgfältig unterscheide. Bei dem ersteren handelt es sich nur um diejenige Setzung des Prädikats, die durch die Identität derjenigen Begriffe, die in dem an sich oder in Verknüpfung betrachteten Subjekt eingeschlossen sind, mit dem Prädikat bewirkt wird, und das Prädikat, das dem Subjekt schon anhängt, wird nur aufgedeckt. Bei dem letzteren wird in Bezug auf dasjenige, was schon darin gesetzt ist, geprüft, nicht ob, sondern woher sein Dasein bestimmt sei; wenn ausser der unbedingten Setzung jenes Dinges nichts vorhanden ist, was das Gegenteil ausschliesst, so muss man feststellen, dass es an sich und unbedingt notwendig da sei; wenn man jedoch annimmt, es sei zufällig, so muss anderes vorhanden sein, was das Dasein des Gegenteils schon vorgängig ausschliesst, indem es so und nicht anders bestimmt. Soviel über unseren Beweis überhaupt.
Eine grössere Gefahr droht den Verteidigern dieses Grundsatzes gewiss von jenem Einwand des berühmten Mannes, in dem er uns mit beredten Worten und Beweisen von nicht unbeachtlicher Stärke zum Vorwurf macht, wir setzten die unwandelbare Notwendigkeit aller Dinge und das Fatum der Stoiker wieder in ihre alten Rechte ein, ja wir machten alle Freiheit und Moralität zunichte. Ich will seinen Beweis, der zwar nicht ganz neu ist, von ihm jedoch ausgeführter und eindringlicher vorgetragen wurde, so bündig wie möglich, aber in unverminderter Stärke anführen.
Wenn alles, was geschieht, nur geschehen kann, wenn es einen vorgängig bestimmenden Grund hat, so folgt, dass a l l e s, w a s n i c h t g e s c h i e h t, a u c h n i c h t g e s c h e h e n k a n n, weil offenbar kein Grund vorhanden ist, ohne den es doch überhaupt nicht geschehen kann. Weil dies von allen Gründen der Gründe in rückwärtsgehender Ordnung eingeräumt werden muss, so folgt: dass alles in natürlicher Verbindung so verkettet und verflochten geschieht, dass, wer das Gegenteil einer Begebenheit oder auch einer freien Handlung wünscht, in seinem Wunsch Unmögliches vorstellt, weil der Grund, der zu seiner Hervorbringung erfordert wird, eben nicht vorhanden ist. Und indem man so die unbiegsame Kette der Begebenheiten durchgeht, die, wie Chrysipp sagt, einmal gewollt hat und sich durch die ewigen Ordnungen der Folgen schlingt, ist endlich in dem ersten Zustand der Welt, der unmittelbar Gott als den Urheber kundgibt, der letzte und an Folgen so fruchtbare Grund der Begebenheiten völlig erreicht, und da dieser gesetzt ist, leitet sich eines aus dem anderen durch die nachfolgenden Zeiten nach immer beständigem Gesetz ab. Jene geläufige Unterscheidung zwischen unbedingter und hypothetischer Notwendigkeit, durch die die Gegner wie durch eine Ritze zu entkommen glauben, bekämpft der berühmte Mann; doch ist sie offensichtlich viel zu belanglos, um die Bedeutung und Wirksamkeit der Notwendigkeit zu brechen. Denn was liegt daran, ob das Gegenteil einer durch vorausgehende Gründe genau bestimmten Begebenheit, wenn man es an sich betrachtet, vorstellbar ist, da doch dies Gegenteil nichtsdestoweniger in Wirklichkeit nicht werden kann, da die Gründe, die es zum Dasein braucht, nicht vorhanden, ja die gegenteiligen vorhanden sind ? Nun sagt man: das Gegenteil der für sich genommenen Begebenheit kann aber doch gedacht werden und ist deshalb auch möglich. Aber was dann ? Es kann dennoch nicht werden, weil durch die Gründe, die schon da sind, hinlänglich gesichert ist, dass es niemals wirklich wird. Man nehme ein Beispiel. Caius hat einen Betrug begangen. So wie Caius durch seine ursprünglichen Bestimmungen war, sofern er nämlich ein Mensch ist, stand Aufrichtigkeit nicht in Widerstreit zu ihm; das gebe ich zu. Aber so, wie er jetzt bestimmt ist, widerstreitet sie ihm allerdings, denn in ihm sind Gründe vorhanden, die das Gegenteil setzen, und man kann ihm Aufrichtigkeit nicht zusprechen, ohne die ganze Ordnung der verbundenen Gründe bis auf den ersten Zustand der Welt zu verwirren. Nun, wir wollen hören, was der berühmte Mann hieraus weiter schliesst. Der bestimmende Grund bewirkt nicht nur, dass diese Handlung vornehmlich geschieht, sondern, dass an ihrer Stelle keine andere eintreten kann. Also ist alles, was in uns geschieht, in seiner Folge so von Gott vorhergesehen, dass gar nichts anderes folgen kann. Also betrifft uns eine Anrechnung unserer Taten nicht; sondern die eine Ursache von allem ist Gott, der uns an solche Gesetze gebunden hat, dass wir auf jeden Fall das bestimmte Schicksal erfüllen. Ergibt sich so nicht, dass keine Sünde Gott missfallen kann ? weil da, wo eine geschieht, zugleich bezeugt wird, dass die von Gott befestigte Reihe der verbundenen Dinge nichts anderes zulässt.Was tadelt Gott denn also die Sünder wegen der Handlungen, da doch schon vom ersten Ursprung der Welt an vorgesehen war, dass sie sie ausführen müssten ?
W i d e r l e g u n g d e r E i n w ä n d e
Wenn wir die hypothetische, insbesondere die moralische Notwendigkeit von der unbedingten unterscheiden, dann geht es hier nicht um die Kraft und Wirksamkeit der Notwendigkeit, ob nämlich eine Sache in dem einen Fall mehr oder weniger notwendig sei als im anderen, sondern es wird nach dem die Notwendigkeit bewirkenden Grund gefragt, nämlich woher die Sache notwendig sei. Freilich räume ich gern ein, dass einige Anhänger der Wolffschen Philosophie hier einigermassen vom wahren Sinn abweichen, so dass sie die Überzeugung vertreten, dasjenige, was durch die Kette der sich hypothetisch bestimmenden Gründe gesetzt ist, sei noch ein wenig von der vollständigen Notwendigkeit entfernt, weil es keine unbedingte Notwendigkeit habe. Ich aber stimme dem berühmten Gegner darin bei, dass die abgenutzte, in aller Munde befindliche Unterscheidung die Kraft der Notwendigkeit und die Gewissheit der Bestimmung nicht recht aufhebt. Denn wie nichts w a h r e r a l s w a h r und nichts g e w i s s e r a l s g e w i s s vorgestellt werden kann, so auch nichts b e s t i m m t e r a l s b e s t i m m t. Die Begebenheiten der Welt sind so gewiss bestimmt, dass das göttliche Vorherwissen, das sich nicht irren kann, sowohl ihr künftiges Bestehen1 als auch die Unmöglichkeit des Gegenteils mit gleicher Gewissheit entsprechend der Verknüpfung der Gründe erkennt, als wenn das Gegenteil durch ihren unbedingten Begriff ausgeschlossen würde. Aber der Angelpunkt der Frage ist hier nicht wie sehr, sondern woher das künftige Bestehen des Zufälligen notwendig sei. Wer wollte bezweifeln, dass der Akt der Weltschöpfung in Gott nicht schwankend, sondern gewiss so bestimmt ist, daà das Gegenteil Gottes unwürdig wäre, d. h. ihm gar nicht zukommen kann ? Nichtsdestoweniger ist der Akt frei, weil er durch solche Gründe bestimmt ist, die nicht von einer blinden Wirksamkeit der Natur ausgehen, sondern die Beweggründe seines unendlichen Verstehens einschliessen, sofern diese den Willen mit grösster Gewissheit lenken. So wird auch bei den Menschen in den freien Handlungen, sofern sie als bestimmt betraehtet werden, zwar das Gegenteil ausgeschlossen, aber nicht durch Gründe, die ausserhalb des Begehrens und der freien Neigungen des Subjekts gesetzt sind, als ob der Mensch gleichsam gegen seinen Willen von einer unausweichlichen Notwendigkeit zur Ausführung der Handlungen gezwungen würde; sondern die Handlungen werden in dieser Hinneigung des Wollens und Begehrens selber, sofern sie den Lockungen der Vorstellungen gern gehorcht, in einer zwar gewissen, aber freiwilligen Verknüpfung nach einem feststehenden Gesetz bestimmt. Nicht eine Verschiedenheit der Verknüpfung und Gewissheit ist es, die den Unterschied zwischen physischen Handlungen und solchen, die sich moralischer Freiheit erfreuen, ausmacht, als ob diese allein in ihrem künftigen Bestehen zweifelhaft und von der Verbindung der Gründe ausgenommen seien und einen unbeständigen und unsicheren Grund des Entstehens hätten; denn auf diese Art wären sie als Vorzüge der Verstandeswesen zu wenig empfehlenswert. Sondern um das Merkmal der Freiheit zu erkennen, kommt alles auf die Art an, in der die Gewissheit der Handlungen durch ihre Gründe bestimmt wird; denn sie werden nur durch die an den Willen herangebrachten Beweggründe des Verstandes hervorgelockt, während dagegen in vernunftlosen oder physiko-mechanischen Handlungen alles äusseren Anreizen und Antrieben entsprechend, ohne irgendeine freie Neigung der Willkür, notwendig gemacht wird. Es wird allgemein zugestanden, dass das Vermögen, Handlungen zu verüben, sich nach beiden Seiten hin gleichmässig verhält und allein durch die Neigung des Wohlgefallens zu den Lockungen, die sich den Vorstellungen darbieten, bestimmt wird. Je gewisser die Natur des Menschen an dieses Gesetz gebunden ist, desto grösserer Freiheit erfreut er sich, und seine Freiheit gebrauchen heisst auch nicht, sich in ungebundenem Drang irgendwohin zu den Gegenständen treiben lassen. Du sagst, er handelt aus keinem anderen Grund, als weil es ihm so am meisten b e l i e b t e. Schon halte ich dich durch dein eigenes Geständnis gefangen. Denn was ist Belieben anderes als die Neigung des Willens, die, der Lockung des Gegenstandes entsprechend, mehr nach dieser als nach der entgegengesetzten Seite erfolgt ist; also kennzeichnet dein es b e l i e b t oder es ist angenehm eine durch innere Gründe bestimmte Handlung. Denn das Belieben ist es, was deiner Meinung nach die Handlung bestimmt; das ist jedoch nichts anderes als die Befriedigung desWillens durch einen Gegenstand je nach der Art der Lockung, durch die er den Willen einlädt. Also ist es eine beziehungsweise gesetzte Bestimmung; dass bei dieser eines angenehmer sein soll, auch wenn man setzt, der Wille werde gleichmässig angelockt, ist dasselbe wie, es solle gleichzeitig in gleicher Weise und nicht in gleicher Weise gefallen, was einen Widerstreit einschliesst. Es kann aber der Fall eintreten, wo die Gründe, die den Willen nach einer von beiden Seiten neigen, sich dem Bewusstsein ganz entziehen, er aber nichtsdestoweniger an eine von beiden gebunden wird; allein, dann geht die Sache von dem höheren Erkenntnisvermögen auf das niedere zurück, und die Erkenntniskraft wird durch das nach einer von beiden Seiten gewendete Übergewicht der dunklen Vorstellungen (dessen wir im Folgenden weitläufiger Erwähnung tun werden) in irgendeine Richtung gelenkt.
Ich möchte, wenn es so genehm ist, den weitbekannten Streit in einem kurzen Gespräch zwischen Caius, als dem Verteidiger einer Gleichgültigkeit wie beim Gleichgewicht, und Titius, als dem Vertreter des bestimmenden Grundes, beleuchten.
C a i u s. Mein bisheriger Lebenslauf erregt mir zwar Gewissensbisse, doch bleibt mir, wenn man deiner Lehre glauben darf, dieser eine Trost übrig, dass die Schuld an den begangenen Taten nicht auf mich fällt, denn da ich durch die Verknüpfung der Gründe, die einander vom Ursprung der Welt an bestimmen, gefesselt war, musste ich doch tun, was ich getan habe, und jeder, der mir jetzt die Fehler vorhält und vergeblich den Vorwurf erhebt, ich hätte einen anderen Lebenswandel führen sollen, handelt ebenso ungereimt, als wenn er forderte, ich hätte den Fluss der Zeit zum Stehen bringen sollen. T i t i u s. Lass hören ! welch eine Reihe von Gründen ist denn das, die dich, wie du klagst, gebunden hat ? Hast du nicht alles, was du getan hast, gern getan ? Störte dich, wenn du sündigen wolltest, nicht das schweigende Abmahnen des Gewissens und die Gottesfurcht, die dich innerlich an das Unrecht erinnerte ? Hat es dir nicht nichtsdestoweniger mehr behagt zu trinken, zu spielen, der Venus zu opfern und was es noch anderes dieser Art gibt ? Oder bist du jemals gegen deinen Willen zum Sündigen genötigt worden ? C a i u s. Das will ich gar nicht in Abrede stellen. Ich fühle wohl, dass ich nicht widerstrebend und im entschlossenen Ringen mit den Lockungen, gleichsam mit Gewalt an der Kehle gepackt, auf Abwege gezogen worden bin. Mit Wissen und Willen habe ich mich den Lastern ergeben. Allein, woher ist mir diese Neigung des Willens zum Schlechten zuteil geworden ? War nicht schon, bevor es eintrat, wenn auch göttliche wie menschliche Gesetze den Zögernden auf ihre Seite einluden, durch die Summierung der Gründe bestimmt, dass ich mich eher zum Schlechten als zum Guten neigen würde ? Das Begründete zu hindern, wenn die Angelegenheit schon in allen Stücken vollständig gesetzt ist, wäre das nicht dasselbe wie Geschehenes ungeschehen zu machen ? Nun ist aber doch jede Neigung meines Willens deiner Meinung nach durch einen vorausgehenden Grund vollkommen bestimmt und dieser wieder durch einen früheren und in dieser Weise bis zum Anfang aller Dinge. T i t i u s. Nun denn, ich will dir deine Besorgnisse schon nehmen. Die Reihe der verbundenen Gründe hat bei jedem Glied einer auszuführenden Handlung Beweggründe an die Hand gegeben, die nach jeder Seite hin lockten; einem von ihnen hast du dich deswegen mit Willen ergeben, weil es dir angenehm war, lieber so als anders zu handeln. Du aber sagst, es war schon durch die Summierung der Gründe bestimmt, dass ich mich auf eine bestimmte Seite neigen würde. Doch bedenke bitte, ob nicht zum vollendeten Grund der Handlung die freiwillige Hinneigung deines Willens zu den Lockungen des Gegenstandes erfordert war. C a i u s. Hättest du doch nicht f r e i w i l l i g gesagt; sie hat sich doch nicht anders als auf diese Seite neigen können. T i t i u s. Weit gefehlt, dass dies die Freiwilligkeit aufhebt, macht es sie vielmehr ganz gewiss, wenn sie nur in der richtigen Bedeutung genommen wird. Denn F r e i w i l l i g k e i t ist eine aus einem i n n e r e n G r u n d entsprungene Handlung. Wenn diese der Vorstellung des Besten entsprechend bestimmt ist, heisst sie F r e i h e i t. Je gewisser man sagen kann, dass einer diesem Gesetz gehorcht, je mehr er demnach nach Setzung aller Beweggründe zum Wollen bestimmt ist, desto freier ist der Mensch. Aus deiner Beweisführung fliesst nicht, dass die Freiheit durch die Kraft der vorgängig bestimmenden Gründe gebrochen wird. Denn dein Geständnis, dass du nicht gegen deinen Willen, sondern nach Belieben gehandelt hast, überführt dich hinlänglich. Daher ist deine Handlung nicht u n v e r m e i d l i c h gewesen, wie du zu unterstellen scheinst, denn du hast dich nicht bemüht, sie zu vermeiden, sondern sie ist u n t r ü g l i c h der Hinneigung deines Begehrens zu den so gestalteten Umständen gemäss gewesen. Und dies legt dir grössere Schuld auf. Denn du hast so heftig begehrt, dass du dich nicht von dem Plan hast abbringen lassen. Aber ich will dich mit deinen eigenen Waffen schlagen. Sage mir, auf welche Art glaubst denn du, dass der Begriff der Freiheit nach deiner Meinung treffender gebildet werden sollte ? C a i u s. Ich meine, wenn man alles das verbannt, was es an Verkettung von Gründen gibt, die sich durch feststehenden Ausgang bestimmen, wenn man eintäumt, der Mensch verhalte sich in jeder freien Handlung nach jeder von beiden Seiten gleichgültig und könne, wenn aueh alle nur vorstellbaren nach irgendeiner Seite hin bestimmenden Gründe gesetzt sind, dennoch wählen, was er will, dann würde ich schliesslich zugeben, die Freiheit wäre gut dargestellt worden. T i t i u s. Gott bewahre ! Wenn irgendein göttliches Wesen zuliesse, dass dir dieser Wunsch erfüllt würde, was wärest du dann allezeit für ein unglücklicher Mensch. Nimm an, du hättest bei dir beschlossen, den Pfad der Tugend zu beschreiten. Nimm an, die Erkenntniskraft sei sowohl durch die Gebote der Religion, wie auch durch alles andere, was zur Stärkung des Entschlusses wirkungsvoll ist, schon wohl befestigt. Jetzt kommt die Gelegenheit zu handeln. Sogleich wirst du zum Schlechten abgleiten, denn die Gründe, die dich einladen, bestimmen dich nicht. Ich glaube zu hören, wieviel mehr Klagen du noch vorbringen wirst. Ach, welch unheilvolles Geschick hat mich plötzlich vom heilsamen Entschluss abgebracht ! Was nützt es, sich um die Gebote der Tugend zu bemühen; durch Zufall geschehen die Handlungen, nicht durch Gründe werden sie bestimmt ! Ich beschwere mich zwar nicht, sagst du, über den unfreiwilligen1 Zwang eines Schicksals, das mich fortreisst, aber ich verabscheue jenes Unerklärliche, das mir den Fehltritt zum Schlechtesten nahelegt. O Schande ! Woher kommt mir jenes verabscheuenswürdige Begehren gerade nach der Seite des Schlimmsten, das sich doch ebenso leicht zur entgegengesetzten hat neigen können ? C a i u s. Also ist es ebenso aus mit aller Freiheit. T i t i u s. Du siehst, wie ich deine Truppen in die Enge getrieben habe. Mach dir keine falschen Vorstellungen; denn du empfindest dich als frei, aber du darfst für die Freiheit nicht einen Begriff erdichten, der mit der gesunden Vernunft nicht recht in Einklang steht. Frei handeln heisst in Übereinstimmung mit seinem Begehren und zwar mit Bewusstsein handeln. Und dies wird durch das Gesetz des bestimmenden Grundes nicht ausgeschlossen. C a i u s. Obwohl ich kaum weiss, was ich dir entgegenhalten könnte, scheint mir doch der innere Sinn deiner Meinung zu widersprechen. Denn nimm einen Fall von geringer Bedeutung, so bemerke ich, wenn ich auf mich selbst achte, dass es mir freisteht, mich nach beiden Seiten zu neigen, so dass ich hinreichend überzeugt bin, dass die Richtung meiner Handlung nicht durch eine vorausgehende Reihe von Gründen bestimmt war. T i t i u s. Ich will dir die stillschweigende Fälschung der Erkenntniskraft aufdecken, die dir das Blendwerk einer Gleichgültigkeit wie beim Gleichgewicht vormacht. Das natürliche Begehrungsvermögen, das der menschlichen Erkenntniskraft eingepflanzt ist, richtet sich nicht nur auf Gegenstände, sondern auch auf die verschiedenen Vorstellungen, die dem Verstand vorschweben können. Sofern wir uns demnach selbst als die Urheber der Vorstellungen, die im gegebenen Fall die Beweggründe der Wahl in sich begreifen, empfinden, so dass wir ausgezeichnet imstande sind, ihnen unsere Aufmerksamkeit zu widmen, zu entziehen oder sie anderswohin zu wenden, und uns infolgedessen bewusst sind, nicht allein in Übereinstimmung mit unserem Begehren nach den Gegenständen zu streben, sondern auch die objektiven Gründe selbst nach Belieben mannigfach vertauschen zu können, insofern können wir uns kaum enthalten anzunehmen, die Hinneigung unseres Willens sei von jedem Gesetz frei und ohne feste Bestimmung. Allein, wenn wir uns bemühen, richtig zu empfinden, dass im gegebenen Fall die Aufmerksamkeit in dieser und nicht in einer anderen Richtung auf die Verbindung der Vorstellungen gerichtet ist, weshalb wir wohl, da die Gründe von einer Seite locken, gleich darauf, um die Freiheit wenigstens auf die Probe zu stellen, die Aufmerksamkeit nach der entgegengesetzten Seite wenden und dieser damit ein Übergewicht geben, dass folglich das Begehren s o u n d n i c h t a n d e r s g e l e n k t w i r d, so werden wir uns leicht überzeugen können, dass Gründe, die bestimmen, gewiss vorhanden sein müssen. C a i u s. Ich gestehe, dass du mich in viele Schwierigkeiten verwickelt hast, aber du wirst, dessen bin ich gewiss, durch nicht geringere behindert. Auf welche Weise, glaubst du, kann das bestimmte künftige Bestehen der Übel, deren letzte und bestimmende Ursache schliesslich Gott ist, mit seiner Güte und Heiligkeit vereinbart werden ? T i t i u s. Damit wir die Zeit nicht nutzlos mit eitlen Debatten zubringen, will ich die Bedenken, die dich im Ungewissen sein lassen, in wenigen Worten darlegen und den Knoten der Zweifel auflösen. Da die Gewissheit aller Begebenheiten, der physischen sowohl wie der freien Handlungen, bestimmt ist, das Folgende im Vorausgehenden, das Vorausgehende im noch weiter Vorhergehenden und so in verketteter Verknüpfung in immer früheren Gründen, bis der erste Zustand der Welt, der unmittelbar Gott als Urheber kundgibt, gleichsam die sprudelnde Quelle ist, aus der alles mit unfehlbarer Notwendigkeit durch das geneigte Flussbett abgeleitet wird: daher glaubst du, dass man Gott ganz deutlich als den Uiheber des Übels bezeichnen könne, dass er auch das Gewebe, das er selbst begonnen hat, und das in Übereinstimmung mit seinem ersten Muster durch die künftigen Jahrhunderte kommender Zeiten weitergewebt wird, nicht hassen könne, und dass er wohl die dem Werk eingewebten Sünden nicht mit so grosser Entrüstung, wie sie bei seiner Heiligkeit recht ist, verfolgen könne, sofern ja schliesslich die Schuld auf ihn selbst als den ersten Urheber aller Übel zurückfällt. Dies sind die Zweifel, die dich bedrängen; nun will ich ihre Nebel zerteilen. Gott hat, indem er den Uranfang der Gesamtheit der Dinge schuf, die Reihe begonnen, die in der festen Verknüpfung der in enger Verkettung miteinander verbundenen Gründe auch die moralischen Übel und die ihnen entsprechenden physischen einschliesst. Allein, daraus folgt nicht, dass man Gott beschuldigen kann, der Urheber der moralisch schlechten Handlungen zu sein. Wenn, wie das im Felde der Mechanik geschieht, die Verstandeswesen sich zu dem, was zu gewissen Bestimmungen und Änderungen antreibt, nur passiv verhielten, dann leugne ich nicht, dass die letzte Schuld an allem auf Gott als den Erbauer der Maschine abgewälzt werden könnte. Allein, was durch den Willen der mit Verstand und dem Vermögen der freien Selbstbestimmung begabten Wesen geschieht, das ist natürlich aus einem inneren Grund, aus bewusstem Begehren und der Wahl einer von beiden Seiten gemäss der Freiheit der Willkür hervorgegangen. Wie sehr daher auch der Zustand der Dinge vor den freien Handlungen durch irgendwelche Gründe bestimmt sein und jenes Verstandeswesen in einer solchen Verknüpfung der Umstände eingeschlossen sein mag, so dass es mehr als sicher ist und man voraussehen kann, dass von ihm her moralische Übel kommen werden, so wird dies künftige Bestehen doch durch solche Gründe bestimmt, bei denen die eigene freiwillige Richtung zum Schlechten das Entscheidende ist; und was deshalb den Sündigenden am angenehmsten zu tun war, dessen Ursache muss man sie nennen, und dass sie für die unerlaubte Lust büssen müssen, entspricht so vollkommen wie möglich der Billigkeit. Was aber den Abscheu betrifft, mit dem sich Gott in seiner Heiligkeit zweifellos, wie es angemessen ist, von den Sünden abwendet, der sich aber mit einem Beschluss der Weltschöpfung, der das künftige Bestehen dieser Übel eingeschlossen hätte, nicht recht zu vertragen scheint, so ist auch hier die Schwierigkeit, die die Frage umgibt, nicht unüberwindlich. Denn man muss das so nehmen.
Die unendliche Güte Gottes strebt nach der grössten Vollkommenheit der geschaffenen Dinge, die in ihnen immer möglich ist, und nach der Glückseligkeit der Geisterwelt1. In derselben unendlichen Bestrebung aber, sich zu offenbaren, bemühte er sich nicht nur um die vollkommeneren Reihen von Begebenheiten, die sich nachher durch die Ordnung der Gründe hin fortentwickeln sollten, sondern, damit auch nichts von den Gütern geringeren Grades fehle, damit die Gesamtheit der Dinge in ihrer Unermesslichkeit alles vom höchsten Grade der Vollkommenheit, den es im Endlichen gibt, bis zu allen niederen und sozusagen bis zum Nichts umfasse, hat er auch geduldet, dass sich dasjenige in seinen Entwurf einschlich, was trotz Beimischung noch so vieler Übel, wenigstens etwas Gutes, das Gottes Weisheit daraus hervorrufen wollte, an die Hand geben konnte, um die Offenbarung der göttlichen Herrlichkeit durch seine unendliche Mannigfaltigkeit zu bereichern. Dass in diesem Umkreis die Geschichte des menschlichen Geschlechts nicht vermisst würde, die, so unheilvoll sie ist, dennoch auch selbst in dem Wirrwarr von Übeln unendliche Zeugnisse zum Preise der göttlichen Güte mit sich führt, ist seiner Weisheit, Macht und Güte sehr wohl angemessen gewesen. Man darf aber deshalb nicht glauben, dass er die Übel selbst, die dem angefangenen Werk eingewebt sind, erstrebt und absichtlich hervorgerufen habe. Denn er hat das Gute vor Augen gehabt, von dem er wusste, es würde, wenn die Abrechnung gehalten wird, nichtsdestoweniger übrigbleiben, und das mit dem unfruchtbaren Unkraut zusammen auszureissen der höchsten Weisheit unwürdig war. Im übrigen haben die Sterblichen freiwillig und aus innerer Neigung der Erkenntniskraft heraus gesündigt, da die Ordnung der vorausgehenden Gründe sie nicht gegen ihren Willen gedrängt und fortgerissen, sondern angelockt hat, und obwohl das Vorherwissen bestand, dass ihren Verlockungen gewiss nachgegeben würde, so ist doch offensichtlich klar, dass dies den Sündern selbst zuzurechnen ist, da der Urspung der Übel in dem inneren Grund der Selbstbestimmung liegt. Deshalb darf man auch nicht glauben, die göttliche Macht verabscheue die Sünden weniger, weil sie dieselben durch ihr Zulassen gewissermassen bejaht habe. Denn gerade das Ausgleichen der Übel, die zugelassen wurden und durch eifrige Anstrengung wiedergutzumachen sind, das er durch Ermahnen, Drohen, Einladen und Darbieten der Mittel zu erreichen strebt, ist jenes eigentliche Ziel, das der göttliche Künstler vor Augen gehabt hat, und gerade indem er dadurch die ausschlagenden Zweige der Übel abschneidet und, soweit es unbeschadet der menschlichen Freiheit geschehen kann, zurückdrängt, hat er sich demnach als Hasser jeder Schlechtigkeit, jedoch als Liebhaber der Vollkommenheiten, die nichtsdestoweniger daraus hervorgelockt werden können, offenbart. Aber ich will auf den Weg zurückkehren, nachdem ich von dem Plan des Vorhabens etwas weiter als billig abgeschweift bin.
ZUSÄTZE ZUR NEUNTEN AUFGABE
G ö t t l i c h e s V o r h e r w i s s e n i n B e z i e h u n g a u f d i e
f r e i e n H a n d l u n g e n k a n n n i c h t s t a t t f i n d e n, w e n n
m a n n i c h t z u g i b t, d a s s i h r k ü n f t i g e s B e s t e h e n
d u r c h s e i n e G r ü n d e b e s t i m m t i s t
Diejenigen, die diesen Grundsatz unterschreiben, haben den Angreifern gegenüber diesen Beweis immer stark betont. Ich erspare mir deshalb diese Mühe, denn ich habe genug zu tun, nur auf das zu antworten, was der scharfsichtige Crusius dagegen anführt. Denen, die so denken, wirft er eine unwürdige Meinung von Gott vor, als ob sie glaubten, er gebrauche Vernunftschlüsse. Bei dieser Ansicht stelle ich mich, wenn es jemand geben sollte, der anderes behauptet, gern auf die Seite des berühmten Gegners. Ich räume ein, dass in der Tat die Umwege der Vernunftschlüsse der Unermesslichkeit des göttlichen Verstandes sehr wenig anstehen. Denn für das unendliche Verstehen ist auch das Abziehen1 der Allgemeinbegriffe, ihre Vereinigung und die der Ermittlung der Folgen dienende Vergleichung nicht nötig. Allein, hier erklären wir, dass Gott dasjenige nicht voraussehen kann, dessen künftiges Bestehen nicht vorgängig bestimmt ist, nicht aus Mangel an Hilfsmitteln, deren er, wie wir einräumen, nicht bedarf; sondern weil es an sich unmöglich ist, ein künftiges Bestehen vorherzuwissen, das gar keines ist, wenn das Dasein schlechthin, sowohl an sich als auch vorgängig, unbestimmt ist. Denn dass es an sich unbestimmt ist, kann man aus der Zufälligkeit schliessen; dass es vorgängig gleichfalls unbestimmt sei, versichern die Gegner; also ist es sowohl in sich völlig ohne Bestimmung, d. h. ohne künftiges Bestehen, und muss auch vom göttlichen Verstand so vorgestellt werden. Schliesslich gesteht der vortreffliche Gegner offenherzig, dass hier einiges unbegreiflich bleibe, was aber, wenn die Betrachtung auf das Unendliche zurückgeht, mit der Erhabenheit des Gegenstandes wohl zusammenstimmt. Allein, so sehr ich zugestehe, dass, wenn man in geheimere Erkenntnis einzudringen begehrt, einem tieferen Verstehen noch eine Art Allerheiligstes bleibt, das der menschliche Verstand niemals erschliessen kann, so handelt es sich hier doch nicht um die Art wie, sondern darum, ob die Sache selbst statthabe, deren Widerstreit mit der Meinung der Gegenseite einzusehen der Erkenntnis der Sterblichen allerdings ein leichtes ist.
W i d e r l e g u n g d e r v o n d e n V e r t e i d i g e r n
d e r G l e i c h g ü l t i g k e i t w i e b e i m G l e i c h g e w i c h t
z u H i l f e g e n o m m e n e n B e w e i s e
Die Vertreter der Gegenseite fordern uns auf, uns mit Beispielen zufrieden zu geben, die so offensichtlich die Gleichgültigkeit des menschlichen Willens gegenüber allen freien Handlungen zu bezeugen scheinen, dass wohl kaum etwas offensichtlicher sein könnte. Wenn man G e r a d e o d e r U n g e r a d e spielt und die in der Hand verborgenen Bohnen durch Erraten zu gewinnen sind, sagen wir eines von beidem völlig ohne Überlegung und ohne irgendeinen Grund für die Auswahl. Diesem Gleiches erzählt man im Falle irgendeines Fürsten, der jemandem die freie Wahl zwischen zwei an Gewicht, Gestalt und Aussehen in allen Stücken ähnlichen Büchsen liess, von denen die eine Blei, die andere Gold barg, wo die Bestimmung, eine von beiden zu ergreifen, nur ohne einen Grund getroffen werden konnte. Ähnliches sagt man von der unterschiedslosen Freiheit, den rechten oder linken Fuss vorzusetzen. Ich will auf alles mit einem Wort antworten, was mir auch hinreichend erscheint. Wenn in unserem Grundsatz von bestimmenden Gründen die Rede ist, so ist hierunter nicht die eine oder andere Art von Gründen zu verstehen, z. B. die Gründe, die in freien Handlungen dem bewussten Verstand vorschweben, sondern, wie auch immer die Handlung bestimmt sein mag, durch irgendeinen Grund muss sie doch bestimmt sein, wenn sie geschehen soll. Objektive Gründe können bei der Bestimmung der Willkür völlig fehlen, und es kann vollkommenes Gleichgewicht der mit Bewusstsein vorgestellten Beweggründe bestehen, so ist nichtsdestoweniger noch aus reichend Raum für sehr viele Gründe, die die Erkenntniskraft bestimmen können. Denn solch unschlüssige Bedenklichkeit bringt lediglich zustande, dass die Sache von dem höheren Vermögen auf das niedere, von der mit Bewusstsein verbundenen Vorstellung auf die dunklen zurückgeht, und dass bei diesen von beiden Seiten her alles identisch sei, ist kaum anzunehmen. Das Streben des eingepflanzten Begehrens nach weiteren Wahrnehmungen lässt die Erkenntniskraft nicht lange in demselben Zustand verharren. Ändert sich demnach der Zustand der inneren Vorstellungen, so muss sich die Erkenntniskraft irgendwohin neigen.
ZEHNTER SATZ
Einige echte Folgerungen aus dem Satz des bestimmenden Grundes werden auseinandergesetzt.
1) I m B e g r ü n d e t e n i s t n i c h t s, w a s n i c h t i m G r u n d e g e w e s e n i s t. Denn nichts ist ohne bestimmenden Grund, und folglich ist nichts im Begründeten, was nicht seinen bestimmenden Grund dartut.
Man könnte einwenden, es folge daraus, dass, da den geschaffenen Dingen Schranken anhaften, diese Gott, der deren Grund enthält, gleichfalls anhaften. Ich antworte: die den endlichen Dingen anhaftenden Schranken tun dar, dass ihr Grund in dem Wirken der göttlichen Schöpfung gleichfalls eingeschränkt ist. Denn eingeschränkt ist das schöpferische Wirken Gottes je nach der Art des eingeschränkten Seienden, das hervorgebracht werden soll. Da aber dieses Wirken nur eine beziehungsweise gesetzte Bestimmung Gottes ist, die den hervorzubringenden Dingen entsprechen muss, nicht eine innere, die unbedingt in ihm zu denken ist, so erhellt, dass diese Einschränkungen Gott nicht innerlich zukommen.
2) V o n D i n g e n, d i e n i c h t s g e m e i n h a b e n, k a n n e i n e s n i c h t d e r G r u n d d e s a n d e r e n s e i n. Geht auf den vorigen Satz zurück.
3) I m B e g r ü n d e t e n i s t n i c h t m e h r, a l s i m G r u n d i s t. Fliesst aus derselben Regel.
FOLGERUNG
Die Grösse der unbedingten Realität in der Welt verändert sich auf natürliche Weise nicht, weder durch Vermehrung, noch durch Verminderung.
ERHELLUNG
Bei den Veränderungen der Körper leuchtet die Einsichtigkeit dieser Regel sehr leicht hervor. Wenn z. B. der Körper A einen anderen B durch Stoss vorwärtstreibt, wird diesem eine gewisse Kraft, folglich Realität*, erteilt. Allein, dem stossenden Körper ist eine gleiche Grösse der Bewegung entzogen worden, mithin kommt die Summe der Kräfte in der Wirkung den Kräften der Ursache gleich. Allerdings scheint man beim Anlauf eines kleineren elastischen Körpers auf einen grösseren das angeführte Gesetz der Täuschung überführen zu können. Aber keineswegs. Denn der k l e i n e r e elastische Körper wird von dem g r ö s s e r e n, gegen den er anläuft, zurückgestossen und erlangt dabei eine Kraft nach der entgegengesetzten Seite, die, wenn sie jener zugezählt wird, die er auf den grösseren übertragen hat, zwar eine grössere Summe zustande bringt, als die im Anlaufenden war, wie aus der Mechanik feststeht, aber die Summe, die hier gemeinhin als unbedingt gilt, muss richtiger als eine bezügliche bezeichnet werden. Denn diese Kräfte streben nach verschiedenen Seiten: und deshalb erkennt man die Summe der Kräfte, wenn diese nach den Wirkungen, die verbunden angewandte und folglich auch im allgemeinen zusammen betrachtete Maschinen ausüben können, geschätzt werden, indem man die nach entgegengesetzten Seiten gehenden Bewegungen voneinander abzieht, da sie sich insofern ja schliesslich irgendwie vernichten werden, und übrig bleibt die Bewegung des Schwerpunktes, die, wie aus der Statik bekannt ist, nach dem Zusammenstoss dieselbe ist wie vor demselben. Was aber die ganze Zerstörung der Bewegung durch den Widerstand des Stoffes betrifft, so ist diese weit entfernt, besagte Regel aufzuheben, ja sie befestigt sie vielmehr noch. Denn die Kraft, die durch das Zusammenstimmen der Ursachen aus der Ruhe entstanden ist, wird, da sie im Gegendruck gegen die Hindernisse ebensoviel abgibt, wie sie bekommen hat, wiederum zur Ruhe geführt, und die Sache bleibt wie zuvor. Daher ist auch die unerschöpfliche Fortdauer der mechanischen Bewegung unmöglich; denn da sie immer einen Teil ihrer Kraft auf die Widerstände verwendet, liefe es dieser Regel ebenso wie der gesunden Vernunft zuwider, dass ein unvermindertes Vermögen, sich selbst wieder herzustellen, trotzdem fortdauerte.
Häufig sehen wir aus einer unendlich kleinen ersten Ursache ungeheure Kräfte entstehen. Welch unermessliche Ausdehnungskraft gewinnt ein Funken, der in Schiesspulver geworfen wird, oder welch grosse Brände, Zerstörung von Städten und langdauernde Verwüstung ungeheurer Wälder bringt er auch hervor, wenn er anderswo von einer Nahrung gierig aufgenammen wird ? Welch grosses Gefüge von Körpern löst demnach der winzig kleine Anreiz eines einzigen Fünkchens ! Aber die wirksame Ursache für die unermesslichen Kräfte, die im Inneren des Gefüges der Körper verborgen gehalten wird, nämlich der elastische. Stoff, entweder der Luft, wie im Schiesspulver (nach den Versuchen von Hales), oder des Feuerstoffs, wie in jedem brennbaren Körper, wird hier durch den winzigen Anreiz eigentlich mehr offenkundig gemacht, als hervorgerufen. Das Elastische ist innen zusammengepresst verborgen und entfaltet, wenn es ein klein wenig angeregt wird, Kräfte, die seinem wechselseitigen Druck1 bei Anziehung und Zurückstossung entsprechen.
Gewiss scheinen die Kräfte der Geister und ihre andauernde Steigerung zu weiteren Vollkommenheiten von diesem Gesetz ausgenommen zu sein. Aber, nach meiner Überzeugung wenigstens, sind sie daran gebunden. Zweifellos enthält der unendliche Begriff des ganzen Alls, der der Seele immer innerlich, wenngleich nur dunkel gegenwärtig ist, schon alles in sich, was den Gedanken, auf die später ein grösseres Licht fallen soll, an Realität innewohnen muss, und die Erkenntniskraft gewinnt, indem sie später die Aufmerksamkeit lediglich einigen zuwendet und, während sie anderen den gleichen Grad entzieht, sie mit einem stärkeren Licht beleuchtet, eine täglich grössere Erkenntnis, wobei sie zwar nicht den Umfang der unbedingten Realität ausdehnt (denn das Materiale aller Vorstellungen, das aus der Verknüpfung mit dem All hervorgegangen ist, bleibt dasselbe), aber das Formale, das in der Vereinigung der Begriffe und der auf ihre Verschiedenheit oder Übereinstimmung gerichteten Aufmerksamkeit besteht, gewiss mannigfach verändert wird. In der Tat bemerken wir Gleiches an der eingepflanzten Kraft der Körper. Denn da Bewegungen, wenn sie recht ausgelegt werden, nicht Realitäten sind, sondern Erscheinungen, da aber die eingepflanzte Kraft, die durch die Einwirkung eines äusseren Körpers verändert wird, dem Anlauf gerade soviel aus dem inneren Grund der Wirksamkeit widersteht, als sie Kräfte in der Richtung auf den stossenden gewinnt, so ist alles Reale der Kräfte in der Erscheinung der Bewegung jenem gleich, das dem ruhenden Körper schon eingepflanzt war, wenn auch das innere Vermögen, das in der Ruhe in Bezug auf die Richtung unbestimmt war, nur durch den äusseren Anstoss eine Richtung erhält.
Was bis hierher über die unveränderliche Grösse der unbedingten Realität im All angeführt wurde, muss so verstanden werden, sofern alles nach der Ordnung der Natur geschieht. Denn dass durch Gottes Wirken auch die verschwindende Vollkommenheit der stofflichen Welt wiederhergestellt, den Verstandeswesen vom Himmel ein reineres Licht als durch Natur möglich eingegossen und alles zu einer höheren Stufe der Vollkommenheit emporgeführt werden kann, wer wagte das zu bestreiten ?
FÜNFTER SATZ
Einige falsche Folgerungen, die man aus dem Satz des bestimmenden Grundes unrechtmässig abgeleitet hat, werden angeführt und widerlegt.
- N i c h t s i s t o h n e B e g r ü n d e t e s, oder alles, was ist, hat seine Folge. Man nennt das den Satz der Folge. Er hat, soviel ich weiss, Baumgarten, den vorzüglichsten der Metaphysiker, zum Urheber. Weil er von ihm auf dieselbe Art bewiesen worden ist wie der Satz des Grundes, so ist er auch in dessen Fall mit verwickelt. Wenn nur von den Erkenntnisgründen die Rede ist, bleibt die Wahrheit dieses Satzes unberührt. Denn der Begriff jedes beliebigen Seienden ist entweder ein allgemeiner oder ein einzelner. Im ersteren Fall muss man einräumen, dass dasjenige, was vom Gattungsbegriff aufgestellt wird, allen niedrigeren unter demselben befassten zukommt, und jener daher den Grund für diese enthält. Im letzteren Fall kann man schliessen, dass die Prädikate, die diesem Subjekt in einer bestimmten Verknüpfung zukommen, ihm unter den gleichen Bedingungen immer zukommen müssen, und von dem gegebenen Fall her bestimmt der Begriff die Wahrheit in ähnlichen und daher hat er für das Erkennen Begründetes. Allein, wenn wir hierunter im Dasein Begründetes verstehen, so ist Seiendes an diesem nicht ins Unendliche fruchtbar, wie man aus dem letzten Abschnitt dieser Abhandlung wird sehen können, wo wir den von jeder Veränderung freien Zustand einer jeden Substanz, die einer Verknüpfung mit anderen entbehrt, durch unbesiegliche Gründe beweisen werden.
- K e i n e s v o n d e n D i n g e n d e s g a n z e n A l l s i s t e i n e m a n d e r e n i n a l l e n S t ü c k e n ä h n l i c h. Man nennt dies den Satz des Nichtzuunterscheidenden, der, nimmt man ihn wie üblich in seinem weitesten Sinn, sehr weit von der Wahrheit abweicht. Er wird vornehmlich auf zweifache Art bewiesen. Die erste Beweisart überspringt den Gegenstand sehr voreilig mit leichtem Schwung und verdient deshalb kaum, einer Prüfung unterzogen zu werden. Diese Spitzfindigkeiten sind folgende: alles, was in allen Merkmalen vollkommen übereinstimmt und durch keine Verschiedenheit unterschieden ist, scheint man für ein und dasselbe Seiende halten zu müssen. Daher, so wird behauptet, seien alle vollkommen ähnlichen nur ein und dasselbe Seiende, dem mehrere Örter angewiesen seien; da dies der gesunden Vernunft widerspreche, so stehe diese Meinung mit sich selbst in Widerstreit. Aber wer sollte nicht den falschen Schein der Spitzfindigkeiten bemerken ? Zur vollkommenen Identität zweier Dinge wird die Identität aller Merkmale oder Bestimmungen, der inneren wie der äusseren, erfordert. Hat denn wohl jemand den Ort von dieser durchgängigen Bestimmung ausgenommen ? Und deshalb sind solche, die sich wenigstens durch ihren Ort unterscheiden, wie sie in den inneren Merkmalen auch immer übereinstimmen mögen, nicht ein und dasselbe Seiende. Aber hier müssen wir vornehmlich den Beweis, der dem Satz des zureichenden Grundes fälschlich zugerechnet wird, gehörig prüfen.
Man sagt, es liege kein Grund vor, warum Gott zwei Substanzen verschiedene Örter angewiesen haben sollte, wenn sie in allem anderen vollkommen übereinstimmten. Welcher Unsinn ! Ich wundere mich, dass ernsthafte Männer sich mit solchem Spielwerk von Gründen vergnügen können. Man nenne die eine Substanz A, die andere B. Man lasse A den Ort von B einnehmen, dann wird es, weil A in den inneren Merkmalen gar nicht von B abweicht, dadurch, dass es auch dessen Ort einnimmt, in allen Stücken mit ihm identisch sein, und was vorher A genannt wurde, wird B genannt werden müssen; dasjenige, was zuerst die Bezeichnung B hatte, wird nun, in den Ort von A versetzt, A zu nennen sein. Denn dieser Unterschied der Charaktere bedeutet nur die Verschiedenheit der Örter. Sage mir also, ob Gott etwas anderes getan hat, wenn er die Örter deiner Meinung gemäss bestimmt hat ? Beides ist vollkommen dasselbe; und deshalb gibt es die von dir erdichtete Veränderung nicht; dass es aber für nichts keinen Grund gibt, kommt mit meiner Meinung sehr schön überein.
Dieses falsche Gesetz wird durch die ganze Gesamtheit der Dinge und auch durch dasjenige, was der göttlichen Weisheit geziemt, ausgezeichnet widerlegt. Denn dass die Körper, die ähnlich genannt werden, wie Wasser, Quecksilber, Gold, die einfachsten Salze usw. durch ihre gleichartigen inneren Merkmale in ihren ursprünglichen Teilen vollkommen übereinstimmen, entspricht sowohl der Identität des Gebrauches und der Aufgabe, die sie zu erfüllen bestimmt sind, wie es auch aus den Wirkungen zu ersehen ist, denn wir finden, dass sie immer ähnlich ohne irgendeinen bemerkbaren Unterschied aus denselben hervorgehen. Es ziemt sich hier auch nicht, eine verborgene Verschiedenheit zu vermuten, die den Sinnen entgehe, gleichsam damit Gott etwas habe, wodurch er selbst die Teile seines Werkes unterscheiden könne; denn das hiesse Knoten an einer Binse suchen.
Wir räumen ein, dass Leibniz, der Urheber dieses Satzes, in der Bildung organischer oder im Gefüge anderer von der Einfachheit sehr weit entfernter Körper immer eine merkliche Verschiedenheit gesehen hat und mit Recht in allen dieser Art annehmen konnte. Denn es ist offensichtlich, dass, wo mehreres zur Herstellung von etwas völlig zusammenstimmen muss, sich nicht immer die gleichen Bestimmungen ergeben können. Daher wird man unter den Blättern desselben Baumes kaum zwei vollkommen ähnliche finden. Aber hier soll nur die metaphysische Allgemeinheit dieses Grundsatzes zurückgewiesen werden. Im übrigen ist, wie es scheint, kaum zu leugnen, daà auch in den Gestalten der Naturkörper häufig eine Identität mit einem Urbild zu finden ist. Wer wollte behaupten, dass man z. B. bei den Kristallbildungen unter den unendlich viel verschiedenen nicht ein und das andere finden könnte, das in vollkommener Ähnlichkeit ein anderes wiedergibt ?
DRITTER ABSCHNITT
ZWEI GRUNDSÄTZE
DER METAPHYISCHEN ERKENNTNIS WERDEN DAR-
GELEGT, DIE SEHR FRUCHTBAR AN FOLGEN SIND UND
AUS DEM SATZ DES BESTIMMENDEN GRUNDESFLIESSEN
- SATZ DER AUFEINANDERFOLGE
ZWÖLFTER SATZ
Substanzen können eine Veränderung nur erfahren, sofern sie mit anderen verknüpft sind; ihre wechselseitige Abhängigkeit bestimmt die beiderseitige Veränderung des Zustandes.
Daher ist eine einfache Substanz, die von jeder äusseren Verknüpfung frei und so sich allein überlassen ist, an sich völlig unveränderlich.
Wenn sie ferner auch in einer Verknüpfung mit anderen zusammengefasst ist, so kann es, wenn dieses Verhältnis nicht verändert wird, auch keine Veränderung des inneren Zustandes in ihr geben. In einer Welt, die von jeder Bewegung frei ist (denn Bewegung ist die Erscheinung einer veränderten Verknüpfung), wird demnach auch im inneren Zustand der Substanzen überhaupt keine Aufeinanderfolge gefunden.
Wenn daher die Verknüpfung der Substanzen völlig aufgehoben wird, verschwinden Aufeinanderfolge und Zeit gleichfalls.
BEWEIS
Angenommen, eine einfache Substanz sei, aus der Verknüpfung mit anderen gelöst, für sich allein da; so sage ich, dass es für sie keine Veränderung ihres inneren Zustandes geben kann. Denn da die inneren Bestimmungen, die der Substanz schon zukommen, durch innere Gründe mit Ausschluss des Gegenteils gesetzt sind, so muss man, wenn man eine andere Bestimmung hinzutreten lassen will, auch einen anderen Grund setzen, aber da in den inneren sein Gegenteil liegt und nach der Voraussetzung kein äusserer Grund hinzukommt, ergibt sich offensichtlich, dass er jenem Seienden nicht beigelegt werden kann.
D a s s e l b e a u f a n d e r e A r t. Alles, was durch einen bestimmenden Grund gesetzt wird, das muss zugleich mit ihm gesetzt sein; denn dass das Begründete nicht gesetzt sei, wenn der bestimmende Grund gesetzt ist, ist ungereimt. Demnach muss mit allem dem, was in einem Zustand einer einfachen Substanz bestimmend ist, schlechthin alles Bestimmte zugleich sein. Weil aber Veränderung die Aufeinanderfolge von Bestimmungen ist, oder dort ist, wo eine Bestimmung entsteht, die vorher nicht gewesen ist, und folglich das Seiende zum Gegenteil einer ihm selbst zukommenden Bestimmung bestimmt wird, kann sie nicht durch das geschehen, was sich in der Substanz innerlich findet. Wenn sie also geschieht, muss sie aus einer äusseren Verknüpfung hervorgehen.
N o c h a u f e i n e a n d e r e W e i s e. Angenommen, es entsteht eine Veränderung unter den genannten Bedingungen; weil sie anfängt da zu sein, während sie vorher nicht gewesen ist, d. h. obwohl die Substanz zum Gegenteil bestimmt war, und angenommen wird, dass zu den inneren keine Gründe hinzukommen, die die Substanz anderswoher bestimmen, werden dieselben Gründe, durch die die Substanz als auf sichere Weise bestimmt gilt, sie zum Gegenteil bestimmen, was widersinnig ist.
ERHELLUNG
Obgleich diese Wahrheit doch wohl von einer so leicht verständlichen und untrüglichen Kette von Gründen abhängt, haben sie diejenigen, die sich zu den Anhängern der Wolffschen Philosophie zählen, so wenig bemerkt, dass sie vielmehr behaupten, die einfache Substanz werde aus einem inneren Grund des Wirkens heraus ständigen Veränderungen unterworfen. Freilich kenne ich ihre Beweisgründe zur Genüge, aber ich habe mich nicht weniger davon überzeugt, wie unfruchtbar sie sind. Denn sobald sie eine willkürliche Erklärung der Kraft so gegeben haben, dass sie dasjenige bedeutet, was den Grund der V e r ä n d e r u n g e n enthält, während man sie vielmehr als den Grund der B e s t i m m u n g e n enthaltend hätte aufstellen müssen, konnten sie gewiss leicht in Irrtum verfallen.
Wenn ferner jemand zu wissen begehrte, wie denn schliesslich die Veränderungen entstehen, deren Wechsel im All gefunden wird, da sie aus dem Inneren jeder beliebigen Substanz für sich betrachtet nicht fliessen, so möge er seine Aufmerksamkeit auf das wenden, was aus der Verknüpfung der Dinge, d. h. ihrer wechselseitigen Abhängigkeit in den Bestimmungen folgt. Weil es im übrigen für die Grenzen unserer Abhandlung etwas zu weitläufig wäre, dies weiter auseinanderzusetzen, so genügt die durch unseren Beweis erbrachte Feststellung, dass die Sache sich gewiss nicht anders verhalten kann.
ANWENDUNG
- Erstlich finde ich, dass das wirkliche Dasein der Körper, das eine gesündere Philosophie bis jetzt nur auf dem Wege der Wahrscheinlichkeit gegen die Idealisten schützen konnte, aus dem in unserem Grundsatz Behaupteten deutlich folgt. Denn die Seele ist inneren Veränderungen unterworfen (durch den inneren Sinn); da diese aus ihrer Natur, wenn man sie für sich allein und ausserhalb einer Verknüpfung mit anderen betrachtet, nach dem Bewiesenen nicht entstehen können, so muss mehreres ausserhalb der Seele vorhanden sein, mit dem sie in wechselseitiger Verknüpfung verbunden sein kann. Aus demselben ist gleichfalls zu ersehen, dass auch der Wechsel der Vorstellungen der äusseren Bewegung entsprechend geschieht, und weil daraus folgt, dass wir keine verschieden bestimmbare Vorstellung eines Körpers haben könnten, wenn nicht wirklich etwas vorhanden wäre, dessen Gemeinschaft mit der Seele dieser eine ihm entsprechende Vorstellung zuführte, so kann man daraus leicht schliessen, dass es ein Zusammengesetztes gibt, das wir unseren Körper nennen.
- Die vorherbestimmte Harmonie des Leibniz wird gänzlich zu Fall gebracht, nicht, wie es meist geschieht, durch die für Gott, wie man glaubt, unziemlichen Endabsichten, die ein meist schwaches Hilfsmittel an die Hand geben, sondern durch deren eigene innere Unmöglichkeit. Denn aus dem Bewiesenen folgt unmittelbar, dass die menschliche Seele ohne Verknüpfung mit äusseren Dingen von Veränderungen des inneren Zustandes völlig frei wäre.
- Die Meinung, dass überhaupt allen endlichen Geistern eine Art organischer Körper beizulegen sei, gewinnt hieraus ein bedeutendes Zeugnis für ihre Gewissheit.
- Die wesentliche Unveränderlichkeit Gottes wird nicht aus einem von seiner unendlichen Natur entlehnten Erkenntnisgrund, sondern aus ihrem echten Grund abgeleitet. Denn dass die höchste, jeder Abhängigkeit entzogene Gottheit von einer Veränderung ihres Zustandes völlig frei ist, da die ihr zukommenden Bestimmungen durch gar keine äussere Beziehung befestigt werden, leuchtet aus dem Behaupteten hinlänglich hervor.
ERLÄUTERUNG
Der angeführte Grundsatz könnte vielleicht jemandem der Verkehrtheit verdächtig erscheinen, wegen der unauflöslichen Verknüpfung, mit der die menschliche Seele auf diese Weise bei der inneren Ausübung der Denkungskraft1 an den Stoff gebunden ist, was von der verderblichen Anschauung der Materialisten nicht weit entfernt zu sein scheint. Allein, deshalb raube ich doch der Seele nicht den Zustand des Vorstellens, wenn ich auch behaupte, dass er unveränderlich und sich beständig ganz gleich wäre, wenn sie völlig von äusserer Verknüpfung gelöst wäre. Und den Prozess, den mir vielleicht einer aufzuhalsen versucht, gebe ich an die Neuern weiter, die in völliger Einhelligkeit und wie aus einem Munde die notwendige Verbindung der Seele mit einem organischen Körper behaupten. Um nur einen von ihnen als Zeugen anzuführen, nenne ich den berühmten Crusius, der, wie ich sehe, so ganz und gar meiner Meinung beitritt, dass er offen behauptet, die Seele sei an jenes Gesetz gebunden, nach welchem das Streben nach Vorstellungen immer mit dem Streben ihrer Substanz nach einer äusseren Bewegung verbunden sei, und folglich, wenn dieses durch Hindernisse gehemmt wird, auch jenes gehindert werde. Obgleich er jedoch dies Gesetz nicht für so notwendig hält, dass es nicht aufgelöst werden könnte, wenn Gott es so wollte, so müsste er doch, weil er eingeräumt hat, dass dessen Natur daran gebunden sei, bekennen, dass auch diese umgeschaffen werden müsste.
- SATZ DES ZUGLEICHSEINS
DREIZEHNTER SATZ
Die endlichen Substanzen stehen durch ihr blosses Dasein in keinem Verhältnis zueinander und haben gar keine Gemeinschaft, als nur sofern sie von dem gemeinsamen Grund ihres Daseins, nämlich dem göttlichen Verstand, in wechselseitigen Beziehungen gestaltet erhalten werden.
BEWEIS
Die einzelnen Substanzen, deren keine die Ursache des Daseins einer anderen ist, haben ein getrenntes, d. h. ohne alle anderen durchaus verständliches Dasein. Wird mithin einfach das Dasein einer beliebigen gesetzt, so ist in ihr nichts, was das Dasein anderer von ihr verschiedener dartäte. Da nun aber das Verhältnis eine beziehungsweise gesetzte Bestimmung ist, d. h. in einem für sich betrachteten Seienden nicht verstehbar ist, so kann es ebenso wie sein bestimmender Grund aus dem für sich gesetzten Dasein einer Substanz nicht verstanden werden. Träte mithin ausser diesem nichts weiter hinzu, so gäbe es kein Verhältnis zwischen allen und gar keine Gemeinschaft. Da also, insofern die einzelnen Substanzen ein von anderen unabhängiges Dasein haben, zwischen ihnen keine wechselseitige Verknüpfung stattfindet, es aber dem Endlichen durchaus nicht zukommt, Ursache für andere Substanzen zu sein, und nichtsdestoweniger alles im All in wechselseitiger Verknüpfung verbunden angetroffen wird, so muss man bekennen, dass dies Verhältnis von der Gemeinsamkeit der Ursache, nämlich von Gott als dem allgemeinen Grund der Daseienden abhängt. Da nun aber daraus, dass Gott einfach ihr Dasein eingerichtet hätte, die wechselseitige Beziehung zwischen ihnen auch nicht folgt, wenn nicht dasselbe Schema des göttlichen Verstandes, welches das Dasein gibt, auch ihre Beziehung befestigt hätte, sofern es ihr Dasein als in Wechselbeziehung stehend vorstellt, so ist ganz offensichtlich, dass die allgemeine Gemeinschaft aller Dinge allein dem Begriff dieser göttlichen Vorstellung zuzuschreiben ist.
ERHELLUNG
Ich glaube als erster durch höchst einleuchtende Gründe bewiesen zu haben, dass das Zugleichsein der Substanzen des Alls zur Befestigung einer Verknüpfung zwischen ihnen nicht zureicht, sondern darüber hinaus eine Gemeinsamkeit des Ursprungs und eine daher harmonische Abhängigkeit erfordert wird. Denn um den Nerven des Beweises kurz zu wiederholen: wenn die Substanz A da ist, und B ist ausserdem da, kann man deshalb meinen, dass dieses in A nichts setzt. Denn angenommen, es bestimmte etwas in A, das heisst, es enthielte den Grund der Bestimmung C; weil diese ein Verhältnis-Prädikat ist und nur verstehbar, wenn ausser B noch A vorhanden ist, so setzt die Substanz B durch dasjenige, was der Grund für C ist, das Dasein der Substanz A voraus. Da nun aber, wenn die Substanz B allein da wäre, durch ihr Dasein gar nicht bestimmt würde, ob ein A da sein müsse oder nicht, kann aus ihrem Dasein allein nicht verstanden werden, dass sie in anderen von ihr verschiedenen etwas setzt, daher gibt es kein Verhältnis und gar keine Gemeinschaft. Wenn Gott mithin ausser der Substanz A andere, B, D, E und so ins Unendliche geschaffen hat, so folgt dennoch aus ihrem gegebenen Dasein nicht ohne weiteres ihre wechselseitige Abhängigkeit in Bestimmungen. Denn daraus, dass ausser A auch B, D, E da sind, und A in irgendeiner Weise in sich bestimmt sein kann, folgt auch nicht, dass B, D, E diesem entsprechende Bestimmungen des Daseins haben müssten. Folglich muss in der Weise der gemeinsamen Abhängigkeit von Gott auch der Grund ihrer eigenen wechselseitigen Abhängigkeit vorliegen. Und auf welche Art das zustande gebracht wird, ist leicht zu verstehen. Das Schema des göttlichen Verstandes, der Ursprung des Daseins, ist ein fortdauernder Akt (man nennt das Erhaltung), in welchem, wenn beliebige Substanzen für sich allein und ohne Verhältnis der Bestimmungen von Gott vorgestellt werden, keine Verknüpfung zwischen ihnen und keine wechselseitige Beziehung entstände; wenn sie aber in seinem Verstehen als in Beziehung stehend vorgestellt werden, so beziehen sich die Bestimmungen später im steten Fortgang des Daseins dieser Vorstellung entsprechend immer aufeinander, d. h. sie wirken und wirken zurück, und es besteht ein äusserer Zustand der einzelnen, den es, wenn man von diesem Grundsatz abwiche, durch ihr blosses Dasein gar nicht geben könnte.
ANWENDUNG
- Weil nun Ort, Lage und Raum Verhältnisse der Substanzen sind, durch die sie sich mit wechselseitigen Bestimmungen auf andere, real von ihnen verschiedene beziehen, und auf diese Art in einer äusseren Verknüpfung befasst sind; weil ferner aus dem Bewiesenen bekannt ist, dass das blosse Dasein der Substanzen für sich genommen eine Verknüpfung mit anderen nicht einschliesst: so erhellt, dass aus der Setzung des Daseins mehrerer Substanzen nicht zugleich Ort, Lage und der aus diesen durchgängigen Verhältnissen gebddete Raum bestimmt sind. Sondern weil die wechselseitige Verknüpfung der Substanzen eine in der schöpferischen Vorstellung des göttlichen Verstandes als in Beziehung stehend begriffene Darstellung erfordert, diese Vorstellung für Gott jedoch völlig freiwillig ist, und folglich je nach seinem Wohlgefallen ebenso zugelassen wie unterlassen werden kann: so folgt, dass Substanzen nach dem Gesetz bestehen können, d a s s s i e a n k e i n e m O r t s i n d und in gar keinem Verhältnis bezüglich der Dinge unseres Alls.
- Da es von solchen Substanzen, die von der Verknüpfung mit unserem All frei sind, je nach göttlichem Belieben mehrere geben kann, die nichtsdestoweniger durch eine Verknüpfung der Bestimmungen untereinander verbunden sein und daher Ort, Lage und Raum zustande bringen können: so werden sie eine Welt bilden, die aus dem Umkreis derjenigen, deren Glieder wir sind, herausgenommen, d. h. für sich allein ist. Und darum ist es nicht ungereimt, dass es auch im metaphysischen Sinn mehrere Welten geben könnte, wenn es Gott so gefallen hätte.
- Da demnach das einfache Dasein der Substanzen für die wechselseitige Gemeinschaft und die Beziehungen der Bestimmungen völlig unzureichend ist, und folglich durch die äussere Verknüpfung eine gemeinsame Ursache aller dartut, in der ihr Dasein als in Beziehung stehend entworfen ist, und da ohne diese Gemeinsamkeit des Grundes die allgemeine Verknüpfung nicht denkbar wäre, so kann hieraus für eine oberste Ursache aller Dinge, d. h. für Gott und zwar einen einzigen, ein höchst einleuchtendes Zeugnis entlehnt werden, das, wenigstens meiner Meinung nach, jenen Beweis aus der Zufälligkeit wohl bei weitem übertrifft.
- Auch die ungesunde Ansicht der Manichäer, die zwei in gleicher Weise ersten und voneinander unabhängigen Gründen die Herrschaft über die Welt zuschrieben, wird durch unseren Grundsatz gänzlich zunichte gemacht. Denn eine Substanz kann mit den Dingen des Alls nur Gemeinschaft haben, wenn sie entweder deren gemeinsame Ursache ist oder mit ihnen aus derselben Ursache hervorgegangen ist. Wenn man deshalb einen dieser Gründe als die Ursache aller Substanzen bezeichnet, so kann der andere auf keine Weise etwas in ihnen bestimmen; und bezeichnet man einen von beiden als die Ursache wenigstens einiger, so können diese mit den übrigen keine Gemeinschaft haben. Oder man muss entweder einen dieser Gründe als von dem anderen oder beide als von einer gemeinsamen Ursache abhängend hinstellen, was in gleicher Weise der Voraussetzung entgegen ist.
- Ferner machen, da die Bestimmungen der Substanzen sich aufeinander beziehen, d. h. die voneinander verschiedenen Substanzen wechselweise wirken (denn eine bestimmt einiges in der anderen), die verbundenen Wirkungen der Substanzen, mit denen immer eine Gegenwirkung verknüpft sein muss, den Begriff des Raumes aus. Wenn die äussere Erscheinung dieser allgemeinen Wirkung und Gegenwirkung durch den ganzen Umkreis des Raumes, in dem sich Körper aufeinander beziehen, in ihrer wechselseitigen Annäherung besteht, wird sie A n z i e h u n g genannt, die in allen beliebigen Abständen vorkommt, da sie durch die blosse Mitgegenwart zustande gebracht wird, und dies ist die N e w t o n s c h e A n z i e h u n g oder allgemeine Schwerkraft; folglich wird sie wahrscheinlich durch dieselbe Verknüpfung der Substanzen zustande gebracht, durch die sie den Raum bestimmen, und ist daher das ursprünglichste Naturgesetz, an das der Stoff gebunden ist, das aber nur, wenn es von Gott unmittelbar erhalten wird, beständig dauert, selbst nach der Meinung derer, die sich als Anhänger Newtons bekennen.
- Da alle Substanzen, sofern sie in demselben Raum befasst sind, in einer wechselseitigen Gemeinschaft stehen, so kann man von daher die wechselseitige Abhängigkeit in Bestimmungen, die allgemeine Wirkung der Geister auf die Körper und der Körper auf die Geister verstehen. Aber weil keine Substanz das Vermögen hat, andere von ihr verschiedene durch dasjenige, was ihr selbst innerlich zukommt, zu bestimmen (wie bewiesen wurde), sondern dies nur kraft der Verknüpfung geschieht, durch die sie in der Vorstellung des unendlichen Wesens verbunden sein dürften, beziehen sich zwar alle Bestimmungen und Veränderungen, die in jeder beliebigen angetroffen werden, immer auf Äusseres, aber der eigentlich so genannte physische Einfluss ist ausgeschlossen, und es besteht eine allgemeine H a r m o n i e der Dinge. Aber dennoch entsteht daraus nicht jene v o r h e r b e s t i m m t e des L e i b n i z, die eigentlich eine Ü b e r e i n s t i m m u n g, nicht wechselseitige A b h ä n g i g k e i t der Substanzen einführt; denn weder bedient sich Gott künstlich zu einer Reihe von zusammenstimmenden Gründen passend gemachter Anstalten, um die Übereinstimmung der Substanzen zustande zu bringen, noch wird hier ein immer besonderer Einfluss Gottes,d. h. die Gemeinschaft der Substanzen durch G e l e g e n h e i t s u r s a c h e n, wie bei M a l e b r a n c h e, aufgestellt; denn dieselbe ungeteilte Wirkung, die die Substanzen ins Dasein bringt und darin erhält, bewirkt ihre wechselseitige und allgemeine Abhängigkeit, so dass das göttliche Wirken nicht je nach den Umständen bald so bald anders bestimmt zu werden braucht; sondern es gibt ein reales Wirken der Substanzen untereinander, oder eine Gemeinschaft durch wahrhaft wirkende Ursachen, weil ja derselbe Grund, der das Dasein der Dinge befestigt, sie auch an dieses Gesetz gebunden hat, und daher dürfte die wechselseitige Gemeinschaft durch diejenigen Bestimmungen befestigt sein, die dem Ursprung ihres Daseins anhaften; darum kann man mit demselben Recht sagen, dass die äusseren Veränderungen durch wirkende Ursachen auf diese Weise hervorgebracht werden, mit dem man die im Inneren geschehenden einer inneren Kraft der Substanz zuschreibt, obgleich deren natürliche Wirksamkeit nicht weniger als jene Stütze der äusseren Verhältnisse auf der göttlichen Erhaltung beruhen dürfte. Indessen ist das so gestaltete System einer allgemeinen Gemeinschaft der Substanzen gewiss etwas besser als jenes weitverbreitete des p h y s i s c h e n E i n f l u s s e s, denn es macht den Ursprung selber der wechselseitigen Verknüpfung der Dinge sichtbar, der noch auàer dem Grund der für sich allein gedachten Substanzen gesucht werden muss, worin jenes abgenutzte System der wirkenden Ursachen vornehmlich von der Wahrheit abgeirrt ist.
ERLÄUTERUNG
Hier sind mithin, geneigter Leser, zwei Grundsätze einer tieferen metaphysischen Erkenntnis, mit deren Hilfe man wohl im Felde der Wahrheiten nicht unbeachtliche Macht erlangen kann. Wollte man diese Wissenschaft auf solche Art sorgfältig pflegen, so wird man ihren Boden nicht so unfruchtbar finden, und der Vorwurf müssiger und dunkler Spitzfindigkeit, den die Verächter gegen sie erheben, wird durch eine reiche Ernte vortrefflicherer Erkenntnis widerlegt werden. Es gibt zwar Leute, die in Schriften leidenschaftlich nach verderbten Folgerungen jagen und stets geschickt sind, aus den Meinungen anderer ein Gift herauszuholen. Obgleich ich nicht in Abrede stellen möchte, dass diese vielleicht auch in dieser unserer Schrift einiges im ungünstigen Sinn verdrehen können, so lasse ich sie doch von ihrer Meinung ganz erfüllt sein und halte es für meine Aufgabe, nicht zu besorgen, was irgendeinem vielleicht falsch zu beurteilen belieben mag, sondern auf dem geraden Pfade der Forschung und Lehre fortzuschreiten, und bitte mit geziemender Hochachtung alle, die echter Wissenschaft wohlgeneigt sind, sie möchten mir bei dieser Bemühung gewogen bleiben.
ENDE
INHALTSVERZEICHNIS BAND I/II
GEDANKEN VON DER WAHREN SCHÄTZUNG
DER LEBENDIGEN KRÄFTE UND BEURTEILUNG
DER BEWEISE DERER SICH HERR VON LEIBNIZ
UND ANDERE MECHANIKER IN DIESER STREITSACHE
BEDIENET HABEN, NEBST EINIGEN
VERHERGEHENDEN BETRACHTUNGEN WELCHE
DIE KRAFT DER KÖRPER ÜBERHAUPT BETREFFEN
Zueignung ……………………………………………………………………………….13
Vorrede ………………………………………………………………………………….15
Erstes Hauptstück, von der Kraft der Körper überhaupt. §§I-19…………………………26
Zweites Hauptstück, Untersuchung der Lehr-Sätze der Leibnitzischen Partei von den
Lebendigen Kräften. §§ 20-113 …………………………………………………………43
Zusätze und Erläutungen, die einige Stücke dieses Kapitels betreffen
I.Erläuterung zum 25ten §………………………………………………….…..154
II.Zusätze zu den § 31, bis 36…………………………………………………..156
Gedanken über den Streit, zwischen der Frau Marquisin von Chastelet, und
dem Herrn von Mairan, von den lebendigen Kräften……………………….159
III.Zusätze zu den § 45, 46, 47 …………………………………………………163
IV.Erläuterung des 105ten § .…………………………………………………..165
Drittes Hauptstück, welches eine neue Schätzung der lebendigen Kräfte, als das wahre
Krätftenmass der Natur darleget. §§ 114-163 ………………………………………….169
ALLGEMEINE NATURGESCHICHTE UND THEORIE DES HIMMELS, ODER VERSUCH VON DER VERFASSUNG UND DEM MECHANISCHEN URSPRUNGE DES GANZEN WELTGEBÄUDES NACH NEWTONISCHEN GRUNDSÄTZEN ABGEHANDELT
Zueignung ………………………………………………………………………………225
Vorrede …………………………………………………………………………………227
Inhalt des ganzen Werks …………………………………………………………….….245
Kurzer Abriss der nötigsten Grundbegriffe der Newtonischen Weltwissenschaft die zu
dem Verstande des Nachfolgenden erfordert werden…………………………………..250
Erster Teil, Abriss einer systematischen Verfassung unter den Fixsternen, in gleichen
von der Vielheit solcher Fixsternsystemen. Von der systematischen Verfassung unter
den Fixsternen …………………………………………………………………………..257
Zweiter Teil, von dem ersten Zustande der Natur, der Bildung der Himmelskörper,
den Ursachen ihrer Bewegung, und der systemathischen Beziehung derselben, sowohl
in dem Planetengebäude insonderheit, als auch in Ansehung der ganzen Schöpfung
1.Hauptstück von dem Ursprunge des planetischen Weltbaues überhaupt, und den
Ursachen ihrer Bewegung………………………………………………………….273
2.Hauptstück von der verschiedenen Dichtigkeit der Planeten, und dem Verhältnisse
ihrer Massen………………………………………………………………………..283
3.Hauptstück, von der Exzentrizität der Planetenkreise, und dem Ursprunge der
Kometen ………………………………………………………………………….. 292
4.Hauptstück, von dem Ursprunge der Monde, und den Bewegungen der Planeten
um ihre Achse……………………………………………………………………….299
5.Hauptstück, von dem Ursprunge des Ringes des Saturns, und Berechnung der
täglichen Umdrehung dieses Planeten aus den Verhältnissen desselben……….……307
6.Hauptstück, von dem Zodiakallichte ……………………………………………….323
7.Hauptstück, von der Schöpfung im ganzen Umfange ihrer Unendlichkeit, sowohl
dem Raume, als der Zeit nach………………………………………………………326
Zugabe zum siebenten Hauptstücke. Allgemeine Theorie und Geschichte der Sonne
Überhaupt ……………………………………………………………………….….345
8.Hauptstück, Allgemeiner Beweis von der Richtigkeit einer mechanischen
Lehrverfassung, der Einrichtung des Weltbaues überhaupt, in Sonderheit von der
Gewissheit der gegenwärtigen ……………………………………………………..355
Dritter Teil, Welcher einen Versuch einer auf die Analogien der Natur begründeten
Vergleichung, zwischen den Einwohnern verschiedener Planeten, in sich enthält
Anhang, von den Bewohnern der Gestirne …………………………………………….377
Beschluss …………………………………………………………………………….…395
Anhang
Schlussanmerkungen aus Gensichens Auszug aus Kants Naturgeschichte und Theorie
des Himmels ……………………………………………………………………………399
PRINCIPIORUM PRIMORUM COGNITIONIS METAPHYSIKAE NOVA DILUCIDOTIO / NEUE ERHELLUNG DER ERSTEN GRUNDSÄTZE METAPHYSISCHER ERKENNTNIS
Ratio instituti · Plan des Vorhabens………………………………………………… 407/407
Sectio I. De principio contradictionis · Erster Abschnitt.
Vom Satz des Widerspruchs
Monitum · Vorerinnerung ……………………………………………………….. 408/409
Prop. I. · Erster Satz ………………………………………………………….….. 408/409
Prop.II. · Zweiter Satz .……………………………………………………….….. 412/413
Prop.II. · Dritter Satz ………………………………………………………….…. 418/419
Sectio II. De principio rationis determinantis, vulgo sufficientis · Zweiter Abschnitt
Vom Satz des bestimmenden, gemeinhin zureichend genannten Grundes
Prop.IV. · Vierter Satz ……………………………………………………………422/423
Prop.V. · Fünfter Satz …………………………………………………………….428/429
Prop.VI.· Sechster Satz ……………………………………………………………430/431
Prop.VII.· Siebenter Satz………………………………………………………….432/433
Prop.VIII. Achter Satz…………………………………………………………….436/437
Prop.IX.· Neunter Satz…………………………………………………………….444/445
Prop.X.· Zehnter Satz………………………………………………………………474/475
Prop.XI.· Elfter Satz……………………………………………………………….482/483
Sectio III. Bina principia cognitionis metaphysicae, consectariorum feracissima,
aperiens, e principio ratiónis determinantis fluentia · Dritter Abschnitt. Zwei
Grundsätze der metaphysischen Erkenntnis werden dargelegt, die sehr fruchtbar
an Folgen sind und aus dem Satz des bestimmenden Grundes fliessen
I.Principium successionis. Prop.XII.· I.Satz der Aufeinanderfolge. Zwölfter Satz.488/489
II.Principium coexsistentiae. Prop.XIII.· II.Satz des Zugleichseins. Dreizehnter
Satz ………………………………………………………………………………496/497
METAPHYSICAE CUM GEOMETRIA IUNCTAE USUS IN PHILOSOPHIA NATURALI, CUIUS SPECIMEN I. CONTINET MONADOLOGIAM PHYSICAM /
DER GEBRAUCH DER METAPHYSIK, SOFERN SIE MIT DER GEOMETRIE VERBUNDEN IST, IN DER NATURALPHILOSOPHIE, DESSEN ERSTE PROBE DIE PHYSISCHE MONADOLOGIE ENTHÄLT
Praenotanda · Vorbemerkungen …………………………………………………….516/517
Sectio I. Monadum physikarum exsistentiam geometriae consentaneam declarans ·
Erster Abschnitt. Er erklärt das Dasein physischer Monaden für mit der Geometrie
übereinstimmend
Prop.I. Definition · Satz I. Erklärung …………………………………………….. 522/523
Prop.II. Theorema · Satz II. Lehrsatz………………………………………….….. 522/523
Prop.III. Theorema · Satz III. Lehrsatz …………………………………………… 524/525
Prop.IV. Theorema · Satz IV. Lehrsatz ……………………………………….….. 528/529
Prop.V. Theorema · Satz V. Lehrsatz ……..………………………………………. 530/531
Prop.VI. Theorema · Satz VI. Lehrsatz……………………………………….…… 534/535
Prop.VII. Problema · Satz VII. Aufgabe ………………………………………….. 536/537
Prop.VIII. Theorema · Satz VIII. Lehrsatz ………………………………………… 540/541
Sectio II. Affectiones monadum physicarum generalissimas, quatenus in diversis
diversae ad naturam corporum intelligendam faciunt, explicans · Zweiter Abschnitt.
Er erklärt die allgemeinsten eigenschaften der physischen Monaden, sofern sie in den
verschiedenen verschieden sind und zum Verständnis der Natur der körper beitragen
Prop.IX. Definitio · Satz IX. Erklärung ……………………………………………544/545
Prop..X. Theorema · Satz X. Lehrsatz ………………………………………….….546/547
Prop. XI. Theorema · Satz XI. Lehrsatz ……………………………………….…..552/553
Prop. XII. Theorema · Satz XII Lehrsatz ………………………………………….556/557
Prop.XIII. Theorema · Satz XIII Lehrsatz ………………………………………….560/561
NEUER LEHRBEGRIFF DER BEWEGUNG UND RUHE, UND DER DAMIT VERKNÜPFTEN FOLGERUNGEN IN DEN ERSTEN GRÜNDEN DER NATURWISSENSCHAFT, WODURCH ZUGLEICH SEINE VORLESUNGEN IN DIESEM HALBEN JAHRE ANGEKÜNDIGT WERDEN
…………………………………………………………………………………………….569
Neue Begriffe der Bewegung und Ruhe ………………………………………………….569
Von der Trägheitskraft ……………………………………………………………………574
Von dem Gesetze der Kontinuität, in so ferne es von dem Begriffe der Trägheitskraft
unzertrennlich ist ………………………………………………………………………….576
Schlüssel zur Erläuterungen der Gesetze des Stosses nach dem neuen Begriffe der
Bewegung und Ruhe……………………………………………………………………….578
VERSUCH EINIGER BETRACHTUNGEN ÜBER DEN OPTIMISMUS VON
- IMMANUEL KANT, WODURCH ER ZUGLEICH SEINE VORLESUNGEN AUF DAS BEVORSTEHENDE HALBE JAHR ANKÜNDIGT
……………………………………………………………………………………………..587
DIE FALSCHE SPITZFINDIGKEIT DER VIER SYLLOGISTISCHEM FIGUREN
- 1.Allgemeiner Begriff von der Natur der Vernunftschlüsse …………………………….599
- 2.Von den obersten Regeln aller Vernunftschlüsse ……………………………………..601
- 3.Von reinen und vermischten Vernunftschlüssen ………………………………………602
- 4.In der sogenannten ersten Figur sind einzig und allein reine Vernunftschlüsse
möglich, in den drei übrigen lediglich vermischte…………………………………….603
In der zweiten Figur sind keine andere als vermischte Vernunftschlüsse
möglich ……………………………………………………………………………604
In der dritten Figur sind keine andere als vermischte Vernunftschlüsse möglich…605
In der vierten Figur sind keine andere als vermischte Vernunftschlüsse möglich..606
- 5.Die logische Einteilung der vier syllogistischen Figuren ist eine falsche
Spitzfindigkeit …………………………………………………………………………608
- 6.Schlussbetrachtung …………………………………………………………………….611
DER EINZIG MÖGLICHE BEWEISGRUND ZU EINER DEMONSTRATION DES DASEINS GOTTES
Vorrede ……………………………………………………………………………………621
Erste Abteilung, Worin der Beweisgrund zur Demonstration des Daseins Gottes
Geliefert wird
1.Betrachtung. Vom Dasein überhaupt …………………………………………………629
1.Das Dasein ist gar kein Prädikat oder Determination von irgend einem Dinge…630
2.Das Dasein ist die absolute Position eines Dinges und unterscheidet sich
dadurch von jeglichem Prädikate, welches als ein solches jederzeit bloss beziehungsweise auf ein ander Ding gesetzt wird………………………………632
3.Kann ich wohl sagen, das im Dasein mehr als in der blossen möglichkeit sei ?..634
2.Betrachtung. Von der innern Möglichkeit in so fern sie ein Dasein voraussetzet
1.Nötige Unterscheidung bei dem Begriffe der Möglichkeit……………………..637
2.Die Innere Möglichkeit aller Dinge setzt irgend ein Dasein voraus ……………638
3.Es ist schlechterdings unmöglich dass gar nichts existiere ……………………..639
4.Alle Möglichkeit ist in irgend etwas Wirklichen gegeben, entweder in
demselben als eine Bestimmung oder durch dasselbe als eine Folge …………..639
3.Betrachtung. Von dem schlechterdings notwendigen Dasein
1.Begriff der absolut notwendigen Existenz überhaupt…………………….……..642
2.Es existiert ein schlechterdings notwendiges Wesen ……………………………643
3.Das notwendige Wesen ist einig ………………………………………….……..644
4.Das notwendige Wesen ist einfach………………………………………………645
5.Das notwendige Wesen ist unveränderlich und ewig …………………….……..646
6.Das notwendige Wesen enthält die höchste Realität …………………….………646
4.Betrachtung. Beweisgrund zu einer Demonstration des Daseins Gottes
1.Das notwendige Wesen ist ein Geist……………………………………………649
2.Es ist ein Gott …………………………………………………………………..651
3.Anmerkung……………………………………………………………………….651
4.Beschluss………………………………………………………………………..652
Zweite Abteilung von dem weitläuftigen Nutzen der dieser Beweisart besonders eigen ist
1.Betrachtung. Worin aus der wahrgenommenen Einheit in den Wesen der Dinge auf
das Dasein Gottes a posteriori geschlossen wird
1.Die Einheit in dem Mannigfaltigen der Wesen der Dinge gewiesen an den
Eigenschaften des Raums ………………………………………………………655
2.Die Einheit im Mannigfaltigen der Wesen der Dinge, gewiesen an demjenigen,
was in den Bewegungsgesetzen notwendig ist …………………………………658
2.Betrachtung. Unterscheidung der Abhängigkeit aller Dinge von Gott in die
moralische und unmoralische …………………………………………………………663
3.Betrachtung, Von der Abhängigkeit der Dinge der Welt von Gott vermittelst der
Ordnung der Natur, oder ohne dieselbe
1.Einteilung der Weltbegebenheit, in so ferne sie unter der Ordnung der Natur
stehen oder nicht………………………………………………………………..667
2.Einteilung der natürlichen Begebenheiten in so fern sie unter der notwendigen
oder zufälligen Ordnung der Natur stehen……………………………………..670
4.Betrachtung. Gebrauch unseres Beweisgrundes in Beurteilung der Vollkommenheit
einer Welt nach dem Laufe der Natur
1.Was aus unserm Beweisgrunde zum Vorzuge der Ordnung der Natur vor dem
Übernatürlichem kann geschlossen werden ……………………………………672
2.Was aus unserm Beweisgrunde zum Vorzuge einer oder anderer Naturordnung
geschlossen werden kann ………………………………………………………678
5.Betrachtung. Worin die Unzulänglichkeit der gewöhnlichen Methode der
Physikotheologie gewiesen wird
1.Von der Physikotheologie überhaupt …………………………………………682
2.Die Vorteile und auch die Fehler der gewöhnlichen Physikotheologie ………683
6.Betrachtung. Verbesserte Methode der Physikotheologie
1.Ordnung und Anständigkeit, wenn sie gleich notwendig ist, bezeichnet einen
verständigen Urheber …………………………………………………………690
2.Notwendige Ordnung der Natur bezeichnet selbst einen Urheber der Materie
die so geordnet ist …………………………………………………………….692
3.Regeln der verbesserten Methode der Physikotheologie ……………………..693
4.Erläuterung dieser Regeln …………………………………………………….695
7.Betrachtung. Kosmogonie. Eine Hypothese mechanischer Erklärungsart des
Ursprung der Weltkörper und der Ursachen ihrer Bewegungen, gemäss denen
Vorher erwiesenen Regeln ………………………………………………………….707
1.Erweiterte Aussicht in den Inbegriff des Universum …………………………710
2.Gründe vor einen mechanischen Ursprung unserer Planetenwelt überhaupt.…712
3.Kurzer Abriss der wahrscheinlichsten Art wie ein Planetensystem
mechanisch hat gebildet werden können………………………………………715
4.Anmerkung…………………………………………………………………….720
8.Betrachtung . Von der göttlichen Allgenugsamkeit …………………………………723
Dritte Abteilung. Worin dargetan wird: das ausser dem ausgeführten Beweisgrunde
kein anderer zu einer Demonstration vom Dasein Gottes möglich sei
1.Einleitung aller möglichen Beweisgründe vom Dasein Gottes……………….729
2.Prüfung der Beweisgründe der ersten Art………………………………….….730
3.Prüfung der Beweisgründe der zweiten Art……………………………….…..732
4.Es sind überhaupt nur zwei Beweise vom Dasein Gottes möglich…………….734
5.Es ist nicht mehr als eine einzige Demonstration vom Dasein Gottes möglich,
wovon der Beweisgrund oben gegeben worden………………………………..737
UNTESUCHUNG ÜBER DIE DEUTLICHKEIT DER GRUNDSÄTZE DER NATÜRLICHEN THEOLOGIE UND DER MORAL .
ZUR BEANTWORTUNG DER FRAGE WELCHE DIE KÖNIGL. AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN ZU BERLIN UF DAS JAHR 1763 AUFGEGEBEN
HAT
Einleitung ……………………………………………………………………………….743
Erste Betrachtung. Allgemeine Vergleichung der Art zur Gewissheit im
mathematischen Erkenntnisse zu gelangen mit der im philosophischen
- 1.Die Mathematik gelangt zu allen ihren Definitionen syntheyisch, die
Philosophie aber analytisch………………………………………………………..744
- 2.Die Mathematik betrachtet in ihren Auflösungen, Beweisen und Folgerungen das
allgemeine unter den Zeichen in concreto, die Weltweisheit das allgemeine
durch die Zeichen in abstracto …………………………………………………….746
- 3.In der Mathematik sind nur wenig unauflösliche Begriffe und unermässliche Sätze,
in der Philosophie aber unzählige………………………………………………….748
- 4.Das Objekt der Mathematik ist leicht und einfältig, der Philosophie aber schwer
und verwickelt……………………………………………………………………..751
Zweite Betrachtung. Die einzige Methode, zur höchstmöglichen Gewissheit in der
Metaphysik zu gelangen ………………………………………………………………..752
Beispiel der einzig sicheren Methode der Metaphysik, an der Erkenntnis der Natur
der Körper ……………………………………………………………………………756
Dritte Betrachtung. Von der Natur der metaphysischen Gewissheit
- 1.Die philosophische Gewissheit ist überhaupt von anderer Natur als die
mathematische………………………………………………………………………761
- 2.Die Metaphysik ist einer Gewissheit, die zur Überzeugung hinreicht, fähig………763
- 3.Die Gewissheit der ersten Grundwahrheiten in der Metaphysik ist von keiner
andern Art, als in jeder andern vernünftigen Erkenntnis ausser der
Mathematik……………………………………………………………………..…764
Vierte Betrachtung. Von der Deutlichkeit und Gewissheit deren die erste Gründe
der natürlichen Gottesgelahrtheit und Moral fähig sein
- 1.Die erste Gründe des natürlichen Gottesgelahrheit sind der grössten
philosophischen Evidenz fähig………………………………………………..…..768
- 2.Die ersten Gründe der Moral sind nach ihrer gegenwärtigen Beschaffenheit noch
nicht aller erforderlichen Evidenz fähig………………………………………….770
Nachschrift………………………………………………………………………….….773
VERSUCH DEN BEGRIFF DER NEGATIVEN GRÖSSEN IN DIE WELTWEISHEIT EINZUFÜHREN
Vorrede …………………………………………………………………………….….779
………………………………………………………………………………………….782
Erster Abschnitt. Erläuterung des Begriffes von den negativen Grössen überhaupt….783
Zweiter Abschnitt. In welchem Beispiele aus der Weltweisheit angeführt
werden , darin der Begriff der negativen Grössen vorkommen……………………….791
Dritter Abschnitt. Enthält einige Betrachtungen, welche zu der Anwendung des
gedachten Begriffs auf die Gegenstände der Weltweisheit vorbereiten können………801
Allgemeine Anmerkung……………………………………………………………….816
BEOBACHTUNGEN ÜBER DAS GEFÜHL DES SCHÖNEN UND
ERHABENEN
Erster Abschnitt. Von den unterschiedenen Gegenständen des Gefühls vom
Erhabenen und Schönen……………………………………………………………….825
Zweiter Abschnitt. Von den Eigenschaften des Erhabenen und Schönen am
Menschen überhaupt…………………………………………………………………..829
Dritter Abschnitt. Von dem Unterschiede des Erhabenen und Schönen in dem
Gegenverhältnis beider Geschlechter …………………………………………………850
Vierter Abschnitt. Von den Nationalcharaktern, in so ferne sie auf dem
Unterschiedlichen Gefühl des Erhabenen und Schönen beruhen………………………868
VERSUCH ÜBER DIE KRANKHEITEN DES KOPFES
…………………………………………………………………………………………887
NACHRICHT VON DER EINRICHTUNG SEINER VORLESUNGEN
IN DEM WINTERHALBENJAHRE, VON 1765-1766
…………………………………………………………………………………………907
TRÄUME EINES GEISTERSEES, ERLÄUTERT DURCH
TRÄUME DER METAPHYSIK
Ein Vorbericht der sehr wenig vor dir Ausführung verspricht ……………………….923
Der erste Teil welcher dogmatisch ist
1.Hauptstück. Ein verwickelter metaphysischer Knoten, den man nach beliebe
auflösen oder abhauen kann………………………………………………………925
2.Hauptstück. Ein Fragment der geheimen Philosophie, die Gemeinschaft mit
der Geisterwelt zu eröffnen…………………………………………………….…936
3.Hauptstück. Antikabbala. Ein Fragment der gemeinen Philosophie, die
Gemeinschaft mit der Geisterwelt aufzuheben………………………………..….952
4.Haupstück. Theoretischer Schluss aus den gesamten Betrachtungen des ersten
Teils…………………………………………………………………………..….960
Der zweite Teil, welcher historisch ist
1.Hauptstück. Eine Erzählung deren Wahrheit der beliebigen Erkundigung des
Lesers empfohlen wird…………………………………………………………….965
2.Hauptstück. Extasische Reise eines Schwärmers durch die Geisterwelt……..…..970
3.Hauptstück. Praktischer Schluss aus der ganzen Abhandlung………………..…..984
VON DEM ERSTEN GRUNDE DES UNTERSCHIEDES DER
GEGENDEN IM RAUME
……………………………………………………………………………………….993
Nachwort des Herausgebers
Zu den Texten …………………………………………………………………….1003
Zu den Übersetzungen
A.Nova dilucidatio………………………………………………………………….1008
B.Monadologia physica…………………………………………………………….1010
* Übersetzung des Herausgebers: 2Auf nichts haben wir mehr zu achten, als dass wir nicht wie das Vieh der Herde der Vorangehenden folgen und entlangtrotten, nicht wo man gehen soll, sondern wo man geht.“
1 Akad.-Ausg.: „um die”.
1 Akad.-Ausg.: „einen andern”.
1 Akad.-Ausg.: „gleich stark”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Es gibt etwas ausser der Ausdehnung, ja sogar vor der Ausdehnung“.
1 Akad.-Ausg.: „vim activam“.
1 Akad.-Ausg.: „oder sie findet“.
1 Akad.-Ausg.: „diesem”.
1 Akad.-Ausg.: „sie wird”.
* Mundus est rerum omnium contingentium simultanearum et successivarum inter se connexarum series. 2
2 Übersetzung des Herausgebers: „Die Welt ist die Reihe aller gleichzeitigen und aufeinander folgenden unter sich verknüpften zufälligen Dinge.”
1 Akad.-Ausg.: „anderm Wesen”.
** Man begreifet dieses noch deutlicher, wenn man erwäget, dass der Körper A nach verrichtetem Stosse werde in C sein, wenn B den Punkt D, der die Linie AC auf die Hälfte teilet, noch nicht überschritten hat; mithin werde jener diesen haben durchdringen müssen, denn sonst hätte er vor ihm keinen Vorsprung erlangen können.
1 Akad.-Ausg.: „zweiten Art”.
2 Akad.-Ausg.: „werde, da hingegen”.
1 Akad.-Ausg.: „ersten Art”.
2 Akad.-Ausg.: „will ich mit”.
* Weil ich in dieser Schrift eigentlich der Meinung des Herrn von Leibniz gewisse Einwürfe entge[[Anm. A 21>>gen setzen will, so scheint es, dass ich mir selber widerspreche, da ich in diesem § einen Beweis zur Bestätigung seiner Meinung darbiete. Allein in dem letzten Kapitel werde ich zeigen, dass des Herrn von Leibniz Meinung, wenn sie nur auf gewisse Weise eingeschränkt wird, würklich statt habe.
1 Akad.-Ausg.: „den wahren“.
1 Akad.-Ausg.: „auf keinem“.
* In der Formul des Leibnizischen Kräftenmasses.
* Nach der Regel posita ratione ponitur rationatum.
* Der kurze Inhalt dieses Beweises ist folgender. Die Zeit, die sich zwischen dem Anfange der Bewegung, und dem Augenblicke, darin der Körper anstösst, befindet, kann so viel kürzer gedacht werden, als beliebig ist, ohne dass sich dadurch verstehen lässt, dass die Bedingung der lebendigen Kraft sich dadurch verlieren werde, § 24; nun ist aber diese Abkürzung ein Grund, woraus verstanden werden kann, dass, wenn man sie fortsetzete, der Körper endlich werde im Anfangspunkte sein, wo die lebendige Kraft sich würklich verlieret, und dagegen die Bedingung zur toten einfindet; es ist also die Verkleinerung dieser Zeit kein Grund, der der Bedingung der lebendigen Kraft etwas entziehet, und ist doch zugleich ein Grund hiezu: welches sich widerspricht.
1 Akad.-Ausg.: „in sich”.
1 Akad.-Ausg.: „aus dem”.
2 Akad.-Ausg.: „als den”.
1 Akad.-Ausg.: „sei”.
1 Akad.-Ausg.: „nicht unterschieden”.
1 Akad.-Ausg. erwägt: „weniger… geneigt”.
1 Akad.-Ausg. erwägt: „a B”.
2 Akad.-Ausg. erwägt: „Produkt”.
1 Akad.-Ausg.: „sich wie“.
1 Akad.-Ausg.: „demselben Grade”.
1 Akad.-Ausg.: „hiedurch”.
2 Akad.-Ausg.: „einen Grad”.
* Den Körper C mische ich hiebei nicht mit ein, denn weil seine Geschwindigkeit und Masse in nichts von der Klasse und Geschwindigkeit der Kugel B unterschieden ist, so wird er von Herrn Hermann ohne Not an statt des Körpers B eingeschoben.
1 Akad.-Ausg.: „konnte”.
1 Akad.-Ausg.: „BE”.
1 Akad.-Ausg.: „BE”.
1 Akad.-Ausg.: „herleiten könne”.
* Die Körper A und B haben also deswegen gleiche Kräfte, weil die Federn RA und RB in sie gleich lange gewürket haben; und weil die Teile dieser Federn alle gleich stark gespannet waren.
1 Akad.-Ausg.: „Vertheidigung desselben”.
* Denn ein Körper, der nur unendlich wenig sich eindrücken lässt, kann ohne einen Irrtum vollkommen hart genannt werden.
1 Akad.-Ausg.: „mit dem die”.
1 Akad.-Ausg.: „Zusammenstoss der Körper”.
1 Akad.-Ausg.: „hervorzubringen”.
* Denn so lange die Bewegung des gestossenen Körpers noch nicht würklich geworden ist (so lange er nämlich sich von dem stossenden noch nicht entfernet hat), so lange ist seine Kraft, selber nach dem Geständnisse der Leibnizianer, noch tot.
1 Akad.-Ausg.: „mir ein, dass”.
[1] Akad.-Ausg.: „entgegenstehenden“.
[2] Akad.-Ausg.: „ba“.
[3] Akad.-Ausg.: „FE“.
1 Akad.-Ausg.: „Sinui”.
1 Akad.-Ausg.: „in einem Cirkel”.
2 Akad.-Ausg.: „bd”.
3 Akad.- Ausg.: „cd”.
1 Akad.-Ausg. erwägt: „einen Grad Geschwindigkeit ergibt”.
1 Akad.-Ausg.: „hervorgebracht”.
1 Akad.-Ausg.: „ehe”.
1 Akad.-Ausg.: „vorbeuge”.
1 Akad.-Ausg.: „begriffen“.
1 Akad.-Ausg.: „ihm“.
2 Akad.-Ausg.: „des Herrn Bülfingers“.
3 Akad.-Ausg.: „folge“.
4 Übersetzung des Herausgebers: „nur bei Bewegungen, die in gleich langen Zeiten erfolgen, verhalten sich die Aktionen wie die Kräfte; nicht beim toten Druck.“
1 Cassirer: „auf denselben”.
2 Akad.-Ausg.: „ihre Bewegung”.
3 Akad.-Ausg.: „sie”.
3 Akad.-Ausg.: „sie”.
3 Akad.-Ausg.: „sie”.
4 Akad.-Ausg.: „in 3A”.
5 Akad.-Ausg.: „in 3B”.
6 Akad.-Ausg.: „Körper B”.
1 Akad.-Ausg.: „Kugel A”.
1 Akad.-Ausg.: „Kugel A”.
2 Akad.-Ausg.: „ihren”.
3 Akad.- Ausg.: „ihre”.
4 Akad.-Ausg.: „ihn”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Hätte Pergamon von meiner Rechten verteidigt werden können, so wäre es von ihr auch verteidigt worden.”
2 Akad.-Ausg.: „4A”.
3 Akad.-Ausg.: „derselbe”.
4 Akad.- Ausg.: „übertragenen”.
1 Akad.-Ausg.: „in 3A”.
1 Akad.-Ausg.: „in 3B”.
2 Akad.-Ausg.: „in 3A”.
3 Akad.-Ausg.: „womit der Körper aus 3A”.
4 Akad.-Ausg.: „in 1B”.
5 Akad.-Ausg.: „2Ba”.
1 Akad.-Ausg.: „in 3A”.
2 Akad.-Ausg.: „der Körper in 3A”.
2 Akad.-Ausg.: „der Körper in 3A”.
3 Akad.-Ansg.: „in 3B”.
1 Akad.-Ausg.: „p. 442”.
2 Akad.-Ausg.: „Quae”.
3 Übersetzung des Herausgebers: „Das hätte auch zur Folge, dass die Ursache nicht wiederhergestellt und an die Stelle ihrer Wirkung gesetzt werden könnte; wie sehr dies der Regel der Natur und den Gründen der Dinge widerspricht, ist leicht einzusehen. Und die Folge wäre: dass, da die Wirkungen immer abnähmen, aber niemals zunähmen, die Natur selber der Dinge stetig nachliesse, wobei die Vollkommenheit vermindert würde, und dass sie sich niemals wieder erheben und das Verlorene wieder erlangen könnte ohne ein Wunder. Was im Felde der Physik sicher der Weisheit und Beständigkeit des Urhebers widerspricht.”
1 Übersetzung des Herausgebers: „Auch soll kein Gott ins Spiel kommen, wenn nicht eine Verwicklung eingetreten ist, die einen Retter verdient”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Wie aber durch Übertragung der ganzen Kraft des Körpers A in den Körper B nach Cartesius eine irnmerwährende Bewegung behauptet werden könne, beweist er aufs einleuchtendste und glaubt so den Kartesianern ihre Ungereimtheit nachgewiesen zu haben. Ich räume ein, dass sowohl eine immerwährende Bewegung ungereimt als auch der Beweis des berühmten Mannes aus der vorausgesetzten Übertragung rechtmässig ist.”
1 Übersetzung des Herausgebers: „Aber ich leugne entschieden die Möglichkeit seiner Voraussetzung von der Übertragung der ganzen Kraft aus dem Körper A in den Körper B, usw.”
1 Akad.-Ausg.: „affinem illis ipsis, quae Clariss.”
2 Übersetzung des Herausgebers: „Als ich in Florenz war, habe ich einem Freunde noch einen anderen Beweis für die Möglichkeit einer Übertragung der ganzen Kräfte usw. von einem grösseren Körper in einen kleineren ruhenden gegeben, der eben denen durchaus nahekommt, die der berühmte Papin sehr geschickt zu meiner Unterstützung ausgedacht hat, wofür ich ihm Dank schulde, ja auch seiner Gutherzigkeit entsprechend abstatte.”
1 Akad.-Ausg.: „Kugel B”.
2 Akad.-Ausg.: „niederzudrücken”.
3 Akad.-Ausg. erwägt: „in einfacher Entfernung”.
1 Akad.-Ausg.: „1A”.
2 Akad.-Ausg.: „Feder”.
3 Akad.-Ausg.: „aufspringen”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „er stiess mit seiner Kraft ins Leere und überdies fiel er, schwer wie er war, mit ungeheurem Gewicht schwer zu Boden: wie manchmal eine hohle Kiefer auf dem Krymanthos oder dem hohen Ida entwurzelt fällt.”
1 Akad.-Ausg.: „verzehrt“.
2 Übersetzung des Herausgebers: „Wenn zwei Bewegliche durch ungleiche Räume hindurchgetragen werden, so sind die unschädlichen Wirkungen wie die Räume.“
* Es hat also Herr Wolff in der Bewegung durch einen Raum, darin dem Körper nichts widerstehet, d. i. durch einen leeren Raum, demselben gewisse Würkungen beigeleget; und dieser Würkungen bedienet er sich hernach zu einem Masse der Kraft des Körpers; folglich ist er seinem Versprechen nicht nachgekommen.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Aktionen, durch welche die gleiche Wirkung hervorgebracht wird, sind wie die Geschwindigkeiten.“
1 Akad.-Ausg.: „sese habet: perinde est, sive massae sint eaedem et tempus diversum, sive massae diversae et tempus idem etc.“; Übersetzung des Herausgebers: „Da ja hier das Verhältnis der Massen dasselbe ist wie im vorigen Fall das der Zeiten, das Verhältnis der Geschwindigkeiten aber das gleiche bleibt: so ist es einerlei, ob die Massen ungleich und die Zeit gleich, oder ob die Massen gleich und die Zeit ungleich sind usw.“
1 Akad.-Ausg.: „BC“.
1 Akad.-Ausg.: „in ihn”.
1 Akad.-Ausg. erwägt: „illa”.
2 Übersetzung des Herausgebers: „Durch ihre Wunden war jene fruchtbar: und keinen der hundert Köpfe schlug man ungestraft ab, vielmehr wurde der Nacken durch zweifach nachwachsende stärker.”
3 Akad.-Ausg.: „AC”.
1 Akad.-Ausg.: „B sit duplum”.
2 Akad.-Ausg.: „C”.
3 Akad.- Ausg.: „C, etc.”; Übersetzung des Herausgebers: „Als ich mithin verschiedene Körper, oder solche, die verschiedene Geschwindigkeiten haben, vergleichen wollte, habe ich freilich leicht gesehen: wenn der Körper A einfach ist und B doppelt, die Geschwindigkeit beider aber gleich, so ist auch die Kraft von jenem einfach, von diesem doppelt, weil schlechthin alles, was in jenem einmal, in diesem zweimal gesetzt ist. Denn in B ist zweimal ein Körper, der dem A gleich und von gleicher Geschwindigkeit ist, und keiner mehr. Aber wenn die Körper A und C gleich sind, die Geschwindigkeit jedoch in A einfach und in C doppelt ist, sah ich, dass nicht schlechthin alles, was in A ist, in C verdoppelt wird, usw.”
1 Akad.-Ausg.: „denselben”.
1 Akad.-Ausg.: „§ 113 [a]“.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Man höre also auf, einen Knoten an der Binse zu suchen.”
1 Akad.-Ausg.: „h ä t t e”.
1 Akad.-Ausg.: „hätte”.
2 Akad.-Ausg.: „LIC”.
2 Akad.-Ausg.: „LIC”.
1 Akad.-Ausg.: „GgI”.
2 Akad.-Ausg.: „LIC”.
3 Akad.-Ausg.: „GgI”.
4 Akad.-Ausg.: „EeG”.
1 Cassirer: „heruntersetzen”.
2 Cassirer: „erklären”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „Ich begreife nicht, was der hartnäckigste Gegner, selbst wenn er Skeptiker wäre, diesem völlig einleuchtenden Beweis entgegensetzen könnte”.
2 Akad.-Ausg.: „videt”.
3 Übersetzung des Herausgebers: „Sicher steht es nicht in unserer Macht, einen dazu zu zwingen, dass er zugebe, es werde Tag, wenn wir die Sonne am Horizont aufsteigen sehen.”
1 Im Original fehlt bei diesem und dem folgenden Stern ein entsprechender Verweis. Akad.-Ausg. gibt an: „Fig. XXIV” u. „Fig. XXV”; Rosenkranz: „Fig. 23” u. „Fig. 24”.
1 Übersetzung des Herausgebers: „gleiche Verhältnisse können eines an die Stelle des anderen gesetzt werden”.
2 Übersetzung des Herausgebers: „Die Zeiten, in denen zwei Bewegliche, w e n n s i e g l e i c h s i n d, dieselben Wirkungen ausüben, sind umgekehrt wie die Geschwindigkeiten.”
1 Übersetzung des Herausgebers: „Die Massen u n g l e i c h e r K ö r p e r, die dieselben Wirkungen ausüben, sind umgekehrt wie die Geschwindigkeiten.”
2 Akad.-Ausg.: „unter welchen”.
3 Übersetzung des Herausgebers: „Die Aktionen, wodurch gleiche Körper dieselben Wirkungen ausüben, sind wie die Geschwindigkeiten.”
4 Übersetzung des Herausgebers: „Die Aktionen, wodurch ungleiche Körper dieselben Wirkungen ausüben, sind auch wie deren Geschwindigkeiten; ihre Geschwindigkeiten aber sind umgekehrt wie die Massen.”
1 Akad.-Ausg.: „habe“.
1 Akad.-Ausg.: „ist sie in”.
1 Akad.-Ausg.: „und sich von”.
1 Akad.-Ausg.: „auch das Quadrat”.
1 Akad.-Ausg.: „dependet”.
2 Übersetzung des Herausgebers: „Die lebendige Kraft ist etwas Reales und Substantielles, das durch sich besteht, und, soviel an ihm liegt, nicht von einem anderen abhängt;… Die tote Kraft ist nichts Unbedingtes und durch sich selber Dauerndes usw. usw.”
1 Übersetzung des Herausgebers: „Realen und Substantiellen, das durch sich besteht und etwas Unbedingtes ist”.
2 Übersetzung des Herausgebers: „was nichts Unbedingtes ist, sondern von etwas anderem abhängen wird”.
1 Akad.-Ausg.: „Herr Daniel Bernoulli”.
2 Akad.-Ausg.: „der Geschwindigkeit”.
3 Akad.-Ausg.: „p den Druck”.
4 Akad.-Ausg.: „Fehlschluss”.
1 Akad.-Ausg.: „dV”.
2 Akad.-Ausg.: „gMudt”.
1 Akad.-Ausg. erwägt: „in ihrer”.
2 Übersetzung des Herausgebers: „Jeder Körper setzt seinen Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen geradlinigen Bewegung fort, wenn er nicht von einer äusseren Ursache gezwungen wird, den Zustand zu ändern.”
1 Akad.-Ausg.: „welchen der“.
1 Akad.-Ausg.: „sie sich“.
1 Akad.-Ausg.: „ihren Grad“.
2 Akad.-Ausg.: „ihr alsdann“.
1 Akad.-Ausg.: „einer nach dem andern“.
1 Cassirer: „und welche“.
1 Akad.-Ausg.: „die es verrichtet“.
1 Akad.-Ausg.: „das zwar”.
2 Akad.-Ausg.: „denn dieses”.
3 Akad.- Ausg.: „ihre”.
4 Akad.-Ausg.: „ihrer”.
5 Akad.-Ausg.: „annehmen, die”.
6 Akad.-Ausg.: „§ 138”.
* Nämlich in denenjenigen, darinnen ein anderer von grösserer Masse mit derselben Geschwindigkeit seine lebendige Kraft ganz anwendet.
1 Wie es Herr Mariotte durch Versuche dargetan hat.
1 Akad.-Ausg.: “§§ 143, 144, 145”.
1 Akad.-Ausg.: „welcher“.
1 Akad.-Ausg.: „musste”.
1 Akad.-Ausg.: „weil sie, da”.
1 Akad.-Ausg.: „dessen Vorgänger, des”.
2 Akad.-Ausg.: „und ihrer Folgen”.
* I. Teil § 88.
1 Akad.-Ausg.: „indem ich deutlich”.
1 Akad.-Ausg.: „Herr”.
* Weil ich den angeführten Traktat nicht bei der Hand habe, so will ich das dazu Gehörige aus der Anführung der Ouvrages diverses de Msr. de Maupertuis in den Actis Erud. 1745 hier einrücken. Das erste Phaenomenon sind diejenige l i c h t e S t e l l e n am Himmel, welche neblichte Sterne genannt, und vor einen Haufen kleiner Fixsterne gehalten wer[[Anm. A XLII>>den. Allein die Astronomen haben durch vortreffliche Ferngläser sie nur als grosse länglichtrunde Plätzchen, die etwas lichter als der übrige Teil des Himmels wären, befunden. H u y g e n s hat dergleichen etwas zuerst im O r i o n angetroffen; H a l l e y gedenket in den Anglical. Trans. sechs solcher Plätzchen: 1. im Schwert des Orions, 2. im Schützen, 3. im Centaurus, 4. vor dem rechten Fusse des Antinous, 5. im Herkules, 6. im Gürtel der Andromeda. Wenn diese durch ein reflektierendes Seherohr von 8 Fuss betrachtet werden, so siehet man, dass nur der vierte Teil derselben vor einen Haufen Sterne könne gehalten werden; die übrige haben nur weisslichte Plätzchen vorgestellt, ohne erheblichen Unterschied, ausser dass eines mehr der Zirkelrundung beikommt, ein anderes aber länglichter ist. Es scheinet auch, dass bei dem ersten die durch das Seherohr sichtbaren kleinen Sternchen seinen weisslichten Schimmer nicht verursachen können. H a l l e y glaubt: dass man aus diesen Erscheinungen dasjenige erklären könne, was man im Anfang dez Mosaischen Schöpfungsgeschichte antrifft, nämlich dass das Licht eher als die Sonne erschaffen sei. D e r h a m vergleicht sie Öffnungen, dadurch eine andere unermessliche Gegend und viel[[Anm. A XLIII>>leicht der Feuerhimmel durchscheine. Er meinet, er habe bemerken können, dass die Sterne, die neben diesen Plätzchen gesehen werden, uns viel näher wären, als diese lichte Stellen. Diesen fügt der Verfasser ein Verzeichnis der neblichten Sterne aus dem H e v e l i u s bei. Er hält diese Erscheinungen vor grosse lichte Massen, die durch eine gewaltige Umwälzung abgeplattet worden wären. Die Materie, daraus sie bestehen, wenn sie eine gleichleuchtende Kraft mit den übrigen Sternen hätte, würde von ungeheurer Grösse sein müssen, damit sie, aus einem viel grösseren Abstande, als der Sterne ihrer ist, gesehen, dennoch dem Fernglase unter merklicher Gestalt und Grösse erscheinen können. Wenn sie aber an Grösse den übrigen Fixsternen ohngefähr gleich kämen: müssten sie uns nicht allein ungleich viel näher sein, sondern zugleich ein viel schwächeres Licht haben: weil sie bei solcher Nähe und scheinbarer Grosse doch einen so blassen Schimmer an sich zeigen. Es würde also der Mühe verlohnen, ihre Parallaxe, wofern sie eine haben, zu entdecken. Denn diejenigen, welche sie ihnen absprechen, schliessen vielleicht von einigen auf alle. Die Sternchen, die man mitten auf diesen Plätzchen antrifft, wie in dem O r i o n (oder, noch schöner, in dem vor dem rechten Fusse des A n t i n o u s, welcher nicht anders aussiehet als ein Fixstern, der mit einem Nebel umgeben ist), würden, wofern sie uns näher wären, entweder nach Art der Projektion auf denselben gesehen, oder schienen durch jene Massen, gleich als durch die Schweife der Kometen, durch.
* siehe G e l l e r t s Fabel: H a n s N o r d.
1 Akad.-Ausg.: „als der ersteren“.
1 Akad.-Ausg.: „Erklärung“.
1 Akad.-Ausg.: „mehrerer“.
1 Akad.-Ausg.: „a u s d e n V e r h ä l t n i s s e n“.
1 Akad.-Ausg.: „den stufenartigen Zusammenhang“.
* Diese kurze Einleitung, welche vielleicht in Ansehung der meisten Leser überflüssig sein möchte, habe ich denen, die etwa der Newtonischen Grundsätze nicht genugsam kundig sein, zur Vorbereitung der Einsicht in die folgende Theorie vorher erteilen wollen.
1 Cassirer erwägt: „wenige“.
2 Akad.-Ausg.: „in dem unsrigen“.
1 Akad.-Ausg.: „Fixsterne auf eine“.
1 Gensichen (Änderung Kants): „den Schwung des Umlaufs“.
2 Gensichen (Änderung Kants): „zu bringen“.
1 Gensichen: „3 Millionen Jahre“.
2 Gensichen: „8000 Jahren“.
1 Akad.-Ausg.: „erfordert würden”.
* Imgleichen auf diejenige Haufen von Sternen, deren viele in einem kleinen Raume bei einander sein, als z. E. das Siebengestirn, weiche vielleicht unter sich ein kleines System in dem grössern ausmachen.
** De la Hire bemerkt in den Memoires der Akademie zu Paris vom Jahr 1693 er habe sowohl aus eigenen Beobachtungen, als auch aus Vergleichung derselben mit des Ricciolus seinen eine starke Änderung in den Stellungen der Sterne des Siebengestirns wahrgenommen.
1 Vgl. Gensichens 2. Schlussanmerkung A 201 f. (in der vorliegenden Ausgabe S. 399).
2 Akad.-Ausg.: „ausserhalb derselben“.
* Abhandlung von der Figur der Sterne.
1 Vgl. Gensichens 2. Schlussanmerkung A 202 (in der vorliegenden Ausgabe S. 399).
2 Akad.-Ausg.: „dieser Arten“.
1 Akad.-Ausg.: „Ursache”.
2 Akad.-Ausg. erwägt: „Zunahme der Excentricität”.
1 Akad.-Ausg.: „Entdeckung derselben”.
1 Akad.-Ausg.: „10”.
* Ich untersuche hier nicht, ob dieser Raum in dem [[Anm. A 25>> allereigentlichsten Verstande könne leer genannt werden. Denn allhier ist genug zu bemerken, dass alle Materie, die etwa in diesem Raume anzutreffen sein möchte, viel zu unvermögend sei, als dass sie in Ansehung der bewegten Massen, von denen die Frage ist, einige Wirkung verüben könnt”.
1 Akad.-Ausg.: „Gepränge, das”.
1 Akad.-Ausg.: „Regelung”.
2 Akad.-Ausg.: „gehoben wird und”.
1 Akad.-Ausg.: „würden”.
2 Gensichen (Änderung Kants): „hervorbringen können”.
3 Gensichen (vermutliche Änderung Kants): „Elemente, wenn der Widerstand, den sie im Fallen gegen einander seitwärts ausüben, nicht genau von allen Seiten gleich ist, welches sich nicht wohl annehmen lässt, durch einander”.
4 Gensichen (Änderung Kants): „schlägt so zuletzt in”.
1 Gensichen: „Keime anfänglich lsngsam (durch die chemische Anziehung), darauf aber in schnellen Graden (durch die so genannte Newtonische) fortwächset”.
2 Gensichen (Änderung Kants): „alle gleichsam horizontal”.
1 Cassirer erwägt: „ihre Wirkung“.
* Der Anfang der sich bildenden Planeten ist nicht allein in der Newtonischen Anziehung zu suchen. Diese würde bei einem Partikelchen von so ausnehmender Feinigkeit gar zu langsam und schwach sein. Man würde vielmehr sagen, dass in diesem Raume die erste Bildung durch den Zusammenlauf einiger Elemente, die sich durch die ge[[Anm. A 35>>wöhnlichen Gesetze des Zusammenhanges vereinigen, geschehe, bis derjenige Klumpen, der daraus entstanden, nach und nach so weit angewachsen, dass die Newtonische Anziehungskraft an ihm vermögend geworden, ihn durch seine Wirkung in die Ferne immer mehr zu vergrössern.
* Diese abgemessene Zirkelbewegung betrifft ei[[Anm. A 36>>gentlich nur die der Sonne nahen Planeten: denn von den grossen Entfernungen, da sich die entlegensten Planeten oder auch die Kometen gebildet haben, ist leicht zu vermuten, dass, weil die sinkende Bewegung des Grundstoffs daselbst viel schwächer, die Weitläuftigkeit der Räume, da sie zerstreuet sein, auch grösser ist, die Elemente daselbst an, und vor sich schon von der zirkelgleichen Bewegung abweichen, und dadurch die Ursache der daraus gebildeten Körper sein müssen.
* Denn die Teilchen von der zur Sonne nähern Gegend, welche eine grössere Umlaufsgeschwin[[Anm A 37>>digkeit haben, als in dem Orte, da sie auf dem Planeten sich versammlen, zur Zirkelbewegung erfordert wird, ersetzen dasjenige, was denen von der Sonne entfernteren Teilchen, die sich eben demselben Körper einverleiben, an Geschwindigkeit fehlet, um in dem Abstande des Planeten zirkelförmig zu laufen.
1 Cassirer: „Beziehungsplane“.
1 Gensichen (Änderung Kants): „schweben bleiben, weil sie durch den erfüllten Raum der Elemente nicht so tief hindurch dringen dürfen, damit ihre Bewegung, durch dieser ihren Widerstand seitwärts gewandt, die zum freien Umlaufe erforderliche Geschwindigkeit erlange. Also werden nach erlangtem zur freien Bewegung hinreichendem Schwunge die”.
1 Akad.-Ausg.: „zu dieser zu ihrem”.
2 Gensichen (Änderung Kants): „schweben zu bleiben”.
1 Cassirer: „Materien”.
2 Akad.-Ausg.: „als diese”.
1 Gensichen (Änderung Kants): „oder doch in Verhältnis auf die Grösse der Räume seltner werden”.
2 Gensichen (Änderung Kants): „Mittelpunkte, oder, wie bei den Kometen, in eine derselben nahe Bewegung ausschlagen”.
3 Akad.-Ausg. (nach Gensichen): „einen entfernteren Planeten”.
1 Akad.-Ausg.: „Billionen mal”.
1 Akad.-Ausg.: „Billionen mal”.
1 Gensichen (Änderung Kants): „Sorten durch ihre eigenen Anziehungskräfte verteilt worden”.
2 Akad.-Ausg.: „Sonnen ihrer”.
1 Akad.-Ausg.: „wir sie”.
2 Akad.-Ausg.: „der ihren”.
3 Akad. Ausg.: „schneller bewegter Theile”.
1 Cassirer: „verstattet”.
1 Akad.-Ausg.: „sei“.
2 Akad.-Ausg.: „sie aus“.
* Dieses sind die Nordlichter.
1 Akad.-Ausg.: „seiner Wärme“.
2 Akad.-Ausg.: „den Kometen“.
1 Cassirer: „ihres Grundbegriffes”.
1 Akad.-Ausg.: „23½”.
1 Der Anfang dieses fünften Hauptstückes lautet in Gensichens Auszug: „Der Ursprung des Ringes, der den Saturn umgibt, wird sich begreiflicher als viele andere Erscheinungen der Natur erklären lassen, wenn wir annehmen, Saturn habe nach vollendeter Bildung eine Umdrehung um seine Achse gehabt, und der leichteste Stoff seiner Oberfläche sei durch die Wirkung der Wärme+ über ihn erhoben worden.
+ In der Theorie des Himmels selbst nimmt der Hr. Verfasser an, Saturn habe ehemals mit einer der kometischen ähnlichen Bewegung etliche Umlĺufe mit grösserer Exzentrizität zurückgelegt, und durch die Hitze, welche sich ihm in seiner Sonnennähe einverleibt, sei der leichte Stoff von seiner Oberfläche erhoben worden, oder er habe eine kometische Atmosphäre um sich ausgebreitet. – In der Folge aber ist er auf die sich noch mehr empfehlende Vorstellung gekommen, dass durch die Vermischung der Materien, die bei der Bildung der Planeten vorgegangen ist, eine Wärme in ihrem Innern erzeugt worden sei, und diese habe beim Saturn die angezeigte Wirkung gehabt.”
* Oder, welches wahrscheinlicher ist, dass er in seiner kometenähnlichen Natur, die er auch noch jetzo vermöge seiner Exzentrizität an sich hat, bevor der leichteste Stoff seiner Oberfläche völlig zerstreuet worden, eine kometische Atmosphäre ausgebreitet habe.
1 Akad.-Ausg.: „Hemisphärien begegnend, einander”.
1 Akad.-Ausg.: „eines der andern“.
1 VgL Gensichens 3. Schlussanmerkung A 103 (in der vorliegenden Ausgabe S. 399 f.).
* Denn nach den Newtonischen Gesetzen der Attraktion wird ein Körper, der sich in dem Inwendigen einer Kugel befindet, nur von demjenigen Teile derselben angezogen, der in der Weite, welche jener vom Mittelpunkte hat, um diesen sphärisch beschrieben worden. Der ausser diesem Abstande befindliche konzentrische Teil tut, wegen des Gleichgewichts seiner Anziehungen, die einander aufheben, nichts dazu, weder den Körper zum Mittelpunkte hin, noch von ihm weg, zu bewegen.
1 Akad.-Ausg.: „des Äquatordurchmessers”.
1 Akad.-Ausg.: „verzögert und aufhält”.
2 Akad.-Ausg.: „von dem Saturn”.
3 Cassirer: „Saturnwirkung”.
1 Cassirer: „weil sie, indem”.
2 Akad.-Ausg.: „umbewegten”.
* Nachdem ich dieses aufgesetzet: finde ich in den Memoires der königl. Akademie der Wissenschaften zu Paris vom Jahre 1705 in einer Abhandlung des Herrn C a s s i n i v o n d e n T r a b a n t e n u n d d e m R i n g e d e s S a t u r n s, auf der 57isten Seite des zweiten Teils der v. Steinwehrschen Übersetzung, eine Bestätigung dieser Vermutung, die fast keinen Zweifel ihrer Richtigkeit mehr übrig lässt. Nachdem Herr Cassini einen Gedanken vorgetragen, der gewisser massen eine kleine Annäherung zu derjenigen Wahrheit hätte sein können, die wir herausgebracht haben, ob er gleich an sich unwahrscheinlich ist: nämlich, dass vielleicht dieser Ring ein Schwarm kleiner Trabanten sein möchte, die, vom Saturn aus, eben so anzu[[Anm. A 91>>sehen wären, als die Milchstrasse von der Erde aus erscheinet (welcher Gedanke Platz finden kann, wenn man vor diese kleine Trabanten die Dunstteilchen nimmt, die mit eben dergleichen Bewegung sich um ihn schwingen): so sagt er ferner: D i e s e n G e d a n k e n b e s t ä t i g t e n d i e O b s e r v a t i o n e n, d i e m a n i n d e n J a h r e n g e m a c h t, d a d e r R i n g d e s S a t u r n s b r e i t e r u n d o f f e n e r s c h i e n. D e n n m a n s a h e d i e B r e i t e d e s R i n g e s d u r c h e i n e d u n k e l e e l l i p t i s c h e L i n i e, d e r e n n ä c h s t e r T e i l, n a c h d e r K u g e l z u, h e l l e r w a r, a l s d e r e n t f e r n t e s t e, i n z w e e n T e i l e g e t e i l e t. D i e s e L i n i e b e m e r k t e g l e i c h s a m e i n e n k l e i n e n Z w i s c h e n r a u m z w i s c h e n d e n z w e e n T e i l e n, s o w i e d i e W e i t e d e r K u g e l v o m R i n g e, d u r c h d i e g r ö s s t e D u n k e l h e i t z w i s c h e n b e i d e n, a n g e z e i g e t w i r d.
1 Akad.-Ausg.: „Achsendrehung diesen den”.
2 Akad.-Ausg.: „sind”.
3 Akad.-Ausg.: „ausdrücken”.
1 Vgl. Gensichens 4. Schlussanmerkung A 203 f. (in der vorliegenden Ausgabe S. 400).
1 Akad.-Ausg.: „ihrer Oberfläche”.
2 Akad.-Ausg.: „einen Vorrath”.
1 Akad.-Ausg.: „ohne welche”.
1 Akad.-Ausg.: „anzutreffen, die ihrer”.
2 Cassirer: „anzutreffen, der ihre mitgeteilte”.
1 Akad.-Ausg.: „aus ihm”.
2 Akad.-Ausg.: „in dem”.
1 Akad.-Ausg.: „Bewegung”.
* Der Begriff einer unendlichen Ausdehnung der Welt findet unter den Metaphysikkündigern Gegner, und hat nur neulich an dem HerrnM. W e i t e n k a m p f einen gefunden. Wenn diese Herren, wegen der angeblichen Unmöglichkeit einer Menge ohne Zahl und Grenzen, sich zu dieser Idee nicht bequemen können: so wollte ich nur vorläufig fragen: ob die künftige Folge der Ewigkeit nicht eine wahre Unendlichkeit von Mannigfaltigkeiten und Veränderungen in sich fassen wird ? und ob diese unendliche Reihe nicht auf einmal schon jetzo dem göttlichen Verstande gänzlich gegenwärtig sei ? Wenn es nun möglich war, dass Gott den Begriff der Unendlichkeit, der seinem Verstande auf einmal darstehet, in einer auf einander folgenden Reihe würklich machen kann: warum sollte derselbe aicht den Begriff einer andern Unendlichkeit in einem, dem Raume nach, v e r b u n d e n e n Z u s a m m e n h a n g e darstellen, und dadurch den Umfang der Welt ohne Grenzen machen können ? Indessen, dass man diese Frage wird zu beantworten suchen, so werde mich der Gelegenheit, die sich darbieten wird, bedienen, durch eine aus der Natur der Zahlen gezo[[Anm. A 107>>gene Erläuterung, die vermeinte Schwierigkeit zu heben, woferne man, bei genauer Erwägung, es noch als eine einer Erörterung bedürftige Frage ansehen kann: ob dasjenige, was eine durch die höchste Weisheit begleitete Macht h e r v o r g e b r a c h t h a t, sich zu offenbaren, zu demjenigen, was sie hat h e r v o r b r i n g e n k ö n n e n, sich wie eine Differentialgrösse verhalte?
1 Akad.-Ausg.: „vor dem“.
2 Akad.-Ausg.: „man aus der“.
1 Akad.-Ausg.: „dieser zugleich mit seiner Schöpfung“.
1 Akad.-Ausg.: „gegen dieses“.
1 Akad.-Ausg.: „Aussicht“.
2 Akad.-Ausg.: „Ausbildung“.
3 Akad.- Ausg.: „Wir würden sehen“.
4 Akad.-Ausg.: „begraben liegt voll“.
1 Akad.-Ausg.: „der alle”.
2 Akad.-Ausg.: „in dem”.
1 Akad.-Ausg.: „nichts anders”.
2 Akad.-Ausg.: „des Wassers”.
1 Akad.-Ausg.: „gedämpft worden”.
1 Akad.-Ausg.: „Trümmern”.
1 Akad.-Ausg.: „Wechselwirkung der gesammten”.
1 Akad.-Ausg.: „dass in”.
2 Akad.-Ausg.: „gleichfalls, den”.
1 Akad.-Ausg.: „unterhalten werden”.
1 Cassirer: „seiner Erhaltung”.
2 Cassirer erwägt: „sie ihre”.
* Ich schreibe nicht ohne Ursache der Sonnen alle Unebenheiten des festen Landes, der Gebürge und der Täler zu, die wir auf unserer Erde und andern Weltkörpern antreffen. Die Bildung einer Weltkugel, die sich aus einem flüssigen Zustande in einen festen verändert, bringt notwendig solche Ungleichheiten auf der Oberfläche zuwege. Wenn die Oberfläche sich härtet, indessen, dass, in dem flüssigen inwendigen Teile solcher Masse, die Materien sich noch nach Massgebung ihrer Schwere zuin Mittelpunkte hinsenken: so werden die Partikeln des elastischen Luft- oder Feuerelements, das sich in diesen Materien mit untergemengt befindet, heraus gejagt, und häufen sich unter der indessen festgewordenen Rinde, unter welcher sie grosse, und nach Proportion des Sonnenklumpens ungeheure Höhlen erzeugen, in die gedachte oberste Rinde zuletzt mit mannigfaltigen Einbeugungen hereinsinkt, und so[[Anm. A 138>>wohl erhöhete Gegenden und Gebirge, als auch Täler und Flutbette weiter Feuerseen dadurch zubereitet.
* Ich habe eine Mutmassung, nach welcher es mir sehr wahrscheinlich zu sein dünket, dass der Sirius oder Hundsstern, in dem System der Sterne, die die Milchstrasse ausmachen, der Zentralkörper sei, und den Mittelpunkt einnehme, zu welchen sie sich alle beziehen. Wenn man dieses System, nach dem Entwurfe des ersten Teils dieser Abhandlung, wie ein Gewimmel von Sonnen, die zu einer gemeinschaftlichen Fläche gehäuft sein, ansiehet, welches nach allen Seiten von dem Mittelpunkte derselben ausgestreuet ist, und durch einen gewissen, so zu sagen, zirkelförmichten Raum, der, durch die geringe Abweichungen derselben von Beziehungsplane, sich auch in die Breite von beiden Seiten etwas ausdehnet, ausmacht: so wird die Sonne, die sich gleichfalls diesem Plane nahe befindet, die Erscheinung dieser zirkelförmichten, weisslicht schunmernden Zone nach derjenigen Seite hin am breitesten sehen, nach weleher sie sich der äussersten Grenze des Systems am nächsten befindet; denn es ist leicht zu vermuten, dass sie sich nicht eben gerade im Mittelpunkte aufhalten werde. Nun ist der Streif der Milchstrasse in dem Teile zwischen dem Zeichen des Schwans und des Schützens am breitesten, folglich wird dieses die Seite sein, da der Platz unserer Sonne der äussersten Peripherie des zirkelförmichten Systems am nächsten ist: und in diesem Teile werden wir den Ort, wo die Sternbilder des Adlers und Fuchses mit der Gans stehen, insonderheit vor den allernächsten halten, weil daselbst aus dem Zwischenraume, da die Milchstrasse sich teilet, die grösseste scheinbare Zerstreuung der Sterne erhel[[Anm. A 140>>let. Wenn man daher, ohngefähr von dem Orte neben dem Schwanze des Adlers, eine Linie mitten durch die Fläche der Milchstrasse bis zu dem gegen überstehenden Punkte ziehet: so muss diese auf den Mittelpunkt des Systems zutreffen, und sie trifft in der Tat sehr genau auf den Sirius, den hellesten Stern am ganzen Himmel, der, wegen dieser glücklichen, mit seiner vorzüglichen Gestalt sowohl harmonierenden Zusammentreffung, es zu verdienen scheinet, dass man ihn vor den Zentralkörper selber halte. Er würde, nach diesem Begriffe, auch gerade in dem Streife der Milchstrasse gesehen werden, wenn nicht der Stand unserer Sonne, der beim Schwanze des Adlers von dem Plane derselben etwas abweichet, nicht den optischen Abstand des Mittelpunktes gegen die andere Seite solcher Zone verursachte.
1 Akad.-Ausg.: „der Kühnheit“.
2 Akad.-Ausg.: „wollte ich mit“.
1 Cassirer: „den Anfang”.
2 Cassirer: „Wesen wohl”.
1 Akad.-Ausg.: „seiner”.
1 Akad.-Ausg.: „seiner”.
2 Akad.-Ausg.: „selbigen”.
1 Akad.-Ausg.: „wären”.
2 Cassirer: „alle Übereinstimmung”.
1 Akad.-Ausg.: „sichererer”.
1 Akad.-Ausg.: „unmittelbaren Hand”.
1 Cassirer erwägt: „es nicht nötig”.
2 Akad.-Ausg.: „zu haben”.
3 Akad.-Ausg.: „allmächtigen Willens”.
1 Akad.-Ausg.: „Materien”.
1 Akad.-Ausg.: „Verbindung die Elemente weder”.
2 Akad.-Ausg.: „so begreiflichen Grunde”.
1 Akad.-Ausg.: „fliessenden Einrichtung”.
1 Akad.-Ausg.: „ihres inwendigen”.
2 Akad.-Ausg.: „dürfen”.
1 Akad.-Ausg.: „sie durch die”.
1 Akad.-Ausg.: „demjenigen Planeten am”.
2 Akad.-Ausg.: „kann, sich zu”.
3 Akad.-Ausg.: „als von der Bahn”.
1 Akad.-Ausg.: „entferntere“.
2 Akad.-Ausg.: „hatte“.
1 Akad.-Ausg.: „beikommt, gegen welche, … sind, die übrigen“.
2 Cassirer erwägt: „Materien herrscht“.
3 Akad.-Ausg.: „werden“.
4 Akad.-Ausg.: „1 zu 1“.
1 Akad.-Ausg.: „diesen“.
1 Akad.-Ausg.: „höchsten Wesens“.
1 Akad.-Ausg.: „werde ich in“.
1 Akad.-Ausg.: „Reiche der Wissenschaften”.
1 Akad.-Ausg.: „seiner ganzen”.
2 Cassirer erwägt: „ihrer”.
1 Akad.-Ausg.: „von den Eindrücken”.
* Es ist aus den Gründen der Psychologie ausgemacht, dass, vermöge der jetzigen Verfassung, darin die Sch÷pfung Seele und Leib von einander abhĺngig gemachet hat, die erstere nicht allein alle Begriffe des U n i v e r s i durch des letztern Gemeinschaft und Einfluss überkommen muss, sondern auch die Ausübung seiner Denkungskraft selber auf dessen Verfassung ankommt, und von dessen Beihülfe die nötige Fähigkeit dazu entlehnet.
1 Akad.-Ausg.: „die sinnlichen Reizungen”.
1 Akad.-Ausg.: „Materien”.
2 Akad.-Ausg.: „damit ich alles zusammenfasse”.
3 Akad.-Ausg.: „Proportionen”.
4 Akad.-Ausg.: „dasselbe”.
5 Akad.-Ausg.: „nach welchem”.
1 Akad.-Ausg.: „werden”.
1 Akad.-Ausg.: „Wesen”.
2 Akad.-Ausg.: „in allen Geschöpfen”.
1 Akad.-Ausg.: „werde, um”; Cassirer: „worden, um”.
2 Akad.- Ausg.: „und einwenden, dass”.
1 Cassirer: „zusammenstimmen“.
1 Cassirer: „beiderlei Arten“.
1 Auf der Rückseite des Titelblattes bringt das Original (laut Akad.- Ausg.) die von dem Respondenten Borchard herrührende Widmung:
* Huic annumerare licet rationem identicam, ubi notio subiecti per suam cum praedicato perfectam identitatem hoc determinat; e. g. triangulum habet tria latera; ubi determinati notio notionem determinantis nec sequitur nec praecedit.
* Nihil hic ill. Daries detraxisse cupio, cuius argumenta, immo etiam nonnullorum aliorum, magni quidem ad gravandum rationis determinantis principium momenti esse profiteor, sed quoniam hisce e laudato D. Crusio allegandis admodum affinia esse videntur, me responsionem dubiorum ad haec potissimum adstringere posse, haud invitis magnis alioquin viris, autumo.
1 Akad.-Ausg.: „quotcunque“.
* Hic secundum sensum communem vim impressam, tanquam illatam realitatem, quanquam proprie non sit nisi quaedam realitatis insitae limitatio s. directio, concipere liceat.
1 Vgl. Leibniz (Gerhardt, Phil. VII 184 E.), Dissertatio de Arte Combinatoria (Gerhardt, Phil. IV 27).
* Hierzu darf man auch den identischen Grund rechnen, wo der Begriff des Subjekts dieses durch seine vollkommene Identität mit dem Prädikat bestimmt; z. B. das Dreieck hat drei Seiten; wo der Begriff des Bestimmten dem Begriff des Bestimmenden weder folgt noch vorhergeht.
1 Ätherkügelchen (globulorum aetheris)?
1 Vgl. Der einzig mögliche Beweisgrund A 47.
* Ich möchte dem berühmten Darjes hier nichts vorenthalten haben, von dessen Beweisen, wie auch denen einiger anderer, ich einräume, dass sie für die Erschwerung des Satzes des bestimmenden Grundes von grosser Bedeutung sind, aber sie scheinen denen, die aus dem vortrefflichen D. Crusius angeführt werden sollen, sehr verwandt zu sein, weshalb ich glaube, die Beantwortung der Einwände vornehmlich an diese binden zu können, ohne dass die an sich schon grossen Männer etwas dagegen haben werden.
1 Zum Begriff „futuritio“ vgl. Leibniz, Essais de Theodicee, I 37 (Gerhardt, Phil. VI, 124).
1 Nicolovius: „unvermeidlichen“; unüberwindlichen (invictam)?
1 Zur Übersetzung von „mundus spiritualis“ vgl. Träume eihes Geistersehers A 37 Refl. 4108 (Akad.-Ausg. XVII 419); 4238 (Akad.-Ausg. XVII 472).
1 Zur Übersetzung von „abstractio“ vgl. Bd. III, S. 35, Anm. 1.
* Es sei gestattet, hier der gemeinen Ansicht gemäss die eingedrückte Kraft als eine übertragene Realität vorzustellen, wenn sie auch eigentlich nur eine Einschränkung oder Richtung der eingepflanzten Realität ist.
1 Zur Übersetzung von „nisus“ vgl. Gedanken von der wahren Schätzung A 121.
1 Zur Übersetzung von „cogitationes“ vgl. Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels A 181.